Vampire: Die Maskerade


Eine Welt der Dunkelheit
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 Betreff des Beitrags: Die Fesseln der Macht
BeitragVerfasst: Di 12. Jan 2016, 18:34 
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Es kommt für jeden der Augenblick der Wahl und der Entscheidung: Ob er sein eigenes Leben führen will,
ein höchst persönliches Leben in tiefster Fülle, oder ob er sich zu jenem falschen, seichten, erniedrigenden Dasein entschließen soll,
das die Heuchelei der Welt von ihm begehrt.
~Oscar Wilde~


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Es war einer dieser langen Nächte, in denen der Regen einfach nicht aufhören wollte. Das frostige Eis, das die unzähligen gepflasterten Straßen und Kanäle von Brügge säumte, war spiegelglatt und würde durch den anhaltenden Dauerregen demnächst noch glatter werden. Bis zum Morgen, sanken die Temperaruten nämlich auch wieder. Alida selbst wäre ein paar Mal hingefallen und selbst der eine oder andere Handelszug, war durch die Tücken des Winters verspätet angekommen. Das Hospital hatte um diese Jahreszeit genug zu tun, von der einfachsten Erkältung bis hin zu gefährlichen Lungenentzündungen, war die Kalte Jahreszeit stets geprägt von Entbehrungen und einem harten Tagewerk. Wenigstens die Kinder hatten ihren Spaß an den Schneebergen und der eine oder andere Schneemann, gesellte sich vor den Toren der Stadt zu seinesgleichen.

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Alida saß in ihrer Schreibstube, umgeben von wohliger Wärme, die ein naher, gut versorgter Kaminofen erzeugte, auf einem Tablett vor ihr standen zwei irdene Becher und daneben eine große Kanne mit heißem Wasser, einem guten Schuss Schnaps und belebenden Kräutern. Eine der Mägde hatte sich das Rezept vom örtlichen Heiler zukommen lassen und wenn man den bitteren Nachgeschmack außer Acht ließ, so könnte man das Getränk ohne Zweifel als wohlschmeckend bezeichnen. Das machte der Honig, der eine gewisse Süße darin entfaltete. Getrunken hatte davon bis vor kurzem noch einer von Alidas Handelspartnern aus Flandern, war mittlerweile aber schon wieder in seine Unterkunft aufgebrochen. Die Tzimisce hatte aber selbstredend noch auch nach dem kurzen Gespräch einiges zu tun, denn die erhaltenen Waren, mussten mit den Lagerbeständen und dem aktuellen Bedarf abgeglichen werden, sodass man dem guten Mann, bei Sonnenaufgang gleich die nächste Bestellung mitteilen konnte. Es hatte durchaus auch seine Vorteile, die ganze Nacht über arbeiten zu können. Oder hätte es haben können, wenn Alida nicht unterbrochen worden wäre. Ein sanftes Klopfen an die Tür zur Schreibstube.

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Verfasst: Di 12. Jan 2016, 18:34 


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 Betreff des Beitrags: Re: Die Fesseln der Macht
BeitragVerfasst: Di 12. Jan 2016, 19:06 
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Alida straffte die Schultern und legte die Dokumente übereinander gestapelt zur Seite. Sie überschlug in Gedanken kurz die Menge seiner Waren, die sie in den letzten Monaten hatten verkaufen können und war insgesamt zufrieden. Gute, stabile, gleichbleibende Qualität aus Flandern. Das sprach sich in den Häfen, die sie belieferten herum und verschaffte wohl auch in Zukunft weitere Abnehmer. Dank Handelspartnern, die man in der eisigen Winternacht mit alkoholisiertem Kräutertee bewirten konnte. Hoffentlich hatte der Gute nun nicht zu viel intus und kam noch gut ohne Stürze, blaue Flecken und gebrochene Knochen nach Hause.
Sie sah ein wenig überrascht zur Tür. „Herein!“

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 Betreff des Beitrags: Re: Die Fesseln der Macht
BeitragVerfasst: Di 12. Jan 2016, 22:29 
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Die Tür wurde einen Spalt geöffnet und das rundliche Gesicht einer der Köchinnen im Haus wurde sichtbar. Die immer zuverlässige und liebenswerte Berta, die schon damals für den kleinen Konstantin immer wieder alle möglichen Leckereien gezaubert hatte, kam zum Vorschein. Ihre süßen Kuchen waren legendär, was auch mit ein Grund dafür war, das man sie eingestellt hatte. Für die sterbliche Seite der van de Burse, war sie so etwas wie die Hauptverantwortliche für das leibliche Wohl geworden und ihren lauter Singsang während der Arbeit, hätte man sich tagsüber nicht mehr wegdenken können. In der Hand hielt sie noch immer eine schmale Holzkiste, in der sich verschiedenes Gemüse befand. Offenbar hatte sie etwas empfindlich in ihrer Arbeit gestört.

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„Verzeiht mir euch bei euren dringlichen Angelegenheiten zu stören Alida aber ich glaube da gibt es etwas das nach eurer Aufmerksamkeit verlangt.“ Die rotbackige Köchin wirkte etwas unsicher, so als wüsste sie gar nicht wo sie anfangen sollte.

„Ich wollte für morgen früh noch etwas Gemüse holen und habe ein paar nicht mehr verwertbare Nahrungsmittel aussortiert. Zusammen mit den Küchenresten von gestern, habe ich die Käte nach draußen zu den Pferden und Hunden geschickt und die kam mir vor ein paar Minuten ganz aufgeregt entgegen.“ Sie schluckte etwas und hob die Schultern.

„Die Stadtwache hat scheinbar jemanden aufgegriffen, der in unser schönes Haus einbrechen wollte. Ich bat die Herren etwas Rücksicht zu nehmen denn…. unser Einbrecher ist ein junges Mädchen, ein Kind gar. Sie zetert und schreit wie verrückt, ganz in Lumpen gekleidet ist sie aber die Zungen in denen sie redet, versteht niemand. Ich bat den Gefreiten Gustl noch einen Augenblick zu warten und bin so schnell es geht zu euch gekommen.“ Die Farbe war ein wenig aus ihren roten Wangen gewichen, soviel Aufregung zu dieser Uhrzeit bekam der dicklichen Frau wohl nicht sonderlich.

„Ein Verbrechen ist ein Verbrechen aber ein Kind in Ketten legen. Ihr seid doch so bewandert in den Sprachen Alida, wollte ihr da nicht ein gutes Wort einlegen für das Ding beim Gustl?“

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 Betreff des Beitrags: Re: Die Fesseln der Macht
BeitragVerfasst: Mi 13. Jan 2016, 08:47 
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„Dix… Berta?“ Alida sah die gute Seele der Küche erfreut über den unerwarteten Besuch ab. Die gutherzige, rundliche Frau war ein Segen für die Familie van de Burse, das Haus und auch das leibliche Wohl. Sie hörte ihr aufmerksam zu, nickte dann und wann.
„Ein Mädchen, sagst du?“ Alida verstaute die Papiere, die sie mit ihrem Handelspartner durchgesehen hatte, in einer Mappe und stellte sie zu anderen derzeit aktuellen Geschäftspapieren in ein Regal. „Ich geh‘ s mir mal anschauen. Vielleicht hab ich ihren Dialekt ja wirklich schon mal gehört, und kann raus bekommen, was sie bei uns wollte.“ Die blonde Frau erhob sich. „Es ist gut, dass du dich darum gekümmert hast.“ Sie schenkte der Köchin ein dankbares Lächeln und schritt die Treppe hinunter.

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 Betreff des Beitrags: Re: Die Fesseln der Macht
BeitragVerfasst: Mi 13. Jan 2016, 23:11 
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Es würde kaum einen Wimpernschlag dauern, da wäre Alida auch schon von der Treppe ins Erdgeschoss gelangt, wo sie bereits Käte und zwei andere Mädchen mit den neugierigen Nasen, beinahe am Fenster plattgedrückt, vorfinden würde. Die jungen Dinger, hätten eigentlich längst im Bett sein sollen, zumal ihnen morgen wieder ein harter Arbeitstag bevorstand. Offenbar hatte Käte ihre Freundinnen aber unbedingt noch aufwecken müssen, damit man das Spektakel da vor der Tür auch ja nicht verpasste. Als Alida sich näherte, huschten die Mädchen wie aufgescheuchte Hühner weg von ihrem ‚Beobachtungsposten‘ und murmelten einige entschuldigende Worte, ehe sie sich mit einem leichten Knicks wieder zu den Räumlichkeiten des Gesindes aufmachten. Von draußen hörte man schon die ersten dumpfen, unverkennbar weiblichen Schreie einer jungen Frau.

Als Alida die Tür öffnete, bemerkte sie den einsetzenden Regen, der sich in wenigen Stunden bereits wieder zu festem Eis verwandeln würde. Zwei gut gerüstete und gewappnete Stadtgardisten, auf deren Wappenröcken das Emblem der Stadt Brügge prangte, versuchten gerade mit einigem Kraftaufwand, eine junge, dunkelhaarige Frau zu bändigen, die ihnen harte, konsonantenbetonte Worte entgegenschleuderte. Immer wieder wurden die Gardisten getreten, bespuckt, angeschrien und manches Mal fast gebissen. Die fremdländisch wirkende Frau, gebärdete sich wie wild, ganz so, als stünde ihr keine Festnahme sondern etwas gänzlich anderes bevor. Gefreiter Gustav oder von allen liebevoll einfach ‚der Gustl‘ genannt, hatte alle Mühe seinen aufkeimenden Zorn hinunterzuwürgen und schrie fast schon auf die vermeintliche Verbrecherin ein.

„Ja in Gottes Namen beruhigt euch doch endlich! Wir sind hier nicht bei den Wilden, ihr bekommt ein anständiges Verfahren, ein wärmendes Feuer und ausreichend zu essen. Vielleicht haben die ja da wo ihr herkommt, nur Unrat und Fäkalien zu bieten aber wir führen ein anständiges Gefängnis. Ja Herrschaftzeiten noch einmal… wollt ihr euch nicht endlich beruhigen? Ich bitt euch.“ Mit einem energischen Blick zu dem jungen Rekruten an seiner Seite stöhnte er nur schmerzverzerrt auf, als das Mädchen ihm gegen das Schienbein trat. „Himmel noch einmal, Gunther jetzt halt sie doch fest. Hat man so etwas schon erlebt?“

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 Betreff des Beitrags: Re: Die Fesseln der Macht
BeitragVerfasst: Mi 13. Jan 2016, 23:35 
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Alida blieb vorsichtig in einigen Metern Entfernung stehen. Sie betrachtete das seltsame Schauspiel und ließ ihren Blick dann über die verzweifelt wirkende junge Frau schweifen. Sie suchte nach mehr als dem oberflächlichen Auge zur Verfügung stand. (Auspex 2: 3 Erfolge)
Sie zog ihren Mantel enger um den Körper und ging langsam um nicht auszurutschen näher. Sie wandte sich zunächst an die Wachmänner ohne das Mädchen aus den Augen zu lassen. „Danke, Gustl, dass ihr hier in dieser Nacht die Stellung haltet und euch so hart für die Sicherheit der Bewohner Brügges einsetzt. Was ist denn geschehen?“ Sie hörte sich die Sprache des Mädchens näher an, versuchte die Wortfetzen einer ihr bekannten Klangmelodie zuzuordnen.

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 Betreff des Beitrags: Re: Die Fesseln der Macht
BeitragVerfasst: Mo 18. Jan 2016, 13:58 
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Alidas scharfe Sinne, die über das gewöhnlich-sterbliche Maß weit hinaus gingen, offenbarten ihr ein Kaleidoskop artiges Miasma an verschiedenen Farben, die mit einwandfreier Sicherheit zu deuten, nur jemandem mit ausreichender Kenntnis auf dem Gebiet des Auspex möglich gewesen wäre. Zwar hatte sie von der Fähigkeit des Aura-Lesens, in den letzten Jahren nur wenig Gebrauch gemacht aber die bislang erworbene Erfahrung, ließ sie die bunten Muster recht zügig entwirren um ein paar dominante Aspekte bemerkbar zu machen. Die Frau war zweifelsfrei sterblich und erfreute sich bester Gesundheit, obgleich die gelegentlichen Schlieren, Rückschlüsse auf einen Ghul-Status zuließen – zumindest beinahe. Etwas war anders in diesem Bild. Sterblich und Ghul-ähnlich aber bei weitem näher an der Unsterblichkeit, als beispielsweise Lilianes treuer Diener Michel. Die dominierenden Emotionen der Frau waren, wie könnte es anders sein, Wut und Verzweiflung, gepaart mit einer im Hintergrund schwelenden Angst, die sich mit den zuckenden Wellen der vorher beschriebenen Gefühle, abwechselte.

Schon als sie sich dem Mädchen näherte, schienen ihr die harsch herumfliegenden Wortbrocken bekannt vorzukommen. Gute und auch schlechte Erinnerungen, konnte sie mit dieser Sprache verbinden. Emilian sprach sie für gewöhnlich mit seinen Getreuen aber auch die Kriegstreiber des Ostens, hatten sie sich in ihrem letzten Eroberungsfeldzug gegen Brügge, vor ein paar Jahren noch lauthals zugeworfen: Das Mädchen fluchte in Russisch.

Und als Alida näher trat, das Mädchen nicht aus den Augen lassend, würde sie bemerken, dass nun diese ihrerseits Alida starr fixierte. Es war so als wäre ihr Erscheinen genau das gewesen, worauf die vermeintliche Russin gewartet hätte, denn sie versuchte sich nunmehr nur umso fester aus der Umklammerung der Wachleute zu lösen. Gelegentlich wollte sie scheinbar auch direkt Alida ansprechen aber da die Wachleute eisern nach vorne in Richtung Gefängnis drängten, musste sie ihre Kräfte darauf verschwenden, gegenzuhalten.

Der überraschte Gustl schien überhaupt nicht mit Alida gerechnet zu haben, brachte nur ein überraschtes Nicken zustande, obwohl er sich ansonsten sicher angemessen verbeugt hätte. Allein die derzeitigen Umstände, machten eine derartige Begrüßung aber schwierig.

„Herrin Alida, meine Güte. Verzeiht dass wir euch noch so spät in der Nacht aus dem Bett geholt haben. Der Lärm muss euch geweckt haben, ich bitt aufrichtig um Entschuldigung. Das hier…“, er sah entnervt zu dem Mädchen, „… wird gleich erledigt sein. Ihr müsst euch nicht sorgen.“ Sein Wachkollege Gunther, wandte sich nun ebenfalls der jungen Frau allmählich überdrüssig werdend, knapp an Alida.

„Es ist nichts weiter geschehen Herrin. Nur eine zerlumpte Fremdländerin, die dabei beobachtet wurde, wie sie versuchte die Mauer zu eurem Anwesen zu erklimmen. Offenbar ist sie zuvor schon am versperrten Tor gescheitert. Ein Überbleibsel des Krieges womöglich. Eine der Ostdirnen, an denen die Wilden aus den entfernten Landen wohl keinen Gefallen mehr gefunden haben.“ Er seufzte kurz, als das Mädchen sich erneut wie wild gebärdete.

„Der Hunger und die Kälte, haben sie wohl schon wahnsinnig gemacht. Ihr müsste euch nicht näher damit befassen, sie bekommt die beste Zelle die wir frei haben, bis der Richter ein Urteil fällt. Wenn sie Glück hat, kommt sie in ein Arbeitslager. Da gibt’s dann wenigstens drei Mahlzeiten täglich und sie macht sich nützlich.“

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 Betreff des Beitrags: Re: Die Fesseln der Macht
BeitragVerfasst: Mi 20. Jan 2016, 21:57 
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Alida schüttelte den Kopf. „Danke, Gefreiter Gustl, dass Ihr euch so zuverlässig um das Wohl der Stadt und meiner Familie sorgt, aber hier scheint wohl ein Missverständnis vorzuliegen. Das Mädchen hat brav wie es sich gehört am Tor Einlass gesucht. Allerdings tendieren wir derzeit bei der Kälte dazu, es ab der zehnten Abendstunde zu verschließen und den Torwächter nach Hause zu Heim und Herd zu schicken. Wahrscheinlich hat das Mädchen mit dieser wetterbedingten Änderung unserer üblichen Vorgehensweisen keinen Zugang erhalten. Vielleicht wurde sie von einem meiner Handelspartner geschickt. Ich betreibe Geschäfte mit einigen Händlern in den Königreichen im Osten.
Lasst mich ein paar Worte mit ihr wechseln, werter Gustl.“
Sie trat näher an die junge Frau heran, blieb dennoch in sicherem Abstand stehen. Vielleicht war das der Versuch eines östlichen Feindes einen Wiedergänger zu ihr zu schicken um sie zu attackieren oder Informationen zu ihrem Zuhause oder ihrer Familie heraus zu bekommen.
Der Gustl war bei weitem nicht die hellste Kerze im Schrank aber er war dennoch klug und erfahren genug, in der Ausübung seines Dienstes als Gefreiter der Stadtwache erkennen zu können, wenn eine Geschichte stimmen mochte oder wenn jemand ein bisschen was dazu erfand. Zumeist konnte aber selbst der gute Gustl nicht sagen, was gelogen oder erfunden war, nur sein krauser Bart begann dann wie wild zu jucken. Und gerade als Alida ihm etwas vom Torwächter und der zehnten Stunde erzählte, kratze er sich eifrig mit einer Hand am Kinn, während er das Mädchen noch immer festhielt. Wenn die Frau van de Burse das sagte, dann konnte er wohl nichts dagegen sagen. "Nun ich....", er suchte wohl die richtigen Worte. "Ich hätte schwören können eine eurer Mägde hat die Fremde sogar noch bei einer Patrouille gemeldet. Die Käte wars, wenn ich mich recht entsinne aber die Käte hat sich auch schon mal geirrt." Etwas unsicher sah er zu Gunther aber schlussendlich nickte er bekräftigend. Wenigstens hatten sie ihren Soll erfüllt, wenn Alida sich mit der kreischenden Frau abgeben wollte; dann sollte es eben so sein. Man ließ das Mädchen los und dieses, rannte wie von Sinnen zu Alida und warf sich dieser wie einer Fürstin von hohem Blute vor die Füße. Jetzt erst, im Schein einer Pechfackel in der Nähe des Eingangs zum Anwesen, konnte Alida das bekannte Gesicht erkennen. Eine der Wiedergängerinnen aus Emilians Familie: Anja. Geradewegs diese Anja, die 'Belinkov' seinerzeit aus dem Raum zitiert hatte. Damals als sie ihn nicht wiedererkannt hatte. Alida konnte ein wenig russisch, zumindest genug um einfache Sätze zu verstehen und antworten zu können doch das Mädchen redete wie ein Wasserfall und sehr gehetzt. Daran mochten vielleicht auch die Wachen liegen, die sich gegenseitig fragende Blicke zuwarfen und immer noch hinter dem Mädchen standen. Sie hatten Alida zugesichert, dass sie mit ihr reden dürfte, dass die Sache nicht noch vor dem Richter landen würde, hatte noch niemand gesagt. Die Frau sprach irgendwie so wie die Schlächter für ein paar Jahren, das war schon allein deswegen verdächtig. Zwischen all den russischen Brocken, verstand Alida aber ganz sicher folgende Wörter: "Gent - Drache - Blut - Ehre - .... und dann ein Wort, das sie noch nie gehört hatte. Sie war sich nicht einmal sicher ob es russisch war.“
Die blonde Händlerin sog erschrocken die Luft ein. Gerne wäre sie auf das Mädchen zugegangen, hätte ihr vom Boden aufgeholfen. Sie ging mehrere Schritte auf es zu, fixierte es fest und schüttelte bestimmt den Kopf, machte dann eine ablehnende Handbewegung. Die Geste war eindeutig: sie sollte einen Augenblick schweigen.
Alida war nicht in der Lage die hastigen Worte in der ihr nach wie vor fremd in den Ohren klingenden Sprache zu verstehen und die Blicke der Wachmänner lenkten sie zusätzlich ab. Sie ging auf die beiden Männer zu, die sie um Haupteslänge überragten.
„Natürlich hat Käte es gemeldet, wenn jemand über die Mauern klettert. Ein solches Verhalten ist hier in Brügge alles andere als üblich. Das Mädchen hier ist tatsächlich eine Dienerin eines meiner Handelspartner aus dem Osten und die Sitten und Gebräuche der Menschen dort sind etwas… direkter und bestimmter als unsere eigenen. Ich kenne sie und versichere euch, dass sie in keinster Weise eine Diebin oder Mörderin ist. Ich würde mich freuen, wenn ihr euch in der Küche von unserer zuverlässigen pflichtbewussten Käte mit einem Humpen Gewürzwein und einer Scheibe heißen Schinken für das Chaos entschädigen lassen würdet, das wir und das Mädchen verursacht haben.“ Sie nickte den Männern bestärkend zu und blickte deutlich in Richtung Küche.
Die Männer sahen sich gegenseitig an und überlegten einen Augenblick. Auf der einen Seite war ein Verbrechen gemeldet worden, auf der anderen Seite gab es anscheinend keines. Naja, die Käte war ja dafür bekannt recht neugierig zu sein und allerlei Tratsch am Markt zu verbreiten, vielleicht hatte sie diesmal auch nicht genauer hingesehen. Frau van de Burse aber tätigte internationale Geschäfte, bei jemanden ihres Kalibers, konnte man durchaus von der Wahrheit ausgehen. So merkwürdig sie klingen mochte. Immerhin - und das war schlussendlich ausschlaggebend, die ganze Angelegenheit so schnell wie möglich zu einem guten Ende zu bringen - gab es Gewürzwein und Schinken. Womöglich noch vom Speck-Hannes. Es war dem Gustl als auch dem Gunther anzusehen, dass sie lieber zur Käte in die Küche wollten, bevor sie die schreiende Frau quer durch die Stadt zerren mussten. Der Gustl nickte schließlich. "Ah, na ihr werdet es schon wissen, gnä' Frau Alida. Und ich glaube wir können das Missverständnis ruhig so stehen lassen, immerhin verbürgt ihr euch ja, dass alles seine Richtigkeit hat. Nur sagt den Dienstmädchen, das nächste Mal euch soll man euch holen, bevor die Nachtwache benachrichtigt wird. Der Hauptmann hat‘s nicht gern, wenn wir unsere Pflichten vernachlässigen, weil jemand Feuer ruft, wo keines ist. Eure Einladung nehmen wir aber gerne an, danke. Und eine gute Nacht noch. Gnä' Frau." Beide verbeugten sich knapp und passierten ein letztes Mal das Mädchen, welches mittlerweile aufgehört hatte auf Alida einzureden, die Wachmänner aber aus großen Augen anstarrte, bis diese über den Hinterhof, in die Küche verschwunden waren. Danach erhob sie sich und umschloss die Hände von Alida, sie zitterte am Körper vor Kälte und Erschöpfung aber auch etwas anderes lag da in ihrem Blick - Angst.
Alida war froh, dass die beiden Männer verschwunden waren. Zuverlässige Kerle, auf die Lucien sich verlassen konnte, aber manchmal doch etwas zu pflichtschuldig.
Sie klopfte dem Mädchen kurz aufmunternd auf die Schulter, musterte sie dann genau. Sie war immer wieder fasziniert davon wie langsam Wiedergänger alterten. Das kainitische Blut verlängerte ihre Lebensspanne deutlich und auch das Mädchen hatte sich seit der ersten Begegnung mit Belinkov vor über fünfzehn Jahren kaum verändert. Alida zog ihren Mantel von den Schultern und legte ihr den dicken Stoff ohne Widerstand zuzulassen um die Schultern. Sie versuchte die richtigen Silben, die sie in den letzten Jahren fast täglich gehört hatte aneinander zu reihen und sie hoffte, dass es nicht zu lächerlich klang. „Komm mit.“ Dann ging sie Richtung Wohnhaus.

Anja ließ sich ohne großen Widerstand den Mantel um die Schultern legen und ins Wohnhaus führen. Ihr Körper war völlig durchnässt und erst jetzt merkte Alida, wie kalt sie sich anfühlte. Das unheilige Blut der Unsterblichen, vermochte wohl auch die natürliche Widerstandsfähigkeit zu verlängern. Dieser Umstand und die Tatsache, dass der gewöhnliche Russe über den flandrischen Winter nur laut lachen konnte, war wohl dafür verantwortlich, dass Anja überhaupt noch lebte. Nachdem die Tür ins Schloss gefallen war, trat sofort Berta aus dem Nebenraum hervor und schlug die Hände vor dem Gesicht zusammen. "Heilige Maria…", entfuhr es ihr aber anstatt die Fremde zu verurteilen, eilte sie sogleich in die Küche. "Meine Güte, ich werde heißes Wasser aufsetzen und Decken holen gehen, wir müssen das Kind aufwärmen. Ich hab das beim Franz vor zehn Jahren schon gesehen, dem mussten sie ein Bein abnehmen." Irgendwie verabsäumte sie es, Alida überhaupt diesbezüglich zu fragen. Vermutlich durfte man das Berta aber nicht übel nehmen, die gute Seele des Haushaltes, war bei über zwei dutzend Geburten dabei gewesen, hatte Seuchen, Kriege und den gewöhnlichen Katarr gesehen. Im Grunde war sie der hilfsbereite Hausgeist, der jedem mit einem Hausmittel und der wärmenden Liebe einer Mutter begegnete, die selber nie welche haben konnte. Sie holte auch die Käte und zwei andere Mädchen aus dem Bett, damit diese ihr halfen. Gemeinsam mit Alida, würde Anja dann vor den Kamin gepackt werden, wo noch einmal extra Feuerholz nachgelegt wurde. Ihre Füße wurden in warmes Wasser getaucht und die Mädchen trockneten der Russin die klatschnassen Haare, die teilweise schon gefroren waren. Als Anja halbwegs trocken war und man ihr auch ein dickes Nachthemd besorgt hatte, servierte Berta etwas von dem guten alten Hausmittel, das Alida schon zuvor ihrem Handelspartner aufgewartet hatte - vielleicht mit etwas mehr Schnaps; die Russen vertragen das ja angeblich. Zudem gab es ein wenig Käse, Fleisch und Brot, welches Anja hastig hinunterschlang. 'Wie die Wilden' hätten sicher ein paar Brügger gedacht aber auch Alida hatte diese Bilder von Essen verschlingenden Menschen gesehen, kurz nach dem Krieg. Das war der Selbsterhaltungstrieb der Verhungernden. Schlussendlich war Alida allein mit dem Mädchen in dem Raum, Berta hatte sich zurückgezogen, blieb aber in Rufreichweite. Allmählich kam wieder Farbe in das Gesicht der Wiedergängerin.
Alida hatte auf einem Schemel in der Nähe des Kamins, aber in notwendigem Abstand zu den wärmenden Flammen Platz genommen und die Hände im Schoß zusammen gelegt. Sie wartete, dass Berta ihr Werk tat. Sie wusste gegen Berta war kein Kraut gewachsen. Die gute Seele des Hauses duldete keinen Widerspruch wenn es um das Wohl ihrer Schützlinge ging und so fügte sich Alida notgedrungen und übte sich in Geduld.

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Sie sprach das Mädchen schließlich als sie allein waren in ihrem akzentbehafteten Russisch an und schenkte ihr ein aufmunterndes Lächeln. „Du hast ganz schöne Verwirrung gestiftet, Anja.“ Sie wartete einige Sekunden. „Du siehst sehr beunruhigt aus. Was ist los?“

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 Betreff des Beitrags: Re: Die Fesseln der Macht
BeitragVerfasst: Do 21. Jan 2016, 22:34 
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Anja sah mittlerweile bedeutend besser aus und hatte sich wieder ein wenig gefasst. Dies war nicht zuletzt dem wärmenden Feuer und der heißen Gewürzmischung zu verdanken, welche die gute Berta noch eilig zubereitet hatte. Wenn sie Glück hatte, würde sie nicht einmal eine Verkühlung davon tragen. Die frisch aufgelegten Holzscheite knackten, als die junge Russin die irdene Tasse mit beiden Händen fest umschlossen hielt und Alida beinahe erschrocken fixierte. Was immer sie ihr noch zuvor so eilig mitteilen wollte, gerade schien es so als würde ihr dies einige Mühen bereiten. Sie biss sich auf die Lippen und nickte dann knapp. Alida war des Russischen halbwegs mächtig auch wenn ihr Dialekt bisweilen noch recht stark sein mochte und viele Begriffe ihr nichts sagten, verstand sie doch genug um einer einfachen, langsamen Konversation folgen zu können. Es ergab sich gut, dass Anja ihre Worte nunmehr um einiges langsamer an sie richtete.

„Es ist… etwas Schreckliches passiert, ich weiß es Herrin.“ Sie seufzte kurz. „Es war vor ungefähr drei Tagen, da erhielt unser Herr Belinkov hohen Besuch. Einer der Bojaren, ein hoher Adeliger und wichtiger Mann. Herr Belinkov schickte uns zu unseren Arbeiten, nicht einmal Meister Girland durfte bei dem Gespräch anwesend sein.“ Anja nahm einen weiteren Schluck aus dem dampfenden Becher. „Worüber sie sprachen, weiß ich nicht aber nachdem der hohe Herr wieder gegangen war, wies Belinkov uns an, uns für die Dauer seiner Reise, die er bald antreten würde, auf Meister Girland zu hören. Niemand sollte wissen, dass er weg ist und es sollte auch niemand das Anwesen verlassen – so lautete der Befehl.“ Ihre Augen weiteten sich.

„Ich… ich habe mich den Befehlen widersetzt… habe mich nachts aus den Gemächern geschlichen und vom Fenster aus beobachtet, wie Herr Belinkov das Pferd sattelte. Girland half ihm dabei. Sie wechselten einige Worte und er ritt davon… allein. Wohin kann ich wie gesagt nicht sagen aber… er trug Schwert und Schild bei sich und der Packesel an seiner Seite, war gewiss mit anderen Dingen ausgestattet die….“. Anja schluckte. „Ich weiß das euch Herr Belinkov viel bedeutet Alida van de Burse und auch wenn wir das Anwesen nicht verlassen sollten, habe ich mich davongestohlen um euch dies zu berichten: Wo immer Herr Belinkov hin unterwegs ist, ich habe Angst, dass er nicht wieder zurückkehren wird.“ Sie ergriff Alidas Hände.

„Ich stahl ein Pferd und machte mich auf den Weg nach Brügge. Unterwegs wurde ich überfallen und verlor mein Reittier; musste mich auf den Pferdewägen und Handelstrossen verstecken, um endlich bei euch anzukommen. Ich weiß, die Strafe für mein Ungehorsam wird hoch sein aber ich habe Angst um den Herrn und ich weiß, das ihr ihn lieb habt.. ich sehe es an euren Augen, wenn ihr mit ihm sprecht und uns Gesellschaft leistet. Und wenn nicht einmal Girland etwas tut dann…. Dann…“ Die Russin unterdrückte die ersten aufkeimenden Tränen.

Alida hörte dem Mädchen aufmerksam zu und spürte die Anspannung in ihrem Inneren. Sie versuchte das Gefühl von Furcht herunterzuschlucken. Sie hatte Anja schon damals in Genua gemocht, aber das Mädchen war Teil von Belinkovs Wiedergängerfamilie, die rauen Sitten des Ostens gewohnt und die blonde Händlerin wusste, welche Rolle sie zu spielen hatte.
„Anja, deine Sorge ehrt dich und dein Mut zeichnet dich aus. Nichtsdestotrotz hast du einen direkten Befehl deines Herrn missachtet. Belinkov weiß, was er tut und trifft seine Entscheidungen nach reichlichem Nachdenken und langer Überlegung. Du hättest nicht vorschnell handeln sollen.“ Sie hielt einen Moment inne, sah in Richtung des Feuers um dem Blick der braunhaarigen Frau auszuweichen, denn sie befürchtete, dass man darin die gleiche Sorge erkennen konnte, die sie bei der Dienerin vermutete. Ja, Emilian kalkulierte, wägte ab bevor er handelte, vermied unnötiges Risiko, informieret sich lange bevor er nur einen Finger rührte, …aber es sah ihm ganz und gar nicht ähnlich wichtige Dinge nicht mit ihr zu besprechen… Alida zweifelte.
Dann sah sie wieder die nächtliche Einbrecherin an, schenkte ihr von dem Gewürzwein nach. „Ich werde ein gutes Wort für dich einlegen. Bis dahin bleibst du hier, unterstützt Berta in der Küche!“ Alida wusste genau, dass die alte Köchin nicht eher Ruhe geben würde bis sie das Mädchen mit vielen Decken, Kissen und wärmenden Steinen für die Füße ins Bett verfrachtet hatte und es darin festhalten würde bis es komplett genesen wäre. Auf ihre dickköpfige Herrin der Küche war Verlass.
„Ich werde mich nach Gent auf den Weg zu Girland machen. Wenn alles wieder in Ordnung ist kannst du nach Gent zu deiner Familie zurückkehren.“ Sie nickte Anja zu und erhob sich. Aus dem Augenwinkel hielt sie nach Berta Ausschau.
Anja nickte vorsichtig. Ganz offensichtlich hatte sie sich erwartet, dass Alida an ihres Meisters statt die Bestrafung unverzüglich durchführen würde. Aber Alida verwies nur auf die nachfolgenden Konsequenzen ihres Handelns. Stumm nickend, blieb ihr auch nicht viel mehr übrig als ihr 'Urteil' anzuerkennen. Eine weitere Nacht im eisigen Regen, hätte sie nicht überstanden und Geld hatte sie keines um irgendwo anders unterzukommen. Tief in ihrem Inneren, wusste das Mädchen aber, das sie richtig gehandelt hatte. "Sehr wohl Herrin, ich werde eurer Köchin wo ich kann zur Hand gehen, bis ihr zurückgekehrt seid." Ein kleines Lächeln umspielte ihre Lippen, das aber unverzüglich wieder verschwand. Es ziemte sich nicht für eine einfach Dienerin. "Danke", flüsterte sie, ihre Worte beinahe verschluckend.

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Die Brüggerin würde die emsige Berta unlängst des Wohnzimmers finden, wo sie bereits mit ein paar Decken unter dem Arm, dazu überging ein angenehmes Nachtlager vorzubereiten.
Alida nickte Anja zu. „Ich bin mir sicher, Berta wird nur Gutes über dich zu berichten wissen, wenn ich wieder zurück bin.“ Sie hätte sich gerne bei dem tapferen Mädchen bedankt, aber das zierte sich nicht für eine Kainitin bei den Tzimisce des Ostens. Also rückte sie das Essen noch etwas näher in Griffweite von Anja und verließ dann das Zimmer. Sie suchte einen Bogen Pergament und kritzelte hastig mit einer Feder ein paar Zeilen darauf. Dann verschloss sie die Nachricht und betrat das Zimmer indem sich Berta aufhielt.
„Berta? Kannst du mir einen Gefallen tun? Pass gut auf das Mädchen auf! Sie heißt Anja, ist eine Dienerin im Haushalt des meines guten Handelspartners Belinkov. Sie sorgt sich um ihren Herren. Kannst du bitte dafür sorgen, dass es ihr an nichts fehlt und dass sie sich erholen kann?“ Sie überreichte der Köchin das Pergament. „Gib das hier bitte an Frederik oder Georg. Ich mache mich so bald als möglich auf den Weg nach Gent. In diesem Dokument ist erwähnt, wo sie mich finden können.“ Die zusätzliche Aufforderung nach ihr zu sehen, wenn sie nicht innerhalb von fünf Tagen wieder zurück sei, verschwieg sie der fürsorglichen dicklichen Dame um sie nicht zu beunruhigen.
Berta wirkte etwas erschrocken und verwundert, nickte aber eifrig und machte große Augen. "Der Herr Belinkov? Ach du meine Güte, das arme Kind. Bis Gent ist's ein weiter Weg und das bei dem Wetter..." Der gute Geist des Hauses, verbeugte sich knapp und nahm das Pergament entgegen. "Ich werd mich um das Mädchen kümmern, als wär's mein eigenes, ich verspreche es euch Alida. Und Frederik oder Georg werden eure Nachricht unverzüglich erhalten." Man sah der dicken Berta augenscheinlich an, dass sie nicht wirklich damit einverstanden war die blonde Frau ziehen zu lassen aber es wäre nicht das erste Mal gewesen, das Alida eilig und aus unbestimmten Gründen noch in der Nacht aufgebrochen wäre. Immer wieder hatte sie Besuch von den merkwürdigsten Leuten und kümmerte sich um die seltsamsten Dinge. Aber Berta stand es nicht zu darüber zu urteilen, sie tat was man von einer guten Dienerin erwartete; drückte Alida nur kurz liebevoll die Hand. "Bitte gebt auf euch Acht Alida. Wenn ihr nicht mehr wiederkommt.. ich könnt's mir nimmer verzeihen." Dann kümmerte sie sich weiter um das Nachtlager für Anja.
Alida bedankte sich noch einmal bei der gutherzigen Berta und eilte dann so schnell sie konnte ohne Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen in ihr Zimmer. Sie stopfte ein paar Kleidungsstücke in die Tasche, suchte einen weiten dunklen Mantel, was ihr sonst noch so einfiel zusammen und betrat die Stallungen. Sie suchte nach dem schnellsten und trittsichersten Tier, das die Familie besaß, einen langbeinigen deutschen Hengst. Das Tier war nicht sehr ausdauernd und im Gegensatz zu den heimischen Brabantern im Winter lieber im Stall als auf der Koppel, aber darauf würde sie in dieser Nacht keine Rücksicht nehmen. Bis nach Gent würde es das Tier wohl schaffen ohne Schaden zu nehmen. Sie hüllte sich in den Mantel und ritt in Richtung Osttor. Einige Stunden würde sie benötigen. Sie verfluchte bereits jetzt jede einzelne Minute davon.
Das Packen ging schnell von der Hand, hier ein wärmendes Unterkleid, da ein paar Reservestiefel. Im Nu hatte Alida alle möglichen Dinge und Gerätschaften, entweder in großen Satteltaschen oder Rucksäcken verstaut und war bereit für den Aufbruch. Im Stall war es selbst für die kalte Jahreszeit recht warm, das machten die großen Stroh- und Heuballen, die nicht nur als Futter und Bodenbelag, sondern auch an den Wänden zur Isolierung dienten. Man munkelte ja, dass die die weniger wohlhabenderen Bauern, ihre Häuser genauso abdichteten. Der deutsche Hengst, den man aus unerklärlichen Gründen 'Heimdal' getauft hatte, war ein äußerst stattliches Exemplar und wurde hauptsächlich für schnelle Botenritte benutzt. Es war kräftig, gelenkig und robust und kaum ein Pferd in der Stadt wäre schneller. Allerdings war es nicht für unwegsame Pfade, allzu kalte Witterung oder stundenlange Ausdauer gedacht.

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Und bis nach Gent würde Alida gute 7-8 Stunden reiten. Ein Blick zum Himmelszelt verriet ihr, dass es bereits um die neunte Stunde sein musste. Es war keine weitere Zeit mehr zu verlieren.
Alida ritt auf Heimdal immer Richtung Gent, hielt sich zumeist auf den gut ausgetretenen Pfaden, obgleich diese das eine oder andere Mal auch tückisch waren. Der Schnee war geschmolzen und dann wieder gefroren; die nachfolgenden Regengüsse kühlten in der Nacht zusätzlich ab und bildeten dicke Eisschichten. Zum Glück hatte Alida ein sehr erfahrenes Ross, das man merklich auf Geschwindigkeit und Agilität trainiert hatte. Heimdal nahm ihr den Großteil der Arbeit ab, nicht zuletzt weil er schon halbwegs zu wittern schien, wohin die Reise ging. Gent war für das stattliche Botenpferd, kein unbekannter Ort mehr. Räuber oder Wegelagerer begegnete Alida keinen. Entweder arbeitete Clara als Späherin so gut, Lucien war ein vortrefflicher Hauptmann oder aber es war schlichtweg zu kalt um sich ruhigen Gewissens ohne verräterisches Feuer, stundenlang nahe der Straße aufzuhalten und Reisenden aufzulauern. Sie kam gut voran.
Die ganze Nacht war sie unablässig weiter geritten, mal war ihr eisiger Wind, dann abwechselnd Schnee und Regen ins Gesicht gepeitscht. Heimdal hatte aber seinen Namen alle Ehre gemacht und sie bis an die Tore von Gent geführt, wo sie nach kurzem Gespräch mit den Wächtern auch eingelassen wurde. Jetzt aber merkte sie nicht nur dass ihr treues Ross mit den Kräften am Ende war, sondern dass es auch nicht mehr allzu lange dauern würde, ehe der Tag anbrach. Ihr blieb vielleicht noch eine, höchsten eineinhalb Stunden. Gent indessen, hatte sich nach wie vor nicht verändert und verfügte nach wie vor über die einzelnen Verteidigungsringe aus hohen Mauern und Schießscharten. Der Atem von Heimdal, den er aus seinen dicken Nüstern blies, kondensierte an der kalten Luft und der Hengst schüttelte unzufrieden die schwarze Mähne. Hier in Gent musste sie um diese Zeit Acht geben, denn Heimdal würde nicht nur auf dem regulären Markt, ein kleines Vermögen einbringen.

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Alida nahm wie immer wenn sie in Gent war die breiten, gut beleuchteten Wege zum leicht außerhalb gelegenen Anwesen ihres Erzeugers. Ob es wohl die Art von fast allen Menschen des Ostens oder von allen Unholden war in gebührendem Abstand zum Rest der Zivilisation ihre Zelte aufzuschlagen? So konnten sie wohl eher ihren eigenen Belangen nachgehen ohne große Aufmerksamkeit zu erregen. Sie konzentrierte sich auf jegliche drohende Gefahr behielt ihr Tempo dabei jedoch stets bei. Sie klopfte dem Tier leicht auf die Flanke. „Nicht mehr weit, Heimdall. Dann gibt’s nen Stall, Stroh, Hafer… tolle Aussichten, nicht?“
Alida trabte wie selbstverständlich die gut ausgeleuchteten Wege entlang. Die Pfade vor ihr, waren ihr gut bekannt, schließlich war sie die selbigen nur allzu oft entlang geritten. Alleine oder mit Herrn Belinkov, zu seinem Anwesen und von diesem wieder zurück in die Stadt. Es war schon merkwürdig, wenn sie daran dachte das Brügge ihr eigentliches Zuhause war. Wenn sie hier in Gent war, gemeinsam mit Emilian, fühlte sie sich gut, konnte Sorgen und den Alltag hinter sich lassen. Gent war ein paar Stunden entfernt und doch eine gänzlich andere Welt. Eine Welt die geprägt war von der Liebe zu ihrem Erzeuger Sergej Belinkov.... der alleine losgeritten war. Wohin, das wusste sie nicht. Warum, das war ihr ebenfalls nicht bekannt und für gewöhnlich setzte er sie über jegliche längere Reise in Kenntnis. Wenn schon nicht anders, dann zumindest im Voraus schriftlich. Die Gefahr schien sich an diesem Abend, einen anderen Ort gesucht zu haben um müden Reisenden das Leben schwer zu machen, denn sie kamen unbehelligt zum Anwesen ihres Erzeugers, in dem wie üblich gedämpftes Licht brannte und seine verstreute Wachleute ihren Dienst versahen.

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Heimdal schüttelte sich, als hätte er Alida tatsächlich verstanden. Die Aussicht auf Ruhe schien dem Hengst noch einmal ungeahnte Energien zu verleihen. Einer der Wachleute hielt Alida vor dem Tor zum Innenhof auf und hob eine Laterne näher an ihr Gesicht. "Herrin van de Burse. Ihr erscheint unangekündigt? Niemand weiß, dass ihr den Herren aufzusuchen wünscht. Wie.. warum... seid ihr..." Sein Kollege stieß ihn in die Rippen und übernahm das Reden. "Entschuldigt Herrin, aber Herr Belinkov ist nicht zugegen, gerne aber kümmern wir uns um euer Pferd, wenn ihr Meister Girland aufsuchen möchtet." Es war manchmal tatsächlich der Fall, dass Emilian noch kurz zu tun hatte, in diesem Fall war Alida, so wie auch an diesem Abend, an Girland weiterverwiesen worden.

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Der Weg zum Ziel beginnt an dem Tag, an dem du die hundertprozentige Verantwortung für dein Tun übernimms.
Dante Alighieri


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 Betreff des Beitrags: Re: Die Fesseln der Macht
BeitragVerfasst: Sa 23. Jan 2016, 22:11 
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Heimadal der, bedachte man die unwegsamen Pfade, die sie in zügigem Eiltempo bei stockfinsterer, eisiger Nacht beschritten hatten, wirklich alles gegeben hatte, wurde quer über den Hof zu einem nahen Stall geführt, wo man ihn gut versorgen würde. Das Anwesen von Sergeij Belinkov alias Emilian, hatte sich in seiner Grundstruktur nicht verändert. Ihr Erzeuger hatte es vorgezogen, die Architektur und Bauweise des Gebäudes zu erhalten und zu restaurieren. Viele fleißige Handwerker und auch nicht zuletzt seine eigene Familie, hatten wohl dazu beigetragen. Jetzt erstrahlte das alte Herrenhaus in neuem Glanz, die Fassade war grundlegend erneuert und gestrichen worden, all der Schutt beiseite geräumt und ein ganzes Sammelsurium an unterschiedlichsten Mobiliar, zierte die prächtigen Räume.

Als Alida ohne aufgehalten oder angesprochen zu werden, die Eingangspforte durschritt, liefen auch schon wieder zwei junge Mädchen an ihr vorbei, die einen Wäschekorb unter dem Arm hielten. Es folgte eine knappe Verbeugung und ein ungelenker Knicks, als sie die Brüggerin passierten; in ihren Augen konnte Alida ohne Frage eine Emotion unverkennbar ausmachen: Unsicherheit. Für gewöhnlich war sie kein seltener oder unwillkommener Gast aber in dieser Nacht, schien so vieles anders. Man hatte nicht mit ihr gerechnet, soviel stand fest und warum das alle aus Emilians Familie ein wenig aus dem Konzept zu bringen vermochte, wurde auch dann noch nicht klar, als sie die hohe Wendeltreppe bis vor das große Kaminzimmer emporstieg. Die Tür war nur leicht angelehnt und nachdem Alida kurz geklopft hatte, betrat sie das Zimmer.

Vor dem prasselnden Feuer im Kamin stand Meister Girland, der vermutlich älteste und vertrauenswürdigste aller Wiedergänger aus dem Tross ihres Erzeugers. Es ging sogar das Gerücht, er wäre überhaupt der erste gelungene Versuch dieser, zugegeben, äußerst merkwürdigen Praktik gewesen. Als er sie aus den Augenwinkeln erblickt, wirkte er überrascht, allerdings nicht positiv. Vielmehr schien er etwas überfordert mit ihrem unangekündigten Erscheinen, bemühte sich aber dennoch um eine immer tadellose Höflichkeit. Seine Verbeugung war tief und respektvoll, ganz so wie es einer Tzimisce gebührte. Da gab es keine Kompromisse.

„Herrin Alida? Ich hatte euch gar nicht erwartet, wie schön das ihr uns abermals die Ehre erweist. Ein spontaner Besuch oder seid ihr aus einem bestimmten Anlass gekommen? Wir haben noch gar nicht eure Gemächer herrichten lassen und der Morgen ist nicht mehr weit. Es ist gefährlich für euch, eine so große Distanz noch kurz vor Sonnenaufgang zu reiten.“ Er klatschte zweimal in die Hand, woraufhin eine der Dienstmägde den Kopf durch die Tür steckte und ihn fragend ansah. „Das Gästezimmer für Frau van de Burse und zwar hurtig Natascha. Der Morgen naht und du willst nicht diejenige sein, die darauf vergisst die schweren Vorhänge besonders fest zuzuziehen.“ Eine halbe Drohung, eine halbe Aufforderung die klar stellte, dass sein Anliegen dringlich war. Das Mädchen huschte sogleich davon und wenn es eines gab, dass Alida von Emilians Wiedergängern wusste, dann das sie verlässlich waren. Im Osten lebte man anderenfalls nämlich besonders lange. Girland tat einige Schritte und bedeutet ihr, sich zu setzen.

„Bitte nehmt doch Platz. Wünscht ihr irgendetwas zu eurer Stärkung?“ Sein Lächeln war bemüht ruhig.


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~Corazon~


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