Vampire: Die Maskerade


Eine Welt der Dunkelheit
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BeitragVerfasst: So 20. Nov 2016, 12:49 
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Der Gangrel folgte dem Mann ohne zu Zögern. In diesem Augenblick war es, wie er ja schon zuvor für sich selbst beschlossen hatte, ganz unerheblich mit was für einer Art Wesen er es denn nun eigentlich tatsächlich zu tun hätte oder ob er persönlich Aleister vertrauen konnte. Francesca hatte seinen Namen genannt, also musste er in Ermangelung anderer Optionen einfach darauf vertrauen, dass dies eine gute, wenn nicht gar die beste Idee gewesen war. Allem Anschein nach war dieser Aleister, mit seinem Gehilfen Helmut aber durchaus kompetent; ließ keine weitere Minute verstreichen oder stellte unnötige Fragen, die getrost warten konnte. Gemeinsam legten sie Francesca auf das mit weißen Stoffen ausgelegte Krankenlager und der Hauptmann begann noch im gehen, die wichtigsten Ereignisse der Begegnung mit den Mannen von Otto dem Magister, in aller gebotener Kürze und Eile zusammenzufassen.

Lucien straffte sich, als der Heiler Aleister seinem Schützling als auch Heinrich weitere Anweisungen zurief und versuchte abermals die dämmrige Müdigkeit aus seinem Körper zu schütteln. Er würde nicht länger durchhalten; selbst für einen Gangrel war der Fluch nach wie vor ein Fluch, ganz gleich wie lange er den todbringenden Sonnenstrahlen trotzen mochte. Gerade jetzt, hätte er dem Mann nur zu gern geholfen, selbst wenn er dabei nur heißes Wasser und frische Tücher gereicht hätte und ansonsten recht nutzlos in der Ecke stehen würde. Heute Nacht, war er wahrlich doppelt verdammt. Wankend trat er einen Schritt zurück und wagte einen Blick Richtung Ausgang. „Wer immer ihr seid, Francesca nannte euren Namen, also will ich euch vertrauen. Tut alles was nötig ist, um ihr Leben zu retten.“ Seine Schritte wieder in Richtung der Eingangstür lenkend, drehte er sich noch einmal zu Aleister um. „Ich kenne mich mit der Versorgung derartiger Wunden nicht aus; ich wäre euch keine Hilfe. Zumal die Sonne aufgeht und ich nicht länger hier verweilen kann.“ Der Hauptmann vertraute darauf, dass der Heiler gewiss verstehen würde, mit wem er es bei Lucien zu tun hätte. Irgendwie war diese Umgebung ja nach wie vor eine äußerst attraktive Versammlungsstätte für alles Übernatürliche und Schreckliche. „Ich brauche entweder einen sonnengeschützten Raum, in welchem ich den Tag verbringen kann oder einen Flecken gewöhnlicher Erde; beides ist akzeptabel für mich.“ Fragend sah er zu Aleister. „Auf den Jungen gebt mir bitte besonders Acht, nur wegen ihm haben wir dieses Gemetzel auf uns genommen aber dazu morgen abend mehr. Tut was ihr könnt Meister Aleister.“

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Verfasst: So 20. Nov 2016, 12:49 


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BeitragVerfasst: So 20. Nov 2016, 15:43 
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Der bärtige Alte hatte Lucien während des Zuhörens nicht angesehen, sondern sich komplett auf seine Arbeit konzentriert. Zu den Schilderungen, die der Gangrel bezüglich Otto ablieferte, nickte er nur ohne weiteren Kommentar. Er schien nur halb zuzuhören während er mit einem Skalpell die Nähte öffnete mit denen Lucien eine Wunde versorgt hatte. Er fühlte kurz nach der heißen Stirn der Verletzten bevor er eine bläuliche Flüssigkeit in die Wunde träufelte. Francesca stöhnte in ihrer Bewusstlosigkeit schmerzerfüllt auf.

Helmut war bereits wieder eingetreten. In beiden Händen trug er einen schweren Eimer kaltes Wasser aus dem Brunnen, den er mühsam abstellte. Er konzentrierte sich, murmelte ein paar undeutliche Worte und fuhr mit den Fingerspitzen über die Wasseroberfläche. Lucien konnte erkennen, wie langsam Dampf aufzusteigen begann und schließlich Luftblasen aufstiegen. Helmut zog blitzschnell die Hand zurück. Ganz offensichtlich hatte er sich verbrannt, denn er steckte den Finger in den Mund und begann daran zu saugen.



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Sein Meister deutete auf Lucien ohne einen der anderen anzusehen. „Bring ihn in das verschlossene Zimmer und lass ihm den Schlüssel damit er von innen ab zu schließen vermag.“

„Aber Meister,…?“ Der Einwand des Jungen wurde mit einem grimmigen Blick unterbrochen.

„Ja, Helmut! Das verschlossene Zimmer!“ Ganz offensichtlich war er kein Freund von Widerworten. Sein Blick ging zu Heinrich. „Und du kannst mir derweil…“ Er verharrte überrascht. „Mein König?“ Ungläubig und etwas ungeschickt deutete er eine Verbeugung an, sah dann zu Lucien. „Francesca und ihr? Ihr habt ihn gefunden?“

Heinrich trat beschämt einen Schritt näher, sah auf die Spitzen seiner Stiefel. „Ich kann euch trotzdem helfen, wenn ich euch zur Hand gehen darf?“

Der Alte zögerte, nickte dann. „Gut. Junge, du tunkst diese Tücher hier ins heiße Wasser und ziehst sie vorsichtig wieder heraus ohne dich zu verbrennen. Schaffst du das?“

Heinrich nickte und machte sich sogleich ans Werk.

Helmut verließ ungläubig den Kopf schüttelnd den Raum und wartete auf Lucien. Er beäugte ihn vorsichtig als würde er erwarten jederzeit darauf warten von hinten angefallen zu werden oder ein Messer in die Rippen gestoßen zu bekommen. „Ihr seid also einer von den Kindern Kains… Ich hab nicht gedacht, dass ich noch ein Mal einem von euch begegnen würde. Beim letzten Mal dachte ich, meine letzte Stunde hätte geschlagen…“ Er durchquerte mehrere Gänge und Türen und Lucine verlor schon nach wenigen Ecken die Orientierung beziehungsweise war sich sicher, dass die letzte Linkskurve nach dieser Wand gar nicht möglich sein konnte… Schließlich öffnete der blonde Junge eine Tür und reichte Lucien den Schlüssel. „Gehabt euch wohl…“

Der Raum war klein und einfach eingerichtet. Neben zwei spartanischen Betten, die man mit weichen Decken ausgelegt hatte, befanden sich ein Nachttisch sowie eine kleine Truhe. Das Zimmer enthielt zwei Fenster, die nach links und rechts gingen. Lucien zweifelte. Da konnte doch gar kein Fenster nach draußen sein, weil direkt daneben ein Gang war durch den sie gerade geschritten waren…

Während er noch nach draußen blickte sah er den Sonnenaufgang.

Die Strahlen tauchten das Land in sanfte Helligkeit, verbreiteten Farbtupfer auf den schneebedeckten Gipfeln der Berge.



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Für einen winzigen Moment erfasste ihn Panik als seine bleichen Hände von hellem Orange erfasst wurden, doch als der Schmerz ausblieb, verebbte das Gefühl und wurde von bleierner Müdigkeit ersetzt.

Helmut schloss die Tür hinter ihm.

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BeitragVerfasst: So 20. Nov 2016, 18:47 
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Es verwunderte ihn nicht weiter, dass Aleister völlig in seine offenbar mehr als ausreichend kompetente Arbeit vertieft schien und noch während er den Worten des Hauptmanns lauschte, sogleich all seine Kunstfertigkeit aufwandte um das Leben der jungen Frau zu retten. Eine Frau, die ein Werwolf war und die gemeinsam mit ihm als Untoten, den Sohn des deutschen Kaisers zurück nach Hause gebracht hatte. So erübrigten sich auch die Fragen nach merkwürdigen Kristallen, Apparaturen und ‚magischer Heilkunst‘ für den Moment, da selbst der Knabe Helmut bereits eisiges Brunnenwasser, etwas ungeschickt aber immerhin, allein Kraft seiner Gedanken zu erhitzen vermochte. Augenscheinlich war er also hier im Anwesen eines Magiers oder Zauberers gelandet. Der Gangrel unterbrach den emsigen Mann in seiner Arbeit nicht; verkniff sich weiterhin jede Frage oder jedes aufkeimende Interesse, das darauf abzielte die nähere Beziehung zwischen Arzt und Patientin zueinander zu ergründen. Es war Erleichterung auf seinen Zügen zu lesen, als Aleister den jungen Helmut aufforderte ihm den absperrbaren, höchstwahrscheinlich sonnendichten Raum, zur Verfügung zu stellen. Lediglich als Aleister den jungen Königssohn erkannte, verlor er ein paar knappe Worte, bevor er Helmut nachfolgte. „Francesca und meine Wenigkeit, ganz recht. Es war unser Auftrag und wir haben ihn beinahe erfüllt. Ich bitte euch, lasst es sie nicht das Leben kosten Meister.“ Schwerfällig stapfte er Helmut hinterher.

„Und ich hätte nicht gedacht, mit einem Werwolf gegen die Schergen eines intriganten Magisters anzutreten, nur um mich dann in der Wohnstätte eines Magiers wiederzufinden.“ Ein schwaches Lächeln umspielte seine Mundwinkel, doch im Grunde war ihm gar nicht nach Scherzen zumute. Dafür waren die bisherigen Anstrengungen, als auch die Tageszeit einfach unpassend. Für den Bruchteil einer Sekunde, fielen ihm schon wieder die Augenlider zu und er war froh in diesen verwirrenden, offenbar keiner logischen Anordnung folgenden Wänden und Gängen, einen kundigen Führer an seiner Seite zu wissen. „Bis morgen Nacht…“, brachte er angestrengt hervor, bevor er den Schlüssel entgegennahm, das Zimmer kurz musterte und dann hinter sich abschloss. Als das golden-leuchtende Morgenrot sich unaufhaltsam zwischen den Bergrücken nach oben kämpfte und sein Gesicht erfasste, hielt er sich die Hand vor Augen und stellte überraschend fest, dass es ihn nicht verbrannte. Die letzten paar Schritte, die ihn Richtung Bett führten, verbrachte er damit schon halb eingeschlafen darüber nachzugrübeln, wie so etwas möglich war. Schlussendlich fiel er mit einem Ächzen auf sein Lager. „Magie… zum Teufel…“, raunte er noch. Dann war er auch schon eingeschlafen.

Am nächsten Abend, rissen ihn die blutigen Bilder des Vortages aus seiner totenähnlichen Lethargie. Er fuhr im Bett hoch und begutachtete den Raum, der nunmehr in kalte Finsternis gehüllt war. Keine Sonne und kein Morgenrot weckten ihn, keine Schergen und keine Werwölfe. Für einen kurzen Augenblick, versuchte er sich zwischen den vier Wänden zu orientieren, schritt dann auf die Tür zu und steckte den Schlüssel ins Schloss. Knarrend öffnete er die Tür und trat auf den Gang hinaus, der ihm in seiner Erinnerung schon gestern bereits verwirrend und unüberschaubar vorgekommen war. Etwas lauter sprach er über die Korridore: „Hallo? Ist jemand hier?“ Vorsichtig setzte er einen Fuß vor den anderen. Er hatte viele Fragen und braucht noch mehr Antworten aber in erster Linie, musste er wissen wie es Francesca ging.

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BeitragVerfasst: Mo 21. Nov 2016, 21:21 
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Lucien stand mehrere Minuten in dem Gang. Er schritt schließlich in die Richtung von der er annahm, dass sie die Passende sei, nur um dreißig Sekunden später wieder vor der Zimmertür des verschlossenen Zimmers zu stehen. Als er erneut rief, hörte er schließlich das rasche Trappeln von Füßen und plötzlich schob sich der junge Helmut mit einer Kerze in der Hand durch die Flure.

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Als er den Schatten von Lucien erkannte, erstarrte er als wäre urplötzlich eine giftige Schlange aus dem Nichts vor ihm materialisiert. Er musste sich sammeln bevor er mit betont fester Stimme sagte. „Hier seid ihr. Ich geleite euch nach oben, sofern es euch beliebt.“
Lucine vernahm ein winziges Zittern in der Stimme und erkannte einen leichten Schweißfilm auf dessen Stirn.
Der Gangrel hatte einen guten Moment lang gebraucht um überhaupt erst zu verstehen, dass er sich hier wohl lediglich im Kreis bewegte. Zwar kam er zu keinen weiteren Versuchen mehr, da er schon die leisen, knarzenden Schritte von Helmut an der Treppe vernahm aber er hätte alles gewettet, dass selbst erneute Versuche immer zum selben Ergebnis geführt hätte. Kannte man sich mit magischen Prinzipien nicht aus, konnte man sich ohne die Erlaubnis des Hausbesitzers in diesen vier Wänden nirgendwo hinbewegen. Sehr schlau und effizient, dachte er anerkennend bei sich. Etwas verwundert sah er dann den erschrockenen Knaben an. Ja hin und wieder wirkte er gewiss bedrohlich, teils absichtlich, teils seiner Unsterblichkeit geschuldet, aber er hätte nicht erwartet, dass der Schüler eines Magiers derartigen Respekt und Furcht vor ihm haben könnte. Sachte nickte er. „Das wäre sehr freundlich ja. Allerdings…“ Fragend sah er ihn an. „Warum nach oben? Haben wir Francesca nicht ins Erdgeschoss gebracht? Wie ist ihr Zustand und wie geht es Heinrich?“ Leicht amüsiert fügte er hinzu. „Und du musst keine Angst vor mir haben, ich werde dich schon nicht fressen. Ich bin aus gänzlich anderen Gründen hier, wie du ja bereits wohl weißt.“ Nun ja, verunsichern und ängstigen konnte er die Leute aber ob seine Künste für gutes Zureden reichen würden?
Der Schüler presste fest die Lippen aufeinander und nickte dann mehr zu sich selbst als zu Lucien als müsse er sich selbst Mut einreden.
Er hielt die Kerze fest umklammert vor sich und ging voran. „Dann folgt mir doch bitte.“
Er schwieg und seien Schritte wurden zusätzlich von den dicken Teppichen verschluckte. Das Haus knarrte dann und wann und ab und an gewann Lucien den Eindruck ein seltsames Blubbern zu hören als würden sie sich unter Wasser befinden, was selbstverständlich nicht sein konnte. Es ging tatsächlich eine Treppe hinauf und Lucien sowie der blonde Junge befanden sich wieder im Eingangsbereich.
„Soll ich euch zu Meister Aleister führen?“
Leicht schmunzelnd nickte der Hauptmann dem Jungen zu und folgte diesem in ausreichendem Abstand. Immerhin wollte er ihn so wenig wie möglich verunsichern, das hatte er schlichtweg einfach nicht verdient. Als er neben dem eisernen Schweigen, das wohl nach wie vor der bestehenden Angst des Jungen zu verdanken war, lediglich ein merkwürdiges Blubbern vernahm, sah er sich verwunderte in alle Richtungen um. Irgendwie erinnerten ihn diese Geräusche an die Kanalisation in Brügge, nahe dem geheimen Eingang zum Hafenbecken. Warum sie dann aber eine Treppe nach oben nahmen und sich daraufhin, für ihn völlig unverständlich, wieder im Eingangsbereich wiederfanden, entzog sich seiner Kenntnis. Manchmal war Unwissenheit wohl einfach ein Segen; gerade dann, wenn man es mit Magie zu tun hatte. „Sicher Junge… tu das…“, meinte er erstaunt murmelnd.
Der Lehrling ging weiter und öffnete schließlich die Tür zum Krankenlager.
Meister Aleister war über ein Krankenlager gebeugt und besserte einen Verband aus. Lucien konnte Heinrich erkennen, der Stoff von langen Binden abwickelte und sich dabei gar nicht so ungeschickt anstellte. Offenbar hatte man ihn gut eingewiesen.
Helmut räusperte sich mit der Hand vorm Mund und Aleister murmelte nur in seine Arbeit versunken. „Komm ruhig näher, Helmut.“
„Meister? Ich habe den… äh… Gast mitgebracht.“
Aleister nickte Heinrich zu, der daraufhin mit seiner Arbeit fortfuhr und erhob sich dann schwerfällig. Das Alter schien wohl auch vor einem Mann seines Kalibers nicht Halt zu machen. „So… so… Hast du das? Das ist gut.“ Er wandte sich um und kam auf Lucine zu.
Dabei konnte der Gangrel einen Blick auf Francesca erhaschen, die reglos in einem der Betten lag. Er trat näher. „Dann seid ihr also erwacht. Ich wünsche euch einen guten Abend. Folgt mir doch.“
Schweigend betrat er das Zimmer und stellte überraschend fest, dass selbst der Königssohn sich um die Verwundete bemühte. Wann hatte man zuletzt einen König gesehen, der die Verbände seiner Soldaten wechselte? Nun, zugegeben war Heinrich noch ein Kind, dem der Prunk und die Macht noch nicht zu Kopf gestiegen waren, aber es erfüllte gerade ihn als ehemaligen Verbrecher und Aufständischen gegen die Wohlhabenden und Adeligen, mit ein wenig Zuversicht, das doch nicht alles in dieser Welt gänzlich verloren und verlogen war. Er fixierte den Jungen kurz, überließ ihn dann aber wieder seiner Arbeit, die er offensichtlich ja schon ganz gut zu beherrschen schien. Im Grunde war es nie verkehrt, etwas über das Anlegen von Verbänden oder das Nähen von klaffenden Wunden zu lernen; hätte er selbst diese Grundkenntnisse nicht gehabt, wäre Francesca wohl noch an Ort und Stelle verstorben. Natürlich trennten ihn von einem Magus Aleister oder gar einem Leif Thorson Welten, aber nicht jeder konnte der nächste Paracelsus werden.
Aleisters Daumen ruckte in die Richtung in der die Verwundete lag und sofort hastete Helmut an das Lager und zupfte an der Decke und versuchte nach dem Rechten zu sehen. Aleister trat in einen kleinen, schlicht eingerichteten Nebenraum und nahm in einem gemütliche Lehnstuhl Platz. Er deutete auf einen Sessel von ähnlicher Machart. „Setzt euch doch bitte.“ Er wartete einen Moment und ließ Lucien das Gespräch beginnen.
Mit einer leichten Verbeugung, folgte er dem Zauberer und nahm in dem bequemen Sessel Platz. Das gespannte Leder knarzte leicht unter seinem Gewicht. "Euch ebenfalls einen guten Abend, Meister Aleister." Für einen knappen Moment überlegte er, wo er eigentlich beginnen sollte. "Lucien Sabatier, ich glaube wir haben uns schon einmal flüchtig bei der Auseinandersetzung mit Hardestadt gesehen. Francesca und ich wurden von seiner Majestät beauftragt den Jungen zu suchen und zu finden." Sein Blick glitt über die Schulter nach hinten in den Raum, wo Heinrich immer noch Verbände rollte und Helmut das Krankenlager überwachte. "Wir waren dank einiger Hinweise erfolgreich, aber wir mussten uns dennoch unerwarteten Widerstand entgegenstellen. Dabei wurde Francesca schwer verletzt." Eine knappe Pause entstand. "Wie geht es ihr? Konntet ihr sie retten Meister?"
Ein kontinuierliches Nicken setzte ein, das wohl beruhigende Wirkung haben sollte. „Das konnte ich durchaus. Dank eurem schnellen Handeln und Eingreifen und eurer guten Versorgung der Wunden hatte sie überhaupt eine Chance und ich die Möglichkeit ihre Verletzungen zu therapieren. Eine silberne Klinge muss sie übel erwischt haben. Ich habe einige ihrer Art im Kampf gesehen und sie sind wie zermalmende Felsen, die nichts und niemand aus dem Gleichgewicht zu bringen vermag. Nichts, außer Silber und das muss der Angreifer gewusst haben.“ Er machte eine bedeutungsschwere Pause. „Ich habe mein Möglichstes getan um alle Spuren des Silbers aus ihrem Körper zu entfernen und ihre Selbstheilungskräfte haben bereits eingesetzt.“ Er lachte brummend. „Vor einer Stunde musste ich ihr ein als Heilserum getarntes Schlafmittel verabreichen, da sie bereits wieder zu Schwert und Schild greifen wollte um euch aufzusuchen und den Kaiser zu informieren. Einer wie ihr ist mit Vernunft nicht beizukommen!“ Sein Schmunzeln war amüsiert. „Es ist wichtig, dass sie sich schont. Kein Schwertkampf für einige Wochen, ein wenig Ruhe, dann wird sie wieder ganz die Alte. Nur die Narben werden vielleicht bleiben. Das wird die Zeit zeigen.“
Der Hauptmann lachte laut auf und schüttelte wahrlich amüsiert und zugleich immens erleichtert den Kopf. Was für ein Glück, Francesca war nicht nur am Leben, sondern bereits auch wieder auf dem Weg der Besserung. Er konnte sich kaum ausmalen, welche unbändige Macht in so einem alles zermalmenden Wolflingskörper steckte; sodass ihr Zustand sich bereits in wenigen Stunden von an der Kippe zum Tod zu beinahe schon überschwänglichem Tatendrang gebessert hatte. „Silber war es in der Tat und wir können aufgrund dessen, auch getrost davon ausgehen, dass die beauftragten Schergen zumindest teilweise im Bilde waren, womit sie es in Wahrheit zu tun hatten. Otto ist eine verschlagene Viper, voller Gift und jede Schwäche nutzend. Danke, dass ihr sie gerettet habt, Meister, ich stehe in euer Schuld wenngleich ich normalerweise eher keine Bekanntschaften zu Magiern pflege.“ Ein wenig in die Leere starrend und sich in seinen Gedanken verlieren, nickte er geistesabwesend. „Aber Aachen übt in diesen Tagen und Nächten offenbar eine große Anziehungskraft auf die Welt hinter dem Vorhang aus. Friedrich riskiert viel.“ Lucien räusperte sich und verdrängte ein paar unliebsame Bilder; kehrte wieder ins Gespräch zurück. „Aber das muss wohl weiterhin seine Sorge bleiben, unsere ist es, den Königssohn wohlbehalten wieder zu seinem Vater zu überführen.“ Schmunzelnd fügte er hinzu: „Und ich werde persönlich dafür Sorge tragen, das Madame sich in ihrem Stolz und ihrer Sturheit nicht übernimmt, darauf habt ihr mein Wort. Die Narben dürften wohl kein Problem darstellen, ich denke sie würde sie sogar noch als Auszeichnung für ihre Verdienste verbuchen.“ Mit leicht zusammengekniffenen Augen, musterte er dann den Magus erneut. „Doch sagt mir, woher kennt ihr Francesca und warum nannte sie als erstes euren Namen, wenn die Frage gestattet ist?“

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Meister Aleister überlegte und faltete die Hände. „Auch ich vertrete meine ‚Kollegen‘ im Rat des Königs, wenn ihr es so bezeichnen wollt. Ich trage Sorge, dass unsere Stellung weiter hin gewahrt bleibt. Und dabei versuche ich dem König mit Rat und Tat zur Seite zu stehen. Ich verstehe mich auf so einiges und zum Heilen von übersinnlichen Verwundungen ist ein gewöhnlicher Heiler nur bedingt geeignet. Wahrscheinlich hätte sie keine Chance gehabt oder wäre an einer Wundinfektion verstorben…“ Er schüttelte den Kopf um den unguten Gedanken zu vertreiben. „Der Kaiser wird über alle Maßen erfreut sein zu hören, dass sein Sohn wohlauf ist. Ich werde Helmut sobald mit einer Nachricht zur Kaiserpfalz entsenden falls ihr damit einverstanden seid, so dass der Kaiser sich auf dessen Ankunft vorbereiten vermag. Konntet ihr bereits die Hintergründe der Entführung des jungen Königs aufdecken?“
Nachdenklich nickte der Gangrel. „Der offizielle Vertreter der Magi in Deutschland also. Mir war gar nicht bewusst, dass ich es mit einer so wichtigen Person zu tun habe. Ich denke Friedrich kann froh sein euch um sich zu wissen. Zwar bin ich überfragt, welche Interessen eure Anhänger und Mitglieder innerhalb dieses wackeligen Bündnisses und Waffenstillstandes besonders gewahrt wissen wollen aber, wenn wir ehrlich sind geht es mich auch überhaupt nichts an. Fest steht aber wohl, dass sie sicher weitaus gemeinnütziger ausfallen dürften als die unserer Leute und womöglich sogar der Werwölfe. Das wage ich einfach einmal so in den Raum zu stellen.“ Er grinste. „Das heißt nicht, dass ich euch blind vertrauen kann, aber immerhin habt ihr Francesca gerettet und seid kein intriganter, paranoider Blutsauger. Vieles von dem, was man sich über meine Art erzählt ist maßlos übertrieben, aber manchmal findet man dann doch ein passendes Exemplar, das dem blutigen, selbstgerechten Bild entspricht. Wahrscheinlich gibt es wie überall anders auch, Gut und Böse, gerecht und ungerecht.“ Erneut wandte er den Kopf einen Augenblick lang zu den immer noch bemühten Knaben Heinrich und Helmut, bevor er wieder Aleister fixierte. „Schickt euren Helmut ja, es dürfte ganz gut sein, das der Kaiser schon im Voraus benachrichtigt wird. Eine kleine Eskorte wäre womöglich ebenfalls gar nicht so schlecht, da wir ja etwas angeschlagen sind. Und nach wie vor können wir nicht wissen, wie weit der Arm von Otto reicht.“ Etwas verlegen räusperte sich der Hauptmann. „Nein, bedauerlicherweise habe ich noch nicht alle Teile dieses verworrenen Puzzles ineinanderfügen können Meister Aleister. Es scheint so, als sei der Junge wohl tatsächlich geflohen um seine ehemals versprochene Agnes zu ehelichen. Was ich so mitbekommen habe, hat er diese Idee aber nicht in die Tat umgesetzt; kam schlussendlich doch zur Besinnung. Otto spielt darin sicher dennoch eine tragende Rolle, denn er ließ Heinrich bis zum Kloster eskortieren. Ganz offensichtlich kam es ihm sehr gelegen, dass der junge Königssohn sich seinem Vater widersetzte. Eine Ehe mit Agnes hätte wohl das Bündnis und all seine Parteien darin geschwächt.“ Mit der linken fuhr er sich durch die Bartstoppeln. „Und Otto scheint mit Hardestadt einen sehr langen andauernden Konflikt zu haben, der noch immer nicht gelöst ist. Ich kann mir also vorstellen, das mit dem Brechen des Bündnisses die Werwölfe wieder Ärger mit den Kainiten suchen werden, allen voran Hardestadt. Das käme jemandem wie Otto sicher sehr zupass. Aber um ein vollständiges Bild zu bekommen, sollten wir wohl noch einmal mit Heinrich sprechen. Er ist der einzige, der uns einen Teil der Wahrheit zeigen kann, sodass wir den Rest rekonstruieren können.“ Ein kurzer Blick über die Schulter folgte. „Er hat viel mitgemacht, nicht nur die Intrige gegen seinen Vater, angezettelt von Otto, sondern auch Blut, Tod und Verderben. Schlussendlich hat er auch ein sehr düsteres Bild von dem bekommen, vor dem sein Vater ihn wohl zu schützen sucht. Werwölfe, Magier und Vampire… er hat es wirklich nicht leicht und schlägt sich bisher ohne Zweifel wie ein würdiger König. Am besten wäre es, wir lassen ihn die ganze Angelegenheit ehe baldigst aufklären, soweit er dazu in der Lage ist.“ Der Gangrel räusperte sich erneut etwas lauter und deutete Heinrich an näher zu kommen. „Eure Majestät, verzeiht das ich euch stören muss, aber ich glaube es wird Zeit, dass wir die Hintergründe dieser ganzen Geschichte erfahren. Bitte setzt euch doch zu uns.“

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BeitragVerfasst: Di 22. Nov 2016, 20:05 
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Der braunhaarige Junge sah ertappt in die Richtung der beiden Erwachsenen und rollte langsam die letzte Verbandsrolle auf. An seinem betroffenen Gesichtsausdruck ließ sich leicht schließen, dass er, wenn es nach ihm gegangen wäre wohl lieber bis zum Ende aller Tage weiße Stoffbandagen zusammen gelegt hätte als im kommenden Gespräch Rede und Antwort zu stehen. Während sich Heinrich mühsam erhob, stand auch Aleister auf und fuhr sich über den Bart. „Nun denn. Ich setzte eine Nachricht an den Kaiser auf und schicke meinen Lehrling, dass er diese überbringt. Helmut?!“ Er ging, gefolgt von seinem hastig angesprungenen Schüler, in den Nachbarraum und Lucien konnte hören, wie Pergament, Federkiel und Tinte zurecht gelegt wurden. Dann wurde die Tür verschlossen.
In der Zwischenzeit hatte Heinrich Lucien erreicht. Etwas betroffen trat er von einem Bein aufs andere als hätte man ihn beim Äpfel Stehlen erwischt. Dann jedoch schien er sich zu sammeln. Er straffte die Schultern, nahm in dem Stuhl Lucien gegenüber Platz und legte beide Unterarme auf die Sessellehnen.

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Zunächst stammelte er leise etwas vor sich hin, dann sah er Lucien an. „Ich bin euch zu großem Dank verpflichtet, Meister Sabatier. Das, was ihr und Francesca für mich getan habt, lässt sich nicht mit Gold aufwiegen. Ihr habt euer Leben riskiert und hättet dabei beinahe verloren. Es war nie meine Absicht jemanden in Gefahr zu bringen.“
Seine dunklen Augen fixierten den Gangrel als er leise hinzufügte. „Wird sie wieder gesund? Vor einer Stunde noch, habe ich es geglaubt…“

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BeitragVerfasst: Mi 23. Nov 2016, 08:47 
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„Tut das, ich danke euch Meister Aleister“, fügte der Gangrel noch rasch hinzu, bevor der Magus sich auch schon daran machte das entsprechende Schreiben aufzusetzen und die Tür hinter sich schloss. Dem eintretenden Heinrich, schenkte Lucien ein aufmunterndes Lächeln. Der König hatte wahrlich genug mitgemacht und er selbst war kein Sadist. Niemand konnte von einem Jungen seines Alters verlangen, immer die ‚richtigen‘ oder ‚vorteilhaftesten‘ Entscheidungen zu treffen. Auch konnte niemand von dem Knaben erwarten, in der Gegenwart so vieler unheimlicher Gestalten, so viel Blut und Tod keine einzige Regung mehr zu zeigen. Ironischerweise war das etwas, das er ohnehin lernen würde, sobald er ein paar erfolgreiche Jahre als Kaiser von Deutschland zugebracht hatte. Intrigen, Diplomatie, Krieg und geschicktes Taktieren, waren leider unumgänglich. Heute aber war er nur ein ganz gewöhnlicher Junge, der einen Fehler gemacht hatte. Jeder macht Fehler, er selbst miteingeschlossen. Sich in seinem gepolsterten Sessel etwas zurücklehnend, nickte er auf die Worte Heinrichs hin. Es wirkte ein wenig müde und abgekämpft aber dennoch erleichtert.

„Das wird sie Majestät. Offenbar hat unser rasches Eingreifen, Francesca glücklicherweise vor einem vorzeitigen Ende bewahrt und die Heilkünste unseres Meister Aleister, sind buchstäblich außerweltlich. Sie wird sich etwas schonen müssen; keine Kämpfe und dergleichen aber in ein paar Tagen, dürfte sie schon wieder ganz die Alte sein.“ Seine Lippen formten ein schmales Lächeln, als er leicht abwehrend die Hand hob, wie um die Dankbarkeit und Entschuldigung des Jungen höflich ablehnen zu wollen. „Was geschehen ist, ist geschehen eure Majestät. Ihr müsst mir nicht danken, denn es ist sinnlos sich jetzt noch den Kopf darüber zu zerbrechen. Francesca und ich wussten bereits bei unserem Aufbruch, dass irgendetwas an der ganzen Sache nicht in Ordnung ist und es möglicherweise zu Auseinandersetzungen kommen könnte. Die Leibwächterin eures Herrn Vaters, wusste schon damals, als sie den Schwur leistete, was sie unter Umständen erwarten würde. Das ist Teil ihrer Aufgabe und in ihrem Falle wohl sogar Teil ihres Seins. Es hat sich ja doch noch alles zum Guten gewandt, allein das zählt.“ Er räusperte sich.

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„Trotzdem muss ich euch bitten, mir die ganze Geschichte ohne Auslassungen oder Zurückhaltung zu erzählen Majestät. Nicht nur zu meinem besseren Verständnis, sondern auch um abschätzen zu können, inwiefern Otto in die ganze Angelegenheit verwickelt war. Da euer Vater unter Umständen weitere, sorgfältig geplante Schritte in Erwägung ziehen muss, ist dies wohl unerlässlich. Bitte berichtet mir euer Gnaden.“ Abwartend sah er den Jungen an.

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BeitragVerfasst: Do 24. Nov 2016, 08:45 
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Der Junge biss die Lippen aufeinander und schüttelte heftig den Kopf. „Nein, das konnte keiner wissen, dass das passieren würde. Es ist meine Schuld und ihr habt keine Vorstellung wie leid es mir tut. Das mit Fürst Ottos Männern und euch muss ein schreckliches Missverständnis gewesen sein.“ Er sah ihn mit fast flehentlichem Blick an. „Ich habe das nicht gewollt. Es sollte doch keiner kämpfen… oder sterben.“

Heinrich schluckte schwer und sah dann zu Boden. „Bitte sagt meinem Vater nichts davon. Er würde das alles eh nie verstehen.“

Er musste wohl Mut sammeln um weiter zu sprechen. „Mein Vater, der Kaiser, und ich haben gestritten. Er muss einen Kreuzzug, den er mal versprochen hat, organisieren, weil ihm der Papst angedroht hat, ihn ansonsten zu exkommunizieren und er damit für immer im Fegefeuer brennen wird. Was für ihn aber fast genauso schlimm ist, mag die Tatsache sein, dass kein Untertan seines Reiches ihm diesem Fall als Herrscher mehr Folgschaft leisten darf. Er braucht die 300 ausgerüsteten Ritter, die ihm der Habsburger Fürst zur Verfügung stellen will, wenn…, nein: falls… ich seine Tochter geheiratet habe. Außerdem meint er, der Thron ist durch meinen legitimen Nachfolger zu sichern und Agnes ist zu jung dafür. Ich will keine Frau, die viel älter ist als ich. Und auch kein Kind! Ich will das alles überhaupt nicht!“ Der Zwölfjährige begann sich in Rage zu reden. „Meinem Vater ist total egal, was ich will. Er meint, ein König hat seine Pflicht zu erfüllen. Aber eigentlich will er nur, dass ich das tue, was er sagt. Immer muss ich tun, was er will. Aber ich bin doch auch König! Er bestimmt, wem ich Recht zu geben habe, zu wem ich freundlich sein muss, wo ich hinreise, wohne, wen ich heiraten soll. Und dabei ist er fast nie da, sondern sorgt in Sizilien für Recht und Ordnung und lässt mich immer mit seinen Beratern allein … Deutschland hier ist ihm doch sowas von egal.“ Er ballte wütend die Fäuste. „Ich wollt da nicht mehr mitmachen, einfach aufhören mit dem König sein. Ich hab das mal irgendwann laut gesagt und der Graf von Schönforst, mein Freund, hat das gehört und mir Hilfe angeboten. Er meinte, er hätte einen mächtigen Verbündeten, der das problemlos möglich machen könnte. Dann wäre ich nur ein einfacher, kleiner Adeliger, hätte meine Ruhe, ein kleines Schloss, ein paar Pferde und niemand würde mir mehr sagen, was ich zu tun und zu lassen habe. Und als mir Vater… der Kaiser dann verboten hat Agnes zu heiraten, bin ich mit Schönforst weggeritten. Ich wollte mich mit Agnes im Kloster treffen und ihr alles erzählen… Wisst ihr? Wir haben uns immer geschrieben und sie klang in den Briefen immer sehr nett. Dann haben wir uns getroffen, aber sie ist nichts weiter als eine blöde arrogante Ziege. Ich habe ihr gesagt, dass ich lieber sie heirate und auf den Kaiserthron und die ganzen Würden verzichten will, aber sie hat gemeint, ohne die Titel und die Macht und den Besitz wär ich nichts wert und sie würd sich nie mit mir abgeben. Immerhin ist sie die Tochter eines Königs. Lieber will sie ins Kloster gehen und Heilige werden. Dumme Kuh! Soll sie doch!“ Der Junge sah frustriert und gedemütigt aus. „Ich habe mich auf den Rückweg gemacht und wollte mit Otto reden. Das alles war eine dumme Idee. Ich will nicht allein in einem großen Schloss wie Schönforst sitzen.“ Er sah Lucien an und Trauer lag in seinem Blick. „Und dann seid ihr gekommen, und dann die Männer von Fürst Otto und dann haben die einfach Francesca angegriffen obwohl ich sie angeschrien habe, dass sie damit aufhören sollten.“ Er schluckte wieder schwer. „Francesca hatte keine Chance gegen die Acht, dann hat sie sich aber in diesen gigantischen Wolf verwandelt und ihr wart auch da und seid wie ein Dämon über die Soldaten hergefallen und habt sie gerettet… Es tut mir leid. Ich hab das wirklich nicht gewollt. Das muss ich auch Fürst Otto sagen.“

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Der Weg zum Ziel beginnt an dem Tag, an dem du die hundertprozentige Verantwortung für dein Tun übernimms.
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BeitragVerfasst: Fr 25. Nov 2016, 13:19 
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Lucien ließ sich mit einem Seufzen noch weiter in den dick gepolsterten Sessel sinken und wirkte für einen Moment lang unendlich müde und erschöpft. Die anhaltende Anspannung hinsichtlich Francescas kritischen Gesundheitszustandes, hatte tatsächlich an seiner Gemütsverfassung gezehrt. Wenn überhaupt, dann hätte er sich selbst die Schuld für ihren Tod gegeben. Immerhin hatte die Entscheidung, sie ohne ihn mit Heinrich vorausreiten zu lassen, allein in seiner toten Hand gelegen. Und das obwohl er ja bereits zuvor einen Hinterhalt schon meilenweit gegen den Wind gerochen hatte. Gelegentlich nickend, hörte er dem jungen König zu und kniff hin und wieder verwundert oder nachdenklich die Augen zusammen; unterbrach ihn aber nicht. Schlussendlich rieb er sich das bartgestoppelte Kinn. „Ich kann euch schon verstehen eure Majestät, wirklich. Es ist nicht leicht, der Sohn eines so großen Mannes zu sein, der Bündnisse und Allianzen schmiedet und ein Reich lenkt, das er überraschenderweise kaum zu Gesicht bekommt“, setzte er dann vorsichtig an. „Euer Leben und eure Titel, sind euch nun einmal vorherbestimmt und dadurch bleiben die eigenen Wünsche und Vorstellungen manches Mal einfach auf der Strecke. Es wird über euch und nicht mit euch entschieden und das wird sich bedauerlicherweise erst ändern, wenn ihr selbst Kaiser seid.“ Der Gangrel schüttelte beinahe schmerzlich den Kopf. „Und dann wird von euch erwartet werden, das Erbe eures Vaters weiterzuführen.“ Leicht lehnte er sich nach vorne und fixierte den Jungen.

„Ich kann euch verstehen Heinrich, wirklich. Aber ich kann euch da keine Hilfe sein. Mein Leben und das was jetzt noch davon übrig ist, verlief gänzlich anders. Viele Hungern oder sterben an Krankheiten; fristen ihr Dasein in bitterster Armut. Als König und Kaiser dürft ihr euch an prächtigen Tafeln stärken, bei großen Festen tanzen und habt es immer warm und behaglich. Es wird euch nie an etwas mangeln, mit Ausnahme einer gewissen Privatsphäre.“ Seufzend versuchte er sich an einem Lächeln. „Früher dachte ich, dass es fantastisch sein müsste Graf oder Baron zu sein. Ein warmer Kamin, gutes Essen und ein weiches Bett zum Schlafen. Aber mit Macht und Wohlstand kommt eben auch Verantwortung, gerade wenn man ganze Nationen lenkt oder das Spiel des Einflusses und der Kontrolle spielt. Und spielen muss man, denn selbst wenn man nicht will, werden andere diesen Kelch nicht an euch vorbeiziehen lassen. Nehmen wir doch einfach Otto als Beispiel…“ Seine Schultern hoben sich für einen Moment.

„Das was Otto wollte, ist Instabilität. Es war ihm nur recht, dass ihr Agnes heiraten wolltet und als Nachfolger eures Vaters abdankt. Was wäre dann geschehen? Entweder Heinrich hätte es irgendwie noch schaffen müssen einen weiteren Erben zu zeugen oder aber die Grafen, Barone und Herzöge seines Reiches hätten blutige Kriege um die Thronfolge veranstaltet. Sein Bündnis mit den Kreaturen der Nacht wäre null und nichtig geworden und auch hinter dem Vorhang hätten sich somit die Leichen gestapelt. Für die Adeligen und Reichen mag das alles nur die logische Abfolge der natürlichen Ordnung dieser Welt sein aber für den einfachen Mann da draußen, ist das der Untergang. Ein langsamer, elendiger und qualvoller Untergang. Es sind immer die Schwächsten, die am meisten leiden müssen.“ Lucien schmunzelte aufmunternd.

„Wahrlich, ich bin der völlig falsche euch irgendwelche Ratschläge zu erteilen, auch wenn ich euch gut verstehen kann. Aber ich glaube in eurem Fall, ist das Wohl vieler über das des Einzelnen zu stellen. Ihr tragt eine Verantwortung, ob ihr nun wollt oder nicht. Ihr könnt diesem Land weiterhin Frieden bringen oder es für euer eigenes Wohl in den sicheren Krieg schicken. Wir lösen diese Sache nicht, indem ihr abdankt oder euch schnell in die Dame eurer Wahl verliebt. Sicher ist euer Los anstrengend und einschränkend; vielleicht hasst ihr es oder wünscht euch mehr Entscheidungsgewalt. Diese Zeit wird kommen Heinrich, das verspreche ich euch. Aber ist müsst auch immer bedenken, dass ihr es bei weitem schlechter erwischt haben könntet eure Majestät. Bei weitem schlechter, soviel kann euch mit gutem Gewissen sagen. Ihr seid König und werdet eines Tages Kaiser, jetzt müsst ihr euch nur noch entscheiden, welche Art von Herrschaft ihr anstrebt euer Gnaden.“ Langsam erhob der Hauptmann sich aus seinem Sessel.

„Und dem Herrn Schönforst, genauso wie Otto erzählen wir überhaupt nichts und eine Entschuldigung ist ebenso unangebracht. Ersterer steht nämlich garantiert in Blut und Sold von unserem intriganten Ränkeschmied, der euch lediglich benutzen wollte um die eigene Opposition zu schwächen. Empfindlich sogar. Vergesst ihn euer Gnaden, er ist ob ihr es glaubt oder nicht ein Feind eures Reiches, egal wie formvollendet er euch anlächeln mag. Und was euren Herrn Vater angeht…“ Erneut schmunzelte er.

„… so werde ich ihn sicher über die Gefahr die von Otto ausgeht informieren müssen. Aber was die ganze andere Odyssee hier angeht, müssen wir ja nicht überdramatisieren. Es ist niemand gestorben, ihr habt das schlimmste noch eigenständig und aus eigenem Antrieb verhindert und kehrt wohlbehalten nach Hause zurück.“ Lucien zwinkerte ihm aufmunternd zu.

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BeitragVerfasst: Mi 30. Nov 2016, 12:38 
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Heinrich seufzte und ließ die Schultern hängen. Luciens Aufforderung sich in sein Schicksal zu fügen, schien es für ihn nicht einfacher zu machen. Schließlich hob er erneut den Blick und sah zu Francesca, um die sich bereits wieder Meister Aleister bemühte, dann zu Lucien. „Könnt ihr mir berichten? Von dem, was ich im Wald gesehen habe. Von der Wolfsgestalt, euren Augen und Klauen?“ Er beugte sich in seinem Sessel weiter nach vorn, stützte die Ellbogen auf die Knie und legte die Finger gespannt ineinander.
Und Lucien begann zu erzählen.

Die Zeit verstrich. Der Hauptmann berichtete und Heinrich hörte gebannt zu. Ab und an unterbrach er ihn mit einem ungläubigen Kopfschütteln, einem zustimmenden Nicken oder einer Frage, die ihm auf der Zunge brannte. Plötzlich hielt er inne und starrte nach vorne. Lucien bemerkte Kerzenlicht und sah schließlich eine einfach gekleidete Gestalt im Türrahmen stehen, die eine Laterne in der Hand hielt und beide beobachtete.

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Heinrich erstarrte und schluckte. Ganz offensichtlich war der Mann allein gekommen. Eine Eskorte war nirgendwo zu erblicken. Der Junge sah erneut zu Boden, dann wieder zu dem Neuankömmling, auf dessen Gesicht ein zögerliches Lächeln erschien. Lucien erkannte die Stimme des Kaisers. „Ich bin so froh, dass es dir gut geht, Heinrich.“
Die Worte schienen dem Knaben einen Stein vom Herzen zu nehmen, er sprang auf und warf sich seinem Vater erleichtert in die Arme. „Es tut mir leid… wirklich… ich…“
Friedrich fuhr ihm über den braunen Schopf. „Ist schon gut. Hauptsache, du bist wieder da. Wir reden ein ander Mal über alles. Einverstanden?“ Einige Zeit standen beide einfach nur da, dann murmelte der Kaiser. „Vielleicht solltest du mal nach Francesca sehen?“ Er zog einen Beutel hervor, den er seinem Sohn in die Hand drückte. „Gib das Aleister. Das ist Eisenkraut. Er wird wissen, was zu tun ist.“
Heinrich nickte eifrig, sah noch ein Mal dankbar zu Friedrich und zu Lucien und schritt dann mit sichtbarer Leichtigkeit zurück zum Krankenlager.
Friedrich ließ sich erschöpft in den Sessel fallen in dem Heinrich zuvor gesessen hatte. „Ich bin froh, dass er unbeschadet wieder zu Hause ist. Er bedeutet mit unsagbar viel. Er ist ein guter Junge. Für Francesca und euch war es ein harter Kampf nach allem, was ich von Meister Aleisters Schüler gehört habe. Ich stehe tief in eurer Schuld.“ Er fixierte Lucien und nickte zu seinen eigenen Worten. „Oh ja. Habt Dank.“
Der Gangrel winkte leicht ab und schüttelte gleichzeitig den Kopf. „Zuviel der freundlichen Worte, euer Majestät. Heinrich ist wieder wohlbehalten bei euch angekommen und allein das zählt. Sowohl Francesca als auch ich wussten, auf was wir uns einließen, obgleich die Konfrontation härter ausfiel als ursprünglich angenommen.“ Seine grauen Augen glitten nachdenklich zu Boden, bevor sie sich wieder auf den deutschen Kaiser richteten. „Ein neuer, alter Feind ist zurückgekehrt. Möglicherweise hat euch Helmut auch bereits darüber berichtet. Otto trachtet danach euch, eurem Bündnis und darüber nicht zuletzt auch seinem Erzfeind Hardestadt möglichst empfindlich zu schaden. Noch hatten wir Glück im Unglück, da wir jetzt wissen, mit wem wir es zu tun haben. Ihr solltet die entsprechenden Schritte in Erwägung ziehen und besondere Vorsicht walten lassen.“ Mit den Fingern fuhr er sich über die Bartstoppeln. „Und… in eigener Sache euer Majestät: Ich weiß nicht viel von Politik und es steht mir auch nicht zu euch Ratschläge zu geben, aber vielleicht solltet ihr, selbst wenn Heinrich einmal in eure Fußstapfen treten wird, gelegentlich die Zügel etwas lockerer lassen. Je älter er wird, desto weniger Zeit wird er ohnehin haben für sich selbst und nicht permanent für das Reich zu leben und zu entscheiden. Ein klein wenig mehr Luft schadet eurem Bestreben als Vater und Kaiser nicht, aber für Heinrich bedeutet es sehr viel.“
Friedrich seufzte, lachte dann freudlos auf. „Ja, Heinrich hat es nicht leicht. Sowohl an ihm als auch an mir ziehen so viele verschiedene Parteien, dass es mehr als schwer ist dabei in einem Stück zu bleiben. Der Papst, Sizilien, Deutschland, dieser vermaledeite Kreuzzug, den ich leisten muss, Barone, zig Adelige, die mich nach dem Tod meiner Frau Konstanze wieder verheiratet sehen wollen, Kainiten, Magi, Wolflinge und nicht zu vergessen die umliegenden Länder und Königreiche. Heinrich war mein Pfand an das Deutsche Reich und die Kirche. Seine Anwesenheit hier und seine bereits erlangte Königswürde halten Sizilien und Deutschland zusammen. Wäre das nicht gegeben, würde das Reich auseinanderbrechen.
Heinrich ist ein guter Junge, er hat ein gutes Herz, aber er ist zu jung für dieses Spiel um Macht, Intrigen, Verbündete. Er vertraut, tut das, was er für richtig hält, stellt die Fragen, die ihm richtig erscheinen. Viel für einen Jungen von 12 Jahren. Zu viel. Ich bange schon jetzt um ihn, wenn ich daran denke, dass ich nach Jerusalem ziehen muss und ihn hier zurück lassen muss. Die meisten deutschen Fürsten sind in meinen Augen nicht vertrauenswürdig, wieder anderen Lehnsmännern zu Treue verpflichtet oder in einem Bluteid gebunden, und ich wüsste nicht, wem ich Heinrich anvertrauen sollte. Manchmal denke ich, ich sollte seinem Wunsch nachkommen, ihn ein paar Jahre unerkannt als Knappe an den Hof eines niederen Adeligen schicken bis er alt genug für die Verantwortung ist.“
Lucien nickte kurz und lächelte schwach. „Nun, euer Majestät, es ist ganz offensichtlich, dass ihr eine beachtliche Menge an Neidern, Feinden und intriganten Speichelleckern um euch habt, die ihr umsichtig gegeneinander ausspielen und dabei möglichst ruhig halten müsst. Das sieht sogar jemand, der nur ein einziges Mal die Ehre hatte an einer eurer Versammlungen teilzunehmen. Dazu kommt auch noch die Welt hinter dem Vorhang. Ich gebe freimütig zu, euch nicht besonders zu beneiden, euer Gnaden.“ Ein leichtes Schmunzeln umspielte seine Lippen. „… aber ich habe den allergrößten Respekt vor euch.“ Dann wurde der Gangrel für einen Moment schweigsam und grüblerisch und bevor er überhaupt wirklich vollends überlegt hatte, was er da sagte, kamen die Worte auch schon aus seinem Mund. „Würdet ihr Heinrich in meine Obhut geben? Ich habe… sagen wir einfach sterbliche ‚Verwandtschaft‘ in Flandern. Einen verheirateten Mann von großem Anstand und Tugendhaftigkeit; mein Neffe. Er ist Hauptmann der Tagwache in Brügge und ist jemand, dem ich ohne zu Zögern meine Existenz anvertrauen würde.“
Friedrich vergrub das Kinn in beiden Händen und stützte es nachdenklich darauf ab. „In Flandern wäre Heinrich wahrscheinlich sicherer als hier. Das Herzogtum ist erstaunlicherweise auch nach all dieser Zeit unabhängig und geht seinen eigenen geschickten Weg. Und dabei seid ihr Flamen erstaunlich erfolgreich: verhältnismäßig wenig Armut, blühende Städte, meist volle Kornkammern, viele ehrenhafte Adelsleute und tüchtige Kaufleute. Man hört fast nur gutes von Flandern und seinen Bewohnern.“ Nachdenklich ließ er die Zeit verstreichen. „Euer Angebot ehrt euch und wahrscheinlich wäre er bei euch sicherer als bei einem dieser Vasallen hier… vor allem, wenn die teuersten und treusten an meiner Seite in einen unnötigen Kreuzzug ziehen. Aber Heinrich muss in die Obhut eines Adeligen gegeben werden. Er muss den Schwertkampf lernen, Tjosten, Lesen, Schreiben, Sprachen, höfische Sitten und Gebräuche…“
Lucien grinste in sich hinein und nickte erneut. Ob das alles eine gute Idee war? Wirklich nachgedacht hatte er darüber nicht, aber es schien fast, als würden sich die einzelnen Teile des Bildes langsam von selbst ineinander fügen. Irgendetwas sagte ihm, dass es die richtige Entscheidung war. "Ich glaube da fiele mir gerade der richtige Adelige ein. Balduin von Flandern, Fürst von Seebrügge. Interessanterweise nennt man ihn einen Bastard, obwohl er es nicht ist. Wir hatten leider nie mehr die Möglichkeit, seine wahrhaftige und anstandslose Abstammung zu beweisen - eine lange Geschichte. Balduin selbst hat gelernt damit zu leben und stört sich nicht mehr groß daran. Ein guter Schwertkämpfer und Taktiker, Herr über große Ländereien und mit guten Beziehungen in die umliegenden Baronien und Herzogtümer; ja selbst zum König. An Lehrern, Ausbildern und guten, ehrlichen Ratgebern wird es ihm dort nicht mangeln." Der Gangrel lachte kurz auf und seufzte, sich über sich selbst wundernd. Unglaublich, aber er trug dem deutschen Kaiser gerade Balduin von Flandern, als Lehrmeister für seinen Sohn, den zukünftigen Herrscher Deutschlands an. "Er ist ein guter Freund vom Brügger Rat und insbesondere von mir. Wäre das ein gangbarer Weg, Hoheit?"
Friedrich sah erstaunt aus und grübelte noch immer. „Eine interessante Idee… Balduin von Zeebrügge, sagt ihr? Irgendwann müsst ihr mir die Geschichte eines Bastards, der eigentlich keiner ist, erzählen. Ich habe damals, als ich noch ein Kind war, einige seltsame Geschichten und Gerüchte gehört. Der damalige flandrische Thronfolger ist nur einige Jahre älter als ich selbst. Ich werde über alles nachdenken und die nötigen Erkundigungen einziehen. Das ist eine Entscheidung, die gut durchdacht werden muss… Und Heinrich muss einverstanden sein.“
Er erhob sich halb. „Ich denke, es wäre ein Gutes eine Sitzung mit Hardestadt einzuberaumen. Otto, sein alter Gefolgsmann, war immer schon sein Problem und gleichzeitig durch seinen Einfluss auch das meiner Familie. Welfen und Staufer- ein ewiger Konflikt“ Er seufzte.
„Gewiss, euer Gnaden“, meinte Lucien sich dabei leicht angedeutet verbeugend. Als der deutsche Kaiser sich erhob, tat er es ihm ebenfalls gleich. „Es handelt sich lediglich um ein Angebot, und ihr müsst dieses selbstredend sorgfältig abwägen, das kann ich vollkommen verstehen. Vielleicht würde es euer Majestät auch zusagen, Francesca mit dem Jungen mitzuschicken, aber das sind alles Details, die jetzt noch nicht von Belang sind.“ Der Gangrel hob die Schultern und seufzte. Friedrich käme wohl nicht umhin, sich auch im großen Rat in Hardestadts Anwesenheit diesem brandaktuellen Thema zu widmen. „Wenn es euch beliebt, dann begleitet ich euch einstweilen, Majestät. Francesca ist soweit ja in guten Händen.“

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„Es wäre mir eine Ehre, wenn ihr mich begleiten würdet. Ich habe den jungen Magus, ich glaube Helmut ist sein Name, zu einem Untergebenen von Hardestadt geschickt, damit er Bericht abliefert. Aber soweit ich weiß, steckt der schwarze Monarch in wichtigen Verhandlungen mit einem Kainiten aus Russland. Ich hoffe, er kann seine Zwistigkeiten mit den Kainiten im Osten beilegen. Weitere Kriege wären unserem Reich mit der Aussicht auf den Kreuzzug derzeit nicht zuträglich.“ Er murmelte mehr zu sich selbst. „Ungefähr zur zweiten Stunde nach Mitternacht sollten er und seine Treuen für eine Unterredung bereit sein. Das ist ein kainitisches Problem.“
Er erhob sich endgültig und schmunzelte schließlich. „Tut mir einen Gefallen. Lasst die vielen Titel weg! Wir sind hier nicht am Hofe und zu viel Beachtung schätze ich nur dann wenn es wirklich erforderlich ist. Hier, außerhalb solcher Mauern, wirklich nicht.“ Er lachte. „Meine Eltern hielten den Namen Friedrich für passend. Nach meinem Großvater, dem Rotbart.“
Der Hauptmann lachte und dann tat er etwas, das er zwar für gewagt hielt, aber auf die abschließende Worte Friedrichs doch für vertretbar hielt. Nickend klopfte er dem deutschen Kaiser auf die Schulter und lächelte beinahe erleichtert. „Ihr wisst nicht, Friedrich, wie es mich erleichtert das aus dem Munde des deutschen Kaisers zu hören.“ Grinsend fügte er hinzu. „Das und die Tatsache, dass es euch eine Ehre ist mich um euch zu haben. Vermutlich seid ihr der erste, der es als etwas Derartiges bezeichnen würde. Bedauerlicherweise weiß ich keine spannende oder witzige Geschichte zu meinem Namen zu erzählen, da ich lediglich ein ungewolltes Kind aus der Gosse war, aber es würde mich dennoch freuen, wenn ihr mich ebenfalls einfach Lucien nennen würdet. Alles andere, würde mich beschämen.“ Er griff nach den dicken Lederhandschuhen, streifte diese über und raffte das Wams. „Ja die Uhrzeiten sind etwas, an das man sich erst gewöhnen muss, vor allem als Sterblicher. Meine lebende Verwandtschaft, kann ein Lied davon singen. Leider wird das wohl eines der sehr bedauerlichen Probleme unserer Existenz bleiben, fürchte ich.“
Beim Durchschreiten der Stube, nickte er Aleister noch einmal anerkennend zu. „Ihr habt großes geleistet, Meister.“ Sein Blick fiel auf die mittlerweile wieder einigermaßen stabil wirkende Francesca. „Kümmert euch einstweilen noch gut um sie, wir stehen beide in eurer Schuld.“ Dann wandte er sich der Eingangstür zu und wartete dort auf den Kaiser und seinen Sohn, die er zurück in die sicheren vier Wände des hoheitlichen Anwesens geleiten würde.
Der Alte grummelte etwas in seinen zerzausten Bart, das Lucien nicht verstehen konnte und machte eine wegwerfende Handbewegung. „Ach, nicht der Rede wert.“ Komplimente schienen ihm nicht so recht zuzusagen und er wechselte rasch das Thema. „Wird Zeit, dass Helmut wieder nach Hause kommt. Dass der Junge auch immer so trödeln muss. Ich frage mich wirklich, wo der manchmal seinen Kopf vergessen hat.“
Auch Friedrich war an das Bett von Francesca getreten. „Danke, Meister Aleister.“ Er legte der Kranken kurz die Hand auf die Schulter, dann streifte sein Blick die beiden Erwachsenen und blieb schließlich bei seinem Sohn hängen.

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„Danke, euch dreien. Ohne euch hätte sie wohl keine Chance gehabt.“ Der Junge, der noch immer ein wenig elend aussah als erwarte er eine baldige Strafe, wagte ein zögerliches Lächeln.
Friedrich deutete zur Tür. „Warte dort kurz mit Lucien auf mich. Ich muss etwas mit Meister Aleister besprechen.“ Heinrich sprang von dem mit weißem Bettzeug bezogenen Lager auf und ging mit Lucien zum Eingang, wo er tatsächlich ausharrte bis das kurze Gespräch zwischen Magus und Kaiser beendet war. Lucien konnte zwar nichts verstehen, aber Aleister schien dem Kaiser mehrmals zu widersprechen, äußerte Einwände, schien zu überlegen und nickte schließlich.
Dann trat auch Friedrich näher und zog die Kapuze seines dunklen Mantels tief in die Stirn. „Auf nach Hause.“

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BeitragVerfasst: Fr 9. Dez 2016, 17:34 
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Der Weg zurück zur Kaiserpfalz verlief ohne große Komplikationen. Niemand schenkte ihnen weitere Beachtung und erst am Haupttor der Festung wurde Friedrich erneut vom diensthabenden Wachmann, der offensichtlich eingeweiht war, mit den entsprechenden Titeln angeredet.
Als Friedrich, nach wie vor in den dichten Mantel gehüllt, durch die Gänge stapfte, kam ihnen schließlich ein älterer Mann in der Rüstung eines Ritterordens entgegen, der nur mit dem Kopf schüttelte. Seine Stimme war durch einen etwas ungewohnten Akzent gekennzeichnet. Irgendein deutscher Dialekt.

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„Friedrich? Ihr hättet den Jungen doch abholen lassen können… Ich selbst hätte innerhalb von wenigen Minuten eine Eskorte zusammengestellt.“
Friedrich klopfte ihm freundschaftlich auf die Schulter. „Ich weiß, Hermann. Und genau deshalb bin ich gegangen.“ Dann schob er den Jungen nach vorne. „Geh schon mal mit Meister von Salza mit. Wir reden später miteinander. Ich habe noch etwas Wichtiges zu erledigen…“
Der Ritter begrüßte den Jungen mit einem Nicken und einem aufmunternden Lächeln. „Es ist gut, dass ihr wieder hier seid, Heinrich.“ Dann deutete er in die Richtung aus der er gekommen war und ließ den Knaben vorneweg gehen.
Irgendwie war ja trotz aller Komplikationen noch einmal alles gut verlaufen. Zwar eine schwerverwundete, dafür aber keine Toten, die es zu beklagen gab; zumindest nicht auf ihrer Seite. Die Opposition hatte es wie so häufig in einer solchen Auseinandersetzung nicht anders verdient und hätte wohl umgekehrt auch keine moralischen Gewissensbisse davongetragen, wenn man anstatt mit einem Haufen verbündeter Soldaten, mit Francesca und ihm den Boden aufgewischt hätte. Vor allem nicht, wenn sie im Dienste von Otto standen. Hermann von Salza wurde einen kurzen Augenblick lang näher betrachtet denn nicht nur die äußere Erscheinung und Dienstbeflissenheit, gepaart mit einer offensichtlichen Sorge um das Wohlergehen des Kaisers als auch seines Sohnes, ließen eine unerschütterliche Loyalität in dem Mann erkennbar werden. Mit einem weiteren Nicken, verabschiedete sich Lucien von Heinrich. „Wir sehen uns sicher noch“, fügte er aufmunternd hinzu. In Sicherheit und doch wieder in der ‚Gefangenschaft‘ eines adeligen Thronfolgers. Der Junge würde sich irgendwie damit arrangieren müssen, da würde ihm niemand helfen können. Als von Salza sich zusammen mit Heinrich wieder auf den Weg machte, setzte auch der Gangrel sich wieder in Bewegung um mit dem Kaiser Schritt zu halten. „Einer eurer Vertrauten nehme ich an?“. Offensichtlich hatte er sich bemüht seine Neugier zurückzuhalten, aber er konnte nicht umhin, ein wenig mehr über den Hofstaat von Friedrich in Erfahrung zu bringen, jetzt da er wusste, wieviel Übernatürliches sich an diesem Ort zu versammeln pflegte.
Friedrich zog eine Augenbraue in die Höhe als überraschte ihn die Frage. Dann jedoch lachte er. „Einer der Besten. Hermann von Salza. Der Großmeister der Deutschritter… und mein steter Vermittler bei meinem stärksten Kritiker, dem Papst. Ohne diesen Mann, der dem Vater auf dem Heiligen Stuhl ein ums andere Mal erfolgreich vermittelt, wie wertvoll ich doch eventuell irgendwann mal für die Kirche sein mag, hätte ich wohl schon dutzende Male im Fegefeuer gebrannt.“ Sein Schmunzeln wurde noch breiter. „Es ist nicht so als wäre ich kein gläubiger Christ, aber ich bin von Gott zum Kaiser berufen worden. Und in dieser Position habe ich Entscheidungen für mein Volk und auch zum Wohle Gottes zu fällen. Und ich weigere mich zusätzlich alle paar Jahre vor einem neuen Papst zu kriechen, der alle Welt zeigen möchte, wer höher steht und über mehr Macht verfügt. Sobald einer von ihnen dahinscheidet, wird ein neuer gewählt, der zeigen muss, wie groß und mächtig er ist.“ Friedrich seufzte. Auch wenn er schmunzelte, schien die Sache ein ordentliches Problem für ihn dazustellen.
Der Hauptmann nickte. „Ja mir ist nicht entgangen, dass es zwischen euch und der Kirche nicht gerade zum Besten steht. Es wird euch zwar nicht viel nutzen, aber vielleicht tröstet es euch zu wissen, dass nur die Könige und Würdenträger gerne ins Fadenkreuz des Heiligen Stuhls geraten, die eine potentielle Gefahr darstellen. Und um zu einer Gefahr für die Macht Roms zu werden, muss man schon wirklich gut sein.“ Ein Schmunzeln überzog das schroffe Gesicht des Gangrels, als er Friedrich auf die Schulter klopfte. Gewiss war alles nicht so einfach, wie er es jetzt darstellte und in der Realität konnte man den Papst nicht einfach mit einem Handwink abtun, aber es hatte schon etwas Beruhigendes zu wissen, was für herausragende Qualitäten einem doch unterstellt wurden. „Hermann wirkt wie ein aufrechter Christ mit beiden Beinen am Boden. Ich habe nicht viele Ritter getroffen, die das noch von sich behaupten können. Die meisten sind arrogante Bastarde und selbstverliebte Schnöse,l die sich viel zu viel auf sich selbst einbilden. In Zeiten wie diesen, könnt ihr wirklich jede Hilfe brauchen, Majestät. Der Großmeister der Deutschritter ist sicher ein wertvoller Verbündeter.“ Lucien räusperte sich. „Wo wir gerade bei Verbündeten sind: Gedenkt ihr Hardestadt und Konsorten über Otto zu informieren? Heute Nacht noch?“
Friedrich lachte zustimmend bei Luciens Worten. Auf seine Frage bezüglich Hardestadt nickte er. „Das habe ich bereits. Wir sind auf dem Weg dorthin. Sofern ihr damit einverstanden seid, würde ich euch bitten, dem Schwarzen Monarchen seine Fragen zu beantworten. Otto, da will ich ehrlich sein, ist das Problem von Hardestadt.“ Er schwieg einige Minuten nachdenklich. „Hardestadt hat vor einigen Jahren ein Gesetz erlassen, das allen Kainiten in seinen Landen die absolute ‚Stille des Blutes‘ befielt. Eine nicht ganz unkritisierte Gesetzgebung. Einige seiner Gefolgsleute haben sich seitdem gegen ihn gewandt und agieren offen oder im Verborgenen gegen ihn. Das inoffizielle Oberhaupt der Welfen, Otto, ist einer der Führenden.“
Nachdenklich nickte der Gangrel neben ihm und zuckte kurz mit einer Augenbraue. „Otto wird zwar auch ein Problem für euch bleiben, euer Gnaden, aber es liegt natürlich in erster Linie tatsächlich an Hardestadt, sich dieses Problems anzunehmen; völlig richtig. Mit Verlaub, glaube ich das wirklich nur einer der Unseren vom Format eines Hardestadt mit dieser Schlange fertig wird. Böse Zungen würden ja sagen nur eine Schlange, kann die Winkelzüge einer Schlange verstehen aber ich werde mich hüten das zu behaupten.“ Er schmunzelte und seufzte nur kurze Zeit später. „Hardestadt also? Nun gut. Was er für sein Reich für richtig erachtet oder nicht und welche Opposition sich ihm entgegenstellt, bleibt sein Problem, aber wenn ich dazu beitragen kann für mehr Sicherheit für euch und Heinrich zu sorgen, dann will ich dem schwarzen Monarchen gerne alle Fragen beantworten.“ Irgendwie fühlte sich seine Zunge belegt an, aber das konnte natürlich nur reine Einbildung sein. Der Brügger Hauptmann hatte schon seinen Auftritt vor der versammelten Horde an Übernatürlichen nicht gerade genossen und müsste sich jetzt einem Vier-Augen-Gespräch mit einem der Mächtigsten und Einflussreichsten seiner Art stellen. Wenigstens tat er es nicht für die Lehen des Ventrue, sondern einzig und allein für Friedrich. „Ich hoffe er beschränkt sich auf die wirklich wichtigen Fragen; jene die auch tatsächlich mit der Angelegenheit zu tun haben. Ihr wisst ja das unsere Art beizeiten… sagen wir ‚die Gunst der Stunde‘ zu nutzen weiß.“
Friedrich sog tief die Luft ein. „Oh, das hoffe ich auch, Lucien. Das hoffe ich auch.“
Lucien bemerkte langsam, dass je weiter sie ins Innere der Festung drangen, desto weniger Wachen patrouillierten dienstbeflissen. An und an eilte ein Dienstbote mit gesenktem Kopf durch die Gänge ohne sie weiter zu beachten. Und je weiter sie in das Innere der Festung eindrangen und je weniger das für gewöhnlich so großzügig unterhaltene und eifrig umsorgende Dienstpersonal wurde, desto stärker drängten sich die beginnenden Zweifel in Luciens Gedankenwelt. Das hier war eindeutig der den Kainiten vorbehaltene Flügel der Kaiserpfalz der, ohne das er es hätte erfragen müssen, allein schon an der kühlen und schneidend gefährlichen Ausstrahlung des Ortes selbst, klarmachte wer hier residierte.
Der Kaiser sah zu Lucien. „ich beabsichtige morgen ein kleines Fest zu geben. Nichts Besonderes… Einfach nur ein Willkommen für Heinrich, das offiziell als Feier zum Namenstag veranstaltet werden wird. Ein paar Spiele, Wettkämpfe, ein wenig Musik. Es wäre mir eine Ehre, wenn ihr ebenfalls teilnehmen würdet.“
„Ein Fest…“, meinte er halb fragend, halb feststellend und eigentlich war ihm gar nicht so sehr danach. Schlussendlich nickte er aber. „Es wäre mir eine Freude. Ich denke ein wenig Ablenkung könnte nicht schaden nach all dem Aufruhr.“ Doch allein seiner Stimmlage war zu entnehmen, dass der eigentliche ‚Aufruhr‘ ihm wohl noch bevorstünde. Bevor dieses unliebsame Gespräch mit dem schwarzen Monarchen nicht halbwegs erträglich über die Bühne gegangen wäre, war an Feiern, Festlichkeiten und ausgelassene Heiterkeit nicht einmal im Traum zu denken.
Friedrich hielt schließlich vor einer breiten Pforte. „Nun denn. Auf in die Schlangengrube.“ Er grinste breit. „Nehmt’s mir nicht übel. Ihr selbst werdet euch dort drin sicher sehr wohl fühlen.“ Er räusperte sich laut, ließ dann seine Hand gegen das Holz fahren um anzuklopfen und öffnete die Tür.
Mit gestrafften Schultern trat er ein.

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Lucien erkannte einen Tisch um den mehrere Leute gruppiert waren. Da waren Jürgen von Magdeburg und eine blonde Frau, neben der sich Carminus postiert hatte.

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Am Kopf des Tisches thronte Hardestadt.

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Lucien versuchte sich an einem sachten Lächeln, als er neben Friedrich. „Ich bin zuweilen eher ein Wolf als eine Schlange…“, holte er noch einmal schmunzelnd aus; verstummte dann aber als er die ihm doch zumindest ansatzweise bekannten Gesichter an dem dunklen Tisch sitzen sah. Auch er straffte die Schultern und seine Miene verfinsterte sich etwas
Friedrich blieb mit hoch erhobenem Haupt stehen während sich die Personen erhoben und mit Ausnahme von Hardestadt verbeugten. Friedrich sah den schwarzen Monarchen eindringend und unnachgiebig an bis auch dieser sich zu einem kurzen Nicken herabließ. Dann richtete der Kaiser das Wort an die Gesellschaft. Er begrüßte die Kainiten, denn um solche musste es sich durchweg handeln, und deutete dann auf den Hauptmann. „Lucien Sabatier war so freundlich aufzubrechen und Probleme zu beseitigen, die wir ohne Otto, den Welfen, nicht hätten. Er ist gewillt, euch zu berichten.“
Lucien besah sich die Kainiten: Carminus, den er einmal fast getötet und der die Stadt schon vor einiger Zeit verlassen hatte, Jürgen von Magdeburg, wohl immer dienstbeflissen seinem Herrn zu Diensten zu sein und schlussendlich seine Gnaden selbst; Hardestadt. Allein die blonde Frau wusste der Gangrel nicht zuzuordnen; keines der ihm bekannten Gesichter schien zu passen. Womöglich noch jemand, der dem Monarchen eifrig Honig um den Bart schmieren wollte. Als Friedrich ihn ankündigte, vollführte der Hauptmann eine tiefe, wenn auch recht knappe Verbeugung und vermied es irgendeinem der Anwesenden allzu lange direkt in die Augen zu sehen. Nicht weil tatsächlich Angst vor dem versammelten Aufgebot hatte; es gab keinen Grund ihn demnächst auf einem Pfahl der Sonne zu überantworten aber bei den Blaublütlern wusste man nie, ob der nächste spontane Einfall, überhaupt der eigene war.
Friedrich verlor noch einige abschließende Worte, machte dann ohne langes Abwarten auf dem Absatz kehrt und verabschiedete sich.
Lucien war mit den Kainiten allein.
Während Friedrichs Schritte in der Ferne verklangen und die Tür wieder ins Schloss fiel, räusperte sich Lucien einen Augenblick lang. „Meine Damen und Herren…“, er ließ seine Worte etwas nachwirken; setzte dann fort. „Wie Friedrich ihnen allen sicher in den Grundzügen mitgeteilt hat, ist ein alter Feind der Domäne Deutschland zurückgekehrt – Otto. Er hat sich im Anwesen der Familie Schönforst einquartiert und behauptet damit nicht gegen den ihm auferlegten Bann zu verstoßen. Bedauerlicherweise gibt es noch nichts, das wir ihm direkt anlasten könnten, es sei denn die Soldaten, die mich und die Leibwächterin seiner Gnaden des Kaisers auf dem Rückweg nach Aachen angegriffen haben, können eindeutig ihm zugeordnet werden. Fest steht jedoch, dass er Mittel und Wege sucht der Domäne und all ihren Bewohnern, sterbliche wie unsterbliche zu schaden wo er nur kann. Sein besonderes Augenmerk, mag vorrangig wohl auf euch gerichtet sein, euer Gnaden.“ Er nickte kurz respektvoll in Richtung Hardestadt.
Der schwarze Monarch musterte Lucien abschätzig. Die armselige, schmutzverkrustete Kleidung war wohl nichts, was er von seiner Umgebung normalerweise duldete. Die Rede, die Lucien in Latein vortrug, schien ebenfalls nicht nach seinem Geschmack zu sein, was vielleicht daran lag, dass sein Latein selbst nicht das Beste sein mochte und er es gewohnt war, dass man sich ihm anpasste. Missmutig verzog er die Augenbrauen und schien den Gangrel schon aus dem Zimmer verweisen zu wollen, als Carminuns das Wort ergriff. Er sprach ebenfalls Latein. „Mein Herr, dieser Mann hier, ist Lucien Sabatier, Ratsmitglied der Stadt Brügge, in der ich selbst jahrzehntelang die Rolle des Sherifs einnahm. Mein Kind, Jan van Hauten, übt diesen Posten nun aus und berichtet stets nur Positives von seinen Verbündeten. Ich denke, auf diesen Mann ist Verlass…“ Er schwieg wohl eine halbe, scheinbar ewige Minute bevor er fortfuhr. „… auch wenn seine Vorgehensweisen mitunter recht rabiat und mitunter voreilig sein mögen“

Bild

Lucien lächelte ein schiefes, altbekanntes Lächeln in dem jedoch keine Feindseligkeit, sondern eher respektvolle Würdigung lag. Carminus und er hatten sicher ihre Differenzen gehabt, die sogar in einem, man mochte fast sagen ‚feigen Mordanschlag‘ gemündet hatten; erfolglos gewiss. Und dennoch hatte man auf diese Art den jeweils anderen besser kennengelernt, etwas über dessen Absichten, Wünsche und Meinungen erfahren. Am Ende war man zumindest auf neutraler Basis seiner Wege gegangen, und Jan van Hauten hatte die Amtstätigkeiten des Ventrue in der Stadt übernommen. Der Gangrel war nicht nachtragend und hatte so böswillig und brachial die Szenerie damals anmuten mochte, nichts gegen den Ventru per se gehabt. Kaum merklich nickte er in die Richtung des ehemaligen Sherriffs von Brügge, als Zeichen des Respektes und wohl auch aus einer gewissen Dankbarkeit heraus. Seine Kleidung und seine Wortwahl mochten dem Monarchen missfallen aber seine Taten waren eine ganz andere Angelegenheit. „Wenn euer Gnaden erlauben, würde ich gerne einen detaillierten Bericht geben, sodass ihr euch selbst ein Bild über die Lage machen könnt.“

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Der Weg zum Ziel beginnt an dem Tag, an dem du die hundertprozentige Verantwortung für dein Tun übernimms.
Dante Alighieri


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