Mo 30. Jan 2023, 23:19
Alles, was er in der Schule gelernt hatte, und seine persönlichen Interessen kamen ich zugute als er die Zahlen schließlich sauber unter dem Strich gefasst, lesen konnte. Der schnellste Weg war der direkte. Jiri war überwiegend in der Nähe des Hinterausganges zugegen, drehte aber auch ab und an seine Runden. Ansonsten war im Erdgeschoss kein weiterer Wachmann außer dem Pförtner.
Vaclav fasste all seinen Mut zusammen und atmete noch einmal tief ein und aus. Er beschloss, dass der Putzeimer zwar eine hervorragende Tarnung wäre, aber unhandlich falls er sich verstecken müsste. Nein, eine Flasche Fensterreinigungsmittel, ein paar Reinigungstücher und eine Rolle mit Mülltüten mussten es fürs Erste tun. Sollte er tatsächlich im Büro des Erzbischofs erwischt werden, so könnte er sich vielleicht darauf hinausreden, dass er lediglich die Fenster reinigen wollte. Niemand hatte eine Ahnung davon was genau er putzen sollte oder wie; am wenigsten er selbst und vermutlich würde es auch kaum jemanden interessieren. Er wandte sich der Kellertreppe zu und erklomm diese bis zur letzten Stufe. Dann warf er einen Blick auf sein Handy, überprüfte die Kameras und aktivierte per Knopfdruck die eingespielte Feedbackschleife. Jiri war hinten unterwegs, der Pförtner konnte ihn auf den Kameras nicht mehr sehen, jetzt würden ihn hoffentlich im schlimmsten Falle nur noch ein paar andere Besucher stören. Im besten Falle, und der Erzbischöfliche Palais so nahm er an hatte jetzt nicht wirklich viele Gäste, war er ungestört. Als der „Overwrite“ Knopf blinkte, schluckte der Adept ein letztes Mal und ging dann zügig aber nicht laufend in Richtung des Büroraumes im Erdgeschoss. Das Gebäude war ruhig und fast wie ausgestorben. Ein Mal kam ihm ein Mann in Sultane entgegen, der ihn als einfachen Putzmann aber nicht im geringsten beachtete und weder grüßte noch ihn misstrauisch fragte. Schließlich stand er vor der Tür, die ihm zuvor den Einlass verwehrt hatte.
Der Adept atmete noch einmal tief durch und drückte langsam die Türklinke. Bitte sei offen, bitte sei offen. Sein Herz pochte schneller in seiner Brust. Selbstredend war die Tür verschlossen. Abgeschlossen natürlich. Wie konnte es auch anders sein? Vaclav verfluchte sich selbst. Wie konnte er auch nur so dumm gewesen sein auch nur für den Bruchteil einer Sekunde anzunehmen das die Erzbischöflichen Gemächer, inklusive der Büroräume einfach offen standen wenn der Bischof nicht zugegen war? Vor allem da sich höchst kompromitierendes Material auf seiner Harddisk befand. Nur ein völliger Idiot würde seine Bürotür einfach offen lassen. Er musste wohl oder übel improvisieren. Viele Ideen schwirrten ihm durch den Kopf. Mechanische, mathematische, magische. Gerade bezogen auf letzteres, fehlte ihm aber schlichtweg die Kunstfertigkeit eines Matej um Metall zu schmelzen oder zu verformen. Er hatte auch nicht Apollonias Gabe Magnetismus so exponentiell anwachsen zu lassen, sodass sich das Schloss von alleine öffnen würde. Er kramte in seinen Taschen und fand einen winzigen Schraubenzieher aus seiner Werkstatt, den für die kleinsten Schrauben auf seinen Leiterplatinen verwendete. Nein er war beileibe kein Geheimagent aber sein alter Freund Stepan hatte sich vor langer Zeit einmal eines dieser transparenten Übungsschlösser gekauft, an denen man sich selbst mit einem Dietrich versuchen konnte. Vaclav seufzte. Er hatte keine Wahl. Man musste es zumindest versuchen. Vaclav stocherte in dem Schloss herum. Es war generell schwierig und für jemanden mit wenig Erfahrung wie ihn fast ein Ding der Unmöglichkeit, doch plötzlich erlöste ein leises, kaum hörbares ‚Klick‘ ihn aus seiner Anspannung. Die Tür öffnete sich einen winzigen Spalt.
Die Luft die er für einen kurzen Moment angehalten hatte, entwich langsam aus seinen Lungen und seine Anspannung wandelte sich in sichtliche Erleichterung. Entgegen allem was er für möglich gehalten hatte, waren diese merkwürdigen Abende mit Stepan die hauptsächlich aus Gaming und verrücktem Nerd-Zeug bestanden hatten, durchaus irgendwie auch hilfreich gewesen. Zumindest in diesem Augenblick. Bildete er sich ein. Vaclav sah sich ein letztes Mal auf den Gängen um, drückte dann leicht und locker die Tür auf, warf einen vorsichtigen Blick durch den Spalt um festzustellen ob sich jemand dahinter befand und würde dann eintreten, so der Raum leer war. Die Tür würde er hinter sich besonders sachte und langsam schließen. Die Tür fiel hinter ihm ins Schloss nachdem er eingetreten war. Der Raum lag dunkel vor ihm. Die Fenster waren mit schweren Vorhängen zugezogen, die nur wenig Sonnenlicht hinein ließen und dunkle, alte Eichenmöbel und braun- schwarze Gemälde lieferten ihren eigenen Anteil an der düsteren Atmosphäre. Vaclav erkannte mehrere Schränke, einen schweren Eichenholzschreibtisch mit Stand PC und einige Rollcontainer.
Das Allerheiligste, sozusagen. Endlich stand er in dem dunklen, ehrfurchtgebietenden und fast schon einschüchternd wirkenden Raum. Nun, er musste zugeben, alle alten Räume mit hohen Decken, Stuck und entsprechender Einrichtung ließen das Gefühl von Würde, Stolz, Dominanz und einer gewissen Erhabenheit aufkommen. Schließlich waren viele davon auch einfach dafür konzipiert worden den gewöhnlichen Pöbel zu beeindrucken. Seiner Wahrnehmung nach, machte die Kirche anno dazumal da keine Ausnahme. Prunk war verpönt, aber nur einige wenige Mönche in ihren Klöstern lebten tatsächlich so armselig wie es propagandiert wurde. Er hielt sein Display etwas in die Höhe um etwas Licht zu machen; wagte aber nicht den Lichtschalter zu betätigen. Irgendetwas hier drin erzeugte eine Blockade oder Barriere sodass er seine Magie nicht wirken konnte. Ob der Bischof selbst davon wusste oder nicht, war eine Frage die er nicht beantworten konnte. Es war somit auch das erste Mal, dass er den Raum selbst sah. Er überprüfte sein 3D-Pogramm, ob es nicht doch vielleicht nun vom inneren des Raumes heraus eine Darstellung erzeugen konnte um die digitale Map zu komplettieren. Vielleicht war die Barriere nur buchstäblich um den Raum gelegt worden.
Seine Theorie schien sich zu bestätigen. Im Inneren des Raumes gelang es ihm wieder seine Magie zu wirken und den Raum auf sein 3D Programm zu übertragen. Vaclav nickte. So hatte er sich das gedacht. Er hatte weder das Wissen noch die Fähigkeiten um herauszufinden was oder wer die Barriere errichtet hatte oder wie man sie umgehen konnte, aber es fehlte ihm auch schlichtweg die Zeit um sich auf langwierige magische Analysen zu stürzen. Auch bezweifelte er auf herkömmliche Art und Weise einen brauchbaren Hinweis auf dieses Mysterium zu finden. Selbst wenn die Technokraten dahintersteckten, würden sie wohl kaum eine Visitenkarte auf dem Schreibtisch hinterlegt haben. Faszinierend war es aber allemal und er machte sich eine geistige Notiz sich später selbst einmal mit der Thematik zu beschäftigen. Jetzt war allerdings keine Zeit dafür. Er startete den Rechner und hätte sich Ohrfeigen können. Die Barriere war ja immer noch aufrecht. Um sie zu durchbrechen und seine Black-Box zu holen, müsste er diese brechen. Während der Rechner hochfuhr, ging er zu einem der Fenster, lugte kurz durch einen Spalt zwischen den schweren Vorhängen um zu überprüfen ob er es bedenkenlos etwas öffnen könnte.
Er wollte schon zum Fenster greifen, zögerte dann aber einen Moment. Es ergab keinen logischen Sinn, zumindest keinen den er sich in der Eile zusammenreimen konnte aber er hatte eine Datenverbindung zum Raum während er sich in diesem befand. Andernfalls hätte sein Programm die Map nicht komplettieren können und das bedeutete... Während der Bildschirm helles Licht auf den alten, ausladenden Schreibtisch warf, knackte Vaclav mit den Fingern und murmelte flüsternd zu sich selbst: „Vermassel es nicht.“ Dann griff er mitten in der Luft in den Raum und... nichts geschah. Der Adept schluckte. „Komm schon verdammt“, flehte er gepresst. Erneut streckte er die Hand aus und dann passierte es. Inmitten des Raumes öffnete sich für einen Sekundenbruchteil ein Riss im Raum, gerade groß genug das Vaclav seine Hand hindurchstrecken konnte. Und durch diesen Riss, zog er jetzt sein kleines, vorbereitetes Päckchen das noch immer in seinem Keller auf ihn gewartet hatte. Dadurch das dies so schnell geschah und der Griff zügig erfolgte, hatte es fast den Anschein als würden die Objekte in seiner Hände aus dem Nichts erscheinen.