Mi 27. Jan 2016, 18:09
Girland sah sie einen kurzen Moment lang, beinahe mitleidig an. Die Tatsache dass Alida bereits offensichtlich über gewisse Dinge Bescheid wusste, schien ihn regelrecht zu schmerzen und tauchte das raue Gesicht in tiefe Sorge. Gewiss hätte er versuchen können, von Emilians Abwesenheit abzulenken, eine Geschichte zu erfinden oder ihr die Antwort zu verweigern. Stattdessen seufzte er knapp und deutete Alida an sich zu setzen. In der Nähe des Kamins, standen ein kleiner, runder Tisch und zwei bequeme, mit dunklem Leder überspannte Sessel. Das Schachspiel ihres Erzeugers war aufgestellt worden aber offenbar hatten die Spieler ihre Partie vorzeitig beendet. Der schwarze König befand sich in arger Bedrängnis; weiß war deutlich im Vorteil. Girland wartete erst darauf dass sie Platz nahm, dann seufzte er abermals und begann leise zu sprechen.
„Da wir euch nicht erwartet haben, zumindest nicht unter normalen Umständen und ihr dennoch hier seid und mich nach meinem Herrn fragt, muss ich wohl annehmen dass es Anja bis vor die Tore eures Anwesens geschafft hat.“ Der Majordomus nickte sinnierend. „Sie ist ein törichtes und dummes Mädchen aber dass sie ohne große Reiterfahrung und Proviant, mitten im tiefsten Winter bis nach Brügge gekommen ist, macht mich dennoch stolz.“ Sein Gesicht als auch seine Stimme verfinsterten sich plötzlich. „Dennoch hat sie gegen den Willen unseres Herrn verstoßen und wird dementsprechend bestraft werden, auch für den Diebstahl.“ Mit einer Hand griff er langsam in die Innenseite seines Wamses und entzog dieser eine längliche Pfeife, die er langsam stopfte und nachdem er sie entzündet hatte, gemächlich daran zog. Als würde sie ihm Erleichterung verschaffen. „Ihr wisst also das Herr Belinkov fortgeritten ist ja?“ Er schüttelte den Kopf. „Ich hätte wissen müssen dass Anja zu euch gehen würde. Sie hat euch monatelang beobachtet, euch und meinen Herren und war insgeheim eifersüchtig denn sie glaubt sich in Liebe zu ihm das dumme Ding. Aber sie ist nur eine Untere und darum nicht im Ansatz würdig Herrn Belinkov zu lieben…. Ihr schon… das wusste sie wohl…“ Seine Augen fixierten Alida und er lächelte. „Vermutlich war ihre Sorge um unseren Herrn so groß, das sie sogar unter Einsatz ihres nichtsnutzigen Lebens ihre geheime ‚Nebenbuhlerin‘ aufgesucht hat, in der Hoffnung ihr würdet kommen. Und da seid ihr nun….“ Rauch stieg langsam kräuselnd aus Girlands Mund. „Ich kann euch nicht sagen wo er ist Herrin. Es ist eine Anordnung von Herrn Belinkov persönlich.“
Alida nahm in dem Sessel Girland gegenüber Platz. „Was mit Anja geschehen wird sollte derzeit nicht von Belang sein, oder? Im Moment ist sie in Brügge, das ist richtig. Ebenfalls war sie diejenige, die mich informiert hat. Ich bedenke sie vorerst dort zu lassen sofern ihr nicht sofort eine Überstellung anordnet. Aber im Moment ist sie nicht in der Lage zu reisen, wenn ich mir die Bemerkung erlauben darf.“
Sie verschränkte die Finger und massierte die Daumen aneinander. „Liebe hat nichts mit Würde oder Stand zu tun, wenn ihr mich fragt. Solche Dinge ändern sich wie der Wandel der Jahreszeiten oder die Formen der tsimiskischen Körper… Vielleicht sollte sie sich einen Mann suchen. Ihr habt viele gutaussehende, fähige und intelligente Männer in eurer Familie.“ Für einen Augenblick hatte sie Ivan vor Augen. „Da sollte doch auch einer für sie dabei sein, der sie auf andere Gedanken bringen kann…“
Sie schüttelte den Kopf und schob eine Haarsträhne nach hinten, die sich dabei aus dem Zopf gelöst hatte. „Dieses Thema könnt ihr ein anders Mal besprechen… Auch wenn es eine Anordnung war: Girland? Ich möchte wissen, wo er ist. Bitte. Zwingt mich nicht mir die Informationen zu holen…“ Sie sah ihn flehentlich an.
Girland zog an der Pfeife, woraufhin die Glut am unteren Ende des Stückes Holz rötlich-orange zu leuchten begann. Nachdenklich sah er Alida eine Weile an, dann schüttelte er den Kopf. "Wir waren alle einst jung und haben tölpelhaften Liebeleien den Vorzug vor Vernunft gegeben. Gewiss ist die Liebe etwas, die sämtliche Grenzen überschreitet, selbst die Grenzen des Standes oder der guten Sitte. Von der Moral ganz zu schweigen. Aber diese Hürde wird sie nicht überwinden. Leben und Tod finden nicht zueinander, das weiß selbst Anja... und weil es dafür keine Überwindung gibt, ist es dumm und einfältig doch..." Er blies erneut gräulichen Rauch in die Luft. "... doch habt ihr natürlich recht. Anja ist derzeit nur eine Nebensächlichkeit. Wenn sie lebt, dann soll es gut sein. Lasst sie meinetwegen in Brügge, bis sie wieder zu Kräften kommt, ich werde dann nach ihr schicken, wenn ich Nachricht von euch erhalte." Auf eventuelle Heiratsmöglichkeiten, ging der Majordomus gar nicht näher ein. Den einen oder anderen Kandidaten mochte es schon geben aber wie sie selbst gesagt hatte: Liebe konnte man sich nicht aussuchen. Girland klopfte die Pfeife in ein nahestehendes Gefäß ab und verstaute sie wieder, dann sah er Alida an. "Ihr würdet ohne zu Zögern, den langjährigen Diener eures Erzeugers töten um herauszufinden, wohin er gegangen ist? Ihr wisst, das ich es euch nicht sagen darf oder kann, mein Eid und mein Blut binden mich, genau wie das eure. Dennoch..." Er lächelte. "Wenn ihr es darauf anlegt, hätte ich gewiss nicht den Hauch einer Chance und niemandem wäre geholfen. Mein Herr verliert einen Diener und müsste Ersatz finden und ihr würdet eure Antwort nie erfahren. Ich werde euch sagen, wonach ihr zu wissen verlangt aber es wird euch nicht gefallen. Ihr müsst mir versprechen, ihm nicht zu folgen."
Alida lachte kurz auf. Sie sah ihn ungläubig an. „Girland? Ich würde euch nie ein Haar krümmen. Ich schätze euch viel zu sehr. Aber ich benötige nur einen Wimpernschlag um mich in eure Gedanken zu bohren, den Fäden zu folgen, die ich suche und alles, was ihr wisst offen wie eine Karte vor mir auszulegen… Das dürftet ihr doch von eurem Herrn kennen…“ Ihre Stimme war leise. „Deshalb bitte ich euch mir einfach das zu sagen, was ihr wisst. Und ihr seid so klug zu wissen, dass ich kein Versprechen geben kann, dass ich vielleicht nicht halten werde.“
Girland nickte langsam und schien für einen Moment lang sogar sehr bedrückt. "Das könntet ihr. Euer Geist würde mich durchbohren, genau wie euer Schwert. Ich würde euch niemals angreifen, also hättet ihr in einer direkten Konfrontation bereits gewonnen. Doch wenn ich tot wäre..." Der Mann ergriff den Dolch an seiner Seite und zog ihn aus der Scheide, „... könntet ihr meinen Geist nicht mehr brechen und meine Loyalität wäre ungebrochen. Ein unrühmliches Schicksal aber vielleicht ein notwendiges. Ihr wisst, dass ich meinen Herrn noch nie enttäuscht habe, Alida."
„Verdammt, Girland.“ Alida sah ihn mit einer Mischung aus Wut und Verzweiflung an. „Ihr wisst ganz genau, dass ihr ihn in dem Moment in dem ihr eine solche Tat begehen würdet am meisten enttäuschen würdet. Und mir würde er auch nie vergeben, und ich mir ebenso wenig. Seid kein Narr. Ihr wisst ganz genau, was ihr ihm bedeutet: Ihr seid sein Vertrauter, sein Schüler, sein Lehrer und der einzige Freund, den er hat. Euer Verlust wäre ein schwerer Schlag für ihn. Also tut ihm und mir den Gefallen und steckt den Dolch weg.“ Sie griff nach seiner Hand und spürte die warme Haut als krassen Gegensatz zwischen ihnen.
„Er ist mir wichtig. Ich hab einmal vor Ewigkeiten zugelassen, dass er gegangen ist und ich will nicht, dass das noch einmal geschieht. Er hat damals genug kämpfen müssen um jede Nacht aufs Neue seine Haut zu retten und ich war nicht da… Vielleicht hätt‘ ich ihn aus der ganzen Scheiße in der er damals gesteckt hat rausholen können, aber ich hab nicht gewusst wo er war. Girland, vielleicht hab ich diesmal eine Möglichkeit ihm zu helfen, wenn er in Schwierigkeiten ist. Bitte.“
Er hatte den Dolch bereits gezogen und aus der schmalen Scheide entfernt, doch seine ruhigen und langsamen Bewegungen verrieten ihr, dass das was er in Aussicht gestellt hatte, ihm selbst ebenfalls kein Vergnügen bereitete sondern sichtlich schwer fiel. Loyalität war gut und schön aber was immer man auch behaupten wollte, dafür sein eigenes Leben herzugeben war dennoch nicht einfach. Girland erstarrte, als die kühle Haut ihrer Hand, im Unterschied zu der Wärme seiner eigenen ihn berührte und sah Alida tief in die Augen. Irgendwie hatte die blonde Unholdin das Gefühl, als würden ihre Worte zu ihm durchdringen, als würde das was sie sagte, definitiv der Wahrheit entsprechen. Girland kannte seinen Herren. Emilian war zwar oftmals auch recht fordernd und resolut, nicht nur weil er dies in den Landen des Ostens so gelernt hatte, sondern natürlich auch weil es oftmals eine Frage des Überlebens sein konnte aber etwas derartiges, hätte er sich für seinen treuen Diener dennoch nicht gewünscht. "Ich weiß...", brachte er angespannt hervor und seine Hand senkte sich, verstaute den Dolch wieder in der Scheide. “Und ihr habt recht Herrin Alida", fügte er nickend hinzu. "Dann tut was immer auch nötig ist um ihn zu finden, denn der Kampf den er vor Ewigkeiten gefochten hat und vor dem er sich verstecken musste, unbemerkt zwischen all seinen Feinden, neigt sich dem Ende zu." Girland seufzte. "Es kam ganz unvermittelt; niemand von uns wusste Bescheid aber eines Nachts, erhielten wir unangekündigten Besuch von einem hochgewachsenen Mann, den wir sofort als einen Bojaren oder hohen Adeligen aus dem Osten erkannten. Er hatte einen kleinen Tross bei sich, gut gewappnete Kämpfer die mehrere Kriege hinter sich zu haben schienen. Der Mann verlangte den Herrn zu sprechen und wollte dabei äußerste Diskretion gewahrt wissen, niemand durfte bei dem Gespräch dabei sein - selbst ich nicht. Offenbar handelte es sich um höchst delikate Angelegenheiten." Girland lehnte sich zurück. "Der Mann blieb nur für eine Nacht, doch schon in der nächsten brach Herr Belinkov auf, wies uns an, das Herrenhaus nicht zu verlassen und niemanden zu erzählen wohin er ginge. Zuerst wollte er es mir auch nicht mitteilen aber er wusste wohl, dass..." Girland biss die Zähne zusammen, "... dass es vielleicht sonst niemand erfahren würde und er hatte keine Zeit mehr etwas niederzuschreiben. Irgendjemand hat offenbar mit einflussreichen Größen der Tzimisce gesprochen und einen Handel erwirkt... eine Möglichkeit, sich von Erbschuld seiner Linie reinzuwaschen. Die Sache ging bis zu den höchsten Adeligen und Heerführern des Ostens, wo es schließlich wohl auch Rustovich bzw. seine Getreuen zu Ohren kam. Ein Handel also, ein Auftrag des Ostens für den Herren, nach dessen Beendigung alles vergeben und vergessen wäre, sein Name wiederhergestellt und die Schande aus den Büchern der Geschichte gestrichen. Die Tzimisce vergessen niemals die Verletzung ihrer Ehre aber man gibt immer die Möglichkeit, diese wiederzuerlangen. Mein Herr... " Girland machte eine dramatische Pause. "... willigte in den Handel ein."
Alida lehnte den Kopf fest gegen den weichen Stoff des Sessels und schloss die Augen. Sie zwang sich dazu langsam ein und aus zu atmen. Unnötig, anstrengend und doch irgendwie beruhigend. Sie biss fest die Lippen aufeinander und öffnete mit Mühe wieder die Lider. Sie fixierte den Blick des braunhaarigen Mannes.
„Ein riskantes Unterfangen. Und in keinster Weise vorhersehbar…“ Mit Mühe entspannte sie die Finger, die sich in die Polsterlehne gekrallt hatten. „Warum ist er darauf eingegangen, Girland? Nur um den Namen seiner Vorväter rein zu waschen? Gibt es sonst noch etwas, das du in Erfahrung bringen konntest“
Alida hoffte inständig, dass das einzige, was nie passieren durfte nicht eingetreten war. Emilian hatte sich eine perfekte Deckidentität aufgebaut. Er war in die Haut, in das Leben eines anderen geschlüpft und damit unbemerkt über Jahrhunderte in der Welt der Unholde gewandelt. Wenn es jemandem gelungen war dahinter zu kommen… dann…. Sie zwang sich dazu nicht weiter zu denken
Der Mann ihr gegenüber nickte. "Es geht um diesen verdammten Krieg, den euer Clan gegen die Bluthexer führt. Man ist dabei sie endgültig aus den Ländern eurer Vorväter zu vertreiben, auch wenn sie mithilfe der Blaublütigen, lange Zeit große Gebiete in Ungarn halten konnten und sich ihre Hexenhäuser, überall zu verstecken scheinen. Man munkelt, die Tremere haben den Rückzug angetreten, immer weiter nach Westen aber einzelne Bastionen halten sich noch und scheinen nahezu uneinnehmbar...." Girland schluckte. "Meister Belinkov, euer Erzeuger, wurde mit der ehrenhaften Aufgabe betraut, zusammen mit anderen die Verteidigung einer dieser letzten Bastionen zu brechen und die Bluthexer endgültig auszuräuchern." Der Majordomus ergriff Alidas Hände und sah sie fest an, sein Blick wirkte dennoch abwesend, als ob er gedanklich in weiter Ferne schweifen würde. "Die Kriege im Osten... ihr müsst wissen... ich war da. Was dort auf den Schlachtfeldern passiert ist..... das Blutbad in Brügge wirkt dagegen wie eine heilige Messe. Beide Seiten kämpfen erbarmungslos, dort draußen gibt es keine Gnade. Ganze Landstriche sind verbrannt und verkohlt, kein Gras wird je wieder darauf wachsen. Monster streifen durch die raue Wildnis und andere Abartigkeiten warten auf den unvorbereiteten Wanderer. Diese Kriege sind... die Hölle."
Wieder schloss sie für einen langen Moment die Augen. Sie suchte in ihrem Inneren nach einem Herzschlag, irgendetwas, auf das sie sich konzentrieren konnte, aber da war nichts. Er war gegangen ohne sich zu verabschieden und jeder ahnte, dass Gott allein wusste, ob er je wieder kommen würde. In ihr breitete sich eine totenstille Leere aus. Von allen Orten in dieser Welt war er wohl an dem einzigen, zu dem sie ihm nicht folgen konnte. Sie war keine liebestolle Frau, die ihrem Mann aufs Schlachtfeld hinterher lief und sich und ihn damit der Lächerlichkeit Preis gab. Sie wäre nur eine Belastung und zusätzliche Gefahr für ihn, denn das, was einem etwas bedeutet macht immer verwundbar. Sie wusste genau, wofür man ihn brauchte. Emilian war kein Meister des Schwertes, kein Kriegsfürst und auch wenn er als formidabler Schachspieler fast jedes Spiel gewann, waren Spiel und Krieg doch wohl so verschieden wie Himmel und Hölle. Das, was ihm so schnell kein Unhold nachmachen konnte waren seine Fähigkeiten des Fleischformens, seine Übung in der Herstellung der gewaltigen kainitischen Kriegsmaschinen des Ostens. Dafür und für nichts anderes wollte man ihn…
Und sie war dabei nur ein schwerer Klotz am Bein, ganz zu schweigen von den Folgen, die es für Brügge und ihre Familie haben würde, wenn heraus kam, dass sie sich offen in einen Krieg gegen die Tremere einmischen würde.
Wut breitete sich für einen kurzen Moment in ihr aus. Wut auf Emilian, der einfach gegangen war, der sich nicht einmal verabschiedet hatte, der sie hier allein ließ, unfähig eine einzige sinnvolle Handlung vornehmen zu können. So wie das Feuer langsam im Kamin zu Glut verbrannte ebbte auch die Wut ab. Dann war da nur wieder die traurige Leere.
Sie bemerkte erst jetzt, dass Girland noch immer ihre Hände festgehalten hatte und sie betrachtete kurz die schwieligen kräftiger Finger des Kriegers. „Wo im Osten ist er, Girland?
Girland gab ihre Hände wieder frei und seufzte kurz resignierend. Was immer ihr Erzeuger auch getan haben mochte, es musste eine große Chance, wenn nicht sogar die Chance schlechthin für ihn sein, die alte Erbschuld seiner Linie wieder in Ordnung zu bringen. Auch auf die Gefahr hin, dabei umzukommen und auch ohne sich noch wenigstens vorher bei Alida zu verabschieden. Wahrscheinlich gab es zahlreiche, verschiedene Gründe für sein plötzliches und überraschendes Auftreten, von denen die zu überwindende Distanz, wohl noch der geringste sein mochte. Alida hätte ihn möglicherweise niemals gehen lassen, wenn er ihr seinen Entschluss offenbart hätte. Möglicherweise hatte man auch darauf bestanden, dass er sich sogleich auf den Weg machte oder dieser Umstand, war sogar eine Bedingung des Handels. Wie immer die Wahrheit auch aussehen mochte, Belinkov alias Emilian war ohne großen Aufhebens losgeritten. Der Majordomus kratze sich nachdenklich am Bart. „Er wurde an einen Ort geschickt, den sie Ceoris nennen. Angeblich ist es der Hauptsitz des verhassten Bluthexer-Clans und dessen gefährlichste Trutzburg. Das Herz des Bösen sozusagen. Man will die Überreste der Verteidiger, nun endgültig zerschlagen und benötigt wohl die Hilfe meines Herrn.“ Girland schüttelte den Kopf. „Herr Belinkov soll gewiss mit seinen Künsten für das notwendige Kriegsinstrumentarium sorgen aber auch andere Aufgaben werden wohl seiner harren. Gefährlich ist es allemal ….“ Er blicke Alida lange an. „Es ist nämlich so“, führte er aus, „… das obwohl diese Mission möglicherweise die lang ersehnte Antwort auf all seine Hoffnungen darstellt, sein endgültiger Tod beinahe unausweichlich scheint.“ Der kampferfahrene Girland lehnte sich leicht nach vorne. „Als mein Herr schon aufgebrochen war, sind einige der Begleitwachen des Bojaren noch im Ort geblieben um Vorräte aufzufüllen. Sie würden dann zum Haupttross gen Osten wieder aufschließen. Eine der Mägde hat angeblich gehört, wie der Name unseres Herren fiel.“ Sein Kopf senkte sich ein Stück. „Einer der anderen Tzimisce vor Ort, wird unseren Herren töten, sobald seine Aufgabe vollendet ist. Wenn auch alle anderen seine Schuld als beglichen sehen, es fiel ein Name, den die Magd nicht richtig verstand. Einer der Bojaren, will unserem Herrn übles und die Wirren des Krieges, eignen sich hervorragend für alle möglichen .. Unfälle.“
Alidas blaue Augen weiteten sich vor Entsetzen und Unglaube. Sie versuchte mit aller Mühe ihrer Stimme einen ruhigen Klang zu geben bevor sie weiter sprach. „Was habt ihr bisher unternommen um ihn zu warnen?“
Girland hob die Schultern. "Das einzige was ich machen kann. Ich habe sogleich einen unserer besten Reiter geschickt, ihn zu warnen. Allerdings ist der Rest der Bewachertruppe ebenfalls schon wieder aufgebrochen und falls diese unseren Mann einholen, könnte man eventuell Verdacht schöpfen. Die Sache ist nämlich obendrein die, dass der Bojar der unserem Herrn diesen Handel vorgeschlagen hatte, bei seinem guten Namen versprach, dass Herrn Belinkov nichts geschehen würde. Ein Tzimisce von hohem Stand würde es nicht wagen einen des eigenen Blutes zu belügen, demnach wird sich unser Herr relativ sicher fühlen... wenn auch nur für den Moment. Das kann der Meuchelmörder aber zu seinem Vorteil nutzen."
Alida sog die Unterlippe zwischen die Zähne. „Mit Sicherheit habt ihr dem Boten den Auftrag erteilt ab und zu Kunde von seinem Verbleib zu senden. Ist von ihm schon eine Botschaft eingegangen? Und haben die Mägde in dem Zusammenhang irgendwelche Namen gehört? Oder zumindest den Namen des Bojar?“
Girland schüttelte langsam den Kopf. "Bisher ist leider noch keine Nachricht von unserem Markow eingetroffen, obgleich er den Auftrag hatte sooft es ihm möglich wäre, Kunde über unseren Herren zu schicken. Gewiss dauern die Transportwege von solchen Nachrichten auch ihre Zeit aber mittlerweile sollten wir zumindest einmal etwas von ihm gehört haben. Ich ahne Übles, Herrin, möglicherweise hat er den Herrn gar nicht mehr erreicht?" Auf ihre Frage zu dem Namen schüttelte er nur seufzend den Kopf. "Nein, einen genauen Namen konnten die Mägde nicht vernehmen, es steht aber wohl außer Frage, dass der fragliche Mörder ein Teil der Belagerungsbemühungen sein wird. Anders kann ich es mir nicht erklären. Den Namen des Bojaren, der unserem Herrn diesen Vorschlag zur Wiederherstellung seiner Ehre und seines guten Namens unterbreitet hat, kann ich euch allerdings schon sagen: Er hieß Cunescu. Andrej Lasarew Cunescu. Man erzählt sich, dass er ein enger Vertrauter Rustovichs wäre."
„Andrej?“ Ungläubig sprach sie den Namen des Unholds aus, und innerlich verfluchte sie den überheblichen, unmenschlichen Kainiten und wünschte ihn zur Hölle. „Er hat ihm also dieses Angebot unterbreitet. Dieser besch… Krieg im Osten…“ Sie biss sich auf die Lippen um nicht weiter zu sprechen. Das brachte niemanden hier voran. „Gibt es sonst irgendwelche wichtigen Details, die ich wissen sollte?“ Sie sah ihn eindringlich an und hielt dem Blick der dunklen Augen stand.
Girland nickte und hob abermals die Schultern. "Der Omenkrieg, neigt sich dem Ende zu. Sicherlich wird es hin und wieder das eine oder andere Scharmützel geben aber im Grunde, bereiten sich beide Seiten auf die letzte, unsinnigste aller Schlachten vor. Die Tremere sind geschlagen und der Großteil bereits über die Grenzen nach Ungarn geflohen; man sehnt sich aber natürlich nach der ultimativen Zerstörung von Ceoris, die jahrzehntelang uneinnehmbar war für unsere Heere. Es ist eine Frage der... verletzten Ehre und des Stolzes und für unseren Herrn, eine Frage des Überlebens. Wenn er diese Sache hinter sich bringt, sollte das seiner Linie den lang ersehnten Frieden schenken...." Abermals ertönte ein Seufzen und der Mann ihr gegenüber wirkte beinahe über sich selbst enttäuscht, dass er ihr nicht mehr mitteilen konnte. "Leider nicht, ich weiß nur, das Ceoris in der Nähe der Rumänisch-ungarischen Grenze liegt, hoch oben in den nebelumrankten Bergen, die man die Karpaten nennt. Keiner hat diese Festung je wirklich gesehen, sie scheint aufzutauchen und zu verschwinden, wie ein Geist. Selbst die Zugangswege verändern sich kontinuierlich heißt es. Der Ort ist auf jeden Fall verflucht. Allein das ein Angriff möglich ist, bedeutet das die Tremere maßgeblich geschwächt sind. Vermutlich wird man ein großes Heer versammeln um seinen Siege den nötigen Prunk zu verleihen und den Moment ganz auszukosten. Ihr solltet die Banner schon von weitem sehen können."
Alida seufzte. Dann nickte sie. „Es ist eine weite Reise und ob Markow sein Ziel je erreicht, steht leider in den Sternen. Ich würde gerne noch bis Morgen hier in Gent verweilen und mich dann auf den Weg machen. Ich werde ein paar Vorkehrungen treffen müssen… Könnt ihr vielleicht Ivan entbehren? Einen oder zwei Begleiter sollte ich mitnehmen und ich könnte mir wohl keinen besseren Mann dafür vorstellen. Und ich muss versuchen mehr über die ungefähre Lage dieser Stadt herauszubekommen“
Girland sah sie mit strahlenden Augen an. Beinahe schien es so, als hätte er ein Stück weit gehofft das die Brüggerin sich so entschlossen auf den Weg machte, seinen Herren vor einer potentiell äußerst tödlichen Gefahr zu bewahren oder sogar vor dieser zu beschützen - falls möglich. Er selbst konnte und wollte sich dem Befehl seines Meisters nicht widersetzen, aber ihn einfach sterben lassen, war völlig undenkbar. Beiden war aber klar dass jemand wie Markow und wäre er noch so versiert in den Reitkünsten, nicht gegen eine misstrauische und raubeinige Soldatentruppe bestehen würde können. Entweder hatte man ihn bereits vor der Abreise getötet oder würde ihn auf halbem Wege abpassen. Es schien fraglich ob ein Mann allein zu Emilian durchkommen würde. Alida hingegen, war selbst, obwohl sie eine Frau war nicht nur das Kind seines Herren sondern selbst mit dem unheiligen Blut der Tzimisce gesegnet. Sie konnte sich wehren und auch angreifen falls notwendig; verfügte überdies über den Einfluss, den ihr das Blut der Unholde verschaffte. Die fremden Soldaten, die offenbar nicht nur in den Diensten Andrejs standen sondern obendrein von jemand anderem in Blut und Sold standen, würden es sich gewiss zweimal überlegen sie so ohne weiteres anzugreifen. "Ich werde euch alle Männer mitgeben, die ich entbehren kann. Ivan wird euch natürlich auch begleiten, keiner kennt die Umgebung so gut wie er. Zudem werde ich euch Kartenmaterial erstellen lassen, damit ihr den Weg leichter findet, ebenso einen Karren für euer Überdauern am Tage und Vorräte. Es gibt eine Stadt mit Namen Temeswar, an dessen Ausläufern, der Aufstieg zu den Karpaten beginnt. Dort wäre der beste Ort um den genauen Standpunkt von Ceoris zu ermitteln."
„Mit Karten und einigen fähigen Reitern wäre mir bestens gedient. Mit einem Karren zu reisen ist zwar vorteilhaft, da ich mich damit auch tagsüber fortbewegen kann, aber auch die Männer müssen ausruhen und ich weiß nicht, ob das unter diesen Umständen gelingt. Lieber übernachte ich in einer Herberge oder lass ich mich für die Stunden an denen die Sonne am Himmel ihre Bahnen zieht, unter die Erde schaufeln, denn ich will keine Zeit verlieren.“ Alida erhob sich. „Sucht nur ein paar Männer. Desto weniger desto weniger auffällig, desto weniger Gerüchte…“
Girland tat es ihr gleich und erhob sich. Fast schien er dennoch ein schlechtes Gewissen zu haben. Ihm selbst waren die Hände gebunden; er hatte bereits alles getan, was in seiner Macht stand und das war bedauerlicherweise nicht viel gewesen. Mehr als einen soliden Reiter, hatte er seinem Herrn nicht hinterdrein schicken können und selbst dessen Schicksal war mehr als ungewiss. Er nickte bestimmt und gefasst. "Ich weiß, ihr hättet euch auch ohne mein Zutun zu diesem Schritt entschlossen und es schmerzt mich, euch so einer Gefahr ausgesetzt zu wissen aber dennoch....." Girland verneigte sich tief. "... möchte ich euch aus tiefstem Herzen danken. Herr Belinkov war immer gut zu uns, behandelte uns gerecht wenngleich auch mit strenger Hand. Stets blieb er dabei aber fair und konsequent. Er ist ein guter Mann, vielleicht ein zu guter, um sich mit diesen hohen, politischen Spielchen einzulassen. Obendrein... ist er mir persönlich ein Freund geworden." Er steckte zwei Finger in den Mund und ließ einen lauten Pfiff ertönen, wandte sich dann wieder Alida zu. "Ihr werdet am morgigen Abend alles vorbereitet finden, ich verspreche es euch. Ich werde sogleich alles veranlassen. Bitte erweist uns die Ehre und bezieht doch bis morgen eure Gemächer im Haus, was immer ihr noch benötigt, werden euch die Diener gerne zukommen lassen." Kaum hatte er diese Worte gesprochen, steckte jemand erneut den Kopf durch den Türspalt. Girland fuhr das Mädchen in scharfem Russisch an: "Geh und versammle die Männer, wir haben wichtig Dinge vorzubereiten. Und bring mir Ivan - sofort."
Alida bedankte sich. „Ich weiß, sowohl Belinkov als auch meine Wenigkeit können sich immer auf euch verlassen. Ich bin es, die zu danken hat.“ Sie nickte ihm zu. „Ich werde mich zurückziehen Es gibt noch einiges, was ich zu tun habe. Ich verspreche euch, ich werde mein bestes versuchen…“ Damit verbeugte sie sich ebenfalls ein wenig und verließ das Zimmer. Auch wenn sie gerne noch den jungen meist mürrisch drein blickenden Ghul begrüßt hätte, hatte sie wichtigeres zu erledigen.
Alida begann sich vorzubereiten. Sie konzentrierte sich auf die Dinge, die getan werden mussten, verfasste ein paar Zeilen an die Kainiten und Sterblichen in Brügge, die ihr wirklich etwas bedeuteten und spürte wie sich die Müdigkeit wie eine Krankheit in ihre Knochen und ihren Geist ausbreitete. Erschöpft fiel sie schließlich auf das Bett, zog die Decke über den Kopf und ergab sich dem Schlaf
Zuletzt geändert von Alida am Sa 30. Jan 2016, 15:15, insgesamt 2-mal geändert.