Fr 8. Jun 2018, 13:21
Der Unhold Andrei hörte aufmerksam zu, während seine missbilligenden Blicke immer noch gelegentlich über die weit verstreuten Gäste flogen. „Hexer und Toreador, Rosen, Ventrue und Lasombra.“ Er schnaubte. „Vielen dieser Clans fehlt sowohl die Ausdauer, als auch die Macht wahre Herrscher der Nacht, so wie du und ich zu sein. Aber die letzten Ereignisse haben einmal mehr gezeigt, dass wir nicht immer alleine stehen können. Verbündete müssen umworben und überzeugt werden, was einer der Gründe für meine Anwesenheit hier ist. Wir werden sehen welches Potential sich vielleicht für unsere Zukunft und damit die aller Voivoden bietet. Außerdem gehört es sich, dass jemand von entsprechendem Rang Mithras seine Aufwartung mach, jetzt wo wir den Zweck unseres Bündnisses erreicht haben. Hätte ich gewusst, dass du dich sowieso hier aufhältst, hätte ich mir die lange Reise in diese tristen Baronien wohl ersparen können, aber es bringt nichts verschüttetem Blut nachzuweinen.“ Er lächelte ihr voller väterlicher Zuneigung zu. „Ich kann dir bei deinem Unterfangen nicht sonderlich hilfreich sein, aber ich stehe dir gern mit Rat und Tat zur Seite solange wir hier sind.“
„Es ergab sich recht spontan, dass ich die Reise hier in die Baronien angetreten bin. Auch meinem Erzeuger konnte ich nur eine flüchtige Nachricht senden, was sonst nicht meine Art ist, wie ihr euch denken könnt.“ Ein kurzes Auflachen war zu vernehmen. „Ich denke, ich wäre wohl nicht die entsprechende Person um Mithras die Aufwartung zu machen und die Drachen des Ostens zu vertreten. Doch Dank, dass Ihr mit diesem Gedanken spielt. Allein das ist eine Ehre.“ Sie wartete einen Augenblick bevor sie fortfuhr. „Ich bin weder in die Einzelheiten des Bündnisvertrages eingeweiht, noch sind meine Ansichten mit denen der meisten Tsimiske des Ostens zu vergleichen. Ihr wisst, dass ich vor allem den Umgang mit den Setskindern im Osten als bedenklich ansehe. Auf der einen Seite als Ressourcenvergeudung, auf der anderen aus ethischen Motiven. Mithras könnte den Eindruck gewinnen, einen gezähmten Drachen vor sich zu haben, und das wollen wir doch nicht riskieren, oder?“ Das zweideutige Lächeln auf ihren Zügen wäre fast eines Lucien Sabtiers würdig gewesen
Andrei lachte anerkennend und herzlich. „Gut gesprochen Alida. Deine Rückkehr in den Schoß der Familie, sowie der damit einhergehende Witz und Geist macht mich noch immer glücklich.“ Er schüttelte den Kopf. „Ich denke aber Mithras hat genügend Sorgen als sich über die Anwesenheit von ein paar Drachen den Kopf zu zerbrechen.“ Der Voivode zögerte und die blonde Händlerin spürte wie sehr es ihm widerstrebte diese Worte zuzugeben. „Siehst du diese Frau dort hinten? Er zeigte auf eine einsame Gestalt. Ein junges Mädchen mit Pagenschnitt und Rüstung, die irgendwie verloren wirkte. „Das ist eine Salubri, die Mithras persönlich zum Sol Invictus, zusammen mit einigen ihrer Clansbrüder geladen hat um seine Solidarität mit den Einhörnern zu bekunden. Er hat erst vor kurzem die Domäne von Aquae Sulis den Kindern Saulots übertragen, was die Hexer mehr und mehr aufgescheucht hat. Das dort hinten...“ Er neigte den Kopf nun leicht zu der Frau im roten Kleid, die Alida zuvor schon erspäht hatte. „Ist Meerlinda von Wessex, die Anführerin der Tremere Britanniens. Ich würde ihr gerne hier und jetzt die Kehle aufreißen, aber die Etikette und der Zorn Mithras ein Verbrechen in seiner Domäne zu begehen, halten diese Veranstaltung in einer ziemlich fragilen Balance.“ Er schwieg für einen Moment und Alida konnte den Unmut von Andrei spüren, wenn auch nur weil sie den Tzimisce inzwischen ganz gut kannte. „Dir ist sicherlich klar, dass diese Situation jederzeit implodieren kann.“ Ein bedrohliches Lächeln kehrte auf die geliehene Mimik ihres Gegenübers zurück. „Der morgige Abend wird zumindest nicht langweilig werden, davon bin ich überzeugt.“
Alida besah sich neugierig, doch so unauffällig wie möglich die Personen, die ihr Andrei zeigte. Salubri, Tremere und Tsimiske in einem Raum- ein gefährlicher Balanceakt, fand sie. „Ich hoffe, es erweist sich nicht als Fehler, dass sich die Salubri hier so offen zu erkennen geben“, flüsterte Alida leise. „Nach allem, was ich gehört habe, ist die Jagd in allen Gebieten Europas auf sie eröffnet, auch wenn die Hexer das nicht offen zugeben würden. Bei uns im Osten wären sie verhältnismäßig sicher, aber kein Voivode teilt gerne seine Domäne.“ Sie sah den Unhold an. „Man hat mir geraten mich bezüglich meines Anliegens um die Sicherheit Flanderns an Meerlinda von Wessex zu wenden, aber es erschien mir zu gefährlich. Die Tremere wissen schon, warum sie ausgerechnet diese Frau zu der Obersten der Baronien ernannt haben und ihre Fähigkeiten werden nicht gering sein.“
Purer Ekel war auf dem Gesicht Andreis zu erkennen. „Nichts Gutes oder Produktives ist von einem Handel mit den Ursurpatoren zu erwarten. Du solltest dich fern von ihrem Gestank und ihren vergifteten Zungen halten.“ Damit schien das Thema für den Tzimisce erledigt. „Was Mithras plant oder auch nicht plant ist Wahnsinn. Er führt die Kinder Saulots auf eine Schlachtbank und macht sich unbeliebt bei all jenen, die den Lügen der Hexer bereits zum Opfer gefallen sind. Lord Mithras ist ein Relikt, er denkt er kann sich dem Strom der Zeit einfach entgegenstellen ohne davon fortgerissen zu werden und auch wenn der Gedanke verführerisch ist, dass so etwas wirklich möglich ist. Ich glaube nicht daran, insbesondere wenn man die aktuellen Entwicklungen, wie das Attentat auf Mithras Leben vor ein paar Tagen in Betracht zieht.“ Der Unhold ließ die letzten Worte beinahe beiläufig fallen, auch wenn Alida wusste wie viel politischer Zündstoff in dieser Nachricht steckte.
Sie lachte mit einem etwas bitteren Unterton auf. „Da bin ich jetzt schon einige Zeit in England und in keinster Weise habe ich mitbekommen, dass ein Attentat auf Mithras durchgeführt wurde... Er muss es gut geheim gehalten haben, aber wie immer habt ihr eure Quellen, Meister Andrei, nicht wahr?“
Eine gewisse Süffisanz und auch Stolz lag in der Stimme des Tzimisce. „Natürlich sind meine Spione handverlesen und äußerst fähig.“ Er verbeugte sich leicht. „Lord Camden, der Haushofmeister von Mithras, hat natürlich alles getan um diese Information zu unterdrücken. Es wäre äußerst schlecht, wenn diese Information bekannt würde. Wie sieht es schließlich aus, wenn kurz vor dem Sol Invictus sich jemand traut die Hand gegen den hohen Monarchen selbst zu erheben? Kurz vor dem hohen Tag an dem seine Macht und sein Einfluss gefeiert wird?“
Alida nickte. Sowohl Andrei als auch Emilian waren Meister darin sich alle Informationen zu beschaffen, die sie benötigten. Drachen, die Informationen bei weitem mehr Wert beimaßen als Kampfkraft, Dominanz und Stärke. Es hatte beiden gute Dienste geleistet: Die Brüder Rustovich, auch wenn offiziell Vladimir an deren Spitze stand, beherrschten derzeit den geeinten Osten und Emilian war Jahrhunderte unerkannt unter den Kainiten Europas gewandelt und damit seiner Vernichtung entgangen. „Gibt es noch etwas über diesen Attentat, was ihr preis geben könnt?“
Er nickte nur leicht. „Die Attacke wurde äußerst stümperhaft durchgeführt, wenn man bedenkt wer das Opfer sein sollte. Ein paar vergiftete Pfeile richten immerhin nichts aus gegen einen Methusalem zu dessen clanseigenen Fähigkeiten die Seelenstärke gehört. Der Attentäter selbst war ein Ghul, der aber zuvor vergiftet wurde. Er starb bevor man ihn befragen konnte.“ Der Unhold ließ Alida Zeit die Informationen einsinken zu lassen. „Was sagt dir all das mein Kind?“ Andrei schien gespannt. Er war immerhin Alidas Mentor und schien den Moment gleich für diese Aufgabe nutzten zu wollen.
„Es erweckt den Eindruck als wenn Mithras noch ganz andere Feinde hat als uns Kainiten. Ein Kainit wüsste zumindest theoretisch wie er vorzugehen hätte. Es sei denn ein gerade erst Erschaffener und der würde sich nicht an jemanden wie Mithras wagen. Oder das Gift ist so mächtig, dass es durchaus das Potential hätte ihm zu schaden. Das würde für jemanden mit ausgezeichneten Fähigkeiten sprechen.“
Andrei nickte. „Irgendjemand wollte das dieser Anschlag nicht erfolgreich wird. Ich vermute er diente als Ablenkung, oder Auftakt zu etwas ganz anderem und es würde mich nicht wundern wenn das verdammte Miststück von Hexe etwas damit zu tun hat. Worum es hier genau geht kann ich dir aber noch nicht sagen.“ Der Unhold strich sich mit zwei Fingern über seinen blonden Bart und schien zu überlegen. „In jedem Fall solltest du vorsichtig sein. Den Baronien von Avalon mag es an Eleganz und Annehmlichkeit fehlen, aber eine kainitische Schlangengrube ist es trotzdem alle mal.“
„Da mögt ihr recht haben... Könnt ihr mir etwas über die Malkavianerin Seren mitteilen? Sie scheint eine Verbündete zu sein.“
„Seren?“ Er überlegte kurz. „Ich habe gesehen, dass ihr bereits bekannt miteinander seid. Sie ist eine verlässliche Verbündete, die zu ihrem Wort steht. Sie hat einige Zeit als Gesandte von Mithras bei uns im Osten verbracht. Als Beobachterin offiziell, aber natürlich war jedem klar, dass sie Mithras über die Vorgänge des Krieges und alle Ereignisse darum auf dem laufenden hält. Der alte Ventrue wollte seine Investitionen natürlich nicht verschwendet sehen.“ Andrei überlegte weiter. „Sie ist Malkavianerin und das sollte dir schon eine ganze Menge verraten. Immerhin ist jeder der auf das hört was ein Malkavianer sagt hört ein Narr, aber jeder der ihnen nicht zuhört ist ein noch viel größerer.“ Er lachte mit tiefer Stimme. „Sie ist erträglich und was noch viel wichtiger ist fähig, auch wenn mir dein Onkel Vladamir da sicherlich widersprechen würde.“