Vampire: Die Maskerade


Eine Welt der Dunkelheit
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 Betreff des Beitrags: Re: Die Fesseln der Macht
BeitragVerfasst: Sa 20. Feb 2016, 20:21 
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Alida formte stumm die Worte mit den Lippen, die sie zuvor bei dem Soldaten gehört hatte. Sie schluckte schwer. Rasend überschlugen sich ihre Gedanken ohne zu einem annähernd brauchbaren Resultat zu kommen. Sie sah sich nach irgendeiner Fluchtmöglichkeit um: Wegrennen?- Wahnsinn, ein Fluss? – Ratten waren gute Schwimmer. Ihr kam nur eine einzige Idee, die ihr vielleicht für kurze Zeit Aufschub gewähren konnte: - zurück zum Haus.
Sie riss Ivan an der Schulter herum und die passenden Worte in Russisch fielen ihr nicht ein. „Zum Haus zurück!“ schrie sie in Flandrisch gegen das lauter werdende Piepsen an und deutete zu dem alten Lagerhaus. Sie vermutete, dass in dieser Situation keiner der Soldaten sie daran hindern würde zu fliehen. Sie versuchte Popovs Blick aufzufangen. Dann rannte sie.

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Verfasst: Sa 20. Feb 2016, 20:21 


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 Betreff des Beitrags: Re: Die Fesseln der Macht
BeitragVerfasst: Sa 20. Feb 2016, 22:06 
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Alida kämpfte sich zum Hauseingang vor, verschwendete keinen weiteren Blick zurück. Ebenso folgten ihr dicht Popov und Ivan, die noch nie zuvor so gerannt waren. Lauthals hörte man den jungen Kommandanten Belinkovs fluchen, während Popov irgendein altertümliches Gebet vor sich hinmurmelte. Hinter sich hörte sie bereits erste, erstickte Schreie als die erbarmungslose Masse wohl ihre ersten Opfer gefunden hatte. Laut dröhnte die Stimme des Langhaarigen bis an ihre Ohren: „Rückzuuuug! Zurückfalleeeeen!“ Ob seine Männer in jetzt noch verstehen würden, blieb fraglich. Gellende Schreie fegten über die gefrorene Landschaft, als der nächste Feind in einem Berg aus Fell verschwand. Dann erreichte Alida die schwere Holztür des Eingangs. Nicht der Haupteingang, sondern ein Seiteneingang, aus dem zuvor wohl der Trupp Soldaten erschienen sein mochte. Sie riss die Tür auf und wie durch ein Wunder, war sie nicht verschlossen; dahinter lag die dumpfe Schwärze des baufälligen Gebäudes. Kaum eine Sekunde später war der keuchende Ivan an ihrer Seite und sah mit geweiteten Augen nach draußen.

Nur wenige Meter vom rettenden Eingang entfernt, lag Popov der wohl gestrauchelt sein musste. Nein, nicht gestrauchelt. Jemand hatte ihn zu Fall gebracht. Offensichtlich einer der Soldaten, der sich wie wahnsinnig an seinem Bein festkrallte und versuchte mit einem Dolch auf ihn einzustechen. Der breite Russe klammerte sich zitternd an die Hand der herniederfahrenden Klinge aber es war zu spät; der Dolch bohrte sich in seinen Unterschenkel und er schrie schmerzverzerrt auf. Wie aus blinder Wut und angetrieben von blanker Panik und Angst, hieb er nach dem Angreifer der am Kopf getroffen, benommen neben ihn zu Boden ging und sich stöhnend im Matsch wälzte. Popov stand auf und hielt sich das Bein, strauchelte fast aber humpelte mit zusammengebissenen Zähne weiter auf den Eingang zu. Dann bogen die Ratten um die nächste Häuserkurve. Von anderen Soldaten, war nichts mehr zu sehen.

Der Brüggerin würde in diesem Moment klar werden, dass sie eine Entscheidung treffen müsste. Mit dem verwundeten Bein könnte der Russe niemals allein bis zum Eingang humpeln. Nicht vor den Ratten jedenfalls. Rannte sie aber selbst hinaus um ihn zu stützen, könnte es selbst mit ihrer Hilfe knapp werden. Immerhin bestand dadurch aber eine Chance. Ein Blick zu Ivan, spiegelte diese Erkenntnis. Auch ihm war die Verzweiflung der Situation schlagartig bewusst geworden. Popov würde sterben, wenn ihm niemand zu Hilfe käme. Mit Hilfe könnte es gerade noch gut gehen aber es war ein hohes Risiko. Schlussendlich musste man sich nämlich noch gegen die Tür stemmen. Leben und Tod. So knapp beieinander, fand man sie selten. Wie würde das Schicksal in dieser Nacht entscheiden?

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 Betreff des Beitrags: Re: Die Fesseln der Macht
BeitragVerfasst: So 21. Feb 2016, 07:22 
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In solchen Situationen dachte man nicht, man handelte einfach. Sie blickte Ivan fest an und gab ihm den Befehl „Tür“. Innerlich hoffte sie darauf, dass er verstand und dort blieb um die Tür zu bewachen. Sie suchte in sich nach dieser Essenz, die sie von Liliana erlernt hatte, diese scheinbar unbekümmerte Leichtigkeit, die jedoch durch Blut erkauft werden musste und versuchte die unmenschliche Geschwindigkeit zu erlangen, die sie brauchen würde um zu Popov zu rennen und ihn mit in vorerst scheinbare Sicherheit zu schleifen

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 Betreff des Beitrags: Re: Die Fesseln der Macht
BeitragVerfasst: Do 25. Feb 2016, 19:07 
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In solchen Situationen dachte man nicht, man handelte einfach. Sie blickte Ivan fest an und gab ihm den Befehl „Tür“. Innerlich hoffte sie darauf, dass er verstand und dort blieb um die Tür zu bewachen. Sie suchte in sich nach dieser Essenz, die sie von Liliana erlernt hatte, diese scheinbar unbekümmerte Leichtigkeit, die jedoch durch Blut erkauft werden musste und versuchte die unmenschliche Geschwindigkeit zu erlangen, die sie brauchen würde um zu Popov zu rennen und ihn mit in vorerst scheinbare Sicherheit zu schleifen


Der Befehl wurde verstanden, zumindest soweit sie das mit einem letzten knappen Blich Richtung Ivan beurteilen konnte. Viel Zeit blieb ihr nämlich nicht sich davon zu überzeugen; die Ratten kamen unablässig näher. Das laute Fiepen, Quietschen und Trippeln hunderter kleiner Pfoten, verwandelte die dunkle Erde zu ihren Füßen, zu einem sich bewegenden Fellteppich. Die Vitae kochte scharf durch ihre Adern, presste sich in die unsterbliche Muskulatur, ihre Sehnen und jeden Knochen in ihrem Körper. Alida konnte beinahe spüren, wie sich ihre Haltung straffte, härter und effizienter wurde als ihre Beine sich wie von selbst in Bewegung setzten. Alles gelang ihr ein wenig schneller, die Füße trugen sie flinker auf Popov zu, die Distanz schien noch um ein gutes Stück zu schrumpfen und die stinkenden Nager bewegten sich in weiterer Folge auch um einiges langsamer. Kaum war ihr die vitalisierende Energie durch die untoten Adern geschossen, da stand sie auch schon neben dem breitschultrigen Russen, der sie nur verblüfft ansah und ungläubige Worte murmelte; die Augen weit aufgerissen. Vor kurzem noch hatte er dem eigenen Tode ins Auge geblickt, jetzt kam ihm ein kurzer aufleuchtender Hoffnungsschimmer entgegen. Ein blitzartiger Hoffnungsschimmer in Form einer blonden Händlerin. Alida ließ Popov seinen Arm auf ihre Schultern legen und gemeinsam hielten sie weiter auf den vermeintlich rettenden Türeingang zu. Es war just diese Zeitersparnis gewesen, die Popov das Leben rettete. Wäre sie ihm nicht zu Hilfe gekommen, hätte man den guten Mann vermutlich nur noch als Knochenhaufen wieder mit nach Gent nehmen können. Risikoreich und womöglich dumm aber zugleich auch mutig war ihre Tat gewesen. Dies ließ auch der freudige und zugleich völlig fassungslose Blick Ivans erkennen, der hinter den beiden die Tür ins Schloss rammte und den nahestehenden Riegel vorschob. Popov sank an einer Wand auf den Boden und verzog schmerzverzerrt das Gesicht, bedankte sich unablässig auf Russisch bei Alida. Ivan späte zum Fenster hinaus, wo noch immer dumpf das Geräusch der Rattenwelle zu ihnen durchdrang. Gleich würden sie durch sämtliche Ritzen Kriechen und Schlüpfen, jeden Weg den sie finden konnten würden sie nutzen um…

Dann war es vorbei und mit einem Mal wurde das Fiepen immer leiser und gedämpfter, bis es schlussendlich ganz aufhörte. Verwundert drehte sich Ivan zu Alida um und sah sie fragend an. Nein, so einfach würde sich doch so eine Flut nicht aufhalten lassen. Völlig unmöglich. Da hatte jemand sie vor dem Unausweichlichen gerettet. Noch bevor Ivan diesen Gedanken aber laut aussprechen konnte, fuhr er plötzlich herum, nachdem er einen Schatten aus den Augenwinkeln wahrnahm. Am Ende des dumpf erleuchteten Ganges, stand wieder die hochgewachsene Dürre Gestalt, die Alida bereits während ihrer ‚Festnahme‘ durch die fremden Soldaten, auf dem Dach der Gesindequartiere bemerkt hatte. Und sie war nicht allein. Spielend leicht, als handle es sich lediglich um eine Strohpuppe, hielt die Gestalt Strazny am Hals gepackt, einige Zentimeter über dem Boden in der Luft. Der im Gegensatz zu Popov ungleich schmächtigere Mann röchelte und lief bereits blau an. Das hagere Ding, dessen Gesicht in dieser Dunkelheit und auf die Entfernung nicht zu erkennen war, verharrte in dieser Position mit ausgestrecktem Arm, an dem Strazny sich wand und auf den Oberarm einschlug. Allmählich wurden seine Bewegungen schwächer und seine Befreiungsversuche immer aussichtsloser; wenn sie das nicht schon von Anfang an gewesen sein mussten. Man hörte eine tiefe, äußerst einprägsame Stimme die sich wie ein böser Alptraum durch die Finsternis vor ihnen fraß: „WER SEID IHR UND WAS MACHT IHR IN MEINER DOMÄNE? IHR SEID HIER NICHT WILLKOMMEN!“

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 Betreff des Beitrags: Re: Die Fesseln der Macht
BeitragVerfasst: Fr 26. Feb 2016, 19:15 
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Alida schloss für einen Moment die Augen und atmetet tief ein. Sie ließ die Luft langsam durch die Lippen entweichen.
„Es tut mir leid wenn ich euch beleidigt haben mag und antworte euch gern, doch lasst bitte zuerst diesen Mann herunter. Im Gegensatz zu uns ist er nicht in der Lage den Rest der Nacht die Luft anzuhalten und es wäre eine Schande ein so wertvolles Mitglied einer Wiedergängerfamilie zu töten. Dieser Mann gehört der Dienerschaft eines Handelspartners von mir an und er würde es sicher nicht schätzen, wenn er demnächst ohne diesen wertvollen Mann auskommen müsste…“ Sie ließ die Worte im Raum stehen. Etwas Besseres viel ihr in diesem Moment nicht ein.
„SOWEIT ICH DAS BEURTEILEN KANN, IST DIESER MENSCH EINE VERSCHWENDUNG VON KOSTBAREM BLUT, JUNGER DRACHE“, krochen dann die volltönenden Worte an ihr Ohr. Irgendwie mochte es den Anschein haben, die Gestalt habe sich mit der Akustik der alten Griechen beschäftigt oder sich zumindest mit alten Theatern auseinandergesetzt. Denn seine Stimme klang wie in einem ausladenden Atrium; man konnte sie nicht überhören. Sprach er überhaupt? Oder drangen die Worte von seinem Geist, zu ihrem Geist? Das war nicht ganz eindeutig feststellbar.

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Plötzlich wurde Strazny fallen gelassen und japste nach Luft, während er versuchte von der hochgewachsenen Gestalt wegzukriechen. Nicht mehr viel und er wäre ohnmächtig geworden. „IHR SEID RECHT VON EUCH SELBST ÜBERZEUGT, WENN IHR IN MEINE DOMÄNE EINDRINGT. VASILI HABE ICH GEWARNT UND ER HAT DENNOCH NICHT AUF MICH GEHÖRT. JETZT ZAHLT ER DEN PREIS FÜR SEINE IMPERTINENZ. WAS IMMER IHN DAZU BEWOGEN HAT, IHR MÜSST WICHTIG SEIN, SONST WÄRE ER DAS RISIKO EINER KONFRONTATION MIT MIR NICHT EINGEGANGEN, DER JUNGE NARR.“ Von draußen hörte man ein wild durcheinander redendes Stimmengewirr. Die Leichen waren wohl entdeckt worden oder das was noch von den Soldaten übrig war. „SPRECHT SCHNELL DRACHE. ICH BIN NICHT DAFÜR BEKANNT VIEL FÜR EURE SCHEUSSLICHKEITEN ÜBRIG ZU HABEN…“ Es wäre klar, dass man Alida und den Rest der Truppe möglicherweise irgendwie mit den Leichen in Verbindung bringen könnte. Nicht weil die Möglichkeit bestand, sondern weil es gerade irgendjemanden in den Kram passte. Schuldige waren immer schnell gefunden und die Brüggerin war hier fremd.
Alida verbeugte sich leicht vor der Schattengestalt, die sie (anscheinend?) nach wie vor nicht erkennen konnte. Ein Dank dafür, dass er Strazny verschont hatte.
„Es tut mir leid, wenn ich unrechtmäßig in eure Domäne eingedrungen bin. Es war nicht meine Absicht euer Recht in Frage zu stellen. Ich befinde mich auf der Durchreise nach Temesvar, wo ich einen meiner Handelspartner zu treffen hoffe. Ich hatte weder die Absicht in eurer Domäne zu verweilen, noch darin zu jagen. Wenn ich euch beleidigt habe, dann nehmt bitte meine Entschuldigung an.“
Die Gestalt machte ein paar Schritte auf die Gruppe zu und die Schatten der Umgebung, schienen förmlich an ihr zu kleben; verbargen ihr Antlitz. Ivan hatte sogar zunehmend das Gefühl, die an den Wänden angebrachten Öllampen würden beinahe ausgehen je näher sich das Ding ihnen näherte. "VASILI IST DER VASALL VON LAMBROS, EINEM KIND VUTOGLAVS. JEDER IN DIESER UMGEBUNG WEISS, DASS ICH MEINE DOMÄNE NICHT GESTÖRT WISSEN WILL. ER HÄTTE WOHL KAUM EINER SIMPLEN HÄNDLERIN AUFGELAUERT, DIE ZUDEM NICHT EINMAL AUS DEM OSTEN STAMMT WIE ES SCHEINT. ICH KANN EURE LÜGEN FÖRMLICH RIECHEN. LAMBROS MÄNNER WUSSTEN DAS SIE ES MIT MIR ZU TUN BEKOMMEN WÜRDEN, TROTZDEM GINGEN SIE DAS RISIKO EIN - FÜR EUCH. WER SEID IHR? SPRECHT DIE WAHRHEIT EHE ES ZU SPÄT IST..." Die Gestalt tat ein paar weitere Schritte auf die Gruppe zu und Ivan zog sein Schwert. Popov tat es ihm gleich. Wie hoch waren ihre Chancen, gegen dieses Ding bestehen zu können?
Alida gab den Männern ein Zeichen ihre Klingen zurück zu halten. Sie nahm ihren Mut zusammen, trat auf den Schatten zu und reckte das Kinn vor. „Ihr wollt die Wahrheit? Ich habe keine Ahnung, was sie von mir wollen. Wirklich nicht…“ Sie biss für einen Moment die Lippen aufeinander. „Nun ja… Ich bin hier im Westen unter meinen lieben Familienmitgliedern wohl sowas wie das dunkelgraue Schaf… zumindest für manche…alte Familienangelegenheit. Aber ich hab eigentlich gehofft, dass es sich nicht so schnell herumsprechen würde, dass ich hier bin Deshalb hab ich es vorgezogen etwas verdeckt zu reisen…“
Ivan und Popov sahen einander an und allein am Ausdruck in den misstrauischen Gesichtern, konnte man die Unschlüssigkeit erkennen. Vor allem Ivan hätte wohl nur allzu gerne den Helden gespielt; fügte sich aber dem Urteil Alidas. So funkelte er die Gestalt nur abschätzig an und half Strazny wieder auf die Beine der sich keuchend bei seinem Kommandanten bedankte. Draußen vor der Tür nahm das Stimmengewirr zu und Popov warf einen vielsagenden Blick zu Ivan. "Die reden vom Teufel....", stellte er nüchtern fest. Währenddessen, verharrte die hochgewachsene Gestalt mitten im Raum, der eingedrückte Hut auf seinem Kopf, stieß beinahe an die Decke als Alida sich vor ihm aufbaute. "UND IHR WARD NICHT SEHR ERFOLGREICH DAMIT DRACHENKIND. WIE IMMER LAMBROS ZU EUCH STEHEN MAG ODER WAS ER VON EURER FAMILIENGESCHICHTE HALTEN MAG, ER HAT SEINE MÄNNER DAFÜR IN DEN SICHEREN TOD GESCHICKT. DAS BEDEUTET, DAS IHR IHM WICHTIG SEID UND SEINE UNGETEILTE AUFMERKSAMKEIT GENIESST. DAS IST SCHLECHT FÜR EUCH, DENN DIES SIND DIE LANDE VUTOGLAVS UND BALD SCHON WIRD DER TOD DIESER MÄNNER ANDERE AUF DEN PLAN RUFEN." Die Gestalt beugte sich leicht zu Alida nach vorne und langsam bekamen die Öllampen an den Wänden wieder mehr an Intensität und Leuchtkraft. Die Schemen verschwanden von seinem Antlitz und Alida starrte in einen weiteren schwarzen Abgrund, der das Maul - anders konnte man es nicht bezeichnen, des Fremden war. Krumme und lange, scharfe Zähne reihte sich in diesem stinkenden Schlund aneinander und das deformierte Gesicht konnte nur aus einem Alptraum entsprungen sein. Selbst Gerrit sah dagegen attraktiv aus.

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"WIR WERDEN ANDERE WEGE GEHEN MÜSSEN UM EUCH NACH TEMESVAR ZU BRINGEN... FOLGT MIR." Die Gestalt machte ohne sich noch einmal umzudrehen kehrt und bog nach rechts ab, hielt auf das Ende des Ganges zu und öffnete dort eine Tür. Es handelte sich um ein weiteres, leeres Zimmer. Mit den spinnenlangen Fingern, wurde der Fellteppich am Fussboden weggezogen und gab eine hölzerne Luke frei; offensichtlich ein Geheimgang. "ES GAB ZEITEN, DA GEHÖRTEN DIESE RÄUMLICHKEITEN DEM LANDADEL UND DER LIESS SICH EIN PAAR SOLIDE FLUCHTWEGE IN DIE STARRE ERDE GRABEN. FOLGT DEM WEG DURCH DIE TUNNEL.... WIR TREFFEN UNS AN DEREN ENDE."
Alidas Augenbraune verengten sich und sie schüttelte ungläubig den Kopf. „Warum helft ihr mir?“ Mit allem hatte sie wohl gerechnet, aber nicht damit.
Der lachende Mann, dessen Name mit einem Mal durchaus Sinn ergab; versuchte die Kiefer ein Stück weit zusammenzupressen. Es gelang ihm nicht und es war bei allem Ekel und dem grotesken Äußeren des... Dings, schon irgendwie traurig mitansehen zu müssen, wie gelegentlicher Geifer zwischen den spitzen kleinen Reißzähnen hindurchtropfte und im das Kinn hinunterlief. Es gab nichts was er hätte dagegen tun können. Nun ergab auch das dunkle Tönen seiner Stimme durchaus einen Sinn - diese Maul ergab einen verflucht guten Resonanzkörper. "WEIL LAMBROS EUCH SCHEINBAR TOT SEHEN WILL UND SOGAR VASILI OPFERT UM SEINEN WILLEN ZU BEKOMMEN. WENN IHR LEBT, SCHADET IHR LAMBROS UND VUTOGLAV UND DAS SOLL MIR NUR RECHT SEIN DRACHENKIND. ICH VERACHTE EUCH UND EURE ART ZUTIEFST ABER ICH BIN NICHT DUMM UND MITTLERWEILE SCHON LANGE GENUG HIER IN DIESEN LANDEN UM ZU WISSEN DAS ES MEISTENS DAS BESTE IST, DIE DRACHEN SICH GEGENSEITIG FRESSEN ZU LASSEN. WENN DAS NICHT SCHON DIE HEXER ERLEDIGEN. LEIDER VERLIEREN SIE. WENN ES NACH MIR GINGE, DÜRFTEN BEIDE GETROST ZUR HÖLLE FAHREN..." Er deutete auf die Luke zu ihren Füßen und sah Alida aus unterschiedlich großen Augen an, die zudem noch schief abstanden und verschiedene Farben hatten. Eines war kränklich gelb das andere weiß mit feinen roten geplatzten Äderchen darin; lag tief in der Augenhöhle. "IHR KÖNNT AUCH GERNE AUF DEN WÜTENDEN MOB AUS BETRUNKENEN VERGEWALTIGERN UND SÖLDNERN WARTEN WENN EUCH DAS LIEBER IST...."

„Ich bin weder hier um zu fressen, noch um gefressen zu werden. Aber nichtsdestotrotz nehme ich euer Angebot dankend an.“ Alida ließ sich in den Tunnel hinab sinken und wartete auf ihre Begleiter. Was für Alternativen blieben ihr? Wohl recht wenige. Sie dachte über den seltsamen Kainiten nach, während sie durch den Tunnel ging.
Nacheinander betraten auch Strazny, Popov und Ivan die dunklen Tunnel und der lachende Mann, schien besonders viel Freude daran zu haben, als die drei Wiedergänger sich besonders nahe an ihm vorbeibewegen mussten. Da konnte er ihre Furcht und ihren Ekel beinahe riechen. Er lächelte - aber was blieb ihm auch anderes übrig? Mit diesem Maul war ihm kein anderer Gesichtsausdruck vergönnt. An einem seiner langen Finger ließ er eine Sturmlaterne in die dunkle Kammer hinab, von der sich ein schmaler Gang weiter durch die gefrorene Erde kämpfte. Hie und da hatte man Stützbalken eingeschlagen und gelegentlich lagen Knochen auf dem Boden - Ratten, Menschen und... andere. Ivan ging mit der Laterne voran, Strazny folgte ihm, dann kam Alida und schlussendlich Popov, der das Schlusslicht bildete. Ivan schüttelte nur den Kopf, als die Luke wieder über ihnen geschlossen wurde. "Seid ihr euch sicher, dass wir diesem.... Ding trauen können?", fragte er die Brüggerin als er sich langsam nach vorne durch die trübe Dunkelheit kämpfte. Popov hustete kurz und Strazny blieb kurz stehen, um sein Bein zu verbinden. Ein dicker Stoffstreifen wurde um die Wunde gewickelt. "Es geht schon...", meinte Popov aufmunternd.
Alida besah sich die Wunde und half den Verband an der richtigen Stelle anzulegen. Das wäre noch das letzte, wenn Popov in der nächsten Woche an Wundbrand versterben würde… Wiedergänger waren ausgesprochen robust, kam es ihr in den Sinn… egal…
Alida sah Ivan an bevor sie in ihrem seltsam betonten Russisch antwortete. „Ich vertraue dem Kerl selbst verständlich nicht. Aber wir haben wohl keine Wahl, wie er selbst es schon gut auf den Punkt gebracht hat, oder? Schon mal was von dem lachenden Mann gehört? Er wurde offensichtlich bereits geformt bevor er zum Nosferatu wurde. Kein Wunder, dass er wütend auf die Drachen ist…“ Sie ging rasch weiter.
Der Geist des Hippokrates ergriff plötzlich Besitz von Alida und der lächerlich provisorische Verband von Strazny, konnte sie keinesfalls zufrieden stellen. Nein, so konnte sie das nicht stehen lassen, was wenn die Wunde sich entzündete? Sie bückte sich zu dem gegen die Wand gelehnten Popov und ließ sich von Strazny Nadel und Faden reichen; wies ihn dann an den russischen Brandwein zu zücken. Der breite Russe nahm selbst noch einen Schluck von dem hochprozentigen Schnaps, dann desinfizierte Alida die Wunde, säuberte sie und vernähte sie sodass man am Ende eine Kohlezeichnung davon hätte anfertigen können, um die Naht als prototypische Arbeit für ein medizinisches Fachbuch präsentieren zu können. Anschließend entfernte sie die Blutreste mit dem Alkohol und legte einen sauberen, engen Verband an. Ivan nickte nur respektabel und Strazny versuchte sich ihre Bewegungen gut einzuprägen. Wer hätte gedacht das Alida über solches Geschick beim Verarzten von Wunden besaß? Popov bedankte sich mehrfach. "Es tut fast schon gar nicht mehr weh...." Dann ließ er sich von Strazny aufhelfen. "Wo habt ihr das gelernt?", fragte Ivan schmunzelnd. "Ah, verzeiht das ich frage.... es ist wohl offensichtlich. Vergebt mir."

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Alida zog eine Augenbraue in die Höhe. „Mit Verletzungen der Beine kenne ich mich leider aus eigener Erfahrung gut aus… Man mag auch sagen, ich hatte einen fähigen Lehrer.“ Sie seufzte kaum hörbar. In ihrer Erinnerung stiegen Bilder von anderen Beinen auf: Haut, in feinen Scheiben wie Schofffetzen vom Körper getrennt, frei präparierte kräftige roten Muskeln, gelblichen Nervensträngen und sanft und kräftig pulsierenden Gefäßen. Wieder stieg die Übelkeit, die sie auch damals übermannt hatte, in ihr hoch. Ob Georg Emilian je vergeben hatte? Sie wusste es nicht…
Sie ging weiter.

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 Betreff des Beitrags: Re: Die Fesseln der Macht
BeitragVerfasst: Sa 27. Feb 2016, 22:49 
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Die vor ihnen liegenden Tunnel, waren zunächst eine wilde Ansammlung von unvorhersehbaren Biegungen und Windungen. Für die ersten paar hundert Meter, hatte Alida das Gefühl sie würden sogar manchmal wieder ein Stück in Richtung Gasthaus zurückgehen. Dann aber wurde der Weg breiter und höher, sodass beinahe zwei Personen nebeneinander gehen konnten; eine Wohltat auch für Popov, der sich bereits mehrfach den Kopf an der niedrigen Decke gestoßen hatte. Schlussendlich spürte Alida einen frischen Luftzug im Gesicht, der das Ende ihrer unterirdischen Odyssee anzukündigen schien. Ivan ging mit der Laterne voraus und schälte sich durch einen runden Durchgang; blickt dann die Augen zusammenkneifend nach oben. „Ein Brunnen…“, stellte er überrascht fest. „Es würde mich nicht wundern, wenn diese Gänge noch bei weitem mehr Ein- und Zugänge hätten. Ein richtiges, kleines Labyrinth.“ Langsam kletterte er den Brunnenschacht nach oben; reichte einstweilen Alida die Laterne. „Es geht ganz leicht, hier hat jemand in einigen Abständen Steine aus dem Mauerwerk gerissen und da der Brunnen versiegt scheint, gibt es auch kein glitschiges Moos und dergleichen.“ Nacheinander kletterten sie nach oben; halfen sich bei Bedarf sogar gegenseitig.

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Oben angekommen, fand sich Alida einige hundert Meter weit vom eigentlichen Gasthaus entfernt. Scheinbar waren die unterirdischen Wege quer durch das Gelände verlaufen und endeten an einem halb verfallenen Brunnen, unlängst einer schäbig wirkenden Hütte. Kein Rauch stieg aus dem Kamin aber dumpf brannte Kerzenlicht in den gesplitterten Fenstern. Vor dem Haus standen ein paar schmutzige, in Lumpen gekleidete Kinder, welche die Neuankömmlinge verängstigt anstarrten. Ivan zuckte mit den Schultern und sah zu Alida. „Ich weiß nicht warum es hier sicherer sein sollte. Wenn die Leute aus der Gaststube tatsächlich nach irgendeinem Schuldigen suchen, dann kommen sie früher oder später wohl auch hier vorbei.“
Alida sah sich das Haus und die zerlumpten Kinder an, überlegte recht lange bevor sie den Kopf zu Ivan wandte. Ich vermute, wenn überhaupt suchen uns die Leute im Gasthaus. Sie werden genug mit der Rattenplage und deren Folgen zu tun haben. Und ich vermute, dass sie eine einfache Frau, die mit Begleitung reist nicht sofort der Hexerei mittels Rattenzauber beschuldigen werden… Aber Ivan?“ Sie blickte ihn fragend an bevor sie in Flandrisch weitersprach. „Ganz ehrlich? Ich hab keine Ahnung. Aber der ‚Lachende Mann‘ hat uns unter der Bedingung geholfen, dass wir uns hier wieder treffen und zumindest das bin ich ihm schuldig. Das hier ist sein Land und wir können nicht hoffen zu fliehen, wenn er uns nicht fliehen lässt. Ich denke, wir sollten schauen, dass wir das Beste aus der Situation machen. Versucht ein paar neue Pferde aufzutreiben, Proviant und Decken… das, was wir brauchen um unsere Reise fort zu setzen. Wir können wohl schlecht hoffen, dass was unser ist zurück zu bekommen.“ Sie dachte an ihr schnelles schwarzes Pferd und das Herz wurde ihr schwer. Ihr Hund würde sie schon irgendwie finden, da bestand keine Frage, aber das Pferd musste sich jetzt wohl mit einem neuen Besitzer zufrieden geben müssen.
Kaum hatte sie diese Worte gesprochen, da hörte man bereits das langsame Traben von Hufen als vier Pferde und ein Packesel einen kleinen verschlungenen Pfad, zwischen einigen verschneiten Bäumen entlanggeführt wurden. Voran ging die altbekannte, hochgewachsene Gestalt des lachenden Mannes, der Ivans Pferd am Zügel führte. Der Rest ihrer tierischen Begleiter, folgte dem grotesken Wesen in stummer Eintracht. „Das wird nicht notwendig sein… ich habe eure Reittiere bereits mitgebracht.“ Der hagere Mann stapfte an den verwundert dreinblickenden Russen vorbei und band die Pferde an einem Gatter unlängst der Hütte fest. „Euer Hund wird gleich folgen, er hat es vorgezogen noch ein paar Ratten zu fressen. Er kennt aber den Weg und euren Geruch. Sorgt euch nicht um ihn.“ Die Kinder an der Eingangstür sahen mit einer Mischung aus Vorsicht und Freude zu ihm hoch und traten zur Seite, als der lachende Mann die Tür öffnete. „Niemand wird uns hier suchen. Das was heute Nacht passiert ist, geht nicht mit rechten Dingen zu und die besoffenen Kerle werden den Teufel tun und in stockfinsterer Dunkelheit den Teufel und seine Hexen jagen gehen. Eher noch, dass sie die Leichen plündern und mit dem Erlös neuen Schnaps kaufen. Niemand hat mehr Lust für irgendjemanden zu sterben…“ Mit den spinnenartigen Fingern einer Hand, machte er eine einladende Geste. „Ihr seid meine Gäste… wenn ihr dies wünscht.“

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Alida zog fragend die Augenbrauen in die Höhe und musterte ihre Begleiter. Ihr war die Situation genauso suspekt wie ihnen, aber das hier war ein Kainit. Das hier war ihr Metier, hierum musste sie sich kümmern. Sie nickte den Männern zu.
„Sucht euch einen geeigneten Platz für die Nacht, erholt euch, besorgt euch etwas zu Essen. Wir werden später wieder aufeinander treffen…“
Dann wandte sie sich um und ging zum Haus
Der lachende Mann blieb neben der Tür stehen und legte den Kopf leicht schief. "Die Einladung galt für euch und eure Begleiter. Der Wald ringsum bietet genug Feuerholz und wir haben einen kleinen Ofen, der euch wärmen wird. Es sollten auch noch ein paar Flaschen Schnaps und vielleicht etwas Brot und Käse da sein. Wenn ihr Glück habt sogar ein wenig Schinken... der Krieg macht alle zu Hungernden und Waisen." Erneut bedeutete er Alida einzutreten. "Ich versichere euch, dass euch nichts geschehen wird. Etwas Gutes haben die Drachen: Die Gastfreundschaft ist ihnen heilig, so will ich es auch halten. Ich habe nur wenig Gelegenheit, mich mit meinesgleichen zu unterhalten."
Ihre Augen verengten sich leicht. Noch vor wenigen Minuten hatte er ihre Männer noch als ‚Verschwendung von Blut‘ bezeichnet, nun bot er ihnen von dem wenigen, was er hatte, an. Eine seltsame Gestalt.
Ihr Flandrisch war leise und an Ivan gerichtet. „Seid vorsichtig.“ Sie wusste, ihre Worte waren überflüssig, waren die drei Männer doch noch um vieles misstrauischer als sie selbst. Sie nickte den Wiedergängern ihres Erzeugers zu, dann trat sie ein.
Ivan und seine Männer sahen das Monstrum neben der Tür tatsächlich noch um einiges misstrauischer an, als sie wohl je gekonnt hätte. Zwar waren alle Kainiten Bluträuber aber manchen sah man die eigene, tierische Seite bei weitem deutlicher an als anderen. Der lachende Mann war die Personifizierung des berüchtigten 'Schwarzen Mannes' unter dem Bett; schon äußerlich ein wandelnder Schrecken. Wie es um sein Innenleben bestellt war - nun darüber konnte man nur spekulieren. Fakt war, dass er die Wiedergänger als Verschwendung von Blut bezeichnete, andererseits nun Nahrung und das wärmende Feuer mit ihnen teilen wollte. Wer wusste schon was in dem hochgewachsenen Scheusal vorging? Als Alida und die drei Russen, die Hand am Schwertknauf eintraten, würde der lachende Mann nach ihnen die wackelige Kaschemme betreten und die Tür schließen. Innen gab es vielleicht 4 Räume unterschiedlicher Größe, eine kleine Küche, ein kleines Schlafzimmer und ein wenig Wohnraum. Überall saßen Kinder unterschiedlichen Alters, Mädchen und Jungen die in Kleidung unterschiedlichen Zustands gehüllt waren. Die meisten trugen geflickte Fetzen aber ein paar der älteren Mädchen, hatten sogar halbwegs ansehnliche Kleider an. Die Kinder starrten die Fremden um einiges interessierter und direkter an als das Monster in der Tür, das soeben seinen Hut auf einen Hutständer ablegte. "Wir haben Gäste. Bittet bereitet ihnen ein warmes Abendessen und eine Tasse Gewürzwein. Katalina, du darfst den Ofen wieder ordentlich einheizen. Plitz und Plum ihr holt noch etwas Feuerholz, Siska du kontrollierst noch einmal die Latrinen und holst ordentliche Decken." Die angesprochenen Kinder erhoben sich und eilten zu den ihnen übertragenen Tätigkeiten. Die Jungen zur Latrinenarbeit zur Tür hinaus, die Mädchen in die Küche. Man konnte das Knistern von Feuer hören als noch ein Scheit nachgelegt wurde. Ja, langsam würde es wieder angenehm warm werden. Der lachende Mann bedeutete Alida sich mit ihm an einen wackeligen aber soliden Küchentisch zu setzen. "Stühle für meine Gäste..." Unverzüglich wurden Hocker und mühselig geflickte Stühle gebracht auf denen die Reisenden sich setzen konnten. Die neugierigen Augen und offenen Münder, waren allgegenwertig; betrachteten unverhohlen die Brüggerin und ihre Begleiter. "Verzeiht den Rotznasen, sie sind Fremde nicht gewohnt. Hört auf zu starren!", meinte der schlaksige Mann mit einem Mal in befehlsgewohntem Ton. "Kümmert euch lieber um die Hausarbeit." Dann faltete er die langen Finger und lächelte... was denn sonst auch sonst? - Alida aufmunternd zu. Sein dünnes, strähniges Haar war ein dreckiges Weiß und hing nur noch büschelweise hie und da von seinem verschrumpelten Kopf. Ein Mädchen dessen Brüste von einem besonders engen Kleid nach vorne gequetscht wurden, überreichte den drei Russen Gewürzwein mit Schnaps. "Lasst euch durch die kleinen Kobolde nicht stören mein lieber Gast. Berichtet mir lieber - was habt ihr in diesen schrecklichen Landen zu suchen, wo ihr doch die heimelige Behausung einer sicher großzügig ausgestatteten Zuflucht genießen könntet? Seid ihr hier um euch selbst ein Stück aus den Tremereüberresten zu reißen, hm?"
Alida nahm etwas steif auf einem der Hocker Platz, sah abwägend in Richtung der fremden Kinder und auch zu ihren Begleitern. Niemandem hatte sie je ihre wirkliche Geschichte erzählt. Georg wusste Bescheid, weil er sein ganzes Leben nicht von ihrer Seite gewichen war, aber damit war die lange Liste der Eingeweihten auch schon erschöpft. Nicht mal ihre engsten Vertrauten, Lucien, Frederik, Marlene wussten Bescheid und sie würde bei diesem Fremden sicher nicht damit anfangen. Auch nicht in Anwesenheit von Belinkovs Männern, denn sie wusste, dass es Emilian ganz genauso hielt. Sie bezweifelte ob selbst Girland wirklich Bescheid wusste…
Sie musterte den lachenden Mann nachdenklich. „Ich schätze es in ausgesprochenem Maße, dass ihr euch wie es scheint den Kindern in diesem lebensunfreundlichen Land angenommen habt und bin ausgesprochen dankbar für eure Gastfreundschaft, aber ich pflege Gespräche über wichtige Belange in der Regel unter vier Augen zu führen…“ Sie ließ die Worte im Raum stehen und atmete ein.
"Ach ein so großes Geheimnis hütet ihr?" Der Mann tat das was er am besten konnte: lächeln. "Vielleicht sollte ich euch doch noch an Lambros verkaufen meint ihr nicht? Ich hätte seine Männer getötet und bekäme jetzt noch eine satte Belohnung für euch." Es folgte ein kehliges, geradezu widerliches Lachen das irgendwie krampfhaft klang. Speichel troff ihm von den Reißzähnen und ein kleines Mädchen mit fleckigem Taschentuch trat an ihn heran: "Du hast dich wieder angesabbert, Onkel Jeremiah..", meinte sie lächelnd und wischte ihm über den riesigen Schlund. "Oh, danke Liebes", erwiderte der Mann und sah dann mit kränklichen Augen zu Alida. "Natürlich werde ich nichts dergleichen tun doch verlangt es mich zu wissen, warum ihr von solchem Interesse für ihn seid. Dazu ist es wohl unumgänglich, den Grund eures Aufenthaltes hier zu erfahren. Das ihr ein Drachenkind seid, ist offensichtlich. Warum sollte sich also ein Drache, in einem Drachennest fürchten frage ich mich?" Seine spinnenlangen Finger trommelten abwartend auf das dicke Holz der Tischplatte vor ihm. "Wollt ihr mir vielleicht im Schlafzimmer davon berichten?" Er erhob sich, noch ehe Alida antworten konnte und scheuchte ein paar Kinder hinfort; hielt auf das Schlafzimmer zu in dem dutzende Matratzen und unzählige Decken verstreut lagen. "Die Kinder ja.. sie sind das, was übrig bleibt wenn die Erwachsenen rauben, morden, plündern und vergewaltigen. Und die Kinder sind schließlich unsere Zukunft nicht wahr?" Es klang ziemlich aufgesetzt.
Alida folgte dem seltsamen Mann. Jetzt hatte sie wenigstens einen Namen: Jeremiah.
Sie schwieg zu seinen Bemerkungen zu den Kindern. Was sollte sie schon sagen, dass nicht genauso hohl klang?
Schließlich blieb sie in dem Schlafzimmer, das mehr ein Matratzenlager zu sein schien, stehen. „Ich weiß nicht so recht, warum euch das alles interessiert, Jeremiah. Falls ich euch so nennen darf? Aber ihr habt mir und meinen Begleitern geholfen und dafür danke ich euch. Mein Name ist Alida, aber ich könnte wetten, dass ihr das bereits wisst. Ich bin hier, weil ich vermute, dass man versuchen wird einen Handelspartner und Freund von mir zu vernichten. Ich bin hier um ihn davor zu warnen. So einfach ist das…“
Sie sah zu dem großen Maul und den kränklichen Augen. Angst spürte sie keine. Nur eine seltsame Leere. „Weder will ich mich in die Belange von Drachen und Hexern einmischen… Ich habe niemals irgendeinen Zwist mit einem Hexer gehabt und wenn es nach mir geht wird sich daran niemals etwas ändern. Genauso wenig suche ich eine offene Auseinandersetzung mit meinen Clansmitgliedern…“
Sie wartete einen Moment ab.
Die Tür zum Schlafzimmer war geschlossen worden und ‚Jeremiah‘ hatte sich auf eines der wenigen tatsächlichen Betten gesetzt; Alida ihm gegenüber einen Platz angeboten. Es war irgendwie armselig und gleichzeitig traurig mitanzusehen, wo die Kinder hausten aber wenigsten verhungerten sie nicht. Auf einem kleinen Tisch neben einer Waschschüssel, lag eine Stoffpuppe die halb verbrannt aussah und der bereits ein Knopfauge fehlte. Alles in diesem Haus war ‚kaputt‘ – das Leben der Kinder, die Einrichtung und… der lachende Mann. „Erfreut eure Bekanntschaft zu machen Madame Alida.“ Jeremiah verneigte sich untertänig und es war schon erstaunlich, wie tief er sein Kreuz vorbeugen konnte. Ihren Namen bereits vorher gekannt zu haben, schien er allerdings nicht. Er nahm ihre Vorstellung mit gleichbleibender, ‚fröhlicher‘ Neugier zur Kenntnis ohne scheinbar allzu viel in den eher un-russischen Namen hinein zu interpretieren. „Dann seid ihr zu einer denkbar ungünstigen Zeit gekommen, werte Alida. Eure Freunde im Osten rotten sich bereits zusammen um die ‚magische‘ Kuh zu schlachten und sich wie gierige Wölfe auf die Überreste der Blutschänder zu werfen. Und im Grunde gibt es hier niemanden, der nicht für irgendjemanden Partei ergreifen würde. Es ist seltsam, dass ihr den Argwohn eures Clans auf die Hexer nicht teilt; so ‚neutral‘ sind die wenigsten unter euch. Lambros jedenfalls ist es nicht.“ Er… lächelte. „Ich hasse eure Linie zutiefst, was immer sie hervorgebracht hat, Gott hätte nichts Schlimmeres aus seinen heiligen Darmausgängen hervorpressen können. Ihr seid wie eine hässliche Krankheit, die dieses Land überzieht aber die Tremere sind noch schlimmer. Ihr zieht euch wenigstens hin und wieder in eure Festungen zurück. Die Tremere suchen immer neue Opfer.“ Seine langen Finger griffen nach der Puppe und sahen sie sich genauer an, also ob ihm die Sache mit dem fehlenden Knopfauge gar nicht aufgefallen wäre. „Und in all dem Chaos und der Uneinigkeit, die trotz alledem in euren Reihen herrscht, versucht dennoch jeder nur in seine eigene Tasche zu arbeiten. Auch die Drachen untereinander. Ich bin überzeugt, es gibt noch andere die es wie ihr ‚leider‘ nicht auf die große Zusammenkunft schaffen werden weil… Unfälle passieren. Das ist die letzte Möglichkeit noch ein wenig seine Krallen unter dem Deckmantel der gemeinsamen Sache auszustrecken, danach wird wieder alles sehr persönlich.“ Er warf ihr die Puppe zu. „Ich kann euch nach Temesvar bringen, bis an den Rand der rauchgeschwärzten Lager, die wir den Vorhof zur Hölle nennen…. Wenn es euch tatsächlich danach verlangt dort hinzugelangen. Euer Freund ist meiner Meinung aber schon längst tot, wenn tatsächlich irgendjemand der Ansicht wäre, es würde ihm persönlich nützen. Wir haben nach wie vor Krieg teuerste Alida.“
Ein kaum merkliches Lächeln erschien auf ihren Lippen während sie die Puppe betrachtete. „Er ist nützlich, sagen wir es mal so, und bevor er nicht seine Arbeit zu Ende gebracht hat, wird man ihm seine Existenz lassen. Davon bin ich überzeugt und darauf setze ich meine Hoffnung.“ Ihre Augen wandten sich wieder der grotesken Gestalt zu. „Ich verstehe, wenn ihr die Unholde hassen wollt. Ihr wohl mehr als irgendjemand sonst. Aber es ist zumindest in meiner Vorstellung nicht das Clansblut, das uns definiert, sondern unsere Taten… in jeder einzelnen Nacht. Ob im Frieden oder im Krieg, der alles vernichtet.“ Sie warf ihm die Puppe wieder langsam zu. „Ich verwette mein Pferd, ihr seht das ähnlich…“
Jeremiah, den sie bis vor kurzem nur als den lachenden Mann kannte, fing die Puppe im Flug mit seinen langen Fingern auf und nickte dann nachdenklich in Alidas Richtung. "Gewiss. Nicht an unseren Titeln sondern an unseren Taten müssen wir uns messen lassen. Eine Wahrheit, die hier nur allzu gern vergessen wird." Erneut drehte er die Puppe in seiner Hand und legte den Kopf schief. "Machen wir uns nichts vor, ich bin kein großartiger Wohltäter oder Heiland, das habt ihr sicher schon gemerkt. Die Kinder arbeiten für mich und ich arbeite für die Kinder, so halten wir uns alle gemeinsam über Wasser und für jeden wird es einfacher - gerade jetzt im Krieg. Die Tatsache das ihr als Drache von einem Drachen angegriffen wurdet, macht euch natürlich interessant für mich aber noch viel interessanter finde ich, dass ihr nach Temesvar wollt." Er sah sie mit seinen merkwürdigen Augen an. "Bis an die Grenze der verkohlten Knochen komme ich aber weiter nicht. Zwar fürchte ich so schnell keinen Unhold aber der Aufmarsch aller ist selbst für jemanden wie mich Zuviel. Ihr aber seid ein Drache, selbst wenn euch der eine oder andere lieber tot sehen möchte. Ihr kommt bis in die Lager und darüber hinaus. Deshalb biete ich euch ein Geschäft an: Ich bringe euch auf sicheren Wegen bis nach Temesvar und ihr besorgt mir im Gegenzug dafür etwas aus dieser verfluchten Hexenhurenfestung die sie Ceoris nennen; dann wenn ihr sie dem Erdboden gleich gemacht habt. Wie klingt das in euren Ohren?"
Alida lachte tonlos auf. „Ihr solltet besser keine Geschäfte mit mir machen. Vielleicht komm ich nach Temesvar hinein, aber ob ich wieder hinaus komme steht auf einem ganz anderen Blatt Papier und ich rechne mir selbst nicht allzu hohe Chancen dabei aus. Wie habt ihr es selbst eben noch formuliert: Ihr schätzt, dass mein Handelspartner bereits tot ist. Sollte das der Fall sein, dann wird es mir mit Sicherheit demnächst ähnlich ergehen.“ Sie biss sich auf die Lippen.
„Nichtsdestotrotz, wenn ihr es wirklich wagen wollt. Was wäre es, dass ihr aus Ceoris begehrt?“
Der lachende Mann tat erneut das, was er am besten konnte und nickte verständnisvoll. "Gewiss da mögt ihr recht haben und doch kann ich nicht glauben, das andere eurer Linie einfach dabei zusehen werden wenn ihr getötet werdet, wenn es keinen Grund dafür gibt. Das mag hier draußen im Nirgendwo auf einem gefrorenen Acker oder in einer schäbigen Gaststube so sein aber öffentlich wird die ganze Sache schon um einiges schwieriger. Die Vernichtung steht doch soweit ich weiß bis auf weiteres nur dem Voivoden der Voivoden zu, hm? Wie dem auch sei, ich bringe euch zu euresgleichen und ihr versucht mir ein Buch aus Ceoris zu stehlen. Einst belauschte ich einen der Handlanger der Bluthexer aber bevor ich mehr in Erfahrung bringen konnte, war sein Kadaver auch schon auf einem Drachenpfahl vor dem Schweinestall.. was für eine Verschwendung. Auf jeden Fall handelt es sich um ein Buch mit dem Titel: Magnum Opus Sanguinis. Ich habe leider keine weiteren Informationen darüber. Es könnte also eine kleine Taschenfibel oder ein tausendseitiger Wälzer sein."
„Magnum opus sanguinis? Wofür braucht ihr dieses Werk?“
"Wie ist der Name eures ominenten Handelspartners?"
Sie lächelte. „Ihr weicht meiner Frage aus…“ Sie ließ einen Moment die Zeit verstreichen bevor sie antwortete „Sergej Belinkov.“
Er.. grinste. "Das Magnum Opus Sanguinis ist möglicherweise die Antwort auf all meine Fragen. Gerüchten zufolge, sind die Hexer ja aus geraubtem Blut entstanden. Wilde, Verborgene und Drachen fielen ihnen zum Opfer aber auch andere, wie die Einhörner oder noch weit entferntere Linien. Dieses Buch gibt eine detaillierte Beschreibung dessen wieder, wodurch sich der Kainsfluch definiert oder anders ausgedrückt: Es ist das schrittweise Rezept für das was wir sind. Und was in eine Richtung möglich ist, ist gewiss auch die gegensätzliche durchführbar. Zumindest hoffe ich darauf." Die Puppe drehte sich mit dem kaputten Auge in Alidas Richtung: "Könnt ihr nähen? Die kleine Anne würde sich sicher darüber freuen wenn ihre Lieblingspuppe nur noch halb so blind wäre." Wohl wäre es nun angebracht zu lächeln aber das war ja bekanntlich das, was Jeremiah am besten beherrschte. "Belinkov..", führte er dann sinnierend aus. "Irgendwann hab ich schon mal was von dem gehört aber ich kann ihn gerade nicht zuordnen, wird dann wohl nicht so wichtig gewesen sein."
„Ihr wollt Kains Fluch rückgängig machen? Eine gewagte Aufgabe…“ Sie sog tief die Luft ein. Sie war eine Frau, die die Dinge so nahm, wie sie kamen. Ganz zu Beginn ihrer kainitischen Existenz hatte sie gehadert und sich gefragt ob es einen Weg gab wieder so zu sein wie immer, normal zu sein, ein normales Leben führen zu können, sterblich zu sein. Vor allem ihr Bruder Christian und Georg hatten sie jahrelang bekniet die Hoffnung nicht aufzugeben. Alida waren die Beteuerungen der beiden schon nach kurzer Zeit sinnlos vorgekommen. Sie war, was sie war und da gab es kein Zurück. Oder? Und wenn es das gäbe, würde sie es wollen.
Sie wusste, es gab so viel mehr zwischen Himmel und Erde als sich ein normaler Sterblicher träumen konnte und vielleicht war es wirklich so, dass es Möglichkeiten gäbe. Ein seltsamer Gedanke… sie dachte an die Malkavianerin, die sie seit einiger Zeit in Brügge beherbergten. Mit Sicherheit wäre sie hier komplett in ihrem Element. Bücher und eine Diskussion über unvorstellbare Kräfte…
„Sollte ich diese seltsame Reise überleben und das Buch in die Finger bekommen, dann werde ich es euch besorgen. Darauf habt ihr mein Wort. Vielleicht werde ich euch irgendwann um eine Abschrift für…“ sie überlegte „eine Bekannte, eine harmlose Bücherfanatikerin… bitten. Belinkov ist ein ausgesprochen begnadeter Fleischformer. Das macht ihn hier in diesem Krieg wertvoll.“ Sie seufzte.
"Wenn er ein begnadeter Fleischformer ist, dann bin ich mir umso sicherer ihm noch niemals begegnet zu sein. Ich mache eine großen Bogen um alle vielgepriesenen Former, denn die sind die schlimmsten von allen", führte Jeremiah seelenruhig aus. "Und ihr werdet mir im Anbetracht meines fantastischen Aussehens, dieses harmlose Ansinnen sicher nachsehen. Ob es möglich ist, entzieht sich meiner Kenntnis aber wenn die Hexer es geschafft haben, könnte es durchaus Mittel und Wege geben. Mir behagt der Gedanke nicht, mein Dasein auf ewig zwischen sich gegenseitig balgenden Drachen in dieser trostlosen Umgebung zu hausen und mich mit den Überresten des menschlichen Rests zu begnügen. Man mag es mir nicht ansehen aber ich bin durchaus gebildet und strebe nach mehr als diese windschiefe Hütte neben einem nach Schnaps stinkenden Bordell. Wer würde das nicht?" Er nickte erneut. "Gut dann ist es abgemacht, ihr versucht das Buch für mich zu beschaffen und ich bringe euch im Gegenzug dazu, soweit an die Kriegstreiber heran wie ich gefahrlos vermag. Und was eure Abschrift betrifft... ihr wisst, dass es dutzende gäbe die für diese Geheimnisse ihre gesamte Familie ohne mit der Wimper zu zögern abschlachten würden, ja?"
Alida streckte ihm die Hand entgegen und versuchte sich nicht anmerken zu lassen, dass es sie etwas Mühe kostete. Sie fürchtete das Gefühl der seltsamen Klauen.

Bild

„Ihr solltet, wenn es euch eines Tages möglich sein sollte in meine Heimatstadt reisen. Seht euch dann, sofern ich noch leben sollte, als mein Gast an. Ihr würdet die Gespräche mit unseren Nosferatu in den gemütlich eingerichteten Katakomben sicher genießen, ebenso wie den Austausch über Wissen mit unserer Malkavianerin. Ob das Buch den Aufwand zu guter Letzt wert sein wird, mögt ihr selbst entscheiden.“
Die klauenartigen Finger streckten sich ihrer Hand entgegen und umschlossen diese. Es fühlte sich irgendwie fremdartig an, als ob eine dicke Spinne gerade dabei wäre ihre Finger zu umschließen; sich dabei aber ziemlich kalt anfühlte. Irgendwie war es... eklig. Jeremiah schien davon nicht weiter irritiert; war diese Reaktion doch wohl einfach etwas das ihm nur allzu bekannt war. "Ach, im Grunde hinderte mich nichts daran meinen buchstäblichen Hut zu nehmen und diesen Landen den Rücken zu kehren aber meine kleine Fehde mit Lambros und den Tzimisce hat mich bisweilen stets unterhalten und auf Trab gehalten - körperlich als auch geistig. Wenn man mit den Drachen spielt, spielt man immer mit vollem Einsatz müsst ihr wissen, meine liebe Frau des Westens. Vielleicht werde ich euch eines Tages tatsächlich einen Besuch abstatten aber mein erstes Ziel wird meine alte Heimat werden und sei es nur aus nostalgischen Gründen. Alles ändert sich wenn man tot ist und wenn man so aussieht wie ich erst recht." Der Nosfertu, denn offenkundig war er einer, erhob sich und schritt auf die Schlafzimmertür zu. "Ich werde euren Begleitern ein Lager richten lassen, wir haben genug Bettzeug für alle. Mittlerweile sollte es auch schon etwas zu essen geben. Die Kinder und ich beten immer vor dem Essen, es hat Tradition. Ihr werdet bei mir untergebracht werden, dieses Haus besitzt einen Erdkeller. Der kleine Paul hat sogar ein Ofenrohr nach unten verlegt damit es wenigsten ein klein bisschen warm wird, es dürfte euch genügen. Drachen schlafen ja bekanntlich in Höhlen." Die Tür wurde geöffnet. "Seht doch einmal was ihr für die Puppe tun könnt, ihr würdet einem Mädchen dessen Eltern mittlerweile vor der Festung Vutoglavs verfaulen eine große Freude machen."
Auch Alida erhob sich und dachte mit Graus an die Nadel. Sie konnte viel, aber Hausarbeit zählte definitiv nicht dazu. „Ich geb mein bestes. Wo ist eure Heimat?“ wollte sie dann doch wissen.
"Jerusalem...", sagte der lachende Mann in sich gekehrt. "Ein teuflischer Flecken Erde wenn ihr mich fragt. Sich zwischen hier und dort zu entscheiden ist wie die Wahl zwischen Pest und Cholera." Er betrat das Wohnzimmer wo bereits einige Kinder sich lachend mit Ivan und den Russen unterhielten. Die Gruppe hatte metallene Teller bekommen auf denen sich dampfendes Gemüse häufte, hauptsächlich Rüben. Daneben gab es einen großen Laib Brot und ein recht großes Stück Schinken. Popov teilte gerade mit einem Jungen der fast zu weinen anfing als er in den Schinken biss. Die größeren Jungen starrten ehrfürchtig auf die Schwerter der Russen während die Mädchen aus Krügen heißen Gewürzwein eingossen. "Ah ihr habt schon gebetet hoffe ich?" Eifriges Nicken im Raum. "Wunderbar, dann lasst uns essen." Jeremiah setzte sich an den Tisch und bedeutete Alida es ihr gleich zu tun. "Wonach steht euch der Sinn? Knabe oder Mädchen, lieber Gast?"
Alida schüttelte leicht den Kopf. „Keins von beidem. Danke“ Sie war froh, dass es den Männern gut ging.
Es schabte an der Vordertür, ziemlich stark sogar wenn man es genau bedachte. Offenbar wollte da irgendetwas oder irgendjemand herein. Mehrere der Kinder sahen erschrocken zum Eingang aber Jeremiah blieb weiterhin seelenruhig. "Ah, euer... Hund. Er kann im Haus schlafen solange er sich zu benehmen weiß, lasst ihn doch gleich herein." Fast zeitgleich ertönte ein lautes Winseln und Wimmern, das nur durch die freudige Anwesenheit einer einzigen Person besänftigt werden konnte: Alida. Währenddessen ließ der lachende Mann einen der größeren Jungen kommen, die ihr verwaschenes Hemd auszogen und ihm den freien Oberkörper präsentierten. Überall verteilt hatten die Jungen kleine spitze Narben und rötliche Einbuchtungen. Nein, es war sicher kein Vergnügen als Jeremiahs Nahrungsquelle zu dienen. Das breite Maul senkte sich quer über den Körper des Jungen, fast schon so als ob er ihn mit einem Mal fressen wollte, biss dann herzhaft zu und saugte schmatzend. Der Junge wurde kreidebleich und stöhnte tranceartig. Viel nahm der lachende Mann nicht aber er musst wohl mit diesem Maul auch nicht gerade viel saugen, da passte schon gut was hinein. Als er fertig war entließ er den Jungen wieder. "Trink etwas von der Milch und wärm dich am Feuer, für morgen hast du lediglich Kehrdienst Thomas." Immerhin war er großzügig und achtete auf seine Herde. Als Alida die Tür öffnete, stürmte ihr sogleich der freudige Cato entgegen der sie beinahe umstieß und sogleich die Aufmerksamkeit der Kinder erweckte. Natürlich hätte man erwarten können das Kinder vor diesem 'Monstrum' von Hund zurückschrecken würden aber eher das Gegenteil war der Fall: Die Präsenz Jeremiahs ließ Cato wie ein Schmusetier wirken und bald bekam er auch schon die ersten Streicheleinheiten. Ein Haustier konnte sich hier ganz sicher niemand leisten und es war weithin bekannt wie sehr Kinder doch Tiere liebten.
Sie strich dem Hund gutmütig über den breiten Schädel. Ja, Cato würde hier sicher gut hinein passen in diesen komischen Haushalt aus Verloren, Vergessenen, Verwaisten und Verunstalteten. Sie ließ den Hund ein wenig rumlaufen und gab ihm dann den Befehl sich hinzulegen. Cato erduldete die Aufmerksamkeit der Kinder mit stoischer Gelassenheit. Nur ein kleines Mädchen hatte es je geschafft ihn aus der Ruhe zu bringen und damit wohl das Herz des tierischen Ungetüms erobert: Marie. Aber der Zögling von Lilliana war schon seit Ewigkeiten nicht mehr in Brügge gewesen und damit hatte sich wohl auch der Hund abfinden müssen.
Alida sah den lachenden Mann noch ein Mal an. „Danke für eure Gastfreundschaft und eure Unterstützung.“ Sie sah sich die langen spinennartigen Finger an, den schiefen Hut, den Mund, der mehr an einen Schlund erinnerte als an das, was er vielleicht mal gewesen war. "Darf ich so unhöflich sein und euch um einen weiteren Gefallen bitten?" Sie ließ wohl eine halbe Minute vergehen bevor sie ihre Frage formulierte. "Ich wüsste gerne, wie ihr vorher ausgesehen hat. Bevor...." Sie ließ den Satz unbeendet. Leise fuhr sie fort. "Ihr müsstet nichts tun außer euch erinnern und es mich sehen lassen. Sie wusste es war einem Nosferatu gegenüber eine ganz und gar ungewöhnliche Bitte, und sie fragte sich, wie wohl Gerrit, der grimmige Alte, reagieren würde. Auf der anderen Seite, auch wenn sie sich nicht erinnern konnte woher, wusste sie die Antwort auf dieFrage nach Gerrits früherem Äußeren doch ganz genau. Ein großer, breitschultriger Mann mit braunen Locken, einem sauber gestutzen kurzen Bart, nachdenkliche dunkle Augen...

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Der Weg zum Ziel beginnt an dem Tag, an dem du die hundertprozentige Verantwortung für dein Tun übernimms.
Dante Alighieri


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 Betreff des Beitrags: Re: Die Fesseln der Macht
BeitragVerfasst: Mo 29. Feb 2016, 21:59 
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Der lachende Mann hob eine seiner Hände und machte eine knappe, wegwerfende Geste. „Ich bin das Ergebnis der Unholde und einiger unglücklicher Umstände meine Liebe. Man kann es so sehen, dass ich die schrecklichen und die angenehmen Seiten ihrer Präsenz zu spüren bekam. Die Gastfreundschaft ist etwas, das ich stets sehr geschätzt habe.“ Seine Mundwinkel wanderten ein kleines Stück nach oben. „Außerdem haben wir ein Geschäft: Ihr seid Lambros ein Dorn im Auge und ein gut genährter Dorn tut bei weitem mehr weh. Zudem besteht durch euch die Möglichkeit, an die Schriften der verteufelten Hexer zu gelangen; ein Vorhaben das mir bisher stets verwehrt blieb.“ Auf ihre zutiefst ungewöhnliche Frage, reagierten nicht nur Jeremiah sondern auch die sich misstrauisch am Käse und Schinken gütig tuenden Russen, mit stummer Verwunderung. Die Kinder rings um die Reisenden sahen furchtsam zu ihrem ‚Gönner‘ und wagten es nicht sich zu bewegen. Es lag eine tiefe Anspannung in der Luft, die fast zum Zerreißen gespannt war, als der lachende Mann sein Schweigen schlussendlich brach. „Ein ungewöhnlicher Wunsch und darum umso bemerkenswerter. Ich werde eurer Bitte nachkommen, unter einer Bedingung….“ Der Mann erhob sich und deutete Alida ihm zu folgen. An die Kinder gewandt sprach er: „Wenn die Herren fertig gespeist haben, bereitet ihnen ein angemessenes Nachtlager und nehmt die guten Decken. Was immer sie wünschen, sollen sie erhalten. Keine Klagen will ich euch hören.“ Stummes Nicken, bevor eilig noch etwas Brot aufgeschnitten wurde.

Der lachende Mann führte Alida in die kleine Küche, wo unter einem fransigen Teppich, eine Luke eingelassen war. Mit seinen spinnenartigen Fingern öffnete er die Luke und begab sich langsam die steilen Treppen nach unten. „Ein Erdkeller, nicht die geräumigste Zuflucht aber sicher.“ Alida konnte, nachdem sie ihm gefolgt war bereits das modrige, feuchte Nass von alter Erde riechen. Kerzen und einige Laternen erhellten den mit Stroh bedeckten Boden des Raumes und der lachende Mann hatte in dem kleinen Kämmerchen, ein paar Möbel und ein Bett aufstellen lassen. Sein ganzer Schatz war ein Bücherschrank mit verschiedenen, in Leder gebundenen Büchern. Nachdem die Luke zugefallen war, ließ der Mann sich auf deinen Stuhl an einem kleinen Tisch sinken und deutete Alida sich zu ihm aufs Bett zu setzen. „Ihr werdet in meinem Bett schlafen. Es ist mit frischem Stroh gefüllt und die Wanzen werden von meinen Ratten gefressen; es ist sauber. Und bevor ihr fragt: Ich bin es gewohnt auf dem Boden zu schlafen, macht euch keine Gedanken.“ Dann rückte er eine halb herabgebrannte Kerze näher und im trüben Dunkeln des modrigen Erdkellers, sah er sich die Tzimisce noch ein weiteres Mal genau an. „Wir haben da draußen einen streunenden Köter gefunden. Die dummen Kinder füttern ihn und er lässt sich nicht verjagen. Mich schmerzt es ein Tier zu töten aber schön langsam verliere ich die Geduld. Ob ich den Hund schlage oder die Kinder…. Es hat keinen Zweck. Damit dieser Hund aber tatsächlich zu etwas taugt, würde ich euch bitten ihn ein wenig zu… verbessern. Dann wäre ich sogar bereit ihn anständig mit zu füttern und als Wachposten am Waldrand aufzustellen, damit er auch was tut für sein Futter. Es steht doch sicherlich in eurer Macht, mir einen hübschen Szlachta zu zaubern Verehrteste? Ihr wisst gar nicht was neuerdings hier so herumschleicht. Übles Gesindel und ich muss doch an die Kinder denken. Ich kann nicht immer in ihrer Nähe sein.“ Er tippte mit den Finger auf den Tisch vor sich. „Ich zeige euch, wie ich vor dem Kuss und den Zuwendungen der Drachen ausgesehen habe und ihr werdet mir im Gegenzug dazu, den Hund ein wenig auf Vordermann bringen. Was sagt ihr dazu?“

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Through action, a Man becomes a Hero.
Through death, a Hero becomes a Legend.
Through time, a Legend becomes a Myth.
By learning from Myth, a Man takes action.
~Corazon~


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 Betreff des Beitrags: Re: Die Fesseln der Macht
BeitragVerfasst: Di 1. Mär 2016, 18:42 
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Auch Alida lehnte sich nach vorne, betrachtete im Kerzenlicht die seltsame, doch sichere Behausung und ihr skurriles Gegenüber. Trotz des grotesken Äußeren, das merkte sie, hatte sie die Angst vor dem Nosferatu verloren. Sie ermahnte sich selbst, misstrauischer zu sein und hatte Emilians Worte in den Ohren. „Die Welt wäre sicherer für dich wenn du niemandem außer dir selbst vertrauen würdest. Nicht deiner Familie, nicht deinen Freunden, nicht deinen Verbündeten und auch nicht mir.“ Und ihre eigene Antwort. „Was wäre die Welt dann für ein Ort?“
Ihre Stirn legte sich in Falten als sie ihn nach langem Nachdenken wieder ansprach. „Ihr müsst etwas über mich wissen. Auch wenn das unsterbliche Blut, das durch meine Adern fließt das eines Drachen sein mag, habe ich unsere clanseigene Fähigkeit des Formens über lange Zeit verachtet.“ Sie biss sich auf die Unterlippe. „Das erste Mal, dass ich gezwungen war, die Kraft anzuwenden war, als ich die komplett entstellten Beine meines besten Freundes wieder rekonstruieren musste, der als Forschungsobjekt eines hasserfüllten jungen Tsimiske dienen durfte. Er fristete sein Leben danach als Krüppel. Im Anschluss habe ich über 100 Jahre all diese Kräfte in die hinterste Ecke meiner Erinnerung verbannt in der Hoffnung, dass ich sie vergessen würde. Der Freund, wegen dem ich diese Lande bereise, versucht seit einigen Jahren mich davon zu überzeugen, dass diese Kräfte zu einem Unhold und damit auch zu mir gehören. Dass ich mich ihnen stellen und sie nutzen muss. Wirklich wohl fühle ich mich dabei nicht.
Ihr stellt mir nun vielleicht zum ersten Mal in meiner Existenz in Aussicht, in dem ich diesen Hund in einen Szlachta verwandle, würde ich Gutes tun. Den Kindern ein Haustier schenken dem Hund ein Zuhause, euch einen Bewacher für die Stunden bei Tag an denen ihr nicht über eure kindliche Herde wachen könnt.“ Alida seufzte. „Ihr könntet das Tier auch so aufnehmen. Ein Hund mag ein guter Wächter sein, besser als kindliche Augen und Ohren es je sein könnten. Das, was er frisst ist kein hoher Preis, vor allem wenn er sich von Ratten ernährt von denen ihr ja mehr als genug zu haben scheint.“ Ein zögerliches Grinsen erschien auf ihren Zügen. „Darf ich euch ein Gegenangebot anbieten. Ich werde das Tier formen und daraus einen Szlachta gestalten. Aber nur, wenn es die Prozedur freiwillig über sich ergehen lässt. Ich will kein winselndes, um sich schlagendes Geschöpf zwischen meinen Händen, das mich bei jeder sich bietenden Gelegenheit panisch nach mir schnappt. Ich kann mir vorstellen, es gibt niemanden in diesen Landen, der das besser verstehen kann als ihr. Wie das Tier auch reagieren mag, ich denke, ihr solltet es dennoch annehmen…“

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 Betreff des Beitrags: Re: Die Fesseln der Macht
BeitragVerfasst: Sa 5. Mär 2016, 20:16 
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„Was die Welt dann für ein Ort wäre? Nun, ich denke ein recht dunkler und trostloser. Wo Kinder verhungern, die Reichen über die Armen herrschen und das Böse immer wieder seinen Schatten über das Gute wirft. Ja, es wäre in der Tat ein trauriger Ort“, führte er zu ihrer rhetorischen Frage unaufgefordert aus. „Aber wie ihr sehr bald feststellen werdet, müssen wir uns so einen Ort gar nicht mehr vorstellen. Er ist längst Realität geworden und wer immer euch diesen Rat gegeben haben mag, war in meinen Augen äußerst weise.“ Dann faltete der lachende Mann seine Hände und lauschte nach wie vor lächelnd, ihren aufschlussreichen Worten. Hin und wieder legte er den Kopf mal mehr in die eine, dann in die andere Richtung; verlagerte seine Position etwas nach vor oder zurück. Unablässig aber, ruhte sein kränklicher Blick auf ihr. Schlussendlich nickte er langsam.
„Ich glaube eure Bedenken zu verstehen und mag vielleicht sogar erahnen, welche Überwindung es euch kosten mag mir diesen Wunsch zu erfüllen, da ihr eure eigenen Kräfte und Fähigkeiten bisher vehement verleugnet habt.“ Der Ausdruck in seinen Augen änderte sich nicht – wahrscheinlich waren diese unterschiedlich großen ‚Kugeln‘, gar nicht mehr dazu in der Lage. „Aber alle Tzimisce haben so angefangen. Man will gutes Tun und bringt nur Böses hervor und um irgendwann einmal besser zu sein, muss man sich der Übung hingeben. Die wird dann schmerz- und qualvoll aber darüber erhebt man sich allmählich. Mit jedem Projekt ein wenig mehr. Ganz am Ende weiß man nicht mehr was gut und was böse ist, dann hat man die Wandlung zum Unhold bereits vollzogen und dennoch…“ Der lachende Mann sah sie nachdenklich an. „… dennoch muss man sich den eigenen Dämonen stellen. Wenn ihr diese nur ignoriert, werden sie euch eines Tages auffressen. Ihr müsst lernen sie zu kontrollieren oder euch zumindest mit ihnen arrangieren. Früher habt ihr wie ein ungeduldiges Kind damit herumgespielt und euch verbrannt aber diese Zeiten solltet ihr hinter euch lassen.“
Der Mann rückte den Sessel etwas näher an den Tisch. „Der Hund wird sicher keine Ratten fressen, wenn ihr wüsstet, wovon die sich ernähren…“ Er schüttelte langsam den Kopf. „Dennoch habt ihr natürlich recht – ein einfacher Hund würde es wohl genauso tun, wenn es mir lediglich um eine Alarmanlage und einen verlässlichen Wächter ginge. Allerdings brauche ich auch etwas, das die ersten zwei Schläge eines Drachen einsteckt, um sich anschließend in dessen Waden zu verbeißen. Der Hund erkauft uns Zeit, sollte es zum Äußersten kommen. Ein gewöhnlicher Flohbeutel wäre gerade für einen einzigen, knappen Kläffer gut, bevor er sich wieder in zwei Teile zerhackt verabschieden würde.“ Ruhig betrachtete er Alida und schüttelte sachte den Kopf. „Nein, ein normaler Hund ist hier draußen vollkommen sinnlos – nicht bei dem was hier herumläuft. Ihr habt es ja selbst gesehen.“ Der lachende Mann erhob sich langsam von seiner sitzenden Position und richtete sich zu seiner vollen, schlaksigen Größe auf. „Aber euer Angebot ist annehmbar. Ich quäle ungern Tiere und sollte der Hund sich allzu sehr wehren, so könnt ihr die Verformung unverzüglich abbrechen. Der Handel gilt.“ Seine langen, spitzen Finger streckten sich ihr entgegen, auf dass sie diese Schütteln konnte, wenn sie wollte.
Irritiert sah sie die große Gestalt ihr gegenüber an. Wer von beiden war jetzt der Unhold? Er oder sie? Auch wenn er sich vielleicht dem Kampf gegen die Drachen verschrieben hatte, war er mit ihrem Wesen, ihren Gepflogenheiten und ihrer Art um einiges mehr vertraut als sie. Und in ihren Augen hätte der definitiv den besseren Tsimiske abgegeben. Zum anderen war er anscheinend in der Lage ihre Gedanken zu lesen, was sie von einem Nosferatu nicht erwartet hätte. Sie musste wohl vorsichtiger sein.
Sie lächelte, was im Dämmerlicht kaum zu sehen war. „Der Handel gilt.“ Sie ergriff die langen kalten Finger.
Ihre Hand würde geschüttelt werden und vielleicht mochte es sogar so aussehen, als ob sein ohnehin schon unmenschlich breites, ständiges Lächeln, sich sogar noch um eine winzige Nuance breiter verziehen würde. "Ich werde nicht mehr in eure Gedanken eindringen, versprochen, aber ich war zu neugierig in Erfahrung zu bringen, was ihr über mich denkt. Wie ihr ja bereits wisst, habe ich nicht oft Gäste oder Besuch. Der Handel gilt. Dann entschuldigt mich einen kurzen Augenblick... " Dann lenkte er seine Schritte weiter vom Tisch weg und bedeutete ihr sitzen zu bleiben. Das Ziel seiner ruhigen Schritte, war wohl der hinterste Teil der nach kühler Erde riechenden Behausung. Dort wo kein Licht der Kerzen, die Schatten vertreiben mochte und er sich ihren Blick entziehen konnte. Soweit Alida von Gerrit wusste, war dies zwingend erforderlich um die Maske für das einen umgebende Umfeld anzulegen. "Behaltet es für euch, liebe Freundin, denn mein Gesicht ist lediglich ein Konstrukt meiner langsam schwindenden Erinnerungen, so nahe diese einer so lange vergangenen Realität eben kommen mögen. Es ist nichts, das ich überall herzeigen würde..." Er tat einige Schritte aus dem Schatten und ihm orange-roten Licht der flackernden Kerzen, sah Alida den lachenden Mann wie er früher ausgesehen haben musste. Er hatte wieder ein richtiges Gesicht und seine Stimme klang weniger voller und menschlicher. "Es schmerzt mich daran erinnert zu werden", stellte er schief schmunzelnd fest und beobachtete ihre Reaktion.

Bild

Alida saß ohne eine einzige Regung auf der Bettkante und sah den verdunkelten Jeremiah einfach nur an. Sie schwieg, merkte irgendwann, dass sie wie immer, wenn sie nachdachte auf der Unterlippe kaute. Tausend Gedanken und Eindrücke rasten durch ihren Kopf. Über die Art wie der Kainit einst gewesen sein mochte, was von ihm noch übrig war, wie es wohl sein musste solche Qualen über sich ergehen lassen zu müssen? Es war für sie unvorstellbar und in ihrem Inneren spürte sie eine blinde, heiße Wut auf das, was der Nosferatu hatte erdulden müssen- und doch war es nur ein winziger Nachhall von den Empfindungen, die er wohl selbst seinen Peinigern entgegenbringen musste.
Der Nosferatu sah sie mit einem schiefen aber charismatischen Lächeln an, zog dabei eine Augenbraue in die Höhe. "Ihr wirkt irritiert? Entspreche ich nicht dem, was ihr von meiner ehemaligen Erscheinung erwartet habt? Ich muss mich wohl entschuldigen aber ich war niemals außergewöhnlich und dabei stets glücklich mit dem wie ich war... jetzt.." Er hielt kurz inne. "Nun, man gewöhnt sich daran. Wie würdet ihr über meine Erscheinung urteilen?"
Alida versuchte sich zusammen zu reißen. Ihre Stimme war leise. „Ich frage mich, warum ihr nicht häufiger dieses Äußere wählt.“ Ihr Mund verzog sich zu einem schiefen Grinsen. „So schlecht habt ihr doch gar nicht ausgesehen, dass ihr euch hinter dem schönen anderen Gesicht verstecken müsstet.“ Sie holte Luft, denn ihr war klar, dass sie ihn nicht kannte und sich in keinster Weise bewusst darüber war, was er als Beleidigung auffassen mochte.
Sie legte den Kopf leicht schief. „Falls ihr es hier irgendwann einmal nicht mehr ganz so wunderbar finden solltet… Falls das wunderbar sonnige Wetter umschlägt, die Menschen ihre angeborene Freundlichkeit ablegen, all die Leute, die jeden Tag aufs Neue füreinander da sind, mal keine Lust dazu haben… In Flandern haben wir einige gute Städte, die einen fähigen Nosferatu gebrauchen könnten… Gent, Brüssel, um nur einige zu nennen. Es hätte sicher niemand etwas dagegen, wenn ihr eure Herde mitbrächtet… ein paar Kinder mehr oder weniger… Allerdings wäre euer… anderes Äußere dort ein wenig im Weg und euren Hass auf meinen Clan könntet ihr dort drüben auch nur ausüben wenn ihr mich und meinen Freund ein paar schöne Sonnenstunden zur Mittagszeit verschaffen würdet, denn außer uns gibt es dort kein Mitglied der Tsimiske mit dauerhafter Domäne…“ Es war nur ein Angebot, aber es war gemacht.
Nein es machte nicht den Anschein, als ob sich der Nosferatu in irgendeiner Form durch ihre Anmerkungen und ‚Einwände‘ beleidigt fühlte. Alles was als Reaktion auf ihre kleine Andeutung bezüglich seiner Verdunkelungskünste geschah, war das seine schmalen Lippen sich ein weiteres Mal besonders schief verzogen. Jeremiah schien sich gerade köstlich zu amüsieren und nahm mit einer flüssigen Bewegung wieder auf seinem Stuhl vor ihr Platz. Mit einer Hand ergriff er seinen Hut und legte diesen neben sich auf den Tisch, fuhr sich durch die glatten, schwarzen Haare. Er hatte ein recht strenges aber nicht unhübsches Gesicht; wirkte wie ein belesener, nachdenklicher Mann. „Ich nutze meine Fähigkeiten um mich ganz vor den Augen derer zu verbergen, die mich nicht sehen dürfen aber meine eigene Art, soll mich ruhig so wahrnehmen wie ich bin. Das ist der Sieg, den ich über die Drachen errungen habe. Ich sollte mich schämen für das, was aus mir wurde aber es ängstigt mich nicht mehr… jetzt sind es die anderen, die sich vor mir fürchten. Und aus diesem Grunde genieße ich es, ihnen genau das zu zeigen, was sie aus mir gemacht haben. Soviel Ehrlichkeit, kann ich jedem Blutsäufer zumuten, denke ich.“ Seine grauen Augen wanderten leicht in Richtung Tisch und für einen kurzen Moment, schien er tatsächlich über ihr Angebot nachzudenken. Zumindest brauchte er länger für eine Antwort als gewöhnlich. Unschlüssig wog er den Kopf hin und her.
„Ich denke, ich werde noch eine Zeit hier benötigen. Es sind noch einige Dinge offen, die ich erledigen will und ohne die ich nicht unverrichteter Dinge einfach so verschwinden kann.“ Er klang da sehr überzeugt und resolut; zuckte dann aber wiederum nur mit den Schultern. „Die Kinder? Ach, ich weiß nicht. Ich habe mich an die kleinen gierigen Satansbraten gewöhnt aber trotzdem…“ Ein weiteres Mal glitten seine Schultern nach oben. „Hier waren sie mir von Nutzen, ob das in Gent auch der Fall wäre und ob sie diesen Winter überhaupt überleben werden? Warten wir es ab. Die Ewigkeit kann wohl noch ein wenig Zeit erübrigen. Der lachende Mann ist schon zu lange in diesen frostigen Landen.“

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 Betreff des Beitrags: Re: Die Fesseln der Macht
BeitragVerfasst: So 6. Mär 2016, 12:16 
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Alida nickte zu seiner Ausführung über sein Äußeres. Sie verstand ihn und den Mut, den er dabei an den Tag legte. Sie selbst wäre nicht dazu bereit mit einem solchen Gesicht umherzulaufen. Sie blickte auf ihre Hände… was auch immer geschehen mochte. Das Schicksal von Jeremiah musste sie zumindest nicht fürchten. Das Blut der Nosferatu würde nie durch ihre Adern fließen und welche körperliche Veränderung auch immer geschehen mochte… sie konnte sie rückgängig machen.
Sie zweifelte daran, dass ihm ein Buch in irgendeiner Weise helfen mochte, aber sie würde ohne Zögern danach Ausschau halten. Sie sah den Mann mit dem schmalen Gesicht an. „Kennt ihr den Namen der Kainiten, die euch das angetan haben?“

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