Vampire: Die Maskerade


Eine Welt der Dunkelheit
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BeitragVerfasst: So 19. Feb 2023, 21:31 
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Die Fahrt dauerte in etwa fünf Stunden, wenn man dem regulären Fahrplan trauen durfte. Und tatsächlich, ganz so als ob Hector persönlich etwas mitgeholfen hätte, gab es keinerlei Verzögerungen oder Verspätungen. Pünktlich gegen Abend stieg Vaclav, lediglich ausgestattet mit einem einzigen kleinen Koffer und seinem Laptop, vor dem Westbahnhof in die U-Bahn und fuhr zur Wohnung seines Vaters, bei dem er sich ja bereits angekündigt hatte. Dieser wohnte in einer kleinen Altbauwohnung im 17. Bezirk der Stadt. Ein schöner aber eher etwas weiter entfernter Stadtteil vom Zentrum der Metropole.

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Die Begrüßung im dritten Stock ohne Lift fiel herzlich aber nicht besonders emotional aus. Seine Eltern waren bereits seit vielen Jahren geschieden und es gab im Grunde nichts mehr, das irgendjemand dazu noch hätte sagen können. Es war bereits viel Gras über die Sache gewachsen. Nach der Scheidung, war seine Mutter mit Vaclav wieder zurück nach Tschechien gezogen; das Verhältnis seiner Eltern war aber gut genug gewesen, das Vaclav auch im Sommer seinen Vater besuchen konnte. So hatte er Wien als auch seinen Vater immer als etwas Positives in Erinnerung. Nach einem gemeinsamen Abendessen, das aus Rindschnitzel mit Bratkartoffeln und grünem Salat bestand, tauschte man sich etwas aus und erzählte sich ein wenig aus dem eigenen Leben. Beide hatten nichts besonders Spektakuläres zu berichten; ehrlich gesagt musste es auf den durchschnittlichen Zuhörer sogar etwas langweilig wirken. Sein Vater arbeitete nach wie vor bei der Bank, bei der er auch seine Lehre gemacht hatte und hoffte vielleicht vorzeitig in Rente gehen zu können. Vaclav hatte seinen Computer-Shop in Prag. Dass er mittlerweile die Realität nach seinem Willen verändern konnte, verschwieg er aber geflissentlich. Gottfried Koller war einer der letzten Menschen, von denen Vaclav annehmen durfte das sie auch nur den Hauch von Verständnis für dieses Geheimnis aufbringen konnten. Sein Vater wäre der Letzte, der ihm das auch nur im Ansatz glauben würde.

Am nächsten Morgen, einem Samstag, frühstückte Vaclav gemeinsam mit seinem Vater und musste gelegentlich leicht Schmunzeln, als er feststellte das dieser nach wie vor einige alte Gewohnheiten nicht ablegen konnte. Es gab nach wie vor Filterkaffee, Semmeln und die klassische Erdbeermarmelade aus dem großen Glas dazu die Tageszeitung, zwei weichgekochte Eier und das leise Dudeln des Radios im Hintergrund. Gottfried Koller wollte seinen Sohn natürlich auch zum Mittagessen einladen aber der Adept lehnte dankend ab; gab an sich heute Nachmittag noch mit einem ehemaligen Kommilitonen zu treffen. Sein Vater bestand jedoch darauf, dass Vaclav zumindest bis Sonntagmittag bleiben würde um das Essen nachzuholen. Das war natürlich in Ordnung.

Den restlichen Vormittag spazierte Vaclav gemeinsam mit seinem Vater etwas durch die Stadt, besuchte den Naschmarkt, den Prater und schlenderte schlussendlich noch etwas durch die großen Einkaufsstraßen, wo er sich im Anschluss von seinem Vater verabschiedete um sich auf den Weg zu seinem Treffen zu machen. Der Wienerwald war ein ganzes Stück außerhalb der Stadt und selbst über die Autobahn bei guter Verkehrslage, dauerte die Fahrt schon 45 Minuten. Mit dem Zug noch länger, und das Reststück konnte er unmöglich zu Fuß gehen. Er wandte sich also an eine Autovermietung und ärgerte sich insgeheim das er nicht gleich mit seinem eigenen Wagen angereist war. Aber er war ja zu faul zum selbst fahren gewesen. Was solls, dachte er sich. Ein Mietwagen für einen Tag kostete jetzt auch nicht mehr die Welt.

Eine knappe Stunde später stand er mit seiner umgehängten Laptoptasche bereits auf dem Parkplatz am Wienerwald und stapfte in Richtung See. Immer wieder blickte er auf sein Handy mit der HD-Bild und zoomte näher heran. Er musste den Ort exakt bestimmen; das Bild wie eine Karte lesen. Sonst wäre er quasi haarscharf vor seinem Ziel doch noch gescheitert. Was half es ihm wenn er wie ein Geist in den Erzbischöflichen Palais eingedrungen war, alle Daten entwendet und unbemerkt entkommen war, wenn er denjenigen nicht finden konnte, an den er sie übergeben sollte? Nervös sah Vaclav in regelmäßigen Abständen von seinem Handy auf, betrachtete die Umgebung, und senkte kurz darauf wieder den Blick. Verdammt.

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Verfasst: So 19. Feb 2023, 21:31 


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BeitragVerfasst: Mi 22. Feb 2023, 21:33 
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Der kleine See lag verlassen da. Ein einzelner Angler warf schweigend seine Rute aus und beachtete ihn nicht weiter. Vaclav ging um den See herum und verglich das Bild auf seinem Handy mit dem, was er um sich herum sah. Mit einem Mal ließ ihn etwas stutzig werden. Direkt vor ihm lag eine weiße Terrasse, die bis an das Wasser reichte und von sanften Wellen umspült wurde. Diese Terrasse lag genau dort, wo das Bild auf seinem Handy nichts als grüne Wildnis zeigten. Ein Stuhl und Tisch luden zum Verweilen ein. Dann entdeckte er einen kleinen aus Holzplanken bestehenden Pfad, der tiefer ins Dickicht führte.

Vaclav konnte dem Weg folgen und kam nach weniger als zwei Minuten zu einer Lichtung auf der er ein seltsames Konstrukt erspähte. Es schien eine Mischung aus Wohnwagen und Haus zu sein.

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BeitragVerfasst: Sa 25. Feb 2023, 22:17 
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Der Adept wurde kurz stutzig. Nun, an und für sich war das jetzt nicht Außergewöhnliches. Satelitenfotos waren, auch wenn sie noch so hochauflösend waren, lediglich eine Momentaufnahme. Manchmal waren sie bereits einige Jahre alt denn die Fotografie der gesamten Erde und die Verarbeitung der Daten konnte gut eine Weile dauern. Gut möglich, das die Bilder älter waren und somit selbstredend nicht tagaktuell das widerspiegelten, was man für gegeben annahm. Er folgte dem Pfad langsam und sah sich um.

Am Ende des Pfades der weiter in das ansonsten unberührte Dickicht führte, hatte es sich offenbar jemand gemütlich eingerichtet. Zwar handelte es sich jetzt nicht unbedingt um eine Luxusferienwohnung oder den exklusiven Camper wohlhabender Urlauber aber dafür das Bruce mehr oder weniger mitten im Wald an einem See wohnte, war es absolut ausreichend. Bedachte man noch, das dieses Mobile-Home, wie der Name bereits verriet schnell mobil werden und zügig seinen Standort wechseln konnte, waren die Vorteile für einen vermutlich ziemlich gewieften und paranoiden Virtuellen Adepten nicht von der Hand zu weisen. Vaclav trat auf die Veranda und klopfte vorsichtig an die Tür.

„Hallo?“, fragte er unschlüssig. Vielleicht war Bruce ja gerade beim Angeln. Er hätte es ihm zugetraut.

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BeitragVerfasst: So 26. Feb 2023, 20:27 
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Vaclav hörte nichts Ungewöhnliches. Vögel zwitscherten in den Zweigen, ein Windhauch ließ die Blätter in den Bäumen sanft rascheln und in der Ferne schlugen sanft die Wellen des kleinen Sees ans Ufer. Von drin war kein Geräusch zu hören. Irgendwo, wahrscheinlich auf der Rückseite dieses seltsamen Wohnmobilheims knarrte ein Fensterladen im Windzug vor und zurück.
Vaclav wartete und verharrte.
Mit einem Mal wurde die Tür so abrupt aufgerissen, dass jemand mit Herzschwäche wohl seinem Leiden erlegen wäre und mit blitzschneller Geschwindigkeit erschien das breite, strenge Gesicht eines beleibten älteren Mannes in der Tür, der Vaclav eine Pistole an die Stirn hielt. Die Stimme war dunkel und rau als entstamme sie einem Clint Eastwood Synchronsprecher. „Du hast dir den falschen Wohnwagen ausgesucht, Bürschchen!“ Der virtuelle Adept spürte das kalte Metall auf seiner Haut aufliegen.
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(Wurf auf wahrnehmung und empathie gg 5)


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BeitragVerfasst: So 5. Mär 2023, 22:30 
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Der Adept riss die Augen weit auf und taumelte zurück; hob beschwichtigend die Hände nach oben. „Fuck! Ich habe geklopft und gerufen! Es hat niemand geantwortet okay? Jemand hat mir diesen Ort als Treffpunkt geschickt.“ Er stammelte panisch als ihm die Pistole angesetzt wurde. „Ich bin Koller, Vaclav Koller! Sind sie Bruce?“
„Seh‘ ich wie ein Bruce aus? Und das hier wie ein ‚Treffpunkt‘?“, knurrte die tiefe Stimme. Vaclav bemerkte, dass es um die Mundwinkel des gewichtigen Mannes zuckte.
Er atmete einige Male ein und aus und ließ dann die Hände langsam sinken. Das war gewagt, vielleicht dumm und bereitete ihm sehr große Mühe. Aber das leichte Zucken um die Mundwinkel des beleibten Mannes irritierte ihn zunehmend. „Sie sehen nicht aus wie ein Bruce, aber wie jemand der gerne ein ‚Bruce‘ wäre. Das hier sieht auch nicht wie ein Treffpunkt aus und gerade deshalb ist es der ideale Treffpunkt.“ Vaclav atmete tief ein. „Wenn sie die Daten nicht wollen, kann ich auch einfach wieder gehen. Ich werde das Material so oder so veröffentlichen. Das bin ich den Schäfchen von Prag schuldig.“ Der hochgewachsene Mann sah ihn griesgrämig an, doch Vaclav bemerkte, dass das Zucken um seine Mundwinkel zunahm. Dann begann er schallend zu lachen, verstaute die gesicherte Waffe hinter seinem Gürtel und klopfte sich auf die Oberschenkel. „Du hättest dein Gesicht sehen sollen, Junge.“ Er klopfte Vaclav mit seiner Pranke auf die Schulter und lud ihn mit einer einladenden Geste ein einzutreten. „Wenn du wüsstest, was da so alles an meine Tür klopft. Herzlich willkommen!“ Er machte einen Schritt nach innen.
Unbemerkt in dem Schwall aus belustigtem Lachen untergehend, atmete Vaclav erleichtert auf und entspannte sich zusehends. Er war nicht der Typ Action-Held der mit einer Knarre am Kopf lässige Sprüche losließ bevor er die Bösewichte nur Augenblicke später vermöbelte und dramatisch aus einer Explosion entkam. Abspann, coole Musik. Nein, er war eher der unscheinbare Typ mit Brille der sich in die Hosen machte. Und meistens als erster draufging um zu zeigen wie fies die Schurken wirklich waren. Er zuckte zusammen als ihn die fleischige Pranke auf der Schulter traf und stammelte ein kaum merkliches „Danke“. Der Adept rückte die Brille zurecht, und folgte dann Bruce. „Ich hoffe ich muss sie jetzt nicht wirklich weiterhin mit Bruce ansprechen? Ich meine, vielleicht gehört das auch zu ihrer äh Tarnidentität, dann wärs wohl in Ordnung.“

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Sobald Vaclav durch die Tür trat, spürte er ein seltsames Gefühl, wie ein kurzer Wind, der ihm kalt über die Haut fuhr. Dann war es auch schon vorbei und der Adept fand sich in einem großen Zimmer mit Kamin wieder. Draußen vor den Fenstern erkannte er hohe dunkle Tannen und eine phantastische Aussicht auf einen großen blauen See.

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Der Mann deutete mit der Hand auf eine lederne Sitzgarnitur. „Setz dich doch. Ich schau mal, was ich in der Gefriertruhe habe. Ich hätte nicht gedacht, dass du so schnell sein würdest.“ Er ging in die daneben liegende Küche, die wahrscheinlich so groß war wie Vaclavs gesamte Wohnung und Vaclav hörte, wie er in einer Truhe herumkramte und dann eine Box und ein Plastikpäckchen hervorzog. „Bruce ist eigentlich gar nicht so weit hergeholt. Ich heiße Thomas Bruce Wain. Wain ist eine ältere Version von Wayne, kommt übrigens vom deutschen ‚Wagner‘.“ Er kam wieder ins Wohnzimmer. „Bier oder Kaffee?“
Mit einem knappen Frösteln ob des plötzlich aufgetretenen, kalten Luftzuges, blickte Vaclav wie erstarrt mit heruntergeklapptem Kiefer in die beinahe schon luxuriös ausgestattete... ja was war das hier eigentlich? Eine Art Blockhütte mitten im Wald, umgeben von hohen Tannen und einem ausladend großem See in dessen kristallklarem Wasser sich eine helle Sonne spiegelte. Er drehte sich um und blickte zur Tür hinaus, die noch immer den Blick auf den mit Holzplanken gesäumten Trampelpfad im Wienerwald freigab. Zweifelsfrei, die Tür war keine gewöhnliche Tür sondern eine Art Durchgang zu einem ganz anderen Ort. Vaclav wusste mittlerweile genug über Raum und der Relation von Dingen zueinander, dass er eindeutig davon ausging Bruce habe hier ganz einfach einen permamenten Riss zwischen zwei Orten erschaffen, ein Portal wenn man so mochte. Er hatte den Raum gekrümmt. Eines der Projekte an dem der frischgebackene Adept selbst gerade arbeitete und über das im Grunde nur Matej in den Grundzügen bescheid wusste. Leise schloss Vaclav die Tür und sah sich erschlagen von so viel edlem Dekor im Raum um bevor er sich auf Sitzgarnitur niederließ. Während Bruce, der offensichtlich zumindest auch mit Zweitnamen tatsächlich so hieß, in seiner Gefriertruhe kramte schüttelte Vaclav nur ungläubig den Kopf. Soviel Platz, soviele Räume, diese Aussicht, das Interieur. Woher nahm der Mann nur das Geld für all diese Dinge? Der Ort existierte ja tatsächlich -wo immer er sich auch befinden mochte. Nunja, womöglich gehörte Bruce diese Hütte ja gar nicht selbst. Vielleicht leerten sie gerade die Winterreserven irgendeines unbekannten Aufsichtsratsvorsitzenden. „Äh, ich hatte sozusagen Glück denn ich hatte zugegeben eigentlich nur einen Hinweis. Digital konnte ich dir nicht folgen, das war aussichtlos aber du hast Ayleen erwähnt, das war meine einzige Spur. Hättest du das nicht getan, hätte ich dich nie gefunden“, rief er in Richtung Küche. „Die eigentliche Herausforderung war die Sache mit dem Bischof. Das hat echt lange gedauert. Von der Planung bis zur Durchführung waren da eine Menge Dinge die ich im Vorhinein erst einmal programmieren und bauen musste“, meinte er auf die lederne Polsterung drückend; das Material befühlend. Echtleder was sonst. „Oh und Kaffee ist völlig in Ordnung Thomas“, fügte er knapp hinzu. „Thomas ist hoffe ich okay. Du kannst mich gern Vaclav nennen.“ Er legte die Laptoptasche neben sich und sah aus dem Fenster zu dem glänzenden See. Gott, wie schön die Landschaft hier aussah. „Auch wenn du fast wie eine Mischung aus Bruce Waynes Vater und dessen Sohn klingst, kann ich ehrlich kaum glauben das du... so luxuriös wohnst. Ich meine... woher nimmst du das Geld? Ist das hier deine Hütte? Oder hast du lediglich, einen Ort den du kanntest oder gehackt hast mit deinem Trailer verbunden?“
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BeitragVerfasst: Do 9. Mär 2023, 21:42 
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Vaclav hörte das Mahlwerk einer Kaffeemaschine und roch das starke heiße Getränk bevor sich der Mann, der sich als sein Mentor angeboten hatte, das Wohnzimmer betrat. Er stellte den edel verzierten Kaffee mit einem Stück Kuchen vor dem jungen Magier ab. „Die Torte ist noch ein wenig kalt, frisch aus dem Gefrierfach, aber der Kaffee ist wirklich sehr gut. Bleiben wir bei ‚Bruce‘, in Ordnung? Ich habe mich bereits daran gewöhnt.“ Er lachte dröhnend.

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Der Kaffee war wirklich ausgezeichnet: aromatisch, vollmundig und vom ersten Schluck an belebend. Der ältere virtuelle Adept machte eine, den Raum umfassende Handbewegung. „Das hier hab‘ ich mir erarbeitet, ob du es glaubst oder nicht.“ Wieder folgte ein herzliches Lachen. „Ab und an erpressen Hacker große Finanzriesen und diese Konzerne sind bereit Unsummen dafür auszugeben um von den Störenfrieden befreit zu werden. Und da komm‘ ich ins Spiel. Und bevor du fragst: Nein! Ich habe die Viren nicht zuvor dort platziert.“ Er hob die Tasse und prostete Vaclav zu. „Auf dich! Du hast wirklich Großartiges geleistet. Du bist den virtuellen Adepten mehr als würdig und hast zusätzlich genug Grips um das restliche Leben da draußen nicht außer Acht zu lassen!“ Er nickte anerkennend. „Es gibt ein paar clevere junge Leute da draußen, aber meistens verlieren sie jegliches Gefühl für die Realität und das Leben um sie herum je mehr Zeit sie vor ihren Rechnern verbringen. Bei dir ist das anders.“ Er nahm einen tiefen Schluck und schloss für einen Moment genüsslich die Augen. „Gut…“ Dann sprach er weiter. „Es ist alles im Code. Du, ich, die Welt, alles! Das ist das Motto von uns. Aber die meisten verstehen nicht, dass man die Welt nur verstehen kann, wenn man raus geht, unter Menschen geht, Freunde findet, … oder zum Beispiel schmackhaftes Essen oder einen guten Kaffee genießt, versteht, was die Welt wirklich ist.“ Er deutete auf seine Tasse und setzte sie ab.


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BeitragVerfasst: Sa 11. Mär 2023, 19:56 
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Vaclav wirkte nach wie vor etwas unsicher und verloren in dem geräumigen, exklusivem Haus irgendwo an einem der schönsten Enden der Welt. Doch warum auch immer, der Gerucht des frisch gemahlenen Kaffees weckte gute alte Erinnerungen. Für gewöhnlich goss man sich Kaffee einfach schnell auf der Arbeit ein und nippte schluckweise daran, bis er am Ende womöglich sogar bereits kalt war. Das hier hatte etwas von einem guten Wiener Kaffeehaus oder einer exzellenten Konditorei. Ein Ort an welchen man sich begab um Freunde zu treffen, sich etwas zu gönnen und vielleicht sogar um etwas zu entspannen.

„Danke“, meinte Vaclav sich an einem leichten Lächeln versuchend als Bruce ihm zuprostete und nippte an dem herrlich duftenden Getränk das mit Sahneschaum und Schokostreusel verziert war. Der Geschmack war tatsächlich außerordentlich aromatisch und kräftig. Es hätte ihn nicht gewundert wenn Bruce nebenbei noch als Barista gearbeitet hätte. Vielleicht war er aber einfach auch nur ein Genießer. Er wirkte auf ihn zumindest so. „Na dann bleiben wir bei Bruce“, erwiderte der Adept mit einem Schulterzucken. Im Grunde hatte er sich auch schon an den Spitznamen gewöhnt. Als sein Gegenüber dann darüber berichtete wie man sich als digitaler Problemlöser eine ordentliche Finanzspritze erhalten konnte, verzog Vaclav etwas amüsiert die Mundwinkel.

„Schon klar das du nicht die Viren einschleust, die du dann selbst wieder von der Platte putzt. Das wäre zwar ein wunderbar perfider Plan aber so schätze ich dich nicht ein. Allerdings muss ich sagen, das große IT-Firmen zuweilen wirklich gute Leute beschäftigen, die zwar vielleicht lange brauchen aber selbst wenn die härtesten Sicherheitsmaßnahmen versagen, Daten retten können. Was ich eigentlich damit sagen will ist simpel: Wenn sie einen Magier brauchen um ihr System zu retten, dann kann es auch nur von einem Magier angegriffen worden sein. Da ich dich wie gesagt nicht zu dieser Art „Geschäftsmann“ zähle, gebietet die Logik das es wohl zuweilen andere Magier, vielleicht sogar Adepten sind, die sich auf diese weise etwas dazu verdienen wollen. Kann ich einerseits verstehen, auf der anderen Seite finde ich das moralisch extrem verwerflich. Ich selbst mache eigentlich gerade die ersten Schritte und bin bei weitem kein Merlin aber ich schrecke davor zurück das was ich kann auf derartige Weise zu missbrauchen, auch wenn die Verlockung immer da ist.“

Dann kam der Moment in dem Vaclav sich tatsächlich etwas unwohl und peinlich berührt fühlte. Er bekam überschwängliches Lob für die Beendigung seiner „Prüfung“ und schien auch ansonsten für Bruce sehr als Schüler geeignet zu sein weil er offenbar die richtige „Einstellung“ zur digitalen Welt und Realität um sich herum vertrat. Er schien Bruce auf viele Arten und Weisen geradezu zu beeindrucken und er war sich wirklich unsicher, wie er damit umgehen sollte. Das war er nicht gewohnt. Überhaupt nicht. So lächelte er nur leicht vor sich hin und stammelte ein wenig in verschiedenen Varianten von „Dankeschön“ und „Vielen Dank“ herum. Bei der letzten Aussage von Bruce wurde Vaclav dann doch etwas stutzig und räusperte sich.

„Also ich bin nicht der Typ der sein ganzes Leben nur vor dem Rechner verbringt. Klar bin ich beruflich immer dabei und ich interessiere mich auch dafür; keine Frage. Aber eigentlich wäre das große Ziel dieser wunderbaren Maschinen, das sie uns schlussendlich Arbeit abnehmen und nicht noch zusätzlich welche machen. Ich habe vor ziemlich viel von meinem Zeug zu automatisieren, wenn ich dann mal soweit bin. Teilweise ist mir das sogar auch schon gelungen, zum Beispiel meine Black Box oder der Cam-Scrambler. Das sind im Grunde nur noch batch files oder auto-executes in einer Metallkiste verpackt. So wünsch ich mir das. Ich habe es bisher einfach nur noch nicht gebraucht.“ Vaclav überlegte etwas bevor er nach einer knappen Pause weitersprach.

„Was den Code und die Realität angeht kann man weitschweifend philosophieren. Wir könnten jetzt die Simulationstheorie zu Rate ziehen oder uns in die Gefilde von Transhumanismus wagen aber nehmen wir einfach mal diesen Kuchen mitsamt Kaffee als die einzig gültige Realität an. Dann ist es wohl, so wie du schon sagtest, in Wahrheit auch nur Teil eines Codes. Für mich eigentlich kein Code sondern Daten - Daten im Sinne von Information. Die Art der Information und ihre Darstellung variiert aber es bleibt im Grunde Information, alles ist Information, alles ist Daten. Wenn alle Information einheitlich dargestellt werden könnte, hätte man eine Art Sprache für alle Arten von möglicher Information gefunden. Diese Sprache ist die Mathematik, denn alles was ist kann in Zahlen ausgedrückt werden. Wenn man dies tut ergeben sich wiederholende Muster in die man eingreifen kann. Wenn man in die Muster eingreift, verändert man die Daten, die Information, verändert man die Realität. Das ist es woran ich glaube. Es ist eigentlich nichts als Wissenschaft. Aber ich gebe dir recht. Um die Realität verändern zu wollen, muss man sie zunächst kennen. Es nützt einem nichts endlich den „köstlichen Kuchen“ als Gleichung und Zahlenabfolge dargestellt zu haben, mann muss auch wissen wo man etwas verändert um zum gewünschten Ergebnis zu kommen. Und dazu muss man die Ausgangsbasis, sozusagen den „Default state“ kennen. Er schob sich ein Stück Kuchen in den Mund kaute grinsend.

„Und dieser Kuchen ist by default ausgezeichnet.“

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BeitragVerfasst: Mo 13. Mär 2023, 20:41 
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Bruce schmunzelte und schob sich ebenfalls ein Stück in den Mund. „Du verfolgst absolut gute und richtige Ansätze. Ich bin gespannt, wie du in Zukunft ‚deine‘ Realität schreiben wirst. Wie hast du den perversen Bischof dran gekriegt? Wie hast du es geschafft an die Informationen zu kommen?“ Er erhob sich. „Ich hole ein paar Steaks und Bier aus dem Kühlschrank. Du bleibst sicher zum Barbecue, oder?“

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BeitragVerfasst: Di 21. Mär 2023, 20:46 
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„Ich... weiß es offen gestanden noch nicht. Aber ich sehe das ganze mehr als einen wandelbaren Prozess als einen festen Fahrplan. Magie ist viel zu dynamisch und wirkt beinahe grenzenlos. Es wird also auch für mich tatsächlich spannend“, konstatierte Vaclav etwas unsicher lächelnd als Bruce seine Begeisterung zum Ausdruck brachte. Als dieser ihn dann zum Barbecue einlud, wirkte Vaclav zunächst etwas überrascht; ließ sich aber dann kurzer Hand doch dazu überreden. „Barbecue? Oh, ja äh... klar. Warum nicht? Gern.“ Immerhin lagen Prag oder Wien hier lediglich gefühlte fünf Schritte von ihm entfernt. Zeit und Raum spielten in dieser Hinsicht also eine eher untergeordnete Rolle. Verrückt.

Während Bruce sich anschickte alles für das Barbecue vorzubereiten, half ihm Vaclav dabei die Kuchenteller und Kaffeetassen in die Küche zu tragen. Eigentlich aß man Kuchen ja als Nachspeiße. Irgendetwas sagte ihm jedoch das es nicht nur bei einem Stück bleiben würde. Vaclav schmunzelte in sich hinein und hob die Schultern.

„Also noch haben wir ihn ja noch nicht, ich habe jetzt erst mal nur die Daten beschafft. Die sind auf einem Stick mit Chiffrierung; kriegst du dann gleich. Wird dir übrigens gefallen, es ist ein Etheriten Code. Ziemlich beeindruckend. Sechs Digits, alle Zahlen, Sonderzeichen und Symbole, Case-Sensitive mit Time-Lock.“ Er suchte nach einem Geschirrspüler und räumte die Teller ein.

„Es war ziemlich viel Vorbereitung notwendig. Ich hab ein Wifi-Netzwerk gehackt das auf das Palais ausgestrahlt hat und mich in die Kameras eingeloggt, dann eine digitale Karte erstellt und mich als Reinigungskraft ausgegeben. Ich konnte meine Black-Box wegen dem Metalldetektor nicht reinschmuggeln und das Netzwerk war in sich geschlossen, also brauchte ich vor Ort Zugang auf die Überwachung. Bin dann verkleidet rein, habe einen digitalen Ausweis erstellt der dem Wachmann genau das gezeigt hat was er sehen wollte und habe den dann abgelenkt, um den Scrambler zu installieren. Dauerschleife mit Übertragung auf mein Handy. Danach hab ich den Rest meiner Ausrüstung, die ich vorher aber erst mal konstruieren musste durch einen Riss im Raum gezogen. So hab ich den Metalldetektor umgangen. Die Gemächer des Bischofs waren natürlich verschlossen, das hatte ich dummerweise nicht wirklich bedacht und mit mechanischen Schlössern habe ichs ja nicht so; schlussendlich bekam ich das Ding dann aber doch auf. Der Rest war dann eigentlich ganz einfach. Die Box ran, ein kurzer Hack, Daten gesaugt und alles wieder durch einen Riss zu mir in den Keller wandern lassen. Beim Rausgehen musste ich den Wachmann wieder etwas ablenken um den Scrambler einpacken zu können.“

Vaclav schmunzelte aber er konnte nicht umhin etwas stolz auf sich zu sein. Er hatte sich alles ganz gründlich überlegt, sich gut vorbereitet und es hatte schlussendlich wirklich so geklappt. „Ich hoffe nur ich habe meine Spuren gründlich genug verwischt aber ich denke offen gestanden, wenn der Bischof mit seinen Bildern erst mal auffliegt, wird keiner mehr groß danach fragen wie oder wer die der Öffentlichkeit zugänglich gemacht hat. Der gute Bischof hat dann ganz andere Sorgen. Hoffe ich zumindest.“

Der Adept machte eine kurze Pause; wirkte dabei etwas nachdenklich und meinte dann: „Zwei Sachen beschäftigen mich aber seitdem und vielleicht hast du dazu ja eine Idee.“ Er sah fragend zu Bruce. „Also zunächst mal wollte ich eigentlich gleich die Daten durch einen Riss besorgen, das ging aber nicht. Die digitale Karte hat den Raum ausgegraut. Es war wie eine unsichtbare Wand durch die ich nicht durchgekommen bin. Später im Raum, konnte ich aber sehr wohl wieder einen Riss nach draußen öffnen. Die Gemächer des Bischofs waren also wenn man so will, nur in eine Richtung „durchlässig“. Ich habs nicht wirklich verstanden; hatte aber keine Zeit mich näher damit zu beschäftigen. Irgendetwas war da im Raum, das dieses Phänomen verursacht hat. Ich habe aber keine Ahnung wer oder was das gewesen sein könnte. Zweitens...“ Vaclav schluckte etwas, bei seinen nächsten Gedanken.

„Zweitens hat das Durchgreifen durch einen Riss im Raum im ersten Anlauf nicht wirklich geklappt. Also das heißt, schon irgendwie. Ich konnte die beiden Räume krümmen und verbinden aber als ich durchgreifen wollte um meine Ausrüstung zu holen, spürte ich plötzlich kalte, dünne Finger an meiner Haut. Eisig kalt, es fröstelt mich jetzt noch wenn ich daran denke. Wie kann es sein, das plötzlich aus einem anderen Raum noch jemand oder etwas meine Hand berührt? Die Hand dieses „Etwas“ war gewiss nicht in den Gemächern des Bischofs und auch nicht in meinem Keller. Es war so als hätte sich noch etwas anderes zu meiner Krümmung „hinzugeschalten“. Es war auf jeden Fall wirklich beängstigend.“

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BeitragVerfasst: Di 28. Mär 2023, 20:01 
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Bruce hatte Vaclav aufmerksam zugehört und dabei ab und an in kleinen Schlucken an einem eisgekühlten Bier genippt. „Du hast wirklich großartige Arbeit geleistet. Insbesondere, da es ja noch gar nicht so lange her ist, dass Lenka dir beim Erwachen geholfen hat. Eine beachtliche Leistung. Der Part mit dem Scrambler gefällt mir besonders gut.“ Er hatte Vaclav ebenfalls ein Bier gereicht und stießt die Flaschen klirrend aneinander. „Sheers!“ Er nickte als der jüngere Mann geendet hatte. „Mich hat es auch verwundert, dass man das Zimmer unseres lieben kinderfreundlichen Bischofs nicht betreten konnte. Ich glaube nicht, dass er ein Magus ist, sonst hätten wir wahrscheinlich davon gehört und er wäre vorsichtiger ans Werk gegangen. Vielleicht beschützt ihn jemand oder er ist ein noch nicht Erwachter, der sich an Pseudomagier versucht. Irgendwelche Drudenfüße im Zimmer entdeckt?“, fragte er halb im Scherz. Bei Vaclavs zweiter Frage sah er ernst und nicht erfreut aus. „Das war eine Warnung des Paradox. Ich habe Magier ein paar Mal davon sprechen hören. Einer tauchte eines Tages nie wieder auf, den anderen hat so die Furcht gepackt, dass er heutzutage sein Leben als Handyverkäufer fristet. Dieses Wesen scheint nur darauf zu lauern, dass man bei der Magie einen Fehler macht. Es sucht nach einem wie der Teufel nach der Seele.“


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