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Re: Die Fesseln der Macht

So 6. Mär 2016, 20:38

Der ‚verwandelte‘ Jeremiah nickte langsam und wirkte dabei etwas müde. Wie könnte man das Gesicht und den Namen seiner Peiniger jemals vergessen? Wahrscheinlich verfolgte es ihn seit dem Tage, an dem er höchstwahrscheinlich äußerst unfreiwillig in die ‚Dienste‘ des besagten Unholds getreten war. „Natürlich kenne ich die Namen der Teufel im Osten, ich habe mir jeden fein säuberlich eingeprägt. Das hat selbstverständlich etwas mit meiner Biografie zu tun aber wohl auch damit, dass man in diesen Landen länger lebt, wenn man Namen eindeutig zuordnen kann. Die Drachen haben eine feste Hierarchie aber auch sie spinnen ihre Pläne untereinander, wenn es gerade keinen großen gemeinsamen Feind zu bekämpfen gibt. Wie überall auf der Welt, gibt es erbitterte Feinde, treue Freunde, loyale Verbündete und zwielichtige Verräter. Meine Peiniger waren viele und viele davon sind auch bereits wieder endgültig vernichtet aber der Drache, der mir dies angetan hat, war Velya der Häuter.“

Noch bevor Alida aber genauer nachfragen konnte, hob der lachende Mann knapp die Hand. „Es ist schon recht spät und wir sollten uns zur Ruhe begeben. All eure Fragen, Ängste, Sorgen und Nöte, können auch noch bis morgen Nacht warten. Ihr werdet vor mir nichts zu befürchten haben, darauf habt ihr mein Wort werter Gast. Und eure Gegenleistung, heben wir uns ebenfalls für morgen auf.“ Mit einer knappen Handbewegung, deutete er auf das einfache Bett mit Stroh. „Euer Lager, das einzige und Beste, was ich euch in meiner bescheidenen Zuflucht anbieten kann. Schlaft gut und tankt Kraft für die bevorstehenden Aufgaben.“ Damit erhob er sich knapp, setzte den Hut wieder auf und verschwand mit einer leichten Verbeugung, wieder in der Dunkelheit. Man würde es kurz knacken hören, als sich das dürre Monstrum auf die Erde sinken ließ, dann war es ruhig.

Alida würde sich irgendwann auf den beginnenden Tag vorbereiten und nieder legen. Es war ihr egal, ob das auf einem blanken Fußboden oder in einem weichen Federbett war. Gegen die ermüdende Kraft der Sonne war sie machtlos und der Schlaf würde sie überall übermannen.
Morgen galt es eine Puppe für ein kleines Mädchen (2 Erfolge auf Handwerk und Geschick gg 6 ) wieder herzurichten und einen Hund zu einem tzimiskischen Verteidiger zu formen. Sie seufzte innerlich bei dem Gedanken. Aber es gab so viele schlechtere Gründe die Kräfte der Drachen anzuwenden.
Die Müdigkeit überwältigte sie schließlich so wie zu jedem Tagesanbruch.
Sie träumte davon, dass sie im Halbdunkel den lachenden Mann mit seinem breiten grinsenden Gesicht vor sich hatte. Die klauenartigen Spinnenfinger baumelten wie zu groß geratene Zweige in der Luft und der Mund war ein einziger schwarzer Schlund, der einen zu verschlingen drohte. Sie hatte dennoch keine Angst, wusste, was sie zu tu hatte und zögerte im Gegensatz zu allen anderen Nächten keinen Augenblick. Sie fuhr mit den Fingern über die krankhafte Haut, die hängenden Augenlieder, die nicht vorhandenen Lippen, die spitzen Finger, suchte nach dem Aussehen, dass der Nosferatu einst einmal besessen hatte und fand es auch irgendwo zwischen Muskeln, Gefäßen und Haut.
Sie wandte den Blick ab und folgte ausschließlich dem Gefühl. Irgendwann wusste sie, dass sie fertig war. Sie fixierte ihr Gegenüber und ihre Pupillen weiteten sich vor Entsetzen.

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Sie erkannte den Mann an seinem breiten zweideutigen Grinsen und dem überheblichen, süffisanten Ausdruck in den Augen. Vasili, der Vasall von Lambros. Er streckte ihr lachend die kräftigen Hände entgegen, umschloss ihre Kehle und begann zuzudrücken. Alida bekam keine Luft mehr, sie wehrte sich, röchelte. Sie versuchte nach dem Mann zu schlagen, aber er war zu stark, als dass sie etwas ausrichten konnte. Sie wollte schreien, doch kein Laut kam ihr über die Lippen.
Entsetzt richtete sie sich auf. Sie spürte wie sie panisch und hastig atmete, doch sosehr sie auch die Luft in ihre Lungen pumpte, es wurde nicht besser. Sie versuchte sich zusammen zu reißen und bemerkte, dass es ihr gut ging. Sie brauchte keine Luft… Alles nur ein Traum.

So 6. Mär 2016, 20:38

Re: Die Fesseln der Macht

Mo 7. Mär 2016, 22:09

Die nächste Nacht brach mit dem tiefen Heulen der Wölfe über das gefrorene Land herein. Alida hatte sich gerade aus ihrem Lager erhoben, da wurde bereits die geheime Holzklappe zum Erdkellereingang geöffnet und eines der Kinder streckte den Kopf hindurch. Offensichtlich suchte es nach dem ‚Ernährer und Beschützer‘, der scheinbar noch immer nicht aufgestanden war. Das strohgedeckte Bett war annehmbar gewesen und obwohl sie von Alpträumen geplagt wurde, hätte die Brüggerin den Tag bei weitem unkomfortabler verbringen können. Immerhin war sie vor der Sonne, als auch eventuellen Soldaten geschützt gewesen. In der Finsternis der Erdhöhle, raffte sie sich auf und erklomm die Leiter in den Wohnraum; den Gastgeber wollte sie noch nicht wecken – das wäre ganz sicher als äußerst unhöflich aufgefasst worden. Oben im Wohnraum war wieder die ganze Kindermeute versammelt, die sich teilweise mit den Reisenden unterhielten, scherzten aber auch den Hausarbeiten nachgingen. Es wurden Böden und Wände gewischt und das Abendessen vorbereitet. Jemand hatte ein großes Glas Honig gebracht, sowie einen Sack Äpfel und der rußige Backofen würde demnächst Bratäpfel für alle zaubern. Es roch süßlich und heimelig. Ein Stück Heimat für all jene, die keine hatten.

Ivan, Strazny und Popov, waren tagsüber ein wenig unterwegs gewesen und hatten den Gasthof im Auge behalten. Auf die Entfernung war aber nichts merkwürdiges feststellbar gewesen und der Anführer der Reisegruppe, gab der Tzimisce schulterzuckend zu verstehen, das die Leiche der Soldaten vermutlich geplündert wurden und dann entsorgt; eine eventuelle Expedition, welche nach den mysteriösen Umständen der Todesursache Ausschau hielt, hatte wohl nicht stattgefunden. Zumindest war niemand an der Hütte vorbeigekommen oder hatte nach irgendwelchen Reisenden gefragt. Vorerst schienen sie in Sicherheit zu sein. Die Witterung hatte sich auch ein wenig gebessert, mittlerweile fror es über Nacht nicht mehr sondern Tauwetter hielt Einzug. Das machte die Erde matschig und schlammig und die Reisewege manchmal sogar regelrecht tückisch aber immerhin verbannte es die unangenehme Kälte aus den steifen Gliedern. Ivan beugte sich näher an Alida heran, während er schon seine Satteltasche mit einigen Vorräten aus dem Haushalt füllte. Scheinbar waren die Kinder vom lachenden Mann instruiert worden, die Russen mit allem was nötig wäre zu versorgen. „Zwar sind die Kinder hier allesamt freundlich und bemüht, wir haben ausreichend gespeist und durften uns in dieser Hütte in Sicherheit wissen, dennoch bin ich nicht ganz sicher ob es so eine gute Idee ist den Verborgenen als Führer mitzunehmen. Ganz gewiss ist er ortskundig und kennt die richtigen Pfade bis nach Temesvar; möglicherweise sogar darüber hinaus… aber seine Absichten sind mir trotzdem noch nicht ganz verständlich. Ich traue ihm nicht…“ Bevor der Russe noch fortfahren konnte, betrat dann auch schon der lachende Mann die Stube und verbeugte sich knapp; sah dann zu Alida. „Ah, ihr seid schon wach? Wie wunderbar. Ich hoffe ihr habt gut geruht meine Liebe. Eure Begleiter dürfen sich noch mit allem notwendigen ausrüsten, während wir uns eurem kleinen Gefallen zuwenden werden. Anschließend würde ich vorschlagen, unverzüglich aufzubrechen. Es ist vielleicht kein ewig langer Weg mehr und dennoch steckt er voller Gefahren. Außerdem wollt ihr doch sicher noch rechtzeitig ankommen, bevor der Drachensturm beginnt.“ Er bedeutet Alida mit einem obligatorisch breiten Lächeln ihm zu folgen; verließ dann mit der Tzimisce die kleine Hütte. Draußen schien der Mond über das Land und die Pferde schnaubten gelegentlich unruhig, als ob sie wüssten dass es demnächst weitergehen würde. Jeremiah bog zur Hinterseite des Hauses ab und warf ein Stück Schinken auf einen kleinen, verschneiten Hügel unlängst des Hauses. Es dauerte nicht lange und eine schattenhafte Gestalt, näherte sich auf allen Vieren dem saftigen Stück Fleisch – kämpfte sich geduckt zwischen Sträuchern und nahestehenden Bäumen vorbei. Mit einem Happs, war die Beute auch schon verschwunden und der verfilzte Hund, trug sie ein Stück weiter davon, blickte dabei gelegentlich unsicher in die Richtung der Kainiten. Als er sich sicher fühlte, begann er sich die Lefzen zu lecken und den Schinken zu verzehren. Der lachende Mann, nun… lächelte. „Gewitzte Kreaturen. Zu schnell als das ich sie jagen könnte und sie riechen es förmlich wenn man sich in ihrer Umgebung aufhält; selbst wenn sie einen nicht sehen können. Vor mir hat er Angst… die Kinder lieben ihn. Tja… euer Auftritt.“ Er wandte sich in Richtung Alida.

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Re: Die Fesseln der Macht

Di 8. Mär 2016, 20:12

Alida sah Jeremiah zweifelnd von der Seite her an. „Wenn Ihr nach wie vor sicher seid…?“ Sie wartete seine Antwort nicht ab sondern ging langsam einige Schritte auf das Tier zu und kniete sich in einigen Metern Entfernung vorsichtig hin. Sie musterte den schönen Hund und seufzte kaum hörbar. Sie streckte langsam die Hand aus, damit das Tier ihre Witterung aufnehmen konnte. Sie wusste, dass es wie alle Geschöpfe seiner Art die Untoten mied.
Sie besann sich und suchte in ihrem Inneren nach der Sprach der Wildnis, der einzigen Möglichkeit mit dem Tier Kontakt aufzunehmen. (1 Erfolg)
Die Bilder, die sie schuf um ihm verstehen zu geben, was sie wollte, beabsichtige, schmückte sie aus, versuchte zu erklären was sein konnte, was nötig war. Bilder eines Rudels, der Möglichkeit Teil dieses Rudels zu sein, ein warmer Platz vor dem Kamin, ein Stück Fleisch, wann immer eines abfiel, Kinderhände, die unbeholfen etwas zu grob in das Fell des Hundes griffen. Sie schilderte die Verantwortung die jedes Rudelmitglied zu tragen hatte und den Part, den man diesem Hund zugeteilt hatte. Sie versuchte dem Tier zu zeigen, was man von ihm wollte, wie stark und mächtig man ihn für diese Verpflichtung wollte

Re: Die Fesseln der Macht

Mi 9. Mär 2016, 22:56

Vermutlich hätte der lachende Mann die in ihm innewohnenden Kräfte Kains selbst dazu bemühen können, den Hund mit zusätzlich lockenden Worten näher an die beiden heranzuführen, anstatt es auf die alte Methode des profanen Schinkens zu versuchen. Allerdings mochte es geradewegs auch eine Art Test für Alida darstellen, in dem sie beweisen konnte, wie weit ihre Fähigkeiten im Bereich der Tierverständigung mittlerweile gereift waren. Was auch immer der Fall sein mochte, Jeremiah verschränkte lediglich die Arme und nickte; vollführte eine einladende Geste. „Ich bitte darum…“, sagte er nach wie vor von ihrem Handel überzeugt. Der Hund hingegen schien in erster Linie von dem saftigen Stück Fleisch überzeugt zu sein, denn er machte sich eifrig daran den köstlichen Brocken zu verzehren. Erst als Alida die Hand ausstreckte, begann die feuchte Hundenase ihre Witterung aufzunehmen und die Aufmerksamkeit wieder ein Stück weit in Richtung Tzimisce zu verlagern. Die gedanklichen Worte und Bilder, die sie mit dem Tier teilte, durchdrangen dabei nur mühsam dessen Geist, schälten sich allmählich aus einer trüben Wolke von Instinkten und roher Wildheit. Sie erreichten den Hund scheinbar, denn der schief gelegte Kopf mochte durchaus Interesse kundtun. Mit einem Happs, war der Schinken zwischen die Kiefer geklemmt und der stattliche Rüde, machte ein paar vorsichtige Schritte auf Alida zu; setzte sich dann vor die Brüggerin und wedelte mit dem Schwanz. Ein kurzes Kläffen und Bellen später, sah man bereits eine beginnende Vorfreude in den dunklen Augen aufglimmen – ein wohlig-warmes Heim, Futter und Spielkameraden und ein Revier, das es zu verteidigen galt. Die Natur war getrieben von Instinkt und auch der Hund war lediglich von seinen animalischen Instinkten getrieben, die sie ihm begreiflich zu machen versuchte. Er wedelte weiter mit dem Schwanz und schien durchaus angetan; selbst das Stück Schinken schien für den Augenblick vergessen.

„Beeindruckend…“, konstatierte Jeremiah neben Alida. „Er scheint euch… zu mögen. Für gewöhnlich zwinge ich ihnen meinen Willen nur auf, mir ist es zu lästig um ihr Wohlwollen zu buhlen und was all die anderen Dinge angeht… nun..“ Sein Lächeln wurde eine Spur breiter. „Dafür seid ihr ja da. Ich nehme nicht an ihr habt ihn schon darüber unterrichtet was ihn erwartet?“ Offensichtlich wohl nicht, denn diese Konzepte einem Tier verständlich zu machen, würde wohl etwas dauern. Fleischformen für Anfänger? Fleischformen für Tiere? Das allein wäre wohl eine kleine Herausforderung, wenn man darauf bedacht war dem Hund seinen ‚freien Willen‘ zu lassen und eben dies beabsichtigte sie ja.

Re: Die Fesseln der Macht

Do 10. Mär 2016, 09:54

Der Nosferatu versuchte sie herauszufordern und in gewisser Weise wohl auch aufzuziehen. Sie verzog leicht abfällig die Lippen zu einem schiefen Lächeln. „Wenn ihr einem Lebewesen euren Willen aufzwingt dann folgt ihr damit wie alle anderen auch dem traditionellen Pfad der Kainiten des Ostens. Zumindest nach all dem, was ich bisher hier in diesen Landen sehen durfte. Der Weg scheint sehr erfolgsversprechend zu sein. Damit kann man sich eine lange Herrschaft aufbauen… Sofern das Geschöpf nicht irgendwann doch so etwas wie freien Willen entwickelt und vielleicht zurück beißt oder schlägt. Aber über diese Dinge solltet ihr besser mit meinen Clansbrüdern philosophieren. Die betreiben diese Lebensweise seit ältester Zeit.“
Sie fuhr mit den Händen durch das weiche Fell des Hundes. Sie hatte eine Erinnerung vor Augen: Emilian, wie er auf dem Fußboden in der Nähe eines Kamins saß, wie so oft konzentriert in einem seiner Bücher las und währenddessen gedankenverloren einen seiner Hunde kraulte. Das Ungetüm hechelte ruhig vor sich hin und genoss es wie sein Herr seine Muskeln verschob, die Haut mal in die eine, mal in die andere Richtung zog, die Knochen an der einen Stelle etwas dicker, an der anderen etwas dünner gestaltete.
Der verstörende Anblick hatte sie lange Zeit irritiert, aber im Laufe der Jahre war er für sie etwas Alltägliches geworden: ein abartiges, skurriles Bild von tzimisketypischer Friedlichkeit. Aber das waren die Hunde aus Emilians seltsamer Zucht, nicht ein wildes, ungezähmtes Geschöpf wie das, was sie vor sich hatte. Alida begann ihr Werk nach einigem Zögern

Re: Die Fesseln der Macht

Di 15. Mär 2016, 21:00

Es dauerte nicht lange und mit einigen kunstfertigen Handgriffen, verschob Alida mühelos Knochen, Fleisch und Gewebe; nahm dort etwas weg, fühlte da etwas auf, verdichtete und verstärkte. Der Hund sah etwas unschlüssig aus und roch misstrauisch an Alidas Händen, hechelte leicht aber schien sonst den Umständen entsprechend wenig Irritation zu zeigen. Vermutlich war es schon allein ein Wunder, das er sich in die Nähe der beiden Untoten traute. Aber gut, sie hatte nicht nur mit ihm gesprochen sondern in gewisser Weise seinen ‚Hundeinstinkt‘ angesprochen und der Bestand nun einmal aus Jagdtrieb und dem Drang zur Rudelbildung. Der lachende Mann, hatte es sich mittlerweile auf einer umgedrehten Holzkiste hinter dem Haus bequem gemacht und betrachtet das fleischformerische Werk der Brüggerin. Schweigend saß er da und richtete die gelblichen Augen auf den langsam immer groteskere Formen annehmenden Hund. Dann war Alida fertig und das Tier sah tatsächlich um einiges bedrohlicher und kampferprobter aus. Mit den zusätzlichen Knochenplatten und Muskelverstärkungen, würde er jeden Menschen mühelos zerreißen und selbst bei einem Kainiten, lange genug für Ablenkung sorgen. Jeremiah erhob sich und klatsche sachte in die Hände. „Grotesk, wirklich grotesk und doch unheimlich effizient. Ich bin ganz hin und weg von eurem Können. Ihr habt euren Teil der Abmachung eingehalten, das freut mich sehr. Jetzt werden wir den Kleinen vorstellen gehen, immerhin wird er hier bleiben und auf die Kinder acht geben während wir unterwegs sind.“ Er deutete Alida als auch dem Hund an ihm zu folgen. Der ‚Hund‘ sah noch unschlüssig aus aber folgte dem Mann schlussendlich bis zum Eingang der Hütte. „Bringt Fleisch.. wir haben ein neues Maul durchzufüttern.“ Keine Sekunde später, wurde die Tür geöffnet und eine kleine Schar Kinder besah sich erschrocken den Hund, manche trauten sich ihn anzufassen obwohl sie ihn kaum wiedererkannten. Der Hund hechelte und wedelte mit dem Schwanz; freute sich scheinbar die Kinder zu sehen. Nach und nach wandelte sich die Angst in Faszination, wobei es sicher noch etwas dauern würde, bis man den neuen Spielgefährten in dieser Gestalt akzeptieren würde. „Ihr wolltet den Hund, jetzt habt ihr in.“ Er ließ sich eine Schüssel mit einer dicken Schinkenkeule reichen und biss sich ins Handgelenk oder besser ‚knabberte‘ daran, er hätte sich nämlich sonst wohl die ganze Hand abgebissen. Zähes, dunkles Blut troff über den Schinken. Vorsichtig wurde der Teller abgelegt, dann bedeutete der lachende Mann Alida wieder ins Haus einzutreten. „Er wird sich schön satt fressen und den Kindern und mir sicher einen großen Dienst erweisen, jetzt lasst uns die Planung unserer Reise noch einmal durchgehen.“
Im Haus angekommen, setzte sich der lachende Mann wieder an den Tisch und breitete eine alte Karte vor Alida aus. Woher er diese so plötzlich gezaubert hatte, war ein Mysterium. Vielleicht war sie unter seinem Hut versteckt gewesen. Die Kinder spülten Geschirr und räumten auf, Geschirr klapperte und Kopfkissen wurden aufgeschüttelt. Die drei Russen, hatte der Mann mit einer Handbewegung vor die Tür geschickt. „Trefft eure Reisevorbereitungen, sagt Alessandro und Ricardo, dass sie euch die Taschen füllen sollen und die Trinkbeutel, dann sattelt die Pferde.“ Die Russen, allen voran Ivan schienen ziemlich misstrauisch aber wenn Alida dem zustimmen würde, dann würden sie so verfahren und sich reisefertig machen.

Als die Russen sich vor der Tür Reisefertig machten, deutete Jeremiah auf die Karte. „Fünf Tage sind es bis nach Temesvar, 4 wenn ihr mit mir reist. Wir durchkreuzen Drachengebiet, Wolflinggruben und werden sicher auf die einen oder anderen Kriegsüberlebenden treffen.“ Der Mann… nun… lachte. „Das heißt Vergewaltiger und Plünderer, deren Dörfer abgebrannt sind und welche die Gräuel des Krieges den Verstand geraubt haben. Erzählt mir noch einmal, warum ihr zu diesem Treffen wollt?“, fragte er ganz offen, so als ob jede Information in seiner Planung wichtig sein würde.
Alida zögerte, sah in die Runde der Kinder, jedes davon mit zwei Ohren ausgestattet. Es wunderte sie ein wenig, dass er sie erneut fragte. „…Ich bin hier um einen Handelspartner zu treffen… Ihr wisst ja, wie das sein kann,… wichtige Verträge, die keinen Aufschub dulden…“
Der lachende Mann verscheuchte mit einer knappen Handbewegung seiner Finger, die restlichen Kinder aus der Küche. Die spinnenartigen Dinger, waren wohl Grund genug für die kleine fleißige Meute sich eilig zurückzuziehen. Jeremiah war wohl ein harter aber gerechter Versorger der letzten kindlichen Überreste dieses Krieges. „Die Kinder sind bedeutungslos, sie verstehen nicht einmal was ich bin aber das macht nichts. So etwas ist nicht zwingend erforderlich. Was ich damit eigentlich ausdrücken wollte ist: Habt ihr schon jemanden im Verdacht? Wen der dort Anwesenden kennt ihr und wem vertraut ihr? Wen hasst ihr und wen habt ihr noch nie getroffen? Wenn ich euch nach Temesvar geleite, könnte das wichtig werden.“
Sie sah ihn etwas zweifelnd von der Seite an. „Ihr setzt eine Menge Vertrauen voraus, dafür, dass ich euch seit gestern Abend kenne, Jeremiah…“ Sie biss nachdenklich die Lippen aufeinander, schüttelte dann fast bedauernd den Kopf. „Ich wünschte…“ Sie schockte. „Es tut mir leid, aber ich kann euch nicht alles berichten. Meine Existenz und das Leben der Leute da draußen hängt davon ab… und auch wenn ihr die Männer vielleicht als Vergeudung von Blut bezeichnen wollt, so waren sie mir ausgesprochen treue und loyale Gefährten.“ Sie ließ eine Minute verstreichen und schob sich eine Haarsträhne zurück. Sie suchte nach etwas, das sie ihm erzählen konnte. „Ich vermute ein Drache namens Rustovich wäre sicher nicht unglücklich darüber mich zu einem Tee einzuladen… Der Herr von Vasili scheint ein besonderes Interesse an mit zu haben… Warum auch immer? Einige Tsimiske waren etwas erbost darüber, dass es meinen Verbündeten und mir gelungen ist eine Invasion aus dem Osten zu verhindern und meine Heimatstadt zu verteidigen… Andrei war einer davon auch wenn ich mir nicht vorstellen kann, dass er noch zürnt… Es machte mir bei unserem letzten Treffen eher den Eindruck als hätte er sich ein wenig darüber geärgert ein Schachspiel verloren zu haben. Sein Kind Volgar und ein anderer Unhold namens Draga fanden darin den Tod. Jemand, der die Sammlerin genannt wird, hat einst versucht zu mir Kontakt aufzunehmen, doch ich habe… diesen abgelehnt.“ Sie seufzte. Sie hatte ihm doch mehr verraten als ihr lieb und als gut war. Er konnte sie damit ordentlich ans Messer liefern. Aber das konnte sie selbst alleine auch.
Spinnenartige Finger wanderten ein Stück weit hoch an sein Gesicht und kratzten das groteske Etwas nachdenklich am Kinn, offenbar verstand er ihre Befürchtungen und nickte einsichtig. „Natürlich, ich kann eure Bedenken in jedem Fall nachvollziehen. Allein die paar Informationen die ihr mir zu geben bereit seid, können uns allerdings schon helfen.“ Er erhob sich und rief nach Natascha, just das Mädchen, welches Alida zuerst auf die Spur des lachenden Mannes gebracht hatte. „Natascha, ich werde eine Weile weg sein, du hast die Aufsicht, gemeinsam mit Roland. Seht zu das die Dienste verrichtet werden und die Mädchen arbeiten gehen, du hast den Wochenplan. Kauf ein was ihr braucht, was über ist, legt ihr in die große Kasse – ich zähle nach, vergesst das nicht. Ach und Natascha…?“ Ein langer Arm holte blitzschnell aus und lange Finger klatschen dem Mädchen ins Gesicht, sodass es umgeworfen wurde und aufschrie. Die Wange wäre sicher für ein paar Tage geschwollen. Entsetzt und furchterfüllt sah sie zu ihm hoch. „Versuch nie wieder Geschäfte ohne mich zu machen, sonst blüht dir weitaus schlimmeres. Und jetzt geh wieder an die Arbeit.“ Der lachende Mann setzte sich in Bewegung und kurz vor der Tür, hielt er noch einmal inne. „Füttert den Hund und lasst ihn raus zu festen Zeiten. Nachts kann er hier schlafen; baut eine Klappe wenn ihr müsst aber haltet ihn mir bei bester Gesundheit. Der ist eure Lebensversicherung, solange ich nicht da bin.“ Dann wandte er sich ab und verließt das Gebäude in dem Wissen das Alida ihm folgen würde. Die Russen führten ihre Pferde am Zügel und Ivan trat auf Alida zu, überreichte ihr das Reittier. Seine Miene sagte alles: Ihm gefiel es nicht von jemanden wie Jeremiah durch den Osten geführt zu werden, saftiger Schinken und üppiges Frühstück hin und her. Für ihn mochte es wohl so sein, als hätte man mit den Soldaten einfach Pest gegen Cholera getauscht. „Der lachende Mann machte einen Schritt an den Leuten vorbei und wandte sich um. „4 Tage bei gutem Wetter und wir werden zunächst Richtung Norden reiten. Ich werde einige der übleren Gegenden umgehen. Es wird dadurch anstrengender aber sicherer. Irgendwelche Fragen oder Einwände?“
Alida blickte kurz fast wie verlegen auf ihre Hände, dann auf die Männer von Emilian. „Wäre es sinnvoller ‚verdeckt‘ zu reisen? Ich hab bis jetzt keine Ahnung wie uns jemand erkennen konnte. Wir kennen niemanden hier…“
Der Mann schüttelte nur den Kopf. „Nein, ich denke das wird nicht nötig sein. Wenn uns jemand erkennen möchte, dann wird er dies ohnehin tun fürchte ich. Eine Reisegruppe bestehen aus einer Frau und 3 Männern, fällt eben immer ein wenig auf. Meine Pfade sollten uns allerdings das Schlimmste ersparen.“ Mit einer knappen Handbewegung drückte er Ivan die Karte in die Hand. „Bregac heißt die kleine Siedlung, wohin wir unterwegs sind. Dort werden wir erst einmal Rast machen. Ebene Reitwege, dafür Schnee und Eis gelegentlich Wald, seid wachsam. Ich werde immer ein Stück voraus gehen und ein Auge auf uns haben; ein wenig die Gegen erkunden. Sollte ihr mich dringend brauchen, ruft mich.“ Damit stapfte er wie selbstverständlich an Alida und den Russen vorbei und verschwand hinter dem Haus. Nur kurze Zeit später, hörte man lautes Rabengekrächze und den dazu gehörigen Vogel. Hier im fast stockdunklen Wald, war er so gut wie nicht zu sehen. Die Russen entzündeten genau eine einzige Sturmlaterne und Ivan sprang auf sein Pferd; überprüfte die Karte und nickte Alida zu. „Ich hoffe, er weiß was er da tut, wir sind bereits nah ans Niemandsland herangerückt, dort wird es obwohl die großen Schlachten vorbei sind, zunehmend gefährlicher und trostloser. Wollt ihr euch ganz sicher auf einen derartigen Führer verlassen? Wir können den Weg auch alleine finden, es ist nicht Weißrussland aber wir waren schon einmal in Ungarn und mit den Sitten der Rumänen sind wir auch vertraut.“ Er sah etwas zu Strazny und Popov, die beide etwas verhallten nickten und schulterzuckend bejahten.
Alida schloß die Augen und sog tief die kalte russische Luft ein. „Ich habe bereits das Wagnis begangen ihm zu vertrauen… Es ist gleich ob er uns den Weg dortin begleitet oder nicht. Wenn er uns in eine Falle führen will, dann gelingt ihm das egal, ob er mit uns reist oder uns jemanden hinterher schickt.“ Sie deutete mit der Hand in die Luft. „Er scheint sich so leicht nicht aufhalten zu lassen.“
Die Russen nickten langsam und Ivan kratzte sich leicht am Bart, rollte dann die Karte wieder zusammen und verstaute diese sicher unter seinem Wams. „Da mögt ihr auch wieder Recht haben. Er scheint genug Möglichkeiten zu haben uns das Leben schwer machen zu können, wenn er es darauf anlegt. Für den Moment, ziehe ich ihn den Schergen Lambros aber definitiv vor.“ Der russische Reiter presste seinem Reittier die Fersen in die Flanken und spornte das Pferd an, die Gruppe fiel in einen leichten Galopp und ritt durch eine von kahlen Bäumen gesäumte Allee. Als Alida einen letzten Blick nach hinten tat, sah sie einen Haufen Kinder vor der Haustür, die ihnen unsicher nachstarrten. Jedes der Kinder hielt eine Bienenwachskerze in der Hand, als ob sie sich für ein christliches Chorlied aufgereiht hätten. Es sah verstörend und irgendwie beunruhigend aus, doch darüber konnte Alida in diesem Augenblick nicht wirklich nachdenken. Der Weg vor ihnen war recht dunkel und konnte tückisch sein, sodass selbst das Mondlicht nur spärlich ihren Pfad erleuchtete.
Gerade noch rechtzeitig, konnte Alida den Zügel ihres Pferdes herumreißen, da zischte ein dicker Ast an ihr vorbei. Nein, viel bewirkt hätte er nicht und verletzt hätte er sie wohl auch nicht besonders aber womöglich vom Pferd geworfen. Ein Glück, das man mittlerweile wieder über eine gefrorene Ebene ritt. Glück und Pech zugleich, denn der weiße Schnee reflektierte da spärliche Licht und half den Augen sich an die Schwärze zu gewöhnen, allerdings wären sie für den geschulten Blick so besser zu erkennen. Ivans Sturmlaterne hing noch immer an seiner Satteltasche und flackerte kontinuierlich. Über ihnen konnte sie den dunklen Schemen des Raben ausmachen der in einigem Abstand die Gruppe überholte und vorausflog. Und bei genauerer Betrachtung, würde man feststellen, dass es ein ziemlich hässlicher Rabe war.

Re: Die Fesseln der Macht

Mi 16. Mär 2016, 19:08

Alida folgte den Männern im Tross. „Glaubst du, wir können ohne die Lampe reisen? Vielleicht reicht das Mondlicht aus?“ Sie besah sich genau den Untergrund. Sie wollte es nicht darauf anlegen eines der Pferde stürzen zu lassen.
Ivan bedeutete den Männern ein wenig langsamer zu reiten und hantierte an der Lampe herum; löschte schlussendlich das Licht. Schwarze Nacht umgab sie doch das Mondlicht schien tatsächlich gerade noch so auszureichen, um den Pfad vor ihnen erkennbar zu machen. Die Pferde der Truppe verfielen in einen leichten Trab und Ivan entfaltete die Karte. Zu Alida gewandt nickte er. „Zumindest hat er, soweit man der Karte hier trauen kann recht gehabt – es gibt dort ein kleines Dörfchen am Rande des Nichts und die Straßen dort sind mit einem Wort: schäbig. Aber wer weiß, vielleicht fallen wir so tatsächlich weniger auf.“ Die Karte verschwand in seinem Wams, dann trieb er sein Pferd zur Eile. Gemeinsam ritt man durch die finstere Nacht und die Gegend schien sich nicht wirklich zu verändern. Gefrorene Äcker, morastige Wiesen – alles lag unter einer Eis- und Schneedecke begraben. Gelegentlich passierten sie ein heruntergefallenes Holzschild, das einen schlammigen Pfad als Zugangsweg zu einem winzigen Dorf anzeigte. Aber der Zustand der Schilder, als auch der genannten Pfade, war mehr als mangelhaft. Vermutlich wohnte in diesen kleinen Dörfchen überhaupt niemand mehr. So ritten sie einige Stunden dahin, es mochte vielleicht Mitternacht sein ohne dass etwas Ungewöhnliches passiert wäre. Nachts trieb sich hier draußen nur selten jemand herum. Wenn dann führte er vermutlich nichts Gutes im Schilde. Man bog gerade um eine Kurve durch ein kleines Wäldchen, dessen Bäume fast alle gefällt worden waren; kam dann aber an eine halbwegs dichte Stelle und sah mehrere Pferdewagen, die unterschiedliche Mängel aufwiesen. Bei einem war die Achse gebrochen, dem andere das Rad zersprungen. Die Planabdeckung hing teilweise nur noch in Streifen auf dem Gefährt. Viele Pferde mussten die Karren einst gezogen haben, jetzt war da nur noch eines und das lag tot am Boden. Ivan und die anderen Russen, blieben auf Abstand. „Wir kommen langsam in die Kriegsgebiete. Das hier ist nur der erste Vorgeschmack. Möchtet ihr es euch näher ansehen Herrin? Vielleicht gibt es noch Vorräte?“
Alida nickte. Vorräte interessierten sie natürlich weniger, aber vielelicht ließ sich rekonstruieren, was vorgefallen war, wer gegen wen gekämpft oder einfach nur marodiert hatte…
Alida sah sich die nähere Umgebung rund um die Fahrzeuge genau an aber es war zu dunkeln um wirklich etwas erkennen zu können, da fehlte die Achse, da war da Rad kaputt. Gebrochen beides, natürlich aber wie und warum? Sie konnte es beim besten Willen nicht sagen und warum ein Pferd tot hier lag und die restlichen nicht, blieb auch ein Rätsel. Um die ganze Sache genauer zu betrachten, müsste sie wohl schon absteigen und mit einer Laterne den Ort des Geschehens inspizieren.
Sie sah die Männer an. „Habt ihr eine Idee, was hier passiert ist?“ Sie sprang vom Pferd und zog vorsichtshalber ihr Schwert.
Ivan und der Rest der Truppe, stieg ebenfalls von den Pferden und hielt die Waffen im Anschlag. Misstrauisch blickten sie sich um aber weder Strazny noch Popov konnte sich das ganze erklären. Einzig allein Ivan fiel etwas auf und er deutete auf die Überreste eines Wagenrads. "Also hier ist das Holz regelrecht geborsten aber es sieht nicht danach aus, als ob das Material nachgegeben hätte. Es ist regelrecht gesplittert. Demnach hat jemand nachgeholfen denke ich." Mehr wusste er wohl nicht recht zu sagen, deutete aber den beiden anderen die Umgebung im Auge zu behalten, während er den hintersten Wagen mit Schwert und Laterne bestieg und sich darin umsah. Alida folgte ihm misstrauisch und sah sich ebenfalls erneut um.
Der Wagen lag leicht schräg in einer schlammigen Mulde, der einzige Grund, warum das Gefährt nicht schon längst umgekippt war. Im Inneren fand man aber nur mehr geöffnete Kisten mit Schlössern, die eine oder andere Bekleidung, rissiges Schuhwerk und ein paar rostige Waffen. Offenbar war hier schon alles mitgenommen worden, was anderswo gute Verwendung finden dürfte.
An der schiefen Oberseite des Karrens, war eine ziemlich zerschlissene Plane die kaum noch ihrem eigentlichen Zweck dienen konnte. Dazu war sie bereits von zu vielen Schnitten überzogen und zerrrissen worden. Es ergab sich im Grunde nichts neues für die blonde Brüggerin allerdings sah sie drei gleichlange und gleichförmige Schnitte in der Plane. Zu ausgefranst für Schwerter und zu präzise, als das man hätte hintereinander folgende Stiche vermuten wollen.
„Vielleicht der Angriff eines Gangrel? Oder eines Voytz?Es gibt keine Leichen… Ich will nicht wissen, was sie mit ihnen gemacht haben. Wir sollten hier weg und unsere Augen und Ohren für den Rest der Nacht besonders offen halten.“ Sie sprang aus dem Wagen und ging zurück zu ihrem Pferd.
„Gangrel wäre möglich“, meinte Ivan unschlüssig. „Aber für einen Voizd ist mir das hier noch zu gut erhalten. Ihr habt doch in Brügge schon mal einen gesehen oder? Wenn hier ein solches Ungetüm gewesen wäre, dann wäre von den Wägen nicht mehr viel übrig.“ Auch er begab sich zu den Pferden zurück und stieg auf; deutete den beiden anderen es ihm gleichzutun. Die beiden anderen Russen, schienen durchaus dankbar darüber hier wieder weg zu können. Was immer hier passiert war, es wurde bereits geplündert und Leichen gab es auch keine mehr. Konnte man nur hoffen, dass ein paar fromme Leute die toten Körper gut verscharrt hatten. Der Ritt ging weiter und den Rest der Nacht, ereignete sich nichts Aufregendes mehr. Die Umgebung änderte sich ebenfalls nur unwesentlich, manchmal war mehr Eis, dann wieder mehr Schnee. In blöden Momenten sogar beides und es hatte zuerst getaut und war dann wieder gefroren.
Alida folgte dem Tross durch die Nacht. Hatte sie zu Beginn noch jeden Schritt des Pferdes genau überwacht, geschaut, dass es den richtigen Pfad einschlug um nicht auf Eis zu geraten oder in einer tieferen Pfütze oder im Unterholz ins Stolpern zu geraten verließ sie sich nach einigen Stunden zusehends auf das Tier.
Der stetige Trott und die eintönige triste Landschaft hatten eine fast hypnotische Wirkung auf die blonde Frau. Wie so oft stellte sie ihr Handeln in Zweifel. Sie hatte ihre Familie, ihre Freunde und Verbündeten hinter sich gelassen… und sie nur mit den nötigsten Informationen versehen. Sie unterdrückte ein Seufzen. Solche Alleingänge waren nicht ihre Art.
Aber das hier betraf nur sie und Emilian… im schlimmsten Fall noch Georg, wenn irgendwann jemand herausbekommen sollte, dass er kein Kind von Frederik und damit Toreador, sondern von ihrem Blut war… alte Familienangelegenheiten… Geschichten, die einen immer wieder einholen würden- bis zum Ende aller Tage. Und wie gut man sich auch versteckte, wohin man vielleicht floh, die Wahrheit war dennoch da. Von ihr über Emilian zu seinem Vater Victor.

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Sie dachte an Emilian und spürte die Panik, die in ihr aufkam. War er überhaupt noch am Leben? War er von hinten enthauptet oder in einem Zweikampf niedergestreckt worden? War er diableriert worden?


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Sie schloss für einen Moment die Augen um diese Vorstellungen aus ihrem Kopf zu verbannen. Sie vermisste ihn schmerzlich. Das fremdartige, anmutige, gemäldeartige Gesicht, die ungewöhnlichen blutroten Augen, die kalte Haut, das seltene dafür umso herzlichere Lachen, das nur dann zu hören war, wenn er sich sicher fühlte. … und sein Blut. Den vertrauten Geschmack, den sie auf der Zunge liebte, unter ihrer Haut, das berauschende Gefühl wenn er durch ihre Kehle rann und sich in jeder Faser ihres Körpers auszubreiten begann. Die Mischung aus ihrem und seinem Blut, dass sie von seinen Lippen kostete.
Eine Liebe durch ein Blutsband zu festigen war eine heikle Sache. Es stärkte und verband und wenn es plötzlich fehlte war das Verlangen danach fast körperlich zu spüren und schien einem das Herz aus der Brust reißen zu wollen.
Sie hatte ein Mal vor über hundert Jahren gelernt ohne Emilians Blut leben zu müssen. Es war hart gewesen aber in keinster Weise mit dem zu vergleichen, was sie nun empfand. Damals war Emilian gegangen um sein Leben leben zu können so wie es ihm richtig erschien, zu werden, was er sein wollte, um zu verhindern, dass er das zerstörte, was ihm wichtig war.
Vor ihrem inneren Auge erschien das Bild des Jungen im nächtlichen Schneesturm, der damals alles verschluckt hatte.

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Warum war er jetzt gegangen? Sie hoffte, sie würde noch eine Möglichkeit haben ihn zu fragen.

Vom Lachenden Mann war die ganze Zeit über nichts zu sehen oder zu hören. Zumindest musste man davon ausgehen, dass er seiner Tätigkeit als Späher nachging. Und wie als ob man ihn gerufen hätte, stand er nach stundenlanger Abwesenheit an der nächsten Kurve bei einem hohen Pflock, an dem man mehrere Wegtafeln angebracht hatte. Unter anderem das Dörfchen, welches die Gesellschaft aufsuchen wollte. Halb im Schatten verborgen, begrüßt er Alida und die anderen. „Ah, da seid ihr ja…. Was hat euch aufgehalten?“
Alida stieg vom Pferd und kam auf die hünenhafte schmale Gestalt zu. Ihr Pferd ließ sie stehen. Bis auf einen kleinen fünfminütigen Aufenthalt bei einem überfallenen Planwagentross, war es wohl das Wetter. Lieblich und lind wie immer hier im Osten.“ Sie zog den Mantel enger um die Schultern. „Ist es nicht eigentlich schon fast April?“ Sie seufzte bevor sie schließlich antwortete. „Und wie ist es euch ergangen?“
„Im Osten ist es immer kalt, das habt ihr richtig bemerkt. Selbst wenn es warm ist, ist es kalt.“ Der lachende Mann grinste sogar noch eine Spur breiter. „Und warum ihr länger gebraucht habt, liegt sicher nicht an einem fünfminütigen Aufenthalt, sondern schlicht daran, dass die Wege noch schlechter sind als ich zunächst annahm. Vielleicht werden wir am Ende doch fünf Tage brauchen aber es wird eine sehr sichere Reise. Was ich so vor uns gesehen habe, ist alles das uns gefährlich werden könnte bereits verhungert oder weitergewandert. Was noch lebt fristet sein Dasein in kleinen Häuseransammlungen. So wie dieses hübsche Nest..“ Er machte eine Bewegung nach hinten über seine Schulter. „Tränkt die Pferde und lasst sie einstallen. Wir werden hier rasten müssen, ansonsten kommen wir morgen nicht weit genug um Schutz zu finden.“ Bevor der lachende Mann sich noch völlig umdrehte, hielt er kurz inne. „Mmh… was war mit den Karren? Ich habe sie nur kurz im Überflug gesehen. Sah zerstört aus. Lässt sich erahnen was da passiert ist?“

Re: Die Fesseln der Macht

Do 17. Mär 2016, 21:50

Die Händlerin sah zu Ivan und nickte kaum merklich. Sie wusste, die Wiedergänger trautem dem Nosferatu nach wie vor nicht über den Weg aber eine Rast um Vorräte aufzufüllen, eine Unterkunft zu suchen und die Pferde zu versorgen war dennoch das Beste was sie bis zu der kurzen Zeit bevor die Sonne aufging nach erledigen konnten. „Schaut mal, was ihr hier finden könnt.“ Als sie mit dem lächelnden Mann allein war schilderte sie ihm die seltsamen Geschehnisse.
Jeremiah ging neben Alidas Pferd her, die Russen waren schon ein kleines Stück voraus geritten; blieben aber stets in Sichtreichweite. Der Weg war gefroren und sah wenig stark befahren aus. In diesem kleinen Dörfchen, kämen wohl nur wenige Reisende oder Wanderer vorbei – ganz wie der lachende Mann behauptet hatte. Schweigend hörte er sich Alidas Geschichte zu den Karren an und sah sich vorsichtig um. „Gefällt mir nicht. Gewiss es könnte alles Mögliche sein, von Dieben bis hin zu Tremere-Saboteuren und tatsächlich einem Gangrel. Die Spuren an diesem Karren zeigen zumindest deutlich, dass keines gewöhnlichen Menschen Hand dafür verantwortlich ist. Ihr solltet besondere Vorsicht walten lassen.“ Einige Minuten später, erreichten sie das Dorf. Dorf war vielleicht noch zu viel gesagt, denn es bestand aus exakt 5 Häusern und einer etwas größeren Kapelle. Allesamt schmucklos und zweckmäßig. Hinter den Holzläden dimmte schwammiges Kerzenlicht und die Kapelle war sogar sehr hell erleuchtet. Zu Alidas Verwunderung, standen rund um die kleine Häuseransammlung mannshohe Bäume, Äste, Dornenhecken und Gestrüpp das wohl von Menschenhand aufgetürmt worden war. Wenn sie es nicht besser wüsste, würde man fast glauben können, die Bewohner hätten eine Barriere gebaut. Jeremiah lächelte. „Ah, es wäre ja zu einfach gewesen. Selbst in diesem Drecksloch gibt es scheinbar Probleme. Naja, hilft nichts wir brauchen einen sonnengeschützten Platz. Ich hoffe ihr beherrscht die Kunst der Diplomatie?“
Sie sah ihn an und zog eine Augenbraue in die Höhe. Sie hatte gesehen wie er so wie Lucien es zu tun pflegte, wenn er in der Wildnis unterwegs war, in der Erde versank. Er brauchte einen sonnengschützen Ort? Sie war gespannt. Sie sah sich ein wenig um bezweifelte sie doch, dass es bei dieser Häuseransammlung ein Gasthaus geben würde. Vielleicht machte es Sinn das wohlhabendste Haus zu wählen. Für ein Entgelt würde sie vielleicht eine Unterkunft bekommen…
Die Russen hatten mittlerweile angehalten und auf die beiden Nachzügler gewartet. Jeremiah rieb sich die langen Finger. „Pah, ich bin schon längst zu nahe am Licht, höchste Zeit zu verschwinden. Wo und wie auch immer ihr eine Unterkunft findet: Ich werde euch dort treffen. Das hier ist ungewöhnlich, normalerweise haben die hier keine großartigen Sicherheitsvorkehrungen. Ich sehe mir die Umgebung mal etwas genauer an, während ihr die Dorfbewohner davon überzeugt euch einzulassen. Vielleicht finde ich eine Alternative, falls uns kein Glück beschieden sein sollte.“ Mit diesen Worten stapfte Jeremiah den Weg zurück den er gekommen war und ließ die Gruppe allein vor der Palisade zurück. Es mochten vielleicht fünfzig Meter bis zur Siedlung sein. Ivan hob die Schultern. „Mir leuchtet zwar ein, dass er sich umsehen will aber wäre es nicht das einfachste, er hätte für uns gesprochen? Ich meine er kann doch.. den Trick mit den Gesichtern oder? Außerdem hat er behauptet das Dorf ja schon zu kennen?“ Sein Blick wirkte unzufrieden. Weniger wegen sich selbst, im Notfall würde man Zelte aufbauen aber Alida brauchte, so sehr er dem lachenden Mann auch misstraute, tatsächlich einen sonnengeschützten Platz. Alida konnte in einiger Entfernung ‚Wachen‘ um die Siedlung gehen sehen.
Alida seufzte und nickte. Vielleicht hatten die Männer von Belinkov ja tatsächlich recht und sie vertraute einfach einmal wieder zu Unrecht jemandem, den sie nicht kannte…
Sie entschied sich schließlich dafür auf dem seltsamen ausgetretenen Pfad, der vielleicht so etwas wie die Hauptstraße sein mochte, Richtung Häuseransammlung zu gehen. Man würde sie ohne langes Zögern sofort erkennen und konnte dann selbst entscheiden wie mit den Neuankömmlingen zu verfahren sei.
Je näher sie kam, desto deutlicher wurden die Gestalten rund um die Palisade. Es handelte sich scheinbar um einfache Bauern, die lediglich mit Holzfälleräxten und Heugabeln ausgerüstet waren. Trotz allem hatten sie sich zusätzlich zu den öligen Feuerstellen, teure Sturmlaternen für ihren Rundgang mitgenommen. Es war scheinbar ein Vater mit seinen zwei Söhnen; der jüngste hielt gar eine Armbrust auf Alida gerichtet, die alt und schäbig aussah und dessen Gewicht er kaum halten konnte. Der alte Bauer gebot Alida und den nachfolgenden Russen mit einer Geste Einhalt. „Halt! Wer seid ihr und was wollt ihr? Um diese Jahreszeit und in diesen schweren Zeiten kommen nur wenig Reisende vorbei, wer seid ihr und was macht ihr hier? Es ist mitten in der Nacht! Seid ihr gekommen um zu plündern?“ Der alte legte einen stolzen Blick auf. „Versucht es nur, das ganze Dorf ist auf den Beinen, außerdem werdet ihr nichts finden!“ Sein älterer Sohn nickte beipflichtend während der jüngere, mehr schlecht als recht die Armbrust anhob. Die ‚Wache‘ der Siedlung stand vor Alida. Ein trostloser Haufen.
Alida schüttelte sacht den Kopf. „Nein, wir sind nicht gekommen um zu plündern. Wir suchen einen Ort an dem wir rasten können. Die Reise bisher war lang. Das Land ist verwüstet und öde und bei Tag ist soviel Gesindel unterwegs, dass wir uns dazu entschlossen haben bei Nacht zu reisen. Die Zeiten sind hart.“
Der alte Bauer kratzte sich am Kinn und besah sich die Truppe misstrauisch. „Bei Nacht ist noch bei weitem mehr Scheußliches unterwegs, werte Dame. Es war nicht klug von eurem Gatten, euch alleine reisen zu lassen. Selbst die paar Männer, die er euch scheinbar gegeben hat, reichen nicht aus um gegen das Böse zu bestehen das sich hier breit macht. Ihr solltet hereinkommen.“ Der Bauer deutete seinen Söhnen an die Palisade zu entfernen und tatsächlich ließ sich ein gewisser Bereich, leichter zur Seite schieben als andere sodass man im Endeffekt eine Art ‚Eingang‘ daraus formen konnte. Der Bauer wies seine Söhne an die Wache weiter zu halten, während er Alida und die drei Russen zu einem größeren der Häuser führte. „Gelegentlich beherbergen wir Reisende, das ist schon richtig aber für gewöhnlich keine allzu wohlhabenden Leute. Wir liegen etwas abseits von den größeren Hauptwegen.“ Er musterte Alida. „Wie dem auch sein, ich kann euch ein Zimmer anbieten für euch und eure Wachleute, bedauerlicherweise kein Einzelzimmer. Ihr werdet es euch also teilen müssen. Ist das ein Problem?“
„Nein. Ich danke euch für euren Großmut. Ich weiß, wie viel ihr in Zeiten wie diesen durchmachen müsst und dass Freundlichkeit eines der teuersten Güter ist. Ich hoffe, ich kann Der Bauer führte die gemeinsame Truppe durch sein recht einfaches Haus in den Dachstuhl. Es war kalt, es war niedrig und sehr beklemmend aber es würde wohl für diesen einen Tag reichen müssen. Die Russen hatten die Pferde in einen nahen Stall gebracht und die Satteldecken mitgenommen; der freundlich Bauer stellte ebenfalls ein paar Felle zur Verfügung. Beim Durchschreiten des Hauses sah man weitere drei Kinder, Jungen und Mädchen verschiedensten Alters die in ärmlichen Betten schliefen. Seine Frau war faltig und eingefallen; stickte in einem Schaukelstuhl. Die Fremden betrachtete sie mit äußerstem Missmut, ließ ihren Mann aber machen. Er war der Herr im Haus und Geld war dringend notwendig in Zeiten wie diesen. Mit einigen bulligen Möbeln und Decken, gelang es Alida zusammen mit der Truppe den Dachstuhl soweit sonnenfest zu machen. Ivan ließ sich noch ein kärgliches Abendmahl für seine Leute bereiten und legte sich dann auch schlafen. Den lachenden Mann, hatte niemand mehr gesehen.
In der nächsten Nacht, wurde Alida bereits von Ivan erwartet. Dieser erklärte ihr, das der Bauer schon mehrere Male versucht habe sie aufzusuchen aber nie vorgelassen wurde - er und die anderen hatten das natürlich verhindert. Schön langsam gingen ihnen aber die Erklärungen aus und der Bauer wurde stutzig. "Er hat uns erklärt, das vor 2 Tagen ein paar groteske, fliegende Ungetüme hier vorbeigekommen sind, die Hälfte der Schweine getötete hätten und ein paar Leute umgebracht hätten. Groß waren sie und stark, Bestien von schrecklichem Äußeren. Seitdem haben sie die Palisade gezogen und halten täglich Wache. Natürlich kann man ihnen Aberglauben vorwerfen..." Ivan hob die Schultern. "Allerdings wird sowas im Osten sehr ernst genommen. Ihr seid im Land, wo all diese Alpträume noch offen wandeln."
Alida dachte an andere längst vergangene Zeiten. „Diese Alpträume wandeln nicht nur im Osten, Ivan. Ich schätze mal es handelt sich um Gargylen… also die Hexer. Habt ihr unseren Begleiter schon zu Gesicht bekommen?“
"Natürlich, er ist unten und bereitet sich für seinen Wachantritt vor. Ich habe mir erlaubt, die von euch vereinbarte Summe zu entrichten und die Pferde schon versorgt. Wir sind also abreisefertig." Er wollte schon gehen, blieb dann aber noch einmal kurz stehen. "Unseren lieben Führer habe ich allerdings bisher noch nicht gesehen aber ich muss ihm zugute halten, dass er mit diesem merkwürdigen Dorf recht hatte. Es gehen nur wenige Wege hierher und noch weniger von hier weg; im Grunde reiten wir durch die eisige Wildnis. Somit gehen wir zwar ein paar Gefahren sicher aus dem Weg aber halsen uns vielleicht neue auf... ich weiß nicht... " Ivan schüttelte den Kopf. "Naja, ich bin bei den Pferden." Wenn Alida ihm nichts mehr zu sagen hätte, dann würde er sich auch dahin aufmachen. Unten in der Küche, war der Bauer gerade dabei seine Sense zu schleifen und sich eine behelfsmäßige Rüstung, in Form eines Lederharnisch anzulegen. Selbst die Kinder, die in Brügge Ritter spielten, hatten bessere Ausrüstung. Er lächelte sie schief an. "Ah, habt ihr wohl geruht? Es wunderte mich, dass ihr den ganzen Tag verschlafen habt. Ich wollte euch schon von meiner Frau Frühstück bringen lassen."
„Danke, das ist sehr freundlich von euch. Aber ich schätze, eure Kinder und eure Frau brauchen es dringender als ich. Behaltet es bitte! Ihr sehr dieses Dorf als eure Heimat an, aber vielleicht solltet euch überlegen fortzugehen bis all der Krieg, der in dieser Gegend wütet vorbei ist? Und wenn ihr euch doch entscheidet zu bleiben: … ich habe von Gerüchten gehört, dass fliegenden Bestien nur mit Feuer beizukommen sei…“ Sie sah Richtung Tür.
An der Tür wartete bereits Ivan, der langsam und bedächtig nickte. Auch der Bauer nickte, aber aus einem anderen Grund. Scharf scharrte der Wetzstein über die frisch geschliffene Klinge der Sense. Wenn auch alles andere zerlumpt und schartig sein mochte, die Sense war scharf. "Feuer natürlich... deshalb haben wir hier überall die Öllampen und Feuerstellen, nicht nur wegen dem Licht. Jeder hier weiß, dass Feuer sie vertreibt. Wir waren nicht darauf vorbereitet, es kam so unerwartet und unvorbereitet. Es ist nicht... normal, dass die Schrecken so zahlreich erscheinen. Gelegentlich verschwindet jemand in den Wäldern oder den Festungen fernerer Orte, aber so etwas..." Der Bauer schüttelte den Kopf. "Ich hoffe, dass hört jetzt bald auf, der Krieg war hart genug und um eure Frage zu beantworten: Das hier ist mein Land, mein Boden, mein Acker und meine paar Tiere. Meine Eltern lebten hier und meine Großeltern vor ihnen, hier bin ich geboren und hier werde ich sterben. Ich gehe ganz sicher nicht weg von hier! Das ist meine Heimat!" Stolz sah er sie an und Alida konnte sich nicht erwehren, kurz einmal an Luciens schiefes Grinsen zu denken. Das hätte er jetzt nämlich gewisse gezogen - wie könnte man auf das hier stolz sein? Ivan räusperte sich und der Bauer verneigte sich. "Aber entschuldigt, ich halte auch auf, ich hoffe eure ... Übernachtung war halbwegs akzeptabel für euch. Kommt gern wieder vorbei und eine angenehme Reise noch." Dann wandte er sich erneut der Sense zu. Ivan ging mit Alida zu den Pferden und beide saßen auf; der baldige Ritt führte sie immer der Karte Jeremiahs nach einen großen Acker entlang. Da tauchte der lachende Mann vor ihnen auf und lüftete seinen zerknautschten Hut. "Ah ich hoffe ihr habt gut geschlafen? Und vor allem sicher? Es hat den Anschein, dem wäre so. Nun... ich habe anderswo genächtigt, mich dabei aber noch etwas umsehen können. Ich glaube hier hat jemand wichtiges genächtigt, ohne das der Bauer dies wusste. Die Tremere allerdings schon, was sie dazu veranlasst hat ihre geflügelten Bestien zu schicken. Der Karren wird vermutlich das sein, was von ihnen übrig geblieben ist. Ich denke das ist eine gute Erklärung." Er.. nun.. grinste. "Wir sollten unsere Reise fortsetzen, das, was hier durchgezogen ist, war nur der Rest der nach Europa flieht. Der Krieg ist ja im Grunde bereits verloren. Ich werde wieder voran fliegen." Kurze Zeit später, war bereits wieder eine hässliche Krähe in der Luft und die Reise wurde fortgesetzt. In der restlichen Zeit, gab es kaum nennenswerte Begegnungen und alles lief halbwegs geplant. Ein Pferd hatte sich an einem spitzen Stück Holz verletzt, Ivan war einmal beim Wasser holen beinahe in den Bach gefallen, man passierte die Leichen von aufgehängten Banditen und ging an namenlosen, gefrorenen Gräbern vorbei, die zu dutzenden einen kleinen Hügel säumten. Manchmal heulten die Wölfe oder es pfiff ein eisiger Wind, ansonsten war es so totenstill, das man meinen könnte die Zeit wäre stehen geblieben und würde nur auf ein Ereignis warten, die sie wieder in Gang setzten würde. Nach 3 weiteren Tagen, erreichte die Gruppe schlussendlich Temesvar und den eindrucksvollen Gebirgszug der Karpaten. Überhaupt war das Land jetzt hügeliger und runder geworden; bot mehr Abwechslung aber mit dem Schnee auch mehr Gefahren.

Re: Die Fesseln der Macht

Fr 1. Apr 2016, 21:23

Dann erreichten sie endlich das lang ersehnte Ziel, die Stadt Temesvar. Über eine leichte Hügelneige hinweg, konnte Alida bereits die hellen Lichter der Stadt erkennen. Selbst um diese Zeit, herrschte dort wohl rege Betriebsamkeit, was für die doch eher kleine Ansammlung aus schiefen Holzhäusern und marginal gepflasterten Straßen, doch ganz erstaunlich war. Selbstredend hatte Temesvar diese ‚Lebendigkeit‘ ganz ohne Zweifel dem Krieg zu verdanken und auch wenn in gewisser Weise dadurch sicher der eine oder andere Händler davon profitieren mochte, die Drachen herrschten über diesen Landstrich. Und wer die Drachen des Ostens kannte, wusste dass sich ihr Wohlwollen genauso launenhaft in grausamen Zorn wandeln konnte, wie der eisige Wind, der die hohen Gebirgszinnen umwehte. Überall brannte das Licht von Fackeln, Laternen, Kerzen und eisernen Feuerstellen aber nicht nur dort. Im Umland konnte die Brüggerin dank ihres scharfen Auges, viele dutzende größere und kleinere Zelte erkennen die von gut gerüsteten Soldaten in grobschlächtigen Eisenrüstungen aufgebaut worden waren. Pferde, Kutschen, Fässer, Kisten und Waffen in rauen Mengen wurden gerade angeliefert, gefertigt, geschliffen oder verbessert. Je näher sie kam, desto lauter wurde es – ungewöhnlich laut für diesen Ort um diese Zeit. Ohne Frage sprachen nicht wenige der Soldaten in den unzähligen kleinen Wirtshäusern auch dem russischen Schnaps und billigen Huren zu. Die Straßen sahen von der kleinen Anhöhe auf der sich sie gerade befanden aus wie ein riesiger Ameisenhaufen. Überall bewegte sich jemand, allerdings war die örtliche Bevölkerung selbst nur selten unterwegs. Temesvar war ein Vorposten geworden und genauso roch, klang und fühlte er sich auch an. Spannung lag in der Luft, eine aggressive, aufgeladene Spannung die nach Gewalt und Blutvergießen lechzte.

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Nach einigem Beratschlagen mit Ivan, Popov und Strazny, war sie zu dem Entschluss gekommen, dass ihre fleischformerischen Künsten hier nur wenig helfen würden. Zum einen bemerkte Ivan recht nüchtern, dass die Unholde selbst nicht in dieser Stadt residierten. Hier befand sich nur, wie Alida bereits richtig erahnen konnte, das Zwischenlager für Material, Ausrüstung, Verpflegung und Versorgung von Verwundeten. Gerade letzteres fiel aber in diesem Fall wohl auch wieder unter ersteres. Zumindest mochte man an das in Anbetracht der Umstände wohl annehmen. Hier unten ‚begann‘ das erste Puzzlestück eines erbarmungslosen Krieges, der in den kommenden Nächten zu einem finalen Ende kommen würde – man würde ihn später als den ‚Omenkrieg‘ bezeichnen. Popov merkte an, dass in diesem Vorposten im besten Falle ein paar gut ausgebildete Ghule und Wiedergänger dafür sorgen würden, dass die Wünsche ihrer Herren weitergetragen wurden. Kein Tzimisce und noch nicht einmal die Kinder der Unholde würden sich diesen wichtigen Moment entgehen lassen; den Moment an dem Ceoris erstürmt werden würde. Wehrhaft blieb die Stadt dennoch, schließlich hatte sich hier an kleines Heer versammelt, das nur auf das Vorrücken wartete. Vor einer Enttarnung, sollte die Brüggerin aber vorerst sicher sein, denn niemand kannte ihr Gesicht oder ihren Namen. So schlug schließlich Strazny vor, keinen großen Hehl aus ihrer Ankunft zu machen, sondern als das zum vorgeschobenen Lager an die Front zu reiten, was sie waren: treue Vasallen ihres Herren Belinkov. Alida selbst, würde sich ebenfalls als Wiedergängerin ausgeben. Möglicherweise würde man hie und da sogar einige andere Wiedergängerfamilien treffen sodass ihre Identität von mehreren Leuten durch die Unterstützung von Ivan bestätigt werden würde. Die Familien mochten untereinander vielleicht auch mitunter zerstritten sein und nur Neid und Missgunst für einander übrig haben, stets darauf bedacht in der Gunst ihrer Herren zu steigen aber man käme nicht umhin sich irgendwann Zeit seiner Existenz über den Weg zu laufen. Es war die beste Chance die sie hatten, um möglichst unbehelligt durch die Stadt und dann auf die Passstraße zu kommen.

Die Passstraße ja, daran hatte Alida ja noch gar nicht gedacht. All diese Soldaten und Waffen, mussten unter Aufbringung immenser Kräfte in das gewaltige Bergmassiv der Karparten transportiert werden. In unveränderlicher, einschüchternder Stille türmten sich die verschneiten, gezackten Wipfel der Berge hinter Temesvar auf. Für eine Frau aus Flandern, war der Anblick ehrfurchtgebietend.

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Der lachende Mann, erklärte sich mit dem Plan einverstanden und würde den Trupp sogar unsichtbar begleiten. Auf die Frage warum er nicht fliegen würde, lachte er nur ein heißeres Lachen, das gar nicht mehr aufhören wollte. „Eine witzige Idee Junge aber vielleicht ist dir aufgefallen, dass hier überhaupt nichts Tierisches herumfliegt oder herumgeht? Die haben alles was sich auch nur annähernd in der Nähe des Berges befindet und einen möglichen Boten oder Spion abgibt längst getötet. Die Wachtürme da unten? Da sitzen die besten Scharfschützen aus Kamensk, die treffen ein Eichhörnchen im vollen Lauf auf eine halbe Meile Entfernung wenn es sein muss. Lass dich nicht täuschen, da unten wird gesoffen und herumgehurt… aber wenn auch nur ein Spatz durchkommt, der den Drachen möglicherweise ihren Sieg kostet, möchtest du nicht in der Haut des Schützen stecken, der lieber ein Schnäpschen zu viel hatte, als auf seinem Posten zu sein.“ Nein er würde die Gruppe nicht begleiten, denn ein enttarnter Nosferatu, noch dazu ein erklärter Feind der Drachen und bisweilen vielleicht sogar gesucht, würde noch um einiges mehr Grund für die Soldaten bieten, Alida und ihre Gruppe ohne Umschweife zu exekutieren. Jeremiah würde dem Trupp in seinem Windschatten folgen und notfalls für Ablenkung sorgen; seinen Teil der Abmachung, hatte er ja im Grunde bereits erfüllt. Der Rest, lag an Alida und den Wiedergängern. Das hier war der Hort der Drachen und nur ein Drache konnte unter seinesgleichen bestehen.

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Der Ritt hinunter zur Stadt, dauerte nicht lange und nur wenige Minuten später, kam man bereits an den ersten Zeltlagern vorbei. Die Soldaten lachten oder tranken aus ledernen Beuteln, schärften die Waffen oder beluden schwere, von Ochsen gezogene Wagen. Das Hämmern auf Metall und Zischen von geschmolzenem Eisen, begleitete ein harsches Gemurmel und Gedränge. Jetzt erst sah Alida ein eine Reihe von spitzen Pflöcken, die man ins Erdreich gebohrt hatte; darauf die Leichen von einfachen Bürgern, manchmal in einfacher, manchmal in edlerer Tracht, Reih an Reih mit Soldaten der eigenen Fraktion, sowie der gelegentlichen Frau und auch Kinder. Allesamt hatte man sie gepfählt für Vergehen, über die Alida wohl nur spekulieren konnte. Zumindest die Soldaten, hatten wohl ihren Dienst nicht ordentlich versehen, waren feige gewesen oder ganz einfache Verräter an der Sache. Der Drache nahm sich, was des Drachen war und manchmal waren es auch die Leben der einfachen Leute. Angst, machte Sterbliche nur allzu schnell gefügig und wenn es etwas gab, das der Osten zur Perfektion gebracht hatte, dann war es der blanke, monströse Terror. An Gebeinen fehlte es ebenfalls nicht.

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Gelegentlich wurde der Brügger Trupp misstrauisch oder nachdenklich beobachtet aber Ivan ließ die Pferde in einen gemütlichen, unauffälligen Trapp verfallen und die Kleidung der Wiedergänger, entsprach dem was die Soldaten wohl zu sehen erwarteten. Selbst Alida, hatte man mit einigen Reservegewändern und einem Mantel, in ein vertretbares Mitglied aus Belinkovs Reihen verwandelt. Dass sie sogar noch zu einem weitaus engerem Verhältnis zu diesem stand, wusste aber natürlich niemand. Die Reaktionen der geschäftigen Leute um sie herum, blieben bis sie den Stadtkern erreichten unterschiedlich. Mal hatten sie das Gefühl, demnächst aufgehalten zu werden, dann wiederrum wurden sie nicht einmal beachtet. Einmal sogar, bot ein angeheiterter Soldat Popov einen Becher Schnaps an, den dieser aber ablehnte. Die Ruhe war trügerisch und ihre Tarnung, die ja auch nicht wirklich eine ‚Lüge‘ war, schien nach wie vor zu halten. Sie hatten zur Genüge Zeit, sich das Treiben des Krieges aus direkter Nähe anzusehen. Die Einheimischen, sah man nur manchmal um die Häuser huschen oder unterwürfig mit einem Trupp Soldaten sprechen, in einer dunklen Ecke weinte leise eine dunkelhaarige Frau, deren Kleider in Fetzen gerissen waren und auf dem einst opulenten, steinernen Dorfbrunnen, lag eine Vielzahl abgetrennter Köpfe, die man mit grotesker Kreativität und üppig brandigem Fleisch, miteinander verwoben hatte. Sie alle hatten die Münder in blankem Entsetzen aufgerissen und aus ihren leeren Blicken, sprach unermessliches Leid. Unverkennbar ein Machwerk der Drachen, das die Bevölkerung und auch die Soldaten daran erinnern sollte, wer über all dieser blutigen Maschinerie wachte. Der schmälere Strazny schluckte hin und wieder und sah sich zu Popov um, der wiederum einen recht gefestigten Eindruck machte. Ivan gab einen wunderbaren Anführer ab, denn er ließ sich was die Wiedergänger anging, am wenigsten anmerken. Stolz und seiner Sache völlig sicher, ritt er als Repräsentant einer Wiedergängerfamilie voran, Alida neben ihm. Irgendwo in weiter Ferne schrie jemand zum Gotterbarmen, dann hörten sie von links lautes Gelächter und Gegröle aus einem schummrigen Wirtshaus. Rechts von ihnen erleichterte sich ein schwankender Soldat gegen eine Hausmauer. Ob die Felder von Flandern oder die eisigen Spitzen der Karparten. Krieg… Krieg ist immer gleich…

Re: Die Fesseln der Macht

So 3. Apr 2016, 10:55

Alida nahm das Bild des gewaltigen Heerlagers in sich auf. Krieg war immer gleich und doch war das, was sie hier vor sich hatte, fast der Inbegriff des Wortes selbst. Das gewaltige Gebirgsmassiv baute sich wie eine Mauer vor ihnen auf und tauchte die Täler zu dessen Fuß in tiefen Schatten. Hier mochte wohl auch des Tags kein Sonnenstrahl hin dringen. Irgendwo dort in der Ferne lag Ceoris, das Bollwerk der Tremere, und obwohl sie keine Freundschaft zu den Mitgliedern dieses Clanes verband, spürte sie doch fast so etwas wie Mitleid für diejenigen, die sich dort jetzt noch aufhalten mochten. Sie zog den dichten Mantel fester um die Schultern und unterdrückte ein Schaudern.
Auch wenn ihre Wiedergängerbegleiter es nicht für notwendig hielten sich weiter zu tarnen fühlte sich Alida bei dem Gedanken mit ihrem eigenen Gesicht weiter zu reisen unwohl. Aber es war wohl richtig: Wollte sie nicht jedem der Männer ein neues Gesicht verpassen, machte es wenig Sinn sich zu verändern, da diejenigen, die sie vielleicht suchen würden wussten, mit wem sie unterwegs war. Aber realistisch betrachtet: Wer mochte wohl den Angriff der Ratten überlebt haben? Dennoch verkroch sie sich noch ein wenig weiter unter ihrer Kapuze. Sie hatte Jeremiah vorgeschlagen ihnen nicht weiter zu folgen. Es würde, desto weiter sie kamen, gefährlich werden und sie sah keinen Sinndarin, dass er sich einem unnötigen Wagnis aussetzte.
In Temesvar bat sie Popov, Strazny sich nach ihrem Herrn umzuhören. Vielleicht hielt Emilian sich ja noch hier auf und war für die „Versorgung“ zuständig. Sie hoffte es, denn was immer in Ceoris vor sich gehen mochte, sie war nicht erpischt darauf, es mit eigenen Augen zu erfahren.
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