Mo 26. Dez 2016, 17:17
Der Gangrel grinste wissend über das ganze Gesicht, während er sich ebenfalls größte Mühe gab sich nicht von der wild diskutierenden Führungsriege abzuwenden. Man wollte dem Schwarzen Monarchen und dessen Vasallen ja auch keinen Grund geben, sich misstrauisch über den flandrischen Besuch oder dessen Umgang mit Carminus zu äußern. „Wir vergessen dabei nur…“, führte Lucien sich leicht in Richtung des Ventrue lehnend aus, „… dass dieser edle Raubritter vielleicht gar nicht so große Lust hat sich zur Zielscheibe für jemanden zu machen, der ihn ohne zu Zögern für seine eigenen Interessen opfern würde. Ich mache ja gerne mal den einen oder anderen Liebesdienst für verzweifelte Kaiser und Könige, nicht zuletzt weil es auch mir gewiss irgendeine Art von Nutzen bringt. Aber was wollte mir ein Hardestadt anbieten?“
Carminus schien ein lachendes Prusten zu unterdrücken. Seine Stimme, die nach wie vor Flandrisch sprach, war für niemanden außer Lucien zu vernehmen. „Was euch der schwarze Monarch anzubieten hätte? Nun… er ist einer der mächtigsten Fürsten von ganz Europa. Offiziell wird er euch Geld anbieten und soweit mir bekannt sind die Schatztruhen Ottos gut gefüllt. Gedenkt ihr nicht die alte Festung Blenheim wieder in altem Glanz aufzubauen? Auf der anderen Seite stehen selbstverständlich Gefallen über die man offiziell nicht zu reden gedenkt, die aber doch dann und wann in naher oder ferner Zukunft durchaus ein Blatt zu wenden vermögen. Allerdings ist das alles genauso geheim wie ein gelegentlicher Jagdausflug zur Plünderung der welfischen Schatzkammer. Außerdem schätze ich Flandern, das hartnäckig an seiner Unabhängigkeit festhält nach wie vor. Hardestadt gedenkt diesbezüglich nichts zu unternehmen um an diesem Zustand etwas zu unternehmen, wofür ich den Schwarzen Monarchen sehr achte. Ob ein Otto als Herrscher über die Lehen des schwarzen Kreuzes ebenso vorzugehen gedenkt mag ich nicht sagen…“ Er sah zu seiner Erzeugerin, die mit offenen Händen den beiden Männern eine Situation zu erläutern suchte. „Aber Sabatier. Ich respektiere eure Entscheidung, wenn ihr beabsichtigt euch nicht die Hände schmutzig zu machen. Das ist nicht Flandern und das ist nicht euer Konflikt. Hardestadt, da bin ich mir sicher, wird dieses Problem über kurz oder lang lösen können.“
Der Hauptmann seufzte und zuckte mit den Schultern. Erst als er sich auch mehrfach vergewissert hatte, dass weder Hardestadt selbst noch einer seiner Getreuen ihr Gespräch verstehen oder verfolgen könnte, nickte er nachdenklich. „Oh, die Frage klang vielleicht ein wenig zu naiv, gewiss, denn wer kennt und fürchtet ihn nicht, den großen Schwarzen Monarchen? Ohne Frage besitzt er ausgedehnte Ländereien und prall gefüllte Schatzkammern und wie ihr schon so treffend erkannt habt, bin ich gerade dabei für etwas mehr schlagkräftige Sicherheit in Brügge zu sorgen. Da käme mir das Geld des Fürsten sowie das Vermögen Ottos wohl gerade recht zumal unsere Stadt selbst bei all dem gerne in den Vordergrund gestellten Reichtum, nicht über unerschöpfliche Geldreserven verfügt. Ihr habt sicher schon von unserem Domprojekt gehört?“ Er lächelte fast schon erheitert und dachte an den Begründer dieser streitbaren Idee. „Ich will nicht für eure Politik verantwortlich gemacht werden oder für irgendetwas Partei ergreifen und die Sache müsste absoluter Geheimhaltung unterliegen. Aus meiner Hilfe dürften sich keine negativen Konsequenzen für mich oder meine Stadt ergeben. Aber kann mir das Hardestadt garantieren? Könnt ihr es? Niemand kann es und die Chancen stehen nicht schlecht, dass Otto eher persönlich d.h mit mir und nicht mit Hardestadt abrechnet, wenn das alles vorüber ist. Es werden immer zuerst die Bauern vom Schlachtfeld gefegt, Carminus, auch das hat der edle Raubritter mittlerweile gelernt. Wie sollte dieser plötzliche Überfall überhaupt aussehen?“
Carminus nickte kaum merklich. „Es mag durchaus sein, dass der kleine Jagdausflug auf die Ländereien von Otto auffliegt, auch wenn absolute Geheimhaltung selbstverständlich oberstes Gebot sein sollte. So lange Otto jedoch nicht zu seiner alten Macht zurück gefunden hat, sind ihm wohl die Hände gebunden. Und wenn er tatsächlich gegen jemanden zu Felde ziehen wünscht, dann sicher Hardestadt, den Urheber der Angelegenheit, und nicht einen französischen Hauptmann, da könnt ihr euch sicher sein.“
Es dauerte eine Weile lang, in der Lucien abermals nachdenklich und grübelnd die gegebene Situation und die näheren Umstände überdachte. Einerseits war es ein verlockendes und interessantes Angebot, nicht zuletzt auch deswegen, weil er sich in gewisser Weise an Otto für den Angriff auf Francesca revanchieren wollte. Andererseits spielte er eine tragende Rolle in einer Schlacht bzw. Intrige, von der er nur indirekt profitierte und dessen Erfolg ihm nur nebensächlich im Hinblick auf seine eigenen Interessen dienlich war. Schlussendlich nickte er aber zaghaft. „Man könnte darüber reden, sollte die Entschädigung entsprechend ansprechend ausfallen. Hoffentlich wird sich das nicht nachträglich als so schlechte Entscheidung erweisen, wie es sich im Augenblick anfühlt.“
„Denkt darüber nach und lasst euch Zeit. Ich vermute, es wird mindestens drei Tage Zeit in Anspruch nehmen bis ein tragbarer Konsens gefunden werden wird. Und dann müssen die Männer dazu ausgewählt werden. Vielleicht setzt sich auch Jürgen durch…“ Ein Fingerzeig ging in die Richtung des schwarzhaarigen Sachsen, der erneut mit der Faust auf den Tisch hämmerte so dass die Steine, die eine Landkarte an ihrem Fleck hielten, polternd zu Boden rollten. „… und es gibt ein Scharmützel… Wer weiß… Teilt mir eure Entscheidung mit. Der Knappe Piak des Erzherzogs von Franken ist mein Mittelsmann, wenn ihr Kontakt aufzunehmen wünscht.“
Lucien machte eine langsame aber doch deutlich erkennbar ablehnende Handbewegung. „Das wird nicht nötig sein, Carminus. Ich habe mich bereits entschieden. Sollten sich die edlen Herren auf die entsprechende Vorgehensweise einigen können, so stehe ich zu Verhandlungen meiner Entlohnung betreffend zur Verfügung. Falls nicht, nun… dann habe ich immerhin noch ein paar nette Nächte beim Kaiser verbracht, dessen Auftrag ich ja bereits zu einem erfolgreichen Abschluss führen konnte. Drei Tage sind keine besonders lange Zeit, die ich auch noch zu warten bereit wäre, da ich ohnehin jemandem versprochen habe, mir mit ihm Aachen anzusehen. Sobald eine Entscheidung getroffen wurde, könnt ihr mich ja darüber unterrichten.“ Sein Blick glitt über die noch immer energisch debattierenden Kainiten. „Ich glaube, es ist nicht wirklich notwendig, dass ich mich in aller Förmlichkeit verabschiede, oder?“, fragte er ein wenig schmal lächelnd. Selbst wenn er sich an einer gekonnten Verbeugung versucht hätte, wäre es wohl weder Hardestadt noch den anderen Anwesenden aufgefallen. So drehte er sich nur um und klopfte Carminus auf die Schulter. „Ruft mich, wenn es Neuigkeiten gibt.“ Dann verließ er möglichst leise und unauffällig die Ratskammer und machte sich auf den Weg zu seiner Absteige.
Noch während er durch die Gassen Aachens ging verspürte er den Hunger, der sein Tier an die Oberfläche rief. Er machte sich auf die Jagd und fand einen jungen Handwerksgesellen, der sich in einer Ecke erleichterte und daher wenig Aufmerksamkeit auf seinen Rücken legte und eine Magd, die in einem Garten gerade nach Hühnereiern suchte und nahm sich das, was er brauchte. Gutwillig sah er zu, wie beide danach wieder etwas verwirrt ihrer Arbeit nachgingen.
Erst als er vor sich das große Anwesen des russischen Händlers erblickte, in dem Alida und ihr Erzeuger unter gekommen waren, bemerkte er, dass er verfolgt wurde. Hinter ihm waren hastige Schritte zu hören, jemand stolperte über einen der Steine im Straßenpflaster.
Nun es gehörte in seinem Unleben ja mittlerweile fast zum guten Ton einen heimlichen Verehrer zu haben, der einen unliebsamer Weise auf Schritt und Tritt verfolgte. Das war das Los der Politik, die mittlerweile auch Brügge des Öfteren mit voller Wucht erreichte und derer man sich nur schwer erwehren konnte. Allerdings stellt sich der Spion in spe als sehr ungeschickt heraus, zumindest was das trippelnde Stolpern über die Pflastersteine vermuten ließ. Er verbarg sich in einer dunklen Häuserecke, um den Besucher mit seiner ganz besonders charmanten Art zu überraschen.
Es dauerte nur wenige Sekunden bis die Gestalt, die in einen dicken dunkelblauen Mantel gehüllt war, an ihm vorbei huschte ohne ihn zu bemerken. Er schien etwas überrascht, dass der Hauptmann auf der Straße nicht mehr zu erkennen war. Eine zögernde, etwas ängstliche Stimme war zu hören. „Meister Sabatier? Seid ihr hier irgendwo?“
Lucien rollte die Augen über und ob der linkischen und ganz und gar ungeschickten und wenig heimlichen Bewegungen hatte er bereits einen festen Verdacht, als er den eingehüllten Verfolger von hinten auf die Schulter tippte. „Im Zweifelsfall immer hinter dir“, raunte er zugegeben etwas belustigt.
Der junge Mann zuckte zusammen als hätte Lucien statt der Hand einen scharfen Dolch verwendet. „Oh Herr sei…“ Mit Mühe beherrschte er sich und drehte sich auf dem Absatz. Tatsächlich erkannte Lucien den blonden, helläugigen Magierlehrling.
„Verzeiht. Ich wollte euch nicht eure Nacht verderben. Ihr seid mit Sicherheit äußerst beschäftigt…“ Er sah sich in der Straße und der dunklen Seitengasse um als erwarte er dort zerfleischte menschliche Opfer zu sehen. „Meister Aleister schickt mich…“
Lucien lächelte verzeihend und schüttelte sachte den Kopf. Als ob irgendjemand noch tatsächlich in ihm eine Bedrohung sah. Natürlich gefiel es ihm den gelegentlich völlig unbedarften Sterblichen einzuschüchtern, vor allem da ja nur er allein wusste, wie viele noch viel scheußlichere ‚Monster’ sich abseits von ihm selbst da draußen tummelten. Aber zugegeben war es auch immer ein wenig mühsam eine Konversation aufrecht zu erhalten, wenn der Gegenpart sich fast in die Hose machte. Sein Blick folgte dem des Jungen und blieb dann wieder auf ihm haften: „Du störst mich nicht, ich hab bereits gegessen, danke.“ Im selben Moment, erkannte er selbst das diese Wortwahl vielleicht etwas unbeholfen und inadäquat gewählt sein mochte. Er half sich mit einem Räuspern. „Meister Aleister? Wunderbar. Dann ist Francesca aufgewacht nehme ich an? Wie fühlt sie sich?“
Die Worte schienen den Lehrling tatsächlich etwas zu beschwichtigen. „Der Kriegerin geht es deutlich besser. Sie hat sich entgegen Meister Aleisters Empfehlung schon wieder in die Kaiserpfalz begeben. Sie meinte, rumliegen oder sitzen und sich erholen könnte sie dort auch.“ Er seufzte, als hätte er die Worte des Magiers in den Ohren.
„Der Meister wünscht, dass ich euch das hier gebe. Er hat es im Auftrag des Kaisers angefertigt. Meister Aleister meinte, wenn ihr es zu euch nehmt, solltet ihr darauf achten es nicht dann zu verwenden, wenn am nächsten Tag Stunden der Gefahr drohen mögen. Es hält sich allerdings nur drei Tage…“
Der Junge überreichte dem Gangrel einen kleinen Flakon. Darin war ein winziger Wassertropfen zu erkennen.
Luciens Stimmung schien sich gleich um ein gutes Stück zu verbessern, als er von Francescas energischer Behandlungsflucht hörte. Die Dame hatte nicht nur eine ungeheure Kampfstärke in ihrer monströsen Wolfform, nein. Auch ihr Selbstbewusstsein und ihre Sturheit, übertrafen alles was er bisher gesehen hatte. „Gut zu wissen, dass unsere Kriegerin wieder auf dem besten Wege ist sich vollständig von ihren Blessuren zu erholen. Ich werde sie wohl kurz besuchen müssen um mich selbst davon zu überzeugen.“ Anschließend nahm Lucien den kleinen, unscheinbaren und doch hübsch angefertigten Flakon entgegen; drehte den noch seltsameren Inhalt im Mondlicht. „Das ist sehr freundlich vom Kaiser als auch von eurem Meister, mein lieber Helmut, aber um was handelt es sich hierbei? Ich denke nicht, das es lediglich Wasser ist, nicht wahr?“ Seine Augen suchten den Blick des Jungen und verlangten offenbar nach einer näheren Erklärung.
Helmut presste die Lippen aufeinander und schien mit sich zu ringen ob er wirklich mit diesem möglicherweise gefährlichen Kainiten reden oder das Gespräch schnellstmöglich beenden wollte. Anscheinend entschied er sich schließlich doch für Ersteres. „Meister Aleister hat gemeint, ich müsse nicht immer alles wissen, als ich ihn danach gefragt habe. Ich wollte wissen ob es etwas sehr Wertvolles wäre, aber er sagte, ich würde absolut nichts damit anfangen können. Aber ihr solltet es anwenden. Sonst würd‘ er sich grün und blau ärgern, weil die Herstellung alles andere als einfach gewesen sei. Na ja… er hat das natürlich anders ausgedrückt.“ Anhand von Helmuts etwas skeptischem Gesichtsausdruck konnte Lucien schlussfolgern, dass Aleister wohl einiges an heftigen Gesten und Kraftausdrücken verwendet hatte.
Der Gangrel nickte und verstaute den filigranen Flakon in der Innentasche seines Wamses, während seine Lippen ein amüsiertes Lächeln umspielte. „Ich bin mehr als überzeugt davon, der Meister hat seinen Standpunkt aus- und eindrücklich dargelegt. Dann wird mir wohl nichts anderes übrig bleiben, als ihn selbst zu fragen. Danke Helmut.“ Er sah den Jungen noch eine kurze Weile lang an, als wüsste er gar nicht so recht, was er dem Lehrling noch mitteilen wollte. Dann aber griff er abermals in die Innenseite seines Wamses und fischte aus einem kleinen Lederbeutel ein paar Münzen und drückte sie dem Knaben in die Hand. „Kauf dir was Schönes dafür Junge; einen schönen Abend noch.“ Er wandte sich schon um, als er noch einmal knapp innehielt. „Und danke an Meister Aleister, wobei er mir, wenn er schon dir nichts Genaues verraten will, wenigstens eine Gebrauchsanweisung mit auf den Weg geben sollte.“ Mit einem weiteren knappen Lächeln, stapfte er davon.
Helmut schüttelte mit dem Kopf als Lucien ihm die Münzen reichen wollte als würde es sich die Silberlinge des Judas höchstpersönlich handeln. Dann wirkte er etwas verlegen. „Danke, aber ich hab‘ alles, was ich brauche.“ Er sah zögernd zu Lucien auf. „Meister Aleister hat gemeint, bei dem Elixier gäb’s nichts Besonderes zu beachten. Wahrscheinlich soll das heißen, eine orale Applikation sollte genügen.“ Er spähte in Richtung des Fläschchens. „Ist ja auch nicht besonders viel drin…“
„Wenn er mich umbringen wollte, dann hätte er das auch einfacher haben können“, schmunzelte Lucien belustigt vor sich hin und nickte beinahe beruhigend in Richtung des Jungen. Er sah es nicht als persönlichen Affront, dass der Lehrling die Münzen nicht annahm, immerhin war der Knabe einer der wenigen, der noch einen ‚gewöhnlichen’ Umgang mit allem Übernatürlichen pflegte: Helmut war ängstlich, misstrauisch und vorsichtig. Genau so würde man es wohl erwarten, aber hier in Aachen tickten die Uhren für viele offenbar anders. Lucien klopfte ihm daher nur abschließend auf die Schulter und wandte sich ab. „Das mit dem Trinken ist immer so eine Sache, meistens geht das nach hinten los, aber damit musst du dich nicht weiter belasten. Richte deinem Meister meinen Dank und beste Wünsche aus.“ Dann setzte er sich endgültig in Bewegung und zog, als er um eine Häuserzeile gebogen war den Flakon hervor. Er müsste völlig wahnsinnig sein, aus irgendwelchen ominösen Gefäßen zu trinken, das widerliche, heilige Blut hatte ihm da eine schmerzhafte Lehre erteilt. Andererseits hatte wohl das damalige Flüstern des Kaisers mit Aleister und dem Elixier zu tun; möglicherweise hatte der Fürst den Magier sogar darum gebeten. Gab es einen Grund für den Kaiser, den Gangrel nach Ausübung seines Dienstes zu liquidieren? Sollte Aleister ihm Übles wollen? Beides musste er aufgrund seines derzeitigen Wissensstandes verneinen, aber man wusste nie, welche Intrigen und komplexen Spinnennetze der Politik und Macht die Leute in Aachen antrieben. Er schüttelte den Kopf und hätte gerne zunächst Francesca besucht, die ja über eine geradezu brachiale Ehrlichkeit verfügte. Da es dafür in dieser Nacht zu spät war, machte er sich wieder auf in seine Zuflucht.
In der Zuflucht angekommen, unterhielt er sich noch eine kurze Weile mit Hendrik und klärte ihn über die näheren Umstände seines Fernbleibens auf; verriet dabei aber keine zu abendfüllenden Details. Er schloss mit den Worten: „… und morgen können wir uns dann abends die Stadt ansehen, wenn du willst. Zunächst werde ich wie gesagt noch den einen oder anderen Besuch erledigen müssen, aber dann habe ich alle Zeit der Welt um gemeinsam mit dir die Gegend zu erkunden. Bisher bin ich ja auch noch nicht wirklich dazu gekommen.“
Hendrik sah sehr erfreut aus. Er strahlte ihn bei dieser Aussicht an, verzog dann jedoch grübelnd die Lippen. „Aber du hast gerade erzählt, dass es morgen am Hof ein Fest geben wird für den jungen König. Musst du denn dann nicht da hin? Dann hast du doch keine Zeit um die Stadt entdecken zu gehen.“
Der Gangrel überdrehte die Augen und nickte stöhnend. „Ah, du hast recht. Das habe ich wohl einfach vergessen oder verdrängt. Ich mache mir ja nicht besonders viel aus solchen Festen.“ Er wuschelte dem Jungen durch die Haare. „Dann wohl übermorgen, versprochen. Der Kaiser hat mich persönlich eingeladen und da ich nicht glaube, dass es ihm dabei lediglich um Gesang und Tanz geht, werde ich wohl erscheinen müssen. Schaffst du es noch einen Tag zu warten, Hendrik?“
Der dunkelblonde Junge wirkte ungewohnt zuversichtlich. „Klar. Vielleicht hat ja jemand anders Zeit. Heute hat mich Meister Girland mitgenommen. Anja ist nämlich krank. Allerdings redet der fast nur Russisch und das kann ich nicht.“ Er nickte und sah aus dem Fenster. „So ein Fest ist bestimmt was Tolles. Aber ich glaub, ich mag nicht, wenn da zu viele Leute sind, die ich nicht kenne.“
Der Hauptmann nickte respektvoll. „Sieh mal einer an, der Haushofmeister von Victorovich persönlich macht eine Stadtführung mit dir; allerhand. Aber auch wenn er nur Russisch spricht, ich glaube Girland ist im Grunde kein schlechter Reiseführer. Sein Meister kommt ja als Händler doch ganz schön in der Weltgeschichte herum und kann dir da sicher einiges zeigen und erzählen. Und du kommst mal raus, auch wenn deine Aufpasserin krank im Bett liegen sollte.“
„Meister Girland hat keine Stadtführung mit mir gemacht. Er hat sich mit anderen russischen Männern getroffen und mich mitgenommen. Aber ich hab keine Ahnung wovon die geredet haben.“
Der Gangrel erhob sich langsam und streckte die untoten Glieder, bis die Knochen knackten. „Auf dem Fest werde ich auch kaum jemanden kennen und mir gefällt es auch nicht, in all die fremden Gesichter blicken zu müssen und mich ebenfalls von allen anglotzen lassen zu müssen.“ Er seufzte, während er seine Schritte auch schon wieder in Richtung seiner Kammer lenkte. „Aber ich kann es wohl nicht ändern; du wirst morgen sicher den schöneren Tag haben Hendrik.“ An der Tür angekommen, lugte er noch einmal zwischen der massiven Holztür hervor und zog die Brauen kraus. „Was ist eigentlich mit Belinkov und Alida? Egal wie lange ich weg bin oder wann ich zurückkomme, die beiden scheinen nie hier zu sein?“
Hendrik wirkte etwas betroffen. „Ja, die sind irgendwie immer weg. Ich weiß auch nicht, mit wem die sich treffen.“ Der Junge sah hinter Lucien her. „Schlaf gut.“
Lucien nickte knapp und kratzte sich über den stoppeligen Bart. „Hm, naja immer noch besser als den ganzen Tag hier zu verbringen.“ Über die blonde Händlerin konnte er sich nur gemeinsam mit Hendrik wundern und zuckte mit den Schultern. „Ich glaube die beiden haben nur einfach ganz besonders viel zu tun in Aachen. Wir dürfen nicht vergessen, dass sie beide ein Handelsunternehmen leiten und darüber hinaus noch… andere Interessen teilen. Schlaf gut Hendrik, wir sehen uns.“
Bevor er sich in sein ausladendes aber nur gutbürgerliches Bett fallen ließ, hielt er noch einmal den Flakon mit der durchsichtigen Flüssigkeit vor seine Augen und schwenkte den kargen Inhalt. Mit einem Seufzen entkorkte er ihn und nippte an dem magischen Elixier, das wunderlicherweise nach überhaupt nichts schmeckte. „Wie Wasser…“, brummelte er vor sich hin als die Müdigkeit ihn schon langsam übermannte. Aber was immer es war, es würde ihn entweder umbringen oder aber wahrhaftig wunderliche Dinge anstellen, die er sich nicht im Entferntesten ausmalen konnte. „Merkwürdiges Zeug trinken wird noch mal mein Tod werden…“, raunte er als er langsam in einen totenähnlichen Schlaf verfiel.
Lucien wurde von einem zögernden Klopfen an die Zimmertür geweckt. Einige Augenblicke verharrte das Geräusch um dann erneut vernommen zu werden. Der Hauptmann konnte die leise Stimme von Hendrik hören. „Lucien? Bist du wach?“
Er wälzte sich noch etwas benommen von einer Seite auf die andere, dann öffnete er die Augen und rutschte wie ein nasser Kartoffelsack an die Bettkante, wo er sich mit den Händen die Augen rieb, gähnte und etwas unbeholfen auf die Tür zugetrottet kam. „Ja Hendrik… ich bin wach. Was gibt es denn?“ Lucien verbot sich selbst die Türe vollständig zu öffnen, denn es war klar dass schon der geringste Sonnenstrahl von außen den schmerzvollen Tod bedeuten könnte. Verwundert sah er sich im Raum um. „Wie spät ist es?“, fragte er zögerlich.
Hendrik öffnete die Tür einen winzigen Spalt und ein Streifen helles Sonnenlicht fiel in den Raum in dem die winzigen Staubpartikel flirrten. Er steckte vorsichtig den Kopf durch die Tür. „Viel zu früh für dich, so kurz vor Mittag, aber da draußen steht ein Mann, der meint, sein Meister hätte ihm aufgetragen sich danach zu erkundigen. Ich hab ihm gesagt, dass du nie so früh wach bist, weil du durch deine Arbeit immer in der Nacht zu tun hast, aber der hat darauf bestanden, dass ich nachschauen gehe. Du bist also wirklich schon wach?“ Hendrik sah ihn ungläubig an.
Lucien wirkte überrascht und völlig auf dem falschen Fuß erwischt. Sein Blick glitt an sich selbst herab, betrachtete einzelne Finger und seine Kleidung. Nein, er war noch immer er selbst, auch wenn ihm langsam über ein eindrucksvoll verändertes Körpergefühl, die Wahrheit über das magische Elixier des Meisters Aleister zu dämmern begann. Er war zu Mittag wach und fühlte sich kein bisschen schläfrig, seine Hände waren warm und merkwürdig leicht. Dann erst erkannte er, dass er atmete als wäre es eine Selbstverständlichkeit. Als er die Luft anhielt, spürte er schon nach wenigen Augenblicken das drängende Verlangen seine Lungen mit Sauerstoff zu füllen und war beinahe entsetzt über das Klopfen seines Herzens. Das krönende Finale, stellte der ultimative Test dar: Er hielt seine Hand in den Sonnenstrahl. Selbst wenn es ihn verbrennen könnte, würde er aufgrund seiner Zähigkeit die paar Sekunden notwendigen Schmerz ertragen, um sich ganz sicher sein zu können. Als seine Haut nichts weiter als die angenehme Wärme fühlte, die ihm unter die fast schon rosige Haut kroch, zog er die Hand zurück. Zum Teufel, Aleister hatte ihn wieder sterblich gemacht. Wer verfügte über so eine Macht? An Hendrik gewandt meinte er nur perplex. „Ja ich bin scheinbar schon wach… und es irritiert mich über alle Maßen…“ Erneut schüttelte er den Kopf und setzte sich wackelig auf die Bettkante. „Bitte den Besuch doch herein“, brachte er belegt hervor und hatte sich noch niemals so verwundbar gefühlt.
„Hm…“ Hendrik verzog skeptisch den Mund und kam dann etwas unschlüssig näher. „Ich…“ Er schien nicht recht zu wissen, wie er anfangen sollte. „Ich dachte immer, du wärest jemand, der… hm… Tageslicht nicht so mag.“ Er blieb zögernd vor Lucien stehen und streckte schließlich die Hand aus und berührte seinen Arm. „Eigentlich warst du immer kalt…“
Der Gangrel nickte. „Nun, so war es bisher auch“, gab er bekräftigend zurück. „Aber der Kaiser hat mir wohl eine Belohnung zukommen lassen durch jemanden der…“ Er stockte kurz und schien nach den passenden Worten zu suchen. „… jemanden, der in den magischen Künsten geschult zu sein scheint. Ein Elixier von durchsichtiger Farbe und keinerlei Geschmack. Ich nahm es gestern zu mir und ich glaube…“ Seine Augen streiften Hendriks Blick. „Es hat mir… meine… Schwächen genommen. Wie immer das auch möglich sein kann.“
Hendrik sah Lucien fragend an. Er schien vorsichtig zu sein. „Bist du ein Kainit?“ Das letzte Wort war nur geflüstert.
Der Gangrel fixierte den Jungen prüfend und einschätzend, schließlich aber nickte er langsam und bedächtig. Irgendjemand musste es ihm schlussendlich doch noch erzählt haben. In welchem Umfang, darüber konnte der Hauptmann nur spekulieren aber immerhin hatte sich jemand seine Worte zu Herzen genommen. „Ja…“, gab er gleichsam vorsichtig von sich.
Hendrik kaute nachdenklich auf der Unterlippe bevor er weitersprach. Er schien darauf bedacht zu sein die richtigen Worte zu finden als er langsam die Finger wieder zurück zog. „Ein Kainit und Sonnenlicht. Das ist nicht gut… Aber ihr seid doch viel stärker als die ganzen Menschen, die nur ihrem Tagwerk nachgehen ohne irgendetwas zu verstehen… oder verstehen zu wollen. Ihr seht besser, seid stärker, könnt Dinge, die normale Leute nie können werden und habt mehr Erfahrung…“ Er sah Lucien fragend an. „Oder?“
Ein leichtes Schmunzeln zauberte sich auf die Lippen des Hauptmanns und er wog den Kopf nach links und rechts. „Das ist, glaube ich, wirklich nicht einfach zu beantworten, Hendrik. Natürlich sind die Kainiten den Menschen in vielerlei Hinsicht weit überlegen. Wir altern nicht, wir sterben nicht auf natürliche Art und Weise, wir vermögen unvorstellbare Dinge zu tun.“ Lucien seufzte. „Aber wir tun auch eine Menge sehr schlimmer und verdammenswerter Dinge, schließlich müssen wir zusehen, dass wir die Ewigkeit mit irgendetwas…. ausfüllen.“ Er erhob sich von der Bettkante und griff nach seiner Kleidung; begann sich langsam anzuziehen. „Aber man gibt auch eine Menge auf. Das Tageslicht zum Beispiel oder die Möglichkeit zu Essen und zu Trinken, Kinder und Familie. Ob es ein Fluch ist oder nicht – du wirst so viele Antworten und Meinungen dazu erhalten, wie es Vertreter unserer Art gibt. Für mich…“ Er pausierte. „…kommt es etwas überraschend und sicher hat es auch enorme Nachteile, aber ich kann mich jetzt ausnahmsweise an den Tisch setzen und all die guten Sachen Essen, auf die du dich auch immer freust.“ Lucien grinste den Jungen aufmunternd an.
„Das mit dem Essen ist natürlich doof… Aber wenn ich mal groß bin, möchte ich auch Kainit werden.“ Er nickte zögernd. „Ich glaub, der Mann möchte nicht reinkommen. Er sieht nicht wirklich gut aus. Ist ziemlich blass um die Nase.“
Lucien sah ihn für einen Moment geradezu entsetzt an, ließ seine Züge dann aber wieder in ein wohlwollendes Lächeln übergehen. Er schnürte die Stiefel. Hendrik war noch ein Kind, was es wirklich hieß oder bedeutete als Untoter durch die Nacht zu wandeln, konnte ihm wohl noch niemand wirklich begreiflich machen. Natürlich sah der Knabe nur die schönen Seiten voller Vorteile und grenzenloser, übermenschlicher Macht. Was immer man ihm erzählte, es wäre lediglich ein weiterer Ansporn; ja eine geradezu fantastische Abenteuergeschichte. So griff er sich im Vorbeigehen den Waffengürtel, schnallte ihn sich an, um dann Hendrik noch einmal behutsam auf die Schulter zu klopfen und sich zu ihm hinunter zu beugen. „Darüber reden wir noch mal, wenn du größer bist. Und jetzt sehen wir uns das Käsegesicht vor der Tür an.“ Seine Knochen noch einmal reckend, ging er voran und trat ins von hellem Sonnenlicht durchflutete Zimmer. Die Panik war für kurze Augenblicke grenzenlos, doch dann stand er einfach nur da genoss den hellen, wärmenden Schein; schloss die Augen.
Lucien fand den Weg zum Hauptportal ohne Mühe. Immer wieder kreuzte ein russischer Bediensteter seine Wege, der ihn etwas iritiert ansah, dann aber wieder seiner Arbeit nachging ohne den Fremden aus Flandern weiter zu beachten. Der Freund eines Gastes des Hausherren, der in wenigen Tagen wieder abreisen würde- da war weiteres Interesse wohl vergeudet. Hendrik folgte Lucien auf dem Fuße. Ganz offensichtlich war der Junge mehr als nur gespannt auf das Zusammentreffen der beiden Männer. Er kniff im Gegensatz zu Lucien geblendet die Augen zusammen als er hinter dem Hauptmann durch die lichtdurchfluteten Gänge trabte.
Am Hauptportal angekommen stemmte er die Hände in die Hüften und wirkte sehr zufrieden. Er war wieder sterblich, wenn auch nur für kurze Zeit und konnte all die Dinge machen, die ihm für Jahrzehnte verwehrt geblieben waren. Gewiss trug es auch ein Risiko mit sich aber für ein paar Tage wieder die Freuden der Sterblichkeit genießen, war ihm jedes Risiko wert. Tief sog er die Luft ein und sah sich nach dem Besucher um.
Erneut erblickte Lucien am Eingangsportal den jungen Magus, der ihm letzte Nacht die Flasche überreicht hatte. Als er Lucien erkannte fiel ihm die Kinnlade herunter und er starrte den Gangrel mit weit geöffneten Augen an. Ganz offensichtlich hatte er wohl mit vielem gerechnet, aber nicht damit, dass der Angeforderte tatsächlich erscheinen würde. Hendrik trat einen Schritt nach vorne. „Du hattest wohl doch recht. Er ist schon wach.“
Mit noch immer geöffnetem Mund schüttelte Helmut ungläubig den Kopf.
Breit grinsend und kopfschüttelnd baute sich der Hauptmann vor dem Jungen auf. „Nun, was soll ich dir sagen, Helmut? Du hattest wohl auch nicht angenommen, dass ich das Elixier deines Meisters so ohne weiteres trinken würde. Und noch viel weniger, dass es eine so unglaubliche Wirkung zeigen würde. Ich kann nur sagen, dass er uns beide wirklich überrascht hat.“ Respektvoll und bekräftigend, nickte er dem Jungen zu. „Wenn du weiter von Meister Aleister lernst, wirst du eines Tages einer der mächtigsten deiner Zunft, das steht ohne Zweifel fest.“ Abgelenkt, ließ er dann den Blick kurz in Richtung Hendrik gleiten. „Oh verzeiht mir, das hier ist Hendrik. Hendrik, das hier ist Helmut. Der Junge ist Lehrling bei…“ er verfiel in einen Flüsterton „…. einem Zauberer.“ Wie zur Unterstreichung seiner Worte, zwinkerte er ihm verschwörerisch zu.
Hendrik nickte als würden ihn die Worte nicht weiter verwundern. Er verbeugte sich leicht und lächelte dem Anderen aufmunternd zu.
Helmut hatte Mühe sich wieder zu sammeln. „Ich dachte immer…“ Er trat einen Schritt zurück. „Meister Aleister hat mich geschickt. Er hat gemeint, ich soll veranlassen, dass man euch wecken lässt. Ich hab nicht verstanden, warum er eine solch irrwitzige Tat von mir verlangt hat und hatte schon Angst, ich wäre so weit in seiner Gunst gefallen, dass er mich zu guter Letzt doch noch einem Kainiten zum Fraß vorsetzen lassen wollte. Da hab ich mich wohl glücklicherweise geirrt. Ihr seid tatsächlich wach…“
Lucien lachte und hatte tatsächlich Mühe sich selbst wieder unter Kontrolle zu bringen. Diese entzückende Furchtsamkeit des jungen Helmut war mehr als erheiternd. Vor allem da Hendrik, der um einiges jünger war, noch nicht einmal mit der Wimper zuckte. Da wurde einem der Unterschied von Hendrik zu anderen Menschen noch einmal direkt vor Augen geführt, selbst dann noch, wenn Helmut bei Meister Aleister in die Lehre ging. „Ich werde dich nicht fressen“, meinte der Gangrel amüsiert. „Nicht, dass ich das überhaupt in meiner derzeitigen Verfassung noch könnte und ja: Ich bin mehr als wach. Du kannst deinem Meister ausrichten lassen, dass sein Elixier buchstäblich Wunder gewirkt hat.“
Helmut nickte nach wie vor irritiert. „Ich werde ihm eure Worte ausrichten. Gehabt euch wohl. Äh… guten Tag.“ Der junge Mann machte auf dem Absatz kehrt und tat einige Schritte, die nur mit Mühe in normaler Geschwindigkeit gesetzt wurden. Lucien konnte sich schon denken, dass er sobald er um die nächste Gasse gebogen war, zu rennen beginnen würde. Mit einem Mal blieb der junge Magus jedoch stehen und drehte sich noch ein Mal zu ihnen um. „erlaubt mir eine Frage, Meister Sabatier…“ Er schwieg als würde er überlegen, ob er weiter reden sollte. „Kennt ihr eine Frau namens Alida? Blond, mit holländischem Akzent.“
Lucien zog die Augenbrauen zusammen und der amüsierte Gesichtsausdruck ob der linkischen aber gutherzigen Art des jungen Helmut, wich einer plötzlichen Besorgnis. „Ich kenne Alida van de Burse sehr gut, möchte ich sagen. Es gibt neben ihr nur noch eine Handvoll Leute, die ich gleich gut oder besser kenne. Warum? Ist etwas… passiert?“ Sein Blick wurde nachdenklich. „Sprich Helmut“, forderte er den Jungen auf.
Helmut schüttelte den Kopf. „So ist der Kreis der Kainiten sich untereinander durchaus bekannt… Lebt… Existiert sie noch?“
Hendrik wollte schon vorpreschen um etwas zu sagen, aber die Anwesenheit des erwachsenen Lucien ließ ihn schweigen.
Lucien deutete dem Jungen näher zu treten; die Mittagsstunde war bei Gott kein Ort an dem man diese Thematik in aller Öffentlichkeit über die gut besuchte Straße hin und herrief. Erst als Helmut nahe an den Hauptmann herangekommen war und Hendrik sich an dessen Seite selbst im Zaume hielt, legte Lucien die Hand auf die Schulter des Magierlehrlings. „Alida van de Burse ist eine sehr gute Freundin von mir, ebenso von Hendrik.“ Er nickte in die Richtung des Jungen. „Und was wir beide wissen, sollte sie noch existieren und nicht vernichtet sein. Also wenn es etwas gibt, das du uns sagen willst Helmut, dann tu das bitte Junge.“ Sein Blick fixierte eindringlich den des Lehrlings.
Helmut fuhr zusammen als Lucien seine Schulter berührte als habe er sich verbrannt. Er fixierte Hendrik ungläubig bei den Worten des Hauptmanns, sah diesen dann fest an und schüttelte den Kopf. „Nein, sie ist mir zu Beginn des Jahres unter recht ungünstigen Umständen begegnet. Richtet ihr Grüße aus, wenn ihr der Dame eines Tages begegnen solltet. Gehabt euch wohl.“ Er verbeugte sich vorsichtig. Dann verschwand er in den Straßen Aachens.
Der Hauptmann nickte und ließ den Jungen ziehen; sah ihm noch eine Zeit lang hinterher. „Hm. Ich glaube die Grüße solltest wohl besser du Alida ausrichten. Mir fiele nicht ein, dass ich den Jungen zuvor schon einmal gesehen habe. Sie muss ihm wohl demnach im Osten begegnet sein, was wie er ja bereits so treffend sagte, eher ungünstige Umstände waren.“ Nach einer Weile hob Lucien die Schultern. „Naja…. Ich für meinen Teil besorge mir jetzt mal ein anständiges Mittagessen. Hast du Hunger?“
Hendrik wirkte etwas verlegen. „Beim Fest gibt es bestimmt ganz viele tolle Sachen zu essen. Ich muss Girland helfen. Er hat gesagt, in der Bibliothek von dem Händler wo wir wohnen gibt es eine wichtige Karte, die wir suchen müssen und er braucht mich dabei.“ Lucien war sofort bewusst, dass das ein gekonntes Beschäftigungsmanöver des Majordomus sein musste, aber offensichtlich schien es zu funktionieren- Hendrik war Feuer und Flamme. „Vielleicht können wir ja, wenn du wieder da bist, was machen?“
Der Junge wartete Luciens Antwort ab und verschwand dann wieder im Inneren des Gebäudes. Ganz wohl schien er sich hier draußen bei Tag nicht zu fühlen.