Mo 4. Jul 2016, 17:18
Mitten im Satz wurde die Tür mit einem Ruck geöffnet und ein Mann trat mit festem Schritt hinein. Leif erkannte den Verwalter der Van de Burse, Georg, der sich im Raum umblickte, Emilian ausmachte und einen Meter näher trat. Die ganze Körperhaltung des ehemals alten, nun jung aussehenden Mannes, wirkte angespannt, fast etwas bedrohlich. Dann erkannte Georg offensichtlich auch Leif, denn er blieb mit einem Ruck stehen.
„Guten Abend, Georg.“ Emilian quittierte den raschen Auftritt des Verwalters mit einem leichten Nicken und einem höflichen Lächeln, das nicht recht die Augen erreichen wollte. Es war nicht leicht die Mimik des künstlich wirkenden Gesichtes richtig zu interpretieren, aber für Leif sah es so aus als würde er ein Aufseufzen unterdrücken.
Kurz schien Georg abzuwägen, wie er unter diesen Umständen weiter vorgehen sollte, dann sprach er den Unhold direkt an. „Hallo, Emilian. Ich wollte dir zu deinem Sieg im Osten gratulieren.“ Seine Stimme klang leicht sarkastisch.
Der Angesprochene zog eine Augenbraue in die Höhe. „Wolltest du das? Ja?“
Georg nickte. „Ja. Jetzt hast du ja alles, was du wolltest: Deinen edlen Namen, die großartige, ruhmreiche Abstammung, die Unholde deiner Familie, die dich mit offenen Armen aufnehmen… Deine Heimat steht dir wieder offen.“
Emilian sah ihn mit unbewegter Miene an als der Verwalter weitersprach. „Beantworte mir aber doch bitte eine kleine Frage: Was tust du noch hier in Flandern?“
Der Russe sog tief die Luft ein. „Ich wüsste nicht, was es dich angehen würde, wo ich mich aufhalte. Oder?“
Georg verschränkte feindselig die Arme vor der Brust. „Ich könnte es auch anders formulieren: Was machst du heute hier in Brügge? Hier in diesem Haus?“
Emilian wartete eine kurze Weile bevor er mit fast gelangweilten Tonfall antwortete. „Ich wurde eingeladen…“
Georg unterbrach ihn mitten im Satz. „Ja. Von einem achtjährigen Jungen, den du zuletzt vor drei Jahren für zwei Wochen gesehen hast und der für dich in keinster Weise weiter von Interesse oder Belang ist. Vielleicht solltest du mit Alida reden und den Jungen mitnehmen und von deiner! Wiedergängerfamilie großziehen lassen. Da würde er deutlich besser hinpassen. Das Kind hat eine Menge von dir und ich werde nicht zulassen, dass sich die Geschehnisse von einst nun mit Hendrik wiederholen.“
Zum ersten Mal seit Georg in den Raum getreten war, schien Interesse in den rot-braunen Augen des Unholds aufzuglimmen. Wut war in seiner Stimme zu hören als er antwortete. „Welche Angewohnheiten erinnern dich denn an mich? Die wunderbare Eigenschaft immer und zu jeder Zeit dein Misstrauen und deine Abneigung auf sich zu ziehen?“ Er trat einen Schritt auf den hochgewachsenen Verwalter zu. „Georg? Eines solltest du dir merken. Die van de Burse sind weder deine, noch meine Familie. Vielleicht wird es Zeit, dass du das akzeptierst? Eines ist aber sicher: Sie sind die Familie dieses Jungen, also pass auf, was du tust.“
Georg ballte die Fäuste. „Vielleicht solltest du aufpassen, welche Schritte du hier im Westen als nächstes unternimmst? Ein linientreuer Unhold, der an der Seite Rustovichs im Osten gekämpft hat, ist hier bei den Ventrue und Tremere nicht unbedingt ein gern gesehener Gast.“
Emilian war innerhalb eines Wimpernschlages an den Verwalter herangetreten, und riss ihn am Kragen näher zu sich heran. Voll unterdrückter Zorn sprach er weiter.
„Willst du mir drohen, Georg?“ Er sah ihn mehrere Sekunden lang mit eisigem Blick an. „Überleg dir gut, welche Schritte du unternimmst. Wenn ich falle, dann bin ich mit Sicherheit dabei nicht der einzige, das dürfte dir klar sein.“ Mit einer raschen Handbewegung ließ er ihn los. „Sag mir eines, Georg: Wenn du nicht in der Lage bist zu verzeihen, wie kannst du dann erwarten, dass man dir das, was du getan hast und tust, vergibt?“ Emilian atmete ein Mal lang aus und drehte sich dann zu Leif um. Sein Gesicht war wieder unbewegt, die Stimme ruhig. „Verzeiht, Meister Thorson. Solche unangenehmen Szenen sind nichts, was euch den Abend ruinieren sollte. Ich denke, es wird Zeit, dass ich dieses Fest verlasse. Ich weiß, wann ich unerwünscht bin. Aber zuvor muss ich dem Geburtstagskind noch meine Aufwartung machen. Immerhin wollte Hendrik uns seine Geschenke präsentieren.“ Er ignorierte Georg und sah noch ein Mal zu Leif. „Ihr wolltet ja eh gerade zum Fest aufbrechen. Wollt ihr mich kurz begleiten?“