Vampire: Die Maskerade


Eine Welt der Dunkelheit
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BeitragVerfasst: Mo 11. Jan 2016, 13:19 
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Bevor Lucien sich für die tägliche Ruhe bettete, warf er noch ein weiteres Mal einen Blick auf die von Sebastian zur Verfügung gestellten 'Ritualgegenstände'. Ein paar abgegriffene Tarot-Karten und eine simple Kerze mit einem Stück Kreide. Wahrscheinlich war es falsch dem Hexer zu vertrauen und diese merkwürdigen Dinge, einfach so ohne weiteres in Empfang zu nehmen aber was blieb ihm schon anderes übrig? Er hatte nicht mehr mit Jean in Kontakt treten können und wenn es auch nur eine kleine Chance gab mit ihm in Kontakt zu treten, musste er zumindest alles versuchen. Der Gangrel ergriff also die Kreide und malte ein dickes Kreuz auf den blanken Fussboden. Im Anschluss stellte er die Kerze in die Mitte seiner Zeichnung und positionierte die Karten darunter. Anschließend kniete er sich etwas kopfschüttelnd vor sein Werk und entzündete den Docht. Als die Flamme aufloderte, verzog sich sein Mund zu einem Grinsen. Zu wem sollte er beten? Wenn sollte er jetzt lobpreisen? Er hatte schon vor einer Ewigkeit mit Göttern und Götzen abgeschlossen, selbst Kain war nur ein merkwürdiger Mythos. Lächerlich. Es war einfach lächerlich und doch... wenn es Aussicht auf Erfolg versprach, musste er es versuchen. Er schloss die Augen und legte die Hände auf die Oberschenkel, konzentrierte sich auf seinen Wald, die Tiere, Düfte und Geräusche darin. Im Grunde fokussierte er seinen Geist auf 'Mutter Natur', wenn man diese als allegorische Figur sehen wollte. Es mochte vielleicht 30 Minuten gedauert haben, dann löschte er den Kerzenschein und ging zu Bett, bevor noch der erste Sonnenstrahl am Horizont erschienen war.

Lucien spürte, dass ihn wieder etwas zog. Von irgendwoher hörte er diese Stimme. Zunächst leise, dann wurde sie lauter, gut vernehmbar. Jean… Sein ‚Neffe‘ rief nicht nach ihm, das wurde dem Gangrel schon nach wenigen Herzschlägen klar. Das war ein Schmerzensschrei.
Lucien schlug die Augen auf und erkannte um sich herum nur Dunkelheit. Es war feucht, frostig. Die Kälte der winterlichen Dezembernacht drang durch seine lederne Rüstung, ließ jedes einzelne Haar auf seinem Körper aufstellen. Eiskaltes Wasser floss durch seine Lederstiefel und umhüllte seine Füße bis zur Hälfte der Waden. Eisige Luft füllte seine Lungen mit jedem Atemzug und wurde als weiße Wolke wieder aus seinem Mund entlassen. Das hier war keine Umgebung für einen Menschen, das war Lucien sofort bewusst. Er hörte das Tröpfeln von Wasser von der Decke, roch Schimmel, Moder und Rattenkot. Dann war da das Fließen von brackigem, stinkendem Wasser um ihn herum.

Er schlang die Arme aus einem Reflex heraus um sich. Mein Gott, wie schrecklich es sein musste noch so sehr auf Körperwärme angewiesen zu sein. Nicht das er es besonders erheiternd fand, wenn ihm selbst noch als Gangrel Körperteile einfroren, das störte nämlich empfindlich den Bewegungsapparat aber das war mit dieser beißenden Kälte nicht zu vergleichen. Wie schwach die Sterblichen doch eigentlich waren, selbst sein Atem kondensierte. Atem.. Luft, Sauerstoff und er stank gewaltig nach Rattenkot und allerlei Unrat. Lucien unterdrückte ein Würgen und sah sich um. Was für ein Alptraum. Und selbst in diesem Alptraum war ihm beinahe schon klar wo er sich befand: Die Kanäle unter Gent. Er kannte all diese Gerüche aus Brügge, nur hatten er und Gerrit es in den letzten Jahrzehnten geschafft, die Ratten in eine Ecke der dunklen Gänge zu treiben und den größten Gestank, von ihrer Zuflucht fern zu halten. Wenn man so wollte hatten sie etwas 'sauber' gemacht. Hier war das allerdings nicht der Fall, es war nach wie vor eine stinkende, eiskalte Kloake zur Winterzeit, scheußlich. Er watete einige Meter durch das brackige Wasser und suchte eine Stelle, an der er an 'Land' gehen könnte. Er durfte keine Körperwärme mehr verlieren. Auf einem schmierigen Untergrund, leerte er seine Stiefel aus und schnürte diese enger. Gott, die Kälte auf seinen bloßen Fussohlen war unerträglich. Jean musste unendlich leiden und würde unweigerlich sterben, sollte er diesen Verhältnissen noch länger ausgesetzt sein. Eine Erkältung oder Lungenkrankheit, konnte für Sterbliche den Tod bedeuten. Selbst Leif war das eine oder andere Mal schon nicht in der Lage gewesen jemanden zu retten. Manchmal war das Sterben unausweichlich. Er würde es nicht soweit kommen lassen und schritt weiter den Gang entlang.

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Lucien erkannte schließlich die Umgebung um sich herum als er in das Licht einer Fackel trat, die neben einer Tür angebracht war. Das hier war die Kanalisation einer Stadt. Die Bereiche, die niemals ein Menschfreiwillig aufsuchte. Die Tür war von merkwürdigen Zeichen bemalt ähnlich denen, die er im Zimmer von Sebastian gesehen hatte. Er roch den Duft von Blut, der ihm unangenehm süß aufstieß. Wieder war der Schrei aus der anderen Richtung zu hören. Die Kanalisation war undurchsichtig, labyrinthartig und hinter jeder Kurve konnte ein Angreifer lauern.

Der Hauptmann wusste, das er sich in dieser surrealen Traumlandschaft nicht auf seine Kräfte verlassen konnte. Ja, Aufwachen, das konnte er von sich aus; hatte er es doch auf mysteriöse und wohl auch magische, dabei jedoch nach wie vor völlig unerklärliche Weise von Jean gelernt. Damals, als dieser nur ein Knabe gewesen war und er selbst die Bestie außerhalb der Stadtmauern. Aber dies war ein anderer Traum, der möglicherweise anderen Gesetzmäßigkeiten folgte. Trotzdem wollte er es nicht riskieren, die mit merkwürdigen Zeichen versehene Tür, ohne weiteres zu berühren. Er kannte die Zeichen von Sebastian und auch davor schon hatte er ähnliche Zauberrunen an anderen Orten gesehen. Lucien glaubte sich zu erinnern, das Oriundus seinerzeit auch solche Schutzsiegel angebracht hatte, genau wie die Mönche im Kloster, als man zur heiligen Lanze aufgebrochen war. Immer wieder diese Tremere Magie. Er suchte nach seinen Handschuhen und zog diese an. Dann hob er vorsichtig die Fackel aus ihrer Verankerung, damit sie ihm Licht spenden möge. Wie armselig. Für gewöhnlich hätte er noch in völliger Finsternis jede Bewegung erkannt, nun war er völlig von Gegenständen und Werkzeugen abhängig. Nicht einmal die nächste Ratte konnte er fragen, damit sie ihm den Weg weisen würde. So bitter es klingen mochte aber er würde den Schreien so gut es ging folgen müssen und es war ihm klar, wer da schrie. Er versuchte die Tür mit den Schutzsiegeln zu öffnen, langsam und vorsichtig; sich immer weiter mit der Fackel in der Hand durch die Finsternis um ihn herum nach vorne tastend. Man durfte ihn nicht erwischen oder entdecken, das war seine wohl einzige Chance um herauszufinden wo Jean sich befand. Er würde sich so gut es ging, alles einprägen müssen obgleich ihm in der Realität, ganz andere Fähigkeiten zur Verfügung stünden.

Lucien griff nach der Klinke der Tür und drückte sie herunter. Sie öffnete sich nicht. Er spürte einen seltsamen Widerstand, der um so fester wurde je mehr er sich gegen die Tür stemmte… wie eine Kraft, die sich ihm entgegen drückte und dann Kontakt zu seiner Haut, seinen Muskeln aufzunehmen begann. Etwas presste sich gegen ihn, so wie er gegen das verstärkte Holz drückte und begann ihn wie unglaublich kräftige Fäuste zu zerquetschen.
Lucien ließ die Klinke los.
Der Schrei war erneut aus der anderen Richtung, den Gang weiter hinunter, zu hören. Eine Ratte huschte an seinem Stiefel vorbei, stellte sich auf die Hinterpfoten, witterte nach ihm und huschte dann erneut in die Dunkelheit.

Er stöhnte unterdrückt auf und verkrampfte die Hand, als er die Türklinke überrascht los ließ. Diese Magie war stärker als er es gewohnt war, selbst mit Handschuhen lastete ein ungeheuerlicher Zauber auf dieser einfachen Tür. Vermutlich wirkten die Runen auch um einiges stärker auf ihn, da er ja in der Realität des Traumes wieder sterblich war. Einen normalen Menschen, hätte diese Tür unter Umständen umgebracht. Was für ein Glück, das er anscheinend ohnehin den falschen Weg gewählt hätte. Er wandte sich in die Richtung, welche die Ratte eingeschlagen hatte, konzentrierte sich für einen kurzen Moment und ging dann weiter. Immer den Schreien nach. Er würde sie zahlen lassen, jeden einzelnen. Lucien Sabatier hatte nicht viele Sterbliche um die er sich wirklich sorgte, im Grunde nur einen einzigen. Aber er würde dafür Sorge tragen, das nachdem er hier unten fertig war, nur noch Blut durch die schimmelnden Becken laufen würde und Asche an der Wand kleben würde. Und wenn er damit fertig war, würde er die Hintermänner suchen und jeden einzelnen höchstpersönlich töten. Jeden einzelnen.

Lucien schritt weiter. Das Wasser füllte in diesem Bereich der Kanalisation den ganzen Boden aus und es gelang ihm nicht trockenen Fußes durch den Gang zu kommen. Das Wasser war eiskalt. Eines konnte er sich denken: Das hier war ein Traum, keine Frage, aber dennoch mochte das, was hier geschah Auswirkungen irgendeiner Art auf die Realität haben.
Die Dunkelheit wirkte intensiver, finsterer. Das Licht drang hier kaum einen Meter weit. Vor sich hörte er ein Aufplatschen, wie das Geräusch von Schritten durch das eisige Wasser. Dann verstummte das Geräusch mit einem Mal. Vor ihm war es still.

Er hatte keine Wahl. Was immer dieser Traum auch als abstraktes Spiegelbild der Realität veranstalten würde, er konnte nur weiter gehen, in der Hoffnung Jeans Aufenthaltsort zu finden und gar einen Blick auf seine Häscher zu werfen. Das Platschen beunruhigte ihn mehr als üblich, denn das konnte im Grunde nur eines bedeuten: Die Vorhut hatte ihn entdeckt und war gerade dabei Meldung zu machen oder ein paar spaßige Überraschungen vorzubereiten. Zeit genug für die eine oder andere Falle, gab es allemal. Er würde extrem vorsichtig sein müssen. Langsam kämpfte er sich Meter für Meter durch das eiskalte Wasser. Nun, er würde zumindest nicht krank werden, wenn er wieder aufwachte.

Lucien war vorsichtig, setzte sorgsam jeden Fuß vor den anderen. Plötzlich vernahm er ein Geräusch von der rechten Seite. Eine Gestalt stürzte sich aus einer winzigen Seitennische auf ihn. Lucien sah das Aufblitzen von Metall. Ihm war klar. Sein Gegner war bewaffnet. Und er spürte die eiserne Entschlossenheit mit der dieser kämpfte. Die Klinge war exakt gezielt. Lucien blieb nur eine einzige Wahl: Ausweichen. Der Schlag folgte präzise, war direkt auf seinen Hals gerichtet. Es gelang ihm im letzten Moment nach links auszuweichen. Die Schwertschneide wurde von den metallenen Beschlägen seiner Rüstung zum größten Teil abgefangen. Dennoch spürte er, wie sich die Klinge in seinen Oberarm bohrte und seine Muskeln zerstritt. Lucien spürte Blut, das warm und schmerzhaft aus seinem Arm floss. Er hatte seit Jahrhunderten keinen Schmerz mehr gefühlt, der diesem gleichkam. Lucien kannte den entscheidenden Unterschied: Diese Verletzungen waren im Gegensatz zu denen, die er in seinen kainitischen Nächten kannte, tödlich.
Lucien entschloss sich zu dem, was ihm am sinnvollsten erschien. Mit der Fackel in seiner Linken stieß er nach seinem Gegner. Wenn er ihn wirklich verletzen wollte, dann musste er auf das Gesicht zielen. Er holte mit der Fackel aus und erkannte im Licht des Feuers ein Gesicht.
Er biss die Zähne zusammen um nicht aufzuschreien als er das altbekannte Gesicht von Jean im Schein der Flamme erkannte. Im letzten Moment gelang es ihm die Fackel ein winziges Stück weit vorbei zu lenken, sodass die pechgetränkte Fackel sein Mündel nicht verletzen würde. Der Gangrel selbst war um einiges schlechter dran, denn dickes Blut sickerte über seine dicke, verstärkte Kleidung, wo die Klinge sich in sein Fleisch gebohrt hatte. "Jean verdammt... ich bins, Lucien verdammt", zischte er und spuckte die Worte gepresst hervor. Nur nicht zu laut aufschreien um dann doch noch jemand anders aufzuwecken.

Jeans Augen weiteten sich erschreckt. Er versuchte das Schwert herum zu reißen, doch es gelang ihm nur mit Mühe. Das Schwert durchschnitt Luciens Kleidung ohne Schaden zu machen am Halsbereich. Panisch blickte Jean auf die Klinge in seiner Hand und warf sie fast mit Abscheu zu Boden. Dann wandte sich der Blick der grauen Augen zu Lucien. Sein Gegenüber war diesmal wohl so um die 15 Jahre alt. „Verdammt, Lucien. Es tut mir so leid. Ich dachte…, ich wollte nicht…“ Er sah sich nach links und rechts um, dann atmete er tief auf. Erleichterung war in seiner Gestik zu erkennen.

Lucien atmete ebenso erleichtert aus und stützte sich auf seine Knie. Trotz der Kälte, lag ihm der pure Angstschweiß auf der Stirn. Das war knapp gewesen, mehr als knapp und ein Handicap würde er dennoch davon tragen. "Schon gut...", brachte er keuchend hervor und versuchte sich zu beruhigen. Das Blut tropfte noch immer in den dreckigen Kanal. Der Hauptmann zückte seinen Dolch und zerschnitt sich die Kleidung, sodass er einen handlichen Stofffetzen hatte, mit dem er die Wunde erstversorgen konnte. Kein Vergleich zu den Heilkünsten Leif Thorsons aber was blieb ihm schon anderes übrig. Als die Wunde verbunden war und er merkte, das sein Arm schon halb taub vor Schmerz und Kälte geworden war, lächelte er grimmig. Ja, so war das wenn man getroffen wurde und nicht mehr darüber lachen konnte. Und das war nur das zaghafte Streifen eines kurzen Schwertes gewesen, kaum der Rede wert. Die Untoten mussten wirklich wahre Monster sein, wenn er daran dachte mit welcher Kraft beispielsweise ein Gerrit zuschlug. "Ich dachte selbst du würdest bereits zur gegnerischen Vorhut gehören. Offenbar befinden wir uns in den Katakomben unterhalb von Gent." Er nickte in Richtung des Schwertes, das Jean fallen gelassen hatte. "Heb es auf, mein Arm ist nicht mehr zu gebrauchen und du wirst uns beide verteidigen müssen falls notwendig. Konntest du dich hier unten schon etwas umsehen?"

Lucien betrachtete Jean eingehend und seine Augen wirkten ungläubig. Ja das war eine junge Version seines Mündels und ja, der Junge hatte sofort wieder das Schwert ergriffen. Dennoch war da eine Restunsicherheit und Nervosität, die er dem Hauptmann der Tagwache nicht zugetraut hätte. Das war nicht Jean Sabatier wie er ihn kannte. Viel zu oft war er schon in Gefahr gewesen, viel zu viele Auseinandersetzungen hatte er bestritten und wie man auch hier wieder einmal gut sehen konnte: Wäre Lucien nicht unsterblich gewesen und mit den Vorzügen des Untods 'gesegnet', so wäre nicht einmal sicher ob Jean ihn nicht in einem Schwerkampf besiegen hätte. Natürlich war diese Umgebung alles andere als einladend und die Umstände recht aussichtslos, dennoch hatte er Jean mehr zugetraut. Er legte ihm die Hand auf die Schulter und drehte ihn zu sich heran, sah ihm dabei fest in die Augen. "Ja, sie sind hier irgendwo aber das heißt noch lange nicht, das wir uns von der Angst übermannen lassen sollten. Was ist los mit dir? Du wirkst... unkonzentriert. So kenne ich dich nicht. Was ist hier passiert?"

Jean schüttelte ungläubig den Kopf, versuchte sich zu sammeln. „Verdammt, Lucien, was tust du hier? Du bist doch in Brügge. Zumindest solltest du dort sein, oder?“ Wieder wich sein Blich ab, fixierte unbestimmte Punkte in der Schwärze des Kanalisationsschachts. Der Gangrel riss ihn herum. "Jean, wir sind uns zuvor schon in einem Traum begegnet. Du hast mir erzählt, warum du nach Gent zu Balduin aufgebrochen bist und das dich jemand angesprochen hat, weil er dich für mich gehalten hat. Du hast mir außerdem von deinem Verfolger erzählt, dem du nicht hinterhergekommen bist und den du nicht stellen konntest. Erinnerst du dich? Konstantin ist nach Brügge geritten und hat mich alarmiert worauf ich mich auf den Weg gemacht habe, als wir uns im Traum begegneten, war ich gerade beim Speckfürst untergekommen." Lucien schüttelte besorgte und irritiert den Kopf. Der Junge, denn Mann war er in diesem Traum wohl keiner, war völlig panisch und sogar leicht in einer Art Schockzustand. "Ich bin in Gent und habe nach dir gesucht, allerdings bei Balduin nicht gefunden - wo bist du Jean? Und was geht hier in der Stadt vor sich? Sind es die Nosferatu die du hier unten fürchtest?"

Jean schüttelte ungläubig den Kopf, sah Lucien wieder an. Er versuchte sich zu konzentrieren. „Ich… verstehe nicht…“ Er umgriff den Schaft seines Schwerts so fest, dass die Knöchel weiß wurden. „Ich weiß nicht… das alles ist zu real um ein Traum zu sein.“ Er kniff sich in den Arm. „ich müsste doch aufwachen, wenn es weh tut, oder?“ Verzweiflung lag in seinen Zügen. „Ich habe versucht meinen Verfolgern zu entkommen. Ich war bei Balduin, aber auch da wurde ich von ihnen entdeckt und verfolgt. Der eine hat einer alten Küchenmagd, die schreien wollte die Kehle herausgerissen und dabei nur gegrinst, an ihrem Blut gerochen und sie dannangewidert auf den Boden geschmissen. Die Frau hieß Oriunde, war ein herzensguter Mensch und seit Jahrzehnten im Dienst der Grafen…“ Jean riss sich zusammen, konzentrierte sich auf das Hier und Jetzt. „Ich bin geflohen um keine weiteren Bewohner des Schlosses zu gefährden. In einer Sackgasse habe ich mich den Männern schließlich gestellt. Ich wusste, ich hatte keine Chance zu entkommen…“
Panisch fixierte er die grauen Augen des Hauptmanns, schien sicher gehen zu wollen, dass Lucien ihn wirklich verstand. „Ich war um Meilen besser im Kampf als diese untrainierten dunklen Gestalten. Ich hab einem den Kopf von den Schultern geschlagen und der wurde innerhalb weniger Sekunden zu Asche. Einen anderen habe ich schwer verwundet. Wunden, die kein Mensch je überstehen könnte, doch er hat sich nur amüsiert auf eine Kiste gesetzt und dem letzten der Angreifer, einem schwarzhaarigen Hünen, und mir beim letzten Kampf zugesehen. Ich hab dem Anführer schließlich beide Hände, …nein Klauen, abgehackt… und der Kerl hat nur angefangen zu lachen. Er stand da und hat gelacht und gelacht. … Er meinte dann, wir hätten für diese Nacht genug gespielt… Ich wäre ein würdiger Gegner…würdig… beschissene Belanglosigkeiten. Dann meinte er zu dem anderen, den ich vorher verletzt hab, es wäre genug. Er gab ihm ein Zeichen und irgendwie hat der Verletzte mich gepackt. Der ohne Hände hing an meiner Kehle…“ Unbändiger Hass loderte in den Augen des jungen Mannes auf. „Sie haben irgendetwas anderes gemacht und irgendwie ist es mir dann gelungen, dem anderen ein letztes Mal das Schwert in die Seite zu rammen. Ich konnte abhauen, bin hierher geflohen… Aber bevor ich im Schacht verschwand hab ich noch einen Blick auf den schwarzhaarigen Anführer werfen können: Seine Hände waren wieder da und er grinste von einem Ohr zum anderen.“ Jean schüttelte sich. Ob vor Grauen oder Kälte war nicht zu erkennen.

Lucien verankerte seine Pechfackel in einem breiten Riss in der Kanalisationsmauer, sodass der Schein des Feuers die direkte Umgebung in flackerndes Licht tauchen würde. Nur einen Moment später umfasste er mit beiden Händen die Schultern von Jean und zog ihn näher an sich, sah ihm fest in die Augen. "Jean, du darfst dich nicht von diesen magischen Kunststückchen täuschen lassen. Das hier ist ein Traum, ein kalter, dreckiger und von mir aus sehr real wirkender Traum aber mehr auch nicht. Es sind Fantasiegebilde und Trugbilder die man uns vorgaukelt! Du träumst und auch ich träume; wir begegnen uns, wie immer das auch möglich ist in diesem Traum. Ich bin in Gent! Leif und Lilliane sind in Gent! Wir wissen das Übles im Gange ist und wir werden dich retten, darauf hast du mein Wort!" Er zwang Jeans Blick in den seinen. "Du darfst dich nicht in diesem Irrsinn verlieren hörst du? Alles was du erlebt hast, mag wahr gewesen sein, selbst die Geschichte mit den wieder nachwachsenden Händen und deiner Flucht. Nur augenblicklich, bist du mit mir in einem Traum... ein Traum, mehr nicht Jean! Sie dir das an..." Lucien riss den Arm hoch, der mit einem breiten Stück Stoff abgebunden war, der sich langsam rot färbte. "Blut.. warmes, frisches Blut. Jean, ich bin tot und ich blute nicht mehr. Das hier ist nur ein Traum, erschaffen von einem widerlichen Hexer der uns in den Wahnsinn treiben will. Du musst deine Gedanken wieder ordnen, konzentriere dich."

Jean schluckte, nickte. Dann riss er plötzlich das Schwert hoch, fixierte einen Punkt im Dunkeln irgendwo hinter Lucien gelegen und ging in Kampfposition.
Von hinten war ein Lachen zu hören, tief, dunkel, das von den Wänden zurück geworfen wurde. Dann die raue Stimme, die nach Steinen klang, die einen Geröllhang hinunter rollten. „Das muss dann wohl Lucien Sabatier sein…“ Die Stimme hatte einen Akzent aus dem Norden und er sprach den Namen des Hauptmanns falsch aus. „Luzjen Sabtje. Du glaubst also, du holst ihn hier wieder raus?“ Wieder war das Lachen in Luciens Rücken zu vernehmen. Dann war die Stimme grimmig und leise. „Vielleicht solltest du aufhören Versprechungen zu machen, die du nicht halten kannst.“

Er riss die Fackel aus der Verankerung und drehte sich mit dem flackernden Licht in seiner Hand, in Richtung der lachend-grollenden, danach flüsternden Stimme. "Oh, ich habe bereits Erfahrung mit Kanälen und Katakomben, merkwürdigen Träumen und Rettungsoperationen. Ich wäre mir nicht so sicher, das ein Scheitern unvermeidlich wäre." Seine Hand ließ die Fackel etwas in der Dunkelheit hin und her gleiten, um die Umgebung auszuleuchten. "Und mit wem haben wir das Vergnügen? Die nächsten Herrscher von Gent nehme ich an?"

Hinter Lucien hatte sich ein breitschultriger Hüne von einem Mann aufgebaut, der sich ein wenig ducken musste um überhaupt in die Kanalisation zu passen ohne mit dem Kopf anzustoßen. . Dennoch nahm sein Körper dabei eher etwas von einem gefährlichen, lauernden Raubtier an. Die roten Augen glühten wie Kohlen in der Dunkelheit. Er war in dreckverkrustete dicke Winterkleidung gehüllt, sein Haar fettig und verfilzt.
Das Lächeln ließ seine weißen spitzen Zähne im Fackelschein aufblitzen. Dann war wieder das dröhnende Lachen zu vernehmen. „Falsch geraten. Dieser Moloch von einer Stadt interessiert mich weniger als die Rattenpisse in diesem Drecksloch. Ich bin dann wohl derjenige, der deine leeren Versprechungen vereitelt, Kettenhund.“ Er trat einen Schritt näher ins Licht.

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Der Hauptmann beäugte den Fremden argwöhnisch und mit unverkennbarer Geringschätzung. Seine Fackel immer noch ein Stück weit vor sich haltend, nickte er schließlich und verzog das Gesicht zu einem schiefen Lächeln. Wenn ihm dieser verdammte Arm nur nicht so gebrannt hätte, wäre es vielleicht sogar noch ein wenig breiter geworden. "Wenn du nichts auf dieses verschimmelte Drecksloch gibst, dann wird es dir sicher nichts ausmachen den Jungen gehen zu lassen. Er bietet dir keinen Vorteil und darum musst du auch nichts vereiteln, Gossenmischling." Sein Blick glitt kurz zu Jean. "Suchst du Lucien Sabatier, dann hast du ihn gefunden. Die Frage ist nur was du von dieser Stadt willst, wenn es nicht die Herrschaft ist." Ein abermals schiefes Grinsen stahl sich in sein Gesicht. "Oder tust du das nur für jemand anderen? Du wirst doch nicht etwa auch an einer hübschen Kette hängen?"

Lucien erkannte, an einem winzigen Zucken um die Mundwinkel des Hünen, das etwas an dem, was er gesagt hatte, seinen Gegner verwirrt hatte. Er spuckte vor Lucien aus.
„Weder die Stadt noch du sind für mich von Interesse, Kettenhund.“
Der Mann wandte den Blick von Lucien zu Jean. „Wo versteckst du dich?“ Er öffnete die Hände, schloss die Umgebung mit einer Handgeste ein. „Wo sind wir hier? Die Gosse dieser gräßlichen Stadt? Das hier ziehst du der Welt da draußen vor? Das ist ein Scherz, oder?“
Jeans Angst war schlagartig verflogen und er trat einen Schritt näher auf den Riesen zu. „Ich ziehe dieses Drecksloch deinem Anblick vor!“ Seine Stimme bebte vor Zorn.
Gutmütig als spräche er mit einem Schuljungen schüttelte der Mann den Kopf. „Heißblütig, tapfer und ein Kämpfer bis zum letzten Tropfen Blut. Du bist hier vergeudet, junger Wolf. Bis du das eingesehen hast, tu mir den Gefallen, und verreck nicht an ‚ner Lungenentzündung.“ Der Mann schnupperte und grinste dann zu einer Ratte, die die witternde Nasenspitze aus einem Loch steckte. Er deutete mit dem Daumen auf das Tier. „ich hab meine Freunde überall. Du kannst dich nicht verstecken.“
Der Hauptmann sah zwischen dem merkwürdigen Mann, der offensichtlich ein Kainit sein musste und Jean hin und her. Sein Instinkt hätte stark auf einen Gangrel oder Nosferatu getippt - der Wortwahl nach zu urteilen, wohl eher ersteres. Weitaus bedeutsamer aber war die Tatsache, dass weder die Stadt noch er selbst dem Wilden etwas zu bedeuten schienen. Eher war es noch Jean, der die Aufmerksamkeit auf sich zog und irgendetwas an den Ausführungen des Mannes, ließen ihn glauben er wäre auf der Jagd nach seinem Mündel. Auf der Jagd nach einem Sterblichen, der ihn soweit beeindruckt hatte, dass man ihm den Kuss weitergeben konnte. Er versteckte sich und wurde gesucht, war vergeudet und sollte an keiner Lungenentzündung sterben, weil er noch wertvoll war. Nur eben nicht in diesem Zustand. Es war schmeichelnd, dass jemand aus seinem eigenen Clan Jean für den Kuss erwogen hatte und gleichzeitig völlig undenkbar. Kühl fuhr Lucien dazwischen. "Erstens: Dieser Sterbliche ist nichts für dich, denn er unterliegt meinem eigenen persönlichen Schutz. Du bekommst, was immer du von ihm willst nur über meine Leiche und damit meine ich meine wirkliche, körperliche Leiche." Er machte einen Schritt nach vorne. "Zweitens: Wenn du mit diesem ganzen politischen als auch magischen Chaos, das gerade in Gent umgeht nichts zu tun hast dann verrate mir doch wer du bist und was du dann in diesem Loch zu suchen hast. Abgesehen von Jean hier."
„Dieser Sterbliche unterliegt deinem persönlichen Schutz? Dann verschwinde besser, denn deine Leiche will ich genauso wenig wie die Stadt und den Dreck hier. Du willst meinen Namen, Hund? Mitru, der Jäger. Merk ihn dir, damit du weißt, wer dir in deiner letzten Stunde den Kopf von den Schultern trennen wird, wenn du dich in Dinge einmischst, die dich nichts angehen.“ Wieder ging er einen Schritt auf die Brügger zu, fuhr mit einem breiten boshaften Grinsen die Klauen aus.

„Also, wo bist du, Junge? Du hast einen Tag Vorsprung, aber sag’s mir lieber gleich, denn ich werde dich finden. Und bevor ich hier mit dir ‚spielen‘ werde…“ Er spreizte die Klauen und schloss die Finger kurz zu Fäusten um anzudeuten, wozu Klauen alles in der Lage waren. „Du kannst dir einiges an Schmerzen ersparen.“ Sein Blick wanderte von Jean zu Lucien. „Oder soll ich mir deinen alten Lehrmeister vornehmen? Er sieht derzeit nicht wirklich gesund aus… eine leichte Beute. Weißt du, was mit Kainiten geschieht, die man im Traum tötet, junger Wolf.“

Jean war mit einem großen Schritt nach vorne getreten, baute sich vor Lucien auf. „Ich hab keine Ahnung, aber was immer es ist, schlag es dir aus dem Kopf.“ Er hob drohend die Waffe, fixierte die messerscharfen Klauen seines Gegners.
Lucien konnte diese sichtbare Provokation natürlich keinesfalls auf sich sitzen lassen. Schon allein deshalb nicht, weil Jean bedroht wurde. So war es nunmehr auch an ihm sein eigenes Schwert zu ziehen und sich mit einem schnellen Satz an seinem Mündel vorbeizubewegen. Selbst dann noch, wenn sie beide in diesem seltsamen Traum 'nur' menschlich wären und ihr Kontrahent, ohne Frage über sämtliche, todbringende Fähigkeiten der Untoten verfügen mochte. Die blitzende Klinge seines vom Meisterschmied gefertigten Klinge, die mit seinem eigenen Blut in einem heidnischen Ritual veredelt worden war, zeigte blinkend auf den Kainiten. "Ich habe keine Ahnung was du von dem Jungen willst aber du kommst nur über mich an ihn heran. Wenn du also nicht der jämmerliche Feigling bist für den ich dich halte, so fordere ich dich außerhalb dieses lächerlichen Traumes heraus. Es ist schon armselig für jemanden deines Kalibers 'Jäger', dich in der Sicherheit von Bluthexer Magie zu wiegen. Stell dich mir, so wie es ein wahrer Jäger tun würde. Keine Spielchen, keine Tricks. Oder sind dir deine Eier schon abgefault?" Er grinste. "Und was deinen unglaublich feinsinnigen Plan angeht: Wie wäre es wenn du uns ein wenig erleuchten würdest, ich habe keine Ahnung warum du diesen ganzen Unsinn veranstaltest wenn dir im Grund alles und jeder egal ist, Mitru."

„Das Angebot gilt, Kettenhund.“ Der schwarzhaarige Riese schüttelte dann den Kopf, ignorierte Lucien, und fixierte Jean. „Wolf, ich werde dich finden. Und ich werde dich noch von meinen Worten überzeugen. Den ersten Schritt bist du mit meiner Hilfe ja bereits gegangen. Das hier ist nichts für jemanden wie dich.“ Voller Ekel ließ er den Blick über Schimmel, Dreck und Kot wandern. Jean hielt noch immer die Klinge fest in der Hand. Lucien erkannte Schweißperlen auf seiner Stirn, die im Gegensatz zu dem Raureif in seinem gefrorenen nassen Haar stand. Jean sah auf Luciens verletzten Arm und schüttelte den Kopf. „Nicht hier, Lucien“ Er schob sich an seinem Lehrmeister vorbei.
Wieder glitzerten die Zähne während Mitru grinste. „Nun denn, dann lass uns spielen.“ Mit einer rasend schnellen Bewegung war bevor Jean richtig reagieren konnte, auf den Jungen zu gesprungen, holte von unten aus um ihn am Kinn zu treffen. Jean wich aus, drehte sich halb nach links und hieb mit der Klinge nach den Beinen des Mannes. Ein Sprung, den der Riese mit Leichtigkeit ausführte, brachte ihn in Sicherheit. Jean war im nächsten Augenblick schneller, stach seinem Gegner tief die Klinge in den Bauch, der diesen Stich, das war Lucien bewusst, absichtlich entgegen genommen hatte um in Jeans Reichweite zu gelangen. Er holte mit der Faust aus und schlug dem Jungen direkt ins Gesicht. Blut lief Jean von einer Platzwunde aus der Stirn über das linke Auge, trübte seine Sicht und spritzte aus seiner Nase direkt auf das Wams und ins Gesicht des Jägers. Genussvoll leckte dieser sich das Blut von den Klauen.

Lucien stand mit der Klinge bereit. Er zielte auf das boshafte, selbstgerechte Grinsen des schwarzhaarigen Mannes, doch dieser wich mit einer Selbstgefälligkeit zur Seite, die einen rasend werden lassen konnte.
Jean nutzte den Moment, den Lucien ihm verschafft hatte, holte mit der Klinge aus, zielte auf dessen Bauch um im letzten Moment die Schwertspitze nach oben zu ziehen: Mit einem grässlichen reizenden Geräusch trennte er dem Kainit die rechte Hand vom Unterarm. Mitru wirkte für einen winzigen Sekundenbrachteil überrascht. Jean trat nach den Füßen des Gegners, brachte diesen aus dem Gleichgewicht. Mit Erstaunen taumelte der Jäger nach vorne, konnte nicht mehr ausweichen. Jean holte aus und hieb seinem Gegner mit einem kräftigen Rundumschlag den Kopf von den Schultern.
Mitru verschwand im gleichen Augenblick. Jean sah zu Boden, suchte nach Asche oder irgendetwas anderem doch nichts war von dem Kainit zurück geblieben. Er rutschte mit dem Rücken an eine Wand und dann erschöpft zu Boden. Er kam mühsam im brackigen Wasser zu sitzen, zitterte und zerrte an einem Stück Stoff, dass er schließlich von seinem Gürtel losbinden konnte. Noch immer tropfe das Blut aus der Kopfplatzwunde und seiner Nase. Er rieb so vorsichtig wie es ihm möglich war über sein Gesicht, aber der Schmerz war schier überwältigend. Dem Hauptmann war klar, dass die Nase gebrochen war. Er ließ das Taschentuch wieder sinken und sah Lucien müde an. „Und, was passiert mit so unsterblichen Scheißkerlen, wenn man sie im Traum tötet?“

Lucien hatte das Schauspiel nur verfolgt, ohne groß Eingreifen zu können. In seiner derzeitigen Verfassung, war er dem Kainiten mehrfach unterlegen. Wenigstens hatte sein vergeblicher Angriff gereicht um Jean die notwendige Zeit zu verschaffen einen wohlplatzierten Schlag zu landen, der mit etwas gekonnter Beinarbeit, schlussendlich zur Enthauptung ihres Gegners führte. Es war alles so schnell gegangen und Lucien kniete sich nun schnaufend neben den verwundeten Jean. Er griff an dessen Kinn und drehte es leicht, platzierte die Fackel abermals in einer Kerbe in der Kanalwand. "Der Bastard hat dir die Nase glatt durchgebrochen, dafür hast du ihn einen Kopf kürzer gemacht." Der Hauptmann tauchte den Stoffstreifen in das brackige aber eiskalte Wasser und drückte es Jean vorsichtig auf die Nase. Anschließend tupfte er leicht mit einem Ärmel über die Kopfwunde. "Nichts was man nicht wieder in Ordnung bringen könnte. Ein paar Tage dienstfrei und ein paar kühle Tücher. Leif macht das schon keine Sorge. Wegen der Nase fragen wir Alida. Vielleicht gefällt‘s Marlene ja auch? Sieht verwegen aus? Jean der Kainitenmörder." Er grinste aufmunternd, wusste aber natürlich im selben Moment das die Situation gänzlich an Humor verloren hatte. Für einige Momente war der Gangrel sehr schweigsam, dann hob er die Schultern. "Ich weiß nicht was mit ihnen passiert aber wenn du dich erinnern kannst, dann hatten Dinge die im Traum passiert sind auch ein Äquivalent zur Realität. Vermutlich wird er eine Zeit lang in Starre verbringen. Endgültig vernichtet wird er eher nicht sein." Er kümmerte sich weiter um Jeans Kopfverletzung während er sich mit ihm unterhielt. "Er hat dich an sich gebunden nicht wahr? Sein Blut... es ist in dir..."

Jean sah ihn an und fast so etwas wie Verzweiflung war in seinem Blick zu erkennen. „Ich weiß es nicht. Ich erinnere mich nicht. Ich weiß nicht, was er getan hat…“ Er wischte sich das Blut von den Lippen. „Wenn ich je über die Macht verfüge mich ihm ernsthaft entgegen stellen zu können.“ Hass und Wut glommen in seinen Augen auf. „Manchmal hasse ich es nie euer Level erreichen zu können. Ganz egal, wie gut ich werde, ich werde nie wirklich eine Chance gegen euch haben.“ Der Junge ballte die Hände zu Fäusten. Er legte den Kopf gegen die Wand und schloss die Augen. „Wenn ich hier aufwache muss ich hier raus. Die Kanalisation… das hier kann tödlich enden…“

Lucien schüttelte den Kopf. Was für den Traum galt, das galt auch für die Realität. Hier in diesem eisigen, stinkenden Kanal, würde Jean bald seinen Verletzungen und körperlichen Belastungen erliegen. Die Wunden, der Blutverlust, der Schmerz und diese Umgebung würden ihn auf kurz oder lang töten. Zwar wusste er nicht was mit Sterblichen passierte, die im Traum umkamen aber er hatte auch kein Bedürfnis es herauszufinden. Jedenfalls nicht dann, wenn Jean darin involviert war. Er musste den Jungen hier herausbekommen. Unverzüglich. "Vermutlich wurdest du nicht nur an ihn gebunden und geguhlt, sondern man hat dir auch die Erinnerung daran genommen. Was immer sie mit dir angestellt haben, es wird dich über kurz oder lang entweder töten oder in den Abgrund des Untods ziehen. Warum auch immer dieses selbstgefällige Arschloch Interesse an dir hat, er ist stur und eisern in seinem Entschluss. Das gehört alles zum Plan. Du wirst Kainit oder Ghul, gebrochen und gebunden ohne es zu wissen und dann versuchen sie das, was sie in Gent versuchen auch in Brügge." Er sah sich in der finsteren, stinkenden Leere der Kanalisation um. "So hat es wohl auch in Gent angefangen. Nach der Reihe haben sie alle verdreht und gefügig gemacht, das war alles von langer Hand geplant." Er legte die Hände auf Jeans Schultern. "Du kannst aufwachen wenn du willst, zumindest aus diesem Traum. Ich habe diese Fähigkeit von dir erlernt und kann nun jederzeit aufwachen. Du kannst das auch! Du musst es nur wollen und dich konzentrieren." Lucien erhob sich langsam.

"Und vergiss niemals was es bedeutet an unser Level heranzukommen. Du siehst all die Vorteile, all die Macht und Fähigkeiten aber sie dich um.... das ist es, womit du dich dann dein ganzes Leben herumschlagen musst. Keine Abende um den Kamin mit Frau und Kind, keine Saufgelage mit den Freunden nach getaner Abend, kein Sonnenlicht, keine Spaziergänge zu Mittag mehr. Mir hat wohl nichts Besseres passieren können, denn die Welt hätte mich nicht vermisst aber du..." Und damit sah er ihn ernst an. "Dich würde das Leben vermissen, Marlene würde dich vermissen und deine zukünftigen Kinder. Und schließlich und endlich bin nur ich daran Schuld, dass du dich damit beschäftigen musst. Ich hätte dich niemals in all das hineinziehen dürfen." Er seufzte. "Aber gut, nun ist es einmal so und wir müssen das Beste daraus machen. Wo bist du in der Realität Jean? Wo und wie kann ich dich finden? Gib mir eine Spur und ich hefte mich auf sie."

Jean hatte die Augen geschlossen. Ob er alle Worte von Lucien aufnehmen konnte war dem Hauptmann nicht klar. Er schien einer Ohnmacht nahe. Kurz wurde er noch einmal wach. „Lucien? Ich weiß nicht genau, wo ich bin, aber wahrscheinlich die Kanalisation… nach dem, was man hier zu sehen bekommt. Ich versuch hier raus zu kommen. Wo soll ich hin?“

"Versuch aufzuwachen, konzentrier dich auf die Realität. Konzentrier dich auf deinen Willen und deinen Wunsch aufzuwachen." Seine Stimme war laut und hallte durch die Kanalisation. Es war ihm schlichtweg egal ob sie gehört werden würden. "Und wenn du wach bist, versuch dich bis zu Balduin durchzuschlagen. Ich traue Borluut nicht und auch nicht Camargue. Schon gar nicht der Königsfamilie oder sonst irgendjemandem. Der einzige von dem ich weiß, dass er vertrauenswürdig ist, ist Balduin. Er hat noch genug Einfluss um dich in Sicherheit zu bringen oder unseren Feinden weitere Schritte zu erschweren. Ich werde dich dort treffen, gleich morgen. Wenn ich dich nicht bei ihm finde, komme ich in die Kanalisation. Und ich bringe den Alten mit. Dann räumen wir auf.. ich verspreche es dir."

Jean schmunzelte kaum sichtbar. „So wie ich derzeit aussehe, werde ich wohl wenig wegräumen. Ich werde weggeräumt…“ Dann schloss er die Augen. Wenige Sekunden später war er fort und auch Lucien wurde aus dem seltsamen Traumgebilde gerissen, zurück in ein weiches, warmes Bett. Er befand sich in einem sauberen, nach Blumen und frisch gereinigter Wäsche duftenden Zimmer. Draußen herrschte der Winter mit Eis, Frost und Erstarrtheit, doch hier drin ging die Welt einen anderen Weg, geschaffen von der wohlwollenden Hand einer kainitischen Bruhjah. Lucien fiel in einen tiefen traumlosen Schlaf.

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"Alea iacta est." oder "Die Würfel sind gefallen." - Lateinisches Sprichwort


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Verfasst: Mo 11. Jan 2016, 13:19 


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BeitragVerfasst: Mi 23. Mär 2016, 21:19 
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Wenige Tage später...
Lucien war es nicht gelungen Jean zu finden. Von Balduin wusste er, dass sein ‚Neffe’ zwar in sehr krankem Zustand bei seinem alten Freund aufgetaucht war, dann jedoch, obwohl der Bastardfürst ihn ins Hospital hatte bringen lassen von dort geflohen war. Lucien hörte, als er sich im Hospital erkundigte, dass zwei Nonnen ermordet worden waren. Man verdächtigte zwar zunächst den Brügger Wachmann, entschied sich aber aufgrund von Lungenentzündung, Wundinfektionen und dem hohe Fieber, dass der Kranke gar nicht in der Verfassung gewesen wäre den beiden gestandenen Frauen diese Wunden zuzufügen.
Und niemand schien Spuren hinterlassen zu haben. Lucien blieb keine andere Wahl… Wenn er seinen Schüler finden wollte musste er noch ein Mal zu dem seltsamen Hexerritual greifen.

Anders als seine Gefährten, hatte er es vorgezogen noch in Gent zu verweilen, bis er Nachricht von Jean erhalten würde. Das war zwar ein wenig aussichtslos aber so konnte er Balduin einerseits noch bei der Aufrechterhaltung der sterblichen Ordnung in der Stadt behilflich sein und zum anderen die weiteren politischen Entscheidungen und Entwicklungen der Borluuts mit verfolgen. Der Gangrel glaubte ja nach wie vor nicht daran, dass sich jetzt plötzlich alles in eitlen Wohlgefallen auflösen würde und man völlig sorgenfrei die Weihnachtsgans verspeisen könnte. Er hatte Balduin Bastardsohn um ein spartanisches Zimmer in der Fürstenanlage gebeten, nahe den Stallungen und Wachquartieren, wohin er sich in dieser Nacht zurückziehen würde um ein weiteres Mal das vermaledeite Hexenwerk zu tun, das ihm der Augsburger beigebracht hatte. Allein der Gedanke ekelte ihn an. Zauberei hatte immer einen widerlichen Preis und jene der Hexer, verlangte immer den ultimativen, wie sie ja schon an Leif sehen konnten. Er legte die Kerzen und Karten vor sich aus, entzündete erstere und besann sich erneut, im Schneidersitz verharrend auf seinen Wald. Selbstredend fiel es ihm schwer sich zu konzentrieren und seelenruhig zu meditieren während Jean im Grunde schon tot sein könnte. Bei seinem Gesundheitszustand und dem was ihn jagte, war das sogar so gut wie bereits eingetreten.
Lucien legte die alten abgegriffenen Spielkarten aus. Wie viele Informationen wohl in ihnen lagen? Wieviel Wissen könnten Leif, Lilliana oder auch Alida aus ihnen ziehen? Die Welt, der Tod und der Mond… Er vollführte das Ritual so wie Sebastian es ihn gelehrt hatte und versuchte die innere Ruhe zu finden, die nötig und doch so schwer zu erreichen war.
Schließlich spürte er die sich nähernden Strahlen der Sonne, die langsam über den Dächern Gents aufging und fiel in Schlaf.

Als Lucien die Augen wieder aufschlug war er von festen Mauern umgeben. Er befand sich in einem Flur, von dem mehrere Fenster zur rechten abgingen. Edle, mit ihm vage bekannte Wappen benähte Wollteppiche schmückten die Wände und die Binsen auf dem Boden waren frisch und dufteten leicht nach Stroh. Offensichtlich eine Festung. Lucien beschlich das seltsame Gefühl, dass er schon einmal hier gewesen war, aber ihm fiel nicht, wann das gewesen sein mochte
Er erhob sich und sog den Geruch dieser merkwürdig vertrauten Umgebung in sich auf; verzog dabei das Gesicht zu einer angespannten Grimasse. Wo auch immer er sein mochte und was ihn einst mit diesem Ort verbunden haben mochte, er war nicht mittels diesem grotesken Hexenwerk in die schlafende Traumwelt Jeans gereist um noch länger in nostalgischen Gefühlen zu schwelgen - er musste ihn finden. Umgehend. Der Hauptmann setzte zügig einen Fuß vor den anderen und betrachtete dabei aus den Augenwinkeln die Wappen auf den Wandteppichen. Irgendetwas daran war ihm wiederum vertraut. Mit scharfem Blick sah er sich weiter um und schritt den Flur entlang. Er musste unbedingt wissen, wo er sich befand.
Er schritt durch den Gang. Tür um Tür öffnete er und obwohl er nicht wusste wie, führten ihn seine Füße fast von alleine. Er sah aus einem der Fenster und erkannte eine in der Dunkelheit verblichene Landschaft, roch das Meer, hörte die Brandung, die sich an den Klippen brach.

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Dann wusste er plötzlich mit einem Mal, wo er sich befand. Lucien stand vor einer großen Pforte, die, daran konnte er sich erinnern, ins Turmzimmer führte aus dem er gemeinsam mit Gerrit, Lilianna und Leif vor Jahrzehnten Balduin und Jean hatte befreien können.
Drinnen waren Stimmen zu hören, eine etwas zögerlicher, ängstlicher; die andere fest und hart.
„Jean? Ich denke uns wird jemand hier raus holen… Der Albtraum wird ein Ende haben. Ganz bestimmt.“
Die Stimme des Älteren antwortete prompt. „Nein! Uns holt hier keiner raus. Nicht, wenn ich es verhindern kann.“
„Jean? Du machst mir Angst… Ich will einfach nur nach Hause. Zu Mutter und Vater. Und Johanna und Margarethe machen sich sicher auch jede Menge Sorgen.“ Lucien erkannte sofort, dass Balduin sprach und die Antwort der jungenhaften Stimme von Jean.
„Verlass dich drauf, Balduin: Du willst ganz sicher nicht zurück. Ich schwöre dir bei Gott und allem, was dir und mir heilig ist, DU WILLST NICHT ZURÜCK! Du noch weniger als ich… bei allem, was dich erwartet.“ Die Stimme hatte einen eindringlichen, fast bedrohlichen Klang, den er an Jean nicht kannte. Sein Neffe hatte Balduin stets wie einen Ziehbruder behandelt. Er hörte Weinen.
„Reiz dich zusammen, Balduin. Du willst ein Fürst sein? Verdammt. Ich krieg uns hier raus! Wir steigen aus dem Fenster. Das ist hoch, ich weiß, aber wir müssen nur 20 Meter an dem schmalen Sims entlang, dann haben wir es zum Nachbarturm geschafft.“
„Und wenn wir abstürzen. Der Sims ist gerade mal fußbreit und der Wind draußen höllisch.“
Jean seufzte. „Ich könnt mir vorstellen, im Vergleich zu dem, was kommt, würdest du das begrüßen…“
Wieder weinte der Fürstensohn leise. Es dauerte wohl 10 Sekunden bis er sich wieder soweit im Griff hatte, dass er Jean erneut ansprechen konnte. „Und wenn die wahnsinnige Gouvernante wieder kommt?“
Jean lachte und der darin enthaltene böse Unterton hätte anderen wohl einen kalten Schauer den Rücken hinab gejagt. „Was wohl? Dann stech‘ ich sie ab. Glaub mir, Balduin. Die ist eh schon längst tot, gefallen durch die Hand eines Mannes hässlicher als der Teufel selbst…“
Lucien eilte auf die Tür zu und stieß diese unvermittelt auf, gleichzeitig zog er an der Schwertscheide auf seinem Rücken. Die matte Klinge blitzte auf, als der Gangrel das Zimmer betrat. Er sah sich im Zimmer um und hatte schon allein anhand der Stimmen erkannt, dass Jean und Balduin sich dahinter befinden mussten. Dover Castle, hierhin hatte man den damaligen einzigen und wahren Fürstensohn, mitsamt seinem Begleiter Jean verschleppt. Die alte Gouvernante, war dann von Gerrit höchstpersönlich in die Tiefe gerissen worden; ein brachialer Tod aber einer, den die alte durchaus verdient hatte. Damals war ein großes Komplott gegen Frankreich und Brügge geplant worden; man wollte Flandern daran hindern in den bevorstehenden Krieg einzugreifen. Jetzt war all dies nur mehr ein verblassender Traum, erschaffen vom blasphemischen Wirken der Hexenkunst. "Jean... wo hält er dich fest?", fragte der Gangrel völlig unvermittelt. Es war keine Zeit in Erinnerungen und Lügen zu schwelgen. Das hier war bereits Geschichte.

Als Lucien die Tür öffnete bemerkte er das bereits geöffnete Fenster. Einer der beiden, wahrscheinlich Jean, kletterte als letzter durch die kleine Luke. Er sprach eindrücklich auf den nur wenig jüngeren ein. „Wir schaffen das, Balduin!“
„Dein Wort in Gottes Ohr, Jean…“
Im selben Moment wurde eine andere Tür aufgerissen und eine weibliche Gestalt in schwarzer Kluft trat ein. Ihre entrüstete Stimme war ein Kreischen. „Wie könnt ihr es wagen, ihr bösen, bösen Buben. Ihr habt noch nicht zu Abend gegessen. Wartet nur, wenn ich euch in die Finger kriege. Ich reiß euch die Haut ab… und verspeis sie roh.“
Lucien erkannte die Gouvernante.

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Der Gangrel rollte die Augen über. "Ich habe keine Zeit für diesen Unsinn..." Er holte mit dem Schwert aus und rammte es in die Gouvernante.
Die Malkavianerin wich aus und Lucien spürte, dass sie entsetzt in seine Richtung sah. Sie versuchte in seinen Geist einzudringen, seine Gefühle ins unermessliche zu steigern, aber ihre Kräfte versagten. „Wie kann das sein? Du elender Wurm…“
Lucien versetzte ihr einen kräftigten Hieb mit dem Schwert und traf sie am Arm. Noch immer völlig irritiert darüber, dass Irrsinn bei Lucien keine Wirkung zeigte wich sie nach hinten aus. Sie machte auf dem Absatz kehrt und versuchte durch die Tür zu fliehen
Lucien ergriff sein Schwert fester und holte mit unerbittlicher Stärke aus. Die Klinge schnitt unbarmherzig durch totes Fleisch und Knochen und der Kopf der Malkavianerin, fiel noch kurz mit einem dumpfen Knall auf den Boden, bevor er sich allmählich in Asche verwandelte. Der Gangrel wartete aber nicht länger an Ort und Stelle, das hier war ohnedies nur ein längst vergangener Traum. Mit einem knappen Sprung, erklomm er das Fenstersims und hielt nach Jean und Balduin Ausschau. "Jean.. Balduin... wartet", rief er den Jungen hinterher. Warum musste er auch ausgerechnet hier landen? Was hatte das mit Jeans Verschwinden zu tun? War er gar in England? Der Hauptmann versuchte es erneut: "Jean..."
Lucien erkannte in einiger Entfernung die beiden Jungen. Mühsam kämpften sie sich auf dem bröckeligen Sims voran und sowohl der Wind als auch das immer wieder herabfallende Gestein machten den Fluchtversuch zu einer lebensgefährlichen Aktion

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Sein Rufen war gegen den lauten Wind kaum zu verstehen, aber dennoch wandte sich der fast schwarzhaarige Junge um und blickte den Gangrel an. Kurz verharrte er, macht einen Schritt zurück in Luciens Richtung. Der Hauptmann erkannte Hoffnung und Erleichterung, aber als hätte man ihm eine Ohrfeige versetzt wurden die Züge im folgenden Augenblick wieder hart. Jean schüttelte den Kopf und schluckte schwer.
Lucien hörte Balduins zaghafte Stimme. „Alles okay bei dir, Jean?“
„Ja, es ist nichts…“

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Lucien stand in kaum einem Meter Abstand zum Fenster auf dem Sims, aus dem die Jungen gerade geklettert waren und sah den jungen Jean mit fassungslosen Blick an. Hatte er ihn nicht erkannt oder warum kam er ihm nicht entgegen? Warum zögerte er? Er war einzig und allein seinetwegen gekommen und doch mied sein Mündel ihn wie der Teufel das Weihwasser? Was versprach er sich davon? Hatte man ihn erpresst? Versuchte er gar den Gangrel vor irgendetwas zu schützen? Lucien kämpfte sich auf dem Sims voran. "Jean... was ist los? Komm zurück und wir stehen das gemeinsam durch. Warum flüchtest du vor mir? Ich bins... Lucien...." Ja der Wind war laut und eisig kalt, dennoch musste er es versuchen. Immerhin hatte er den Kopf schon einmal in seine Richtung gedreht.
Lucien spürte es, bevor er es sah. Eine Windböe riss am Fenster, an den Steinen, am Turm selbst. Die Steine begannen zu wanken, der Turm in dem er sich befand schwankte bedrohlich. Der Boden unter seinen Füßen löste sich plötzlich in nichts auf und die Steinplatten fielen ins Bodenlose. Genauso wie er selbst.

Lucien erwartete fast in der Festung zu Gent wieder aufzuwachen, doch als er die Augen öffnete war um ihn herum weiches Gras. Die Bäume standen hoch, irgendwo zwitscherten ein paar Vögel in der aufziehenden Dämmerung ihr letztes Lied. Irgendwo plätscherte ein Bach und Lucien erkannte mit seinem geschärften Blick ein Reh, das eilig davon stob als es ihn witterte. Die Sonne ging gerade unter und tauchte die Baumwipfel in rot- goldenen Glanz. Ein Anblick, den Lucien seit Jahrhunderten nicht mehr zu Gesicht bekommen hatte.
Dann erkannte er Jean. Der Junge war in diesem seltsamen Traum deutlich älter. Wohl Anfang 30. Er war ungefähr 100 Meter vor ihm und rannte mit einer ungewohnten Geschwindigkeit durch den Wald. Er war in keinster Weise krank oder verletzt, das war Lucien klar.
Er hatte den Fall unweigerlich kommen sehen. Bereits als das Mauerwerk unter ihm bedrohlich zu Schwanken begann, hatte er das Gefühl zu stürzen. Das war für Träume ganz natürlich; auf seltsame Art und Weise, wusste man immer irgendwie schon was als nächstes passierte. So griff er nur wirkungslos um sich; Gedanken und Fragen überschlugen sich zusammen mit festen Stein und Felsen bevor er in weichem Gras erwachte. Das hatte er allerdings nicht kommen sehen - der Tod im Traum war das unweigerliche Erwachen aus selbigem. Irgendetwas war anders, das konnte er auch ohne die hohen Bäume und die zwitschernden Vögel spüren. Der Gangrel richtete sich auf und blickte in Richtung des vorbeihuschenden, offenbar gealterten Jean. Wortlos stieß er sich vom Boden ab und hechtete ihm hinterher. Was war hier nur los? Anstatt das er sich ihm anvertraute, wie bereits zuvor in ihrem Traum, machte es gar den Anschein sein Ebenbild würde vor ihm fliehen? Zudem schien er auf nahezu magische Art und Weise gesundet zu sein. Keine Spur mehr von Krankheiten oder Verwundungen. Irgendetwas war ganz und gar schief gelaufen. Er versuchte aufzuholen; wagte aber erst nach einigen Augenblicken nach ihm zu rufen: "Jean... warte doch zum Teufel.. was ist los?"
Lucien hastete hinter seinem ‚Neffen‘ her, spürte wie ihm die Luft in den Lungen knapp wurde, wie seine Seite zu stechen begann, sein Herz raste. Er sah es aus den Augenwinkeln und es gelang ihm sich zur Seite zu werfen als eine gewaltige dunkle Kugel aus dem Dickicht auf ihn zugeschossen kam. Eine riesige Gestalt richtete sich zu noch weiterer Größe auf und überragte ihn um sicher einen Meter. Ein Hieb wurde in seine Richtung ausgeteilt und Lucien sprang im letzten Moment nach hinten um den gewaltigen Klauen auszuweichen, die wie knochenartige Dolche geformt zu sein schienen. Er trat mehrere Schritte nach hinten und erkannte erst in diesem Moment worum es sich handelte: einen gewaltigen schwarzen Bären.
Das Ungetüm stieß ein Gebrüll hervor, das sich in alles Lebendige zu bohren schien und wohl noch in tausend Metern Entfernung zu hören war.

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Das war knapp gewesen und vermutlich auch ziemlich tödlich. Warum ausgerechnet jetzt? War das Rauschen des Baches so laut gewesen oder seine Gedanken so sehr auf seinen 'Neffen' konzentriert, das er das riesige Ungetüm von Bär nicht hatte kommen sehen? Immerhin war so ein Muskelberg mehrere hundert Kilo schwer und kündigte sich zuweilen unverkennbar lautstark an. Egal, er konnte sich in diesem Traum nicht von solchen Fragen aufhalten lassen. Es war so und er musste sich damit abfinden; besser gesagt eine Möglichkeit finden, mit dieser neuen Bedrohung umzugehen. Zwar würde er hier getrost sterben können, falls er den Kampf verlor, allerdings wäre es äußerst schmerzhaft und er würde wohl erwachen. Danach würde es erneut eine ganze Nacht dauern, bis er Jeans Spur wieder würde aufnehmen können. Das war eindeutig zu lange. Seine Hand griff an sein Schwertheft und er machte einige Schritte rückwärts, zog in aller gebotenen Langsamkeit das Schwert. "Shh.. ich will dir nichts tun mein großer Brauner... siehst du? Ich bin schon wieder weg..." Vermutlich ein Weibchen das seine Jungen schützte aber was war schon in einem Traum logisch? Andernorts wäre der Bär kein Thema für ihn gewesen und auch die Kommunikation hätte sich einfacher gestaltet; so war er auf das was er aus sterblichen Tagen wusste angewiesen. Und das verriet ihm, dass er in einem direkten Kampf keine Chance hätte.
Der Bär ließ sich wieder auf die Vorderpranken fallen und schlich bedrohlich um Lucien herum. Ab und an führte er einen halbherzigen Hieb mit den Krallen und präsentierte seine wohl handgroßen Reißzähne. Lucien spürte es genau. Er war zu lange ein Jäger um nicht zu verstehen, was hier vorging. Das Tier hatte Gefallen daran mit seiner Beute zu spielen, wog ab, schätzte seinen Gegner ein. Lucien wartete auf den entscheidenden Angriff, wusste, er würde kommen, aber genau in dem Moment, da er zurückwich weil er die tödliche Attacke vermutete wandelten sich die Züge der Bestie und Lucien. Die Muskeln wurden schmaler, sehniger, der Pelz zu Haar, das an vielen Stellen am Körper übrig blieb, die Reißzähne zu einem höhnischen Grinsen. Vor ihm stand der Kainit, den er damals im Traum in der Kanalisation von Gent angetroffen hatte. Seine Stimme war rau und noch immer war etwas von einem Brüllen darin. „Du schon wieder?“

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Lucien zog sein Schwert endgültig und sah den ehemaligen 'Bären' kalt an. "Ich hatte schon so die Vermutung, dass etwas an so einem Bären aus heiterem Himmel nicht stimmen kann. Kein Tier verhält sich so, zumindest kein natürliches." Er quittierte das höhnische Grinsen, mit seinem bekannten, schiefen Lächeln. "Und ja, scheinbar wirst du mich doch nicht so ohne weiteres los." Mit einer schnellen Drehung, richtete er die Schwertspitze auf den Mann. "Ich bin hier, weil ich den Jungen einfordere. Er gehört zu mir und dort wird er auch bleiben. Wer du bist, weiß ich bereits doch weiß ich immer noch nicht, warum du hinter Jean her bist. Antworte mir, denn auf kurz oder lang werden wir uns ohnehin gegenüberstehen und da will ich wenigstens wissen, warum wir dieses ganze Theater veranstalten."
Der Kainit schüttelte sanft das Haupt und sein fettiges Haar klebte dabei an seinem Gesicht. „Du kannst nichts einfordern, was nicht dir gehört, Kettenhund. Aber eins muss man dir lassen: Du bist hartnäckig.“ Er trat einen Schritt näher auf Lucien zu und er bewegte dabei seine messerscharfen Klauen. „Vielleicht wird es Zeit, dass du deine Suche endlich aufgibst.“ Wieder stieß der Hüne einen tierhaften Schrei aus, der eher wie das Brüllen des Bären klang, der er vor kurzem noch gewesen war. Es vergingen wohl an die 30 Sekunden in denen sich beide Männer schweigend musterten
Hinter dem Kainiten erkannte Lucien schließlich seinen Schüler. Der junge Mann versuchte sich gerade zu halten, aber das fiel ihm schwer. Er wich Luciens Blick aus und kam langsam näher. Obwohl er die Schultern gesenkt hatte lag etwas Federndes in seinem Gang und Lucien bemerkte den schmalen Streifen Haar, das vom Nacken den Rücken hinabwuchs- das gleiche Erkennungsmal, das er auch trug.
Er hatte einen ganz und gar üblen Verdacht; die gleiche ungute Eingebung, die ihn schon einmal in seinen abstrusen Vorstellungen verfolgt hatte. Ein ganz und gar schrecklicher Gedanke, der sich hoffentlich nicht zu bewahrheiten schien. Mitru war einfach nur ein weiterer Jäger, der sich als Bär durch die Wildnis schlug. Ein Gangrel wie er einer war, nicht mehr und nicht weniger. Das aber wiederum bedeutete nicht, dass selbst der egoistischste und furchterregendste Jäger, sich keinen Schüler zulegen konnte. Und kein Kainit nahm einen einfachen Schüler; Kainiten zeugten Kinder und töteten sie dabei. Der Fluch wurde weitergegeben, wobei es in seinem Clan eigentlich Tradition hatte, das neugeborene Kind sich selbst zu überlassen. Nur die Starken kamen weiter. Sollten sich seine schlimmsten Alpträume bewahrheiten? Er senkte die Klinge ein Stück und ignorierte das Brüllen des Mannes; das waren alles nur Drohgebärden. Sein Blick streifte den 'Schüler' und er legte den Kopf schief. Unsicher fragte er diesen direkt ansprechend: "Jean?... Was hat er... dir angetan?"

https://www.youtube.com/watch?v=aFOo86PDDuE

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Der Weg zum Ziel beginnt an dem Tag, an dem du die hundertprozentige Verantwortung für dein Tun übernimms.
Dante Alighieri


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BeitragVerfasst: Do 24. Mär 2016, 21:58 
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https://www.youtube.com/watch?v=I0ETe5I ... 917137B545

Jean trat näher, öffnete den Mund während seine grauen Augen sich in diejenigen von Lucien zu bohren schienen. Mitru ging dazwischen bevor der jüngere antworten konnte und wischte jegliche Regung mit einer raschen Geste seiner klauenbewehrten Hand beiseite. Seine Stimme war ein drohendes Brodeln. „Ich habe ihm nichts angetan. Außer ihm zu zeigen worauf es in dieser Welt wirklich ankommt… das einzige, was zählt! Aber was versteht schon ein Kettenhund wie du davon? Winselst in deinen dreckigen Moloch und bildest dir ein frei zu sein! Nach allem, was ich gehört habe warst du doch vor langer Zeit einer der besten?!““ Er trat näher auf Lucien zu und baute sich in wohl drei Metern Entfernung vor dem Hauptmann auf. „Sag mir, was hat dazu geführt, dass du dich in einer windschiefen schäbigen Hütte vor dem warmen Kamin verkriechst, dir eine Herde von Menschlein um dich herum aufbaust und deine wahre Natur verleugnest? Du willst ein Gangrel sein?“ Er spuckte vor Lucien aus. „Dass ich nicht lache.“
Er ging wieder einige Schritte nach hinten, trat neben Jean und ließ seine mächtige Pranke auf dem Kreuz des jungen Mannes nieder fahren. Er klopfte ihm anerkennend auf die Schulter. „Nachdem ich ihn mit einigem an Blut und persönlicher Überredungskunst, und glaub mir, der junge Wolf hier war der hartnäckigste Gegner, den ich je in der sterblichen Welt gehabt habe, dazu gebracht hatte sich für den wahren Weg zu öffnen, war er ein fast meisterlicher Schüler. Er versteht auf Anhieb und hat ein fast unheimliches Gespür für den Weg des Tieres.“ Er sah zu Jean und forderte ihn mit einem Öffnen der Handfläche dazu auf zu sprechen. „Sag’s dem Kettenhund, junger Wolf.“
Jean trat auf Lucien zu, straffte die Schultern nach hinten und sah ihn dann fest an.

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Zum ersten Mal hatte Lucien den Eindruck, dass sein Neffe nicht exakt wie er aussah. „Ich gehöre hierher. Hier ist mein Platz!“
Mitru sah Lucien mit einem höhnischen Grinsen an. „Jetzt hast du’s selbst gehört. Schöne Worte, nicht wahr? Ein Schüler, auf den man stolz sein kann…"

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Er klopfte Jean noch einmal kräftig mit der Pranke auf den Rücken. „So. Und jetzt… erledige ihn!“
Jean zögerte nur einen Sekundenbruchteil. Dann zog er seine Klinge. Die Worte, die der alte Gangrel zu seinem neuen Schüler sprach sollten wohl dazu dienen diesen zu ermutigen. „Keine Angst! Er kann dich nicht besiegen. Du bist um Meilen besser als er. Zeig ihm, was wir mit Kettenhunden machen, die sich in unserem Revier verirren. Und dann: Lass uns hoffen, dass er verschwindet und vor allem in der realen Welt nicht mehr auftaucht. Es wird Zeit, dass du lernst deine Träume vor ihm zu verschließen.“
Jean nickte und trat mit der glänzenden Schneide einen Schritt auf Lucien zu. „Ja, Meister.“
Er ließ drohend die Schneide niedersausen und das Metall hieb durch die Luft wie ein Blitz, wohl nur eine Handbreit von Lucien entfernt. Er ging in Angriffsposition.
Lucien hob das spitze Ende erneut an und hielt es abermals in die Richtung des Hünen. Seine grauen Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen und er legte den Kopf schief. Sein Blick war kälter als die französischen Alpen. Ganz langsam begann er zu sprechen. "Ich kann mich nicht daran erinnern, mit dir gesprochen zu haben, geschweige denn dich um irgendeine Meinung oder einen Kommentar gebeten zu haben.“ Seine Mundwinkel wanderten amüsiert nach oben. "Was kümmert es mich noch, ob ich einmal einer der 'Besten' oder der 'Schlechtesten' war? Woran misst du das? An deinem eigenen bedeutungslosen Standard? Du interessierst mich nicht, genauso wenig wie der Dreck den du verzapfst. Ich will den Jungen und wenn ich herausfinde, dass du ihn..." Weiter kam er nicht, denn da trat Jean schon nach vorn und sprach die Worte, die der Gangrel nicht glauben konnte oder wollte. Natürlich war nichts davon echt. Die tagelange Folter, der Schlafentzug, der Blutverlust und die ständige Angst, gepaart mit dem dreckigen Blut Mitrus, hatten selbst Jean gebrochen. Es war nur ein Traum aber irgendetwas tief in ihm, vermutlich eine Art tierischer Instinkt, sagte ihm dass diese Szenerie sich genauso gut in der realen Welt ereignen konnte. Lucien sah Jean lange an und wirkte gefasst. "Gangrel haben keine Lehrer und Ghule genauso wenig. Es gibt keine Meister und Schüler sondern nur die, die überlebt haben und die, die gestorben sind, mehr nicht. Es gibt keine Lehrstunde und keine Kreidetafel, das was wir lernen, lernen wir auf die harte Tour, Jean. Du bist kein Sklave und du musst auch keiner sein, denn mich bezeichnet er als Kettenhund und dich will er an einer Kette halten. Das ist noch weiter von allem was man so liebevoll 'Gangrel' nennt entfernt, als irgendetwas anderes. Wir können das gemeinsam durchstehen Jean..." Er sah ihn lange und eindringlich an.
Sein Schüler schüttelte mit regloser Miene den Kopf. „Ich habe meinen wahren Meister gefunden. Es wird Zeit, dass du verschwindest!“ Er ließ das Schwert erneut durch die Luft schnellen.
Mitru begann bei den Worten erfreut zu lachen.
Lucien beobachtete Jean genau. Die Bewegungen waren fließend wie die eines Raubtieres, seine Körperhaltung bestens ausbalanciert, jede Faser seines Körpers bis aufs Äußerste gespannt. Dann bemerkte er es: ein winziges Zucken um die Mundwinkel des Jüngeren; ein winziges Lächeln. Dann vollführte er eine seltsame Bewegungsabfolge. Im ersten Moment rechnete Lucien mit einem gefährlichen Angriff, aber dann erinnerte er sich daran, woher er dieses Angriffsmuster kannte: Balduin und Jean hatten viele, viele Male miteinander trainiert, sich dabei mehr als ein Mal an die gegenseiteigen Grenzen getrieben und dabei das letzte gegeben um den anderen im spielerischen Zweikampf zu besiegen.
Der Beginn dabei war immer der gleiche. Es fing stets mit einem Scheingefecht mit oftmals perfekt aufeinander abgestimmten Bewegungsabfolgen an. Der eine hieb, der andere vollführte blind dazu die entsprechende Parade. Und beide, das war vom ersten Hieb klar, würden nicht ausbrechen und den anderen verwunden. Ein unausgesprochenes Abkommen.
Lucien verstand sofort: Was auch immer Jean plante, er würde ihn nicht ernsthaft verletzen.
Lucien wollte schon fragend eine Augenbraue heben, stattdessen verbarg er angestrengt seine Überraschung. Was immer Mitru gedacht hatte ihm angetan zu haben: Der Junge war nicht zu bändigen oder zu brechen. Keine gefrorenes Abwasser, keine Kampfwunden, kein Fieber, keine Angst oder Schlafentzug konnten den Hauptmann der Tagwache aufhalten. Der Gangrel war gerade unheimlich stolz auf seinen 'Neffen', durfte sich dies aber nicht anmerken lassen. So passte er nur seine Grundstellung derer von Jean an, um einen netten kleinen Schaukampf beginnen zu können; eine zigfach wiederholte Abfolge von immer gleichen Bewegungsabläufen. "Ja ich sehe schon, der Junge hat tatsächlich viel vom Weg des Tieres gelernt." Für den Bruchteil einer Sekunde nickte er bedächtig und lächelte schief; ein merkwürdig freundliches Lachen das man vielleicht als Galgenhumor hätte deuten können. In Wahrheit galt es allein Jean. Lucien hatte verstanden. "Aber was noch viel wichtiger ist, er hat tatsächlich von einem der Besten gelernt." Der Hauptmann spannte die Muskeln an und rief sich die Bewegungen wieder ins Gedächtnis.
Jeans Ausfälle und Hiebe kamen rasch. Mit rasender Geschwindigkeit folgte ein Angriff auf den nächsten. Und dennoch war jeder einzelne so platziert, dass es Lucien im letzten Moment jedes Mal gelang ihm auszuweichen oder ihn zu parieren. Dann erkannte Lucien das Muster: Jean trieb ihn in eine gewisse Richtung… stets nach Osten.
Mitru folgte in wenigen Metern Abstand, nach wie vor höchst amüsiert über den scheinbar ungleichen Kampf mit dem in seinen Augen sicheren Ausgang. An einem Abhang schloss Jean kurz die Augen, fixierte Lucien fest, holte Anlauf und stieß sich dann mit aller Kraft gegen ihn. Beide fielen den Abhang hinab und nur mit Mühe gelang es ihnen sich abzurollen um den schlimmsten Prellungen zu entgehen. Schließlich rappelte sich Jean wieder auf und kam auf die Füße. Mitru war wohl 20 Meter hinter ihnen und versuchte so rasch es ihm möglich war zu folgen. Jeans Worte waren nur ein kaum hörbares Flüstern. „Sieh dich um. Und versuch zu erwachen. Bevor der Bär die Geduld verliert.“

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Lucien betrachte das Panorama. Die Sonne war erst vor einigen Minuten hinter dem Horizont verschwunden und tauchte alles in unwirkliches orangenes Licht. Und dann bemerkte er den einsamen Felsen und wusste, wo er sich befand. In den weiten Wäldern südöstlich von Gent, wohl zwei Tagesritte entfernt. Hier, das wusste er, war noch undurchdringliche Wildnis, dichtes Gehölz, durch das niemand wandeln konnte, verschlungene Pfade, die in das Dickicht hinein aber in den seltensten Fällen wieder hinaus führten

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BeitragVerfasst: Sa 26. Mär 2016, 21:27 
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Er hatte die wohlplatzierten Schläge und Hiebe bereits kommen sehen. Jeder Streich und jede Parade, waren ein wohl einstudiertes Geplänkel, das nicht nur der Unterhaltung diente sondern zugleich auch eine Art Training darstellte. In erster Linie diente es dazu, sich an das Gewicht und den Schwertpunkt von Waffen zu gewöhnen, deshalb bestand dieser ‚Kampf’ auch aus allen möglichen hohen, tiefen, verdrehten, geschwungenen und geschliffenen Finten, Paraden und Manövern. Lucien selbst ließ neue Rekruten gerne diese ‚Trockenübungen‘ durchführen, da die meisten von ihnen noch nicht einmal ein Kurzschwert in Händen gehalten hatten. Selbstverständlich übten und befleißigten sich aber auch versierte Recken in diesen Übungen, gerade um sich ein wenig aufzuwärmen. Für Mitru musste es nach einem wirklich spannenden und gefährlichen Gefecht aussehen, in dem Stahl auf Stahl schlug und scharf geschliffene Klingen sich kreuzten. Nichts davon passierte in der Absicht, den anderen ernsthaft zu verletzten, allein diese Finte würde ihnen beiden nunmehr das Leben retten. Mit gespielter Gegenwehr, ließ er sich von Jean immer weiter in Richtung Osten treiben und tatsächlich hatte er die abschüssige Hügelkante hinter sich nicht bemerkt, als sie schon beide nach unten über dicke Wurzeln, hartes Gestrüpp und erdigen Waldboden rollten.

Der Hauptmann rappelte sich auf und warf einen knappen Seitenblick zu Mitru, der ihnen noch immer grimmig amüsiert nachstellte. Sie hatten einige kurze Augenblicke für sich selbst, bevor der Bär ungeduldig auf eine Entscheidung gieren würde. Ein Nicken, nicht mehr und nicht weniger als sich der Gangrel die Umgebung einzuprägen versuchte. Es blieb nicht viel Zeit, sich jedes noch so kleine Detail zu merken aber den Wald von Gent, den erkannte er durchaus; ebenso die große Felsformation in dessen Mitte. Zwei Tage… er war zwei verdammte Tage in Verzug. Hier in dieser tückischen Wildnis, müsste er alles das er je gelernt und erfahren hatte anwenden, um Jean zu finden und schlussendlich zu befreien. Seinen Neffen einen letzten, entschlossenen Blick zuwerfend, ließ er langsam das Schwert sinken. Seine Stimme warf ebenfalls gedämpft. „Ich werde mich so schnell wie möglich auf den Weg machen. Ich wusste, dass er dich nicht brechen würde, immerhin…“ Er lächelte. „Immerhin bist du mein Junge. Halt noch ein wenig länger durch, ich beeile mich.“ Dann sah er wieder mit kaltem Blick in Richtung Mitru und bevor dieser sich noch in wirkliche Hörreichweite begeben konnte, rief er ihm schon zu.

„Du hast gewonnen Bär. Der Junge ist mir Dank deiner bisherigen Ausbildung bereits über. Hier, als auch in der realen Welt. Du sollst deinen Willen haben Mitru….“ Dann sah er ein letztes Mal zu Jean und nickte knapp und fest, bevor er die Augen schloss und sich angestrengt auf das Zimmer in der Wachanlage der Fürstenfestung konzentrierte. Er wollte aufwachen und nach und nach spürte er den Sog der Realität, der schwer wie ein Sack Steine auf sein Gemüt einprasselten. Langsam verschwanden die Gerüche des Waldes und die wärmenden Strahlen der Sonne, wurden dumpfer und surrealer. Dann mit einem Mal, riss Lucien die Augen auf; fand sich in den Wachquartieren wieder und erhob sich augenblicklich. Es gab keine Zeit zu verlieren – keine einzige Sekunde. Wenn er nicht augenblicklich Jagd auf Mitru machte, waren sowohl er als auch Jean für ihn unerreichbar. Er verfasste einige Zeilen an Balduin, in denen er ihm die Situation kurz schilderte und auch eine kurze Wegbeschreibung mitgab. Er dankte ihm für alles und wünschte ihm im Zweifelsfall alles Gute. Noch war gar nicht klar, ob er überhaupt in diesem Kampf als Sieger hervorgehen könnte. Mitru war ein anderes Kaliber von Gegner. Das Pergament, mitsamt seinem Siegelring, gab er in einen versiegelten Briefumschlag, den er einem jungen Boten überreichte, mit dem Auftrag, ihn an Balduin weiterzugeben. Der Siegelring, ginge im Falle seines Ablebens an Gerrit.

Auf seinem Weg in den Stall, besuchte er noch kurz die Schmiede, wo er beide Schwerter und den Wikingerdolch erneut schärfen und ausbessern ließ. Währenddessen, bekam der treue Ajax eine große Auswahl an dicken Karotten, saftigen Äpfeln und frischen Hafer. Der Gangrel legte seine Stirn an die seines Pferdes und murmelte einige Worte zu dem alten Brabanter, während er ihn behutsam tätschelte. Zwei alte, müde Kämpfer die ihre Lebenszeit bei weitem überschritten hatten. Das treue Tier hatte ein paar gute, letzte Jahre verdient – er würde ihn nicht in diese Wildnis mitnehmen. „Gerrit wird sich gut um dich kümmern, vielleicht findet auch Leif gut Verwendung für dich.“ Er grinste. „Und wenn nicht, dann gehst du einfach dorthin, wo du ohnehin hingehörst: zurück zu Alida. Im Grunde, habe ich dich ja immer nur ausgeliehen alter Junge.“ Lucien hielt ihm ein letztes Mal einen Apfel hin, den sich der gute Ajax vortrefflich schmecken ließ und kurz auf schnaubte. „Ein Gangrel gewinnt jeden Kampf, bis auf den letzten… mach’s gut Ajax und danke für deine Dienste.“

Er überprüfte den Sitz seiner Kleidung und Rüstung, holte sich seine Waffen und schritt vor die Tore der Stadt; wandte den Blick nach Osten. Er hätte vielleicht noch mehr sagen wollen, pathoslastige, dramatische Worte voller Intensität oder Gefühl. Vielleicht auch etwas Betrübnis darüber, dass er bereits mit seinem eigenen Untergang rechnete. Liliane hätte es sicher gefallen – das wäre vermutlich genau das gewesen, was sie sich von jeher von ihm gewünscht hätte. So würde er nicht sterben, nicht Lucien Sabatier; nicht der Schattenwolf. Es war ihm beschieden, genauso zu enden wie es einem Räuber und Banditen gebührte. Einsam, unbetrauert und blutig. Seine Roten Augen glühten mit dem Mond um die Wette. „Auf ein letztes Mal…“

Kurze Zeit später, sah man einen eindrucksvollen Vogel durch die Nachtluft, gen Osten fliegen. Zu groß für einen Raben, zu groß für einen Habicht. Selbst ein Adler wäre noch in Anbetracht der riesigen Silhouette zu klein gewesen. Das hier, war ein Geier und er sah hungrig aus.


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BeitragVerfasst: So 27. Mär 2016, 16:16 
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Der Vogel fand seinen Weg durch die Schwärze der Nacht. Er orientierte sich an den Straßen und Flüssen, die wie dunkle und im Mondlicht glänzende Adern das Land durchzogen, an den kleineren und größeren Lichtansammlungen, an denen er die Dörfer und Städte Flanderns ausmachte.

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Schließlich war nirgendwo mehr ein Feuer zu erkennen und er wusste, dass er sich seinem Ziel näherte. Die unergründlichen Tiefen der wilden Wälder lagen unter ihm und das sanfte Schwarz der unter ihm liegenden Bäume verschluckte den schwachen Lichtschein der hellen Sterne.

Lucien spürte den Wind und mehr als ein Mal überflog er das Gebiet mit einer Geschwindigkeit, die für Menschen undenkbar war, bevor er endlich den Felsen erblickte, den Jean ihm im Traum gezeigt hatte. Er landete und ließ ein letztes Mal das atemberaubende Panorama auf sich wirken.

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Dann streckte er seine Schultern, hob den Kopf und gewann seine eigentliche Gestalt zurück. Deutlich langsamer machte er sich an den Abstieg von dem Felsen und betrat das Dickicht der Wildnis.

Die Bäume standen dicht an dicht und bildeten an manchen Stellen eine fast undurchdringliche Mauer, öffneten sich jedoch ab und zu an kleinen Lichtungen und gaben den Blick auf unberührte Bäche, weiches Gras, mächtige Felsen, die an schlafende Riesen erinnerten, frei. Dichtes Moos und Spinnweben hingen mitunter wie dicht gewebte Vorhänge von den Ästen.

Lucien bahnte sich seinen Weg durch das Gestrüpp und er hatte in seinem sterblichen Leben und der Zeit mehr als genug Erfahrung gesammelt um diese Aufgabe mit fast meisterlicher Bravour zu bewerkstelligen. Er ging mit fast raubtierhafter Geduld und Gewandtheit vor. Stunde um Stunde erkundete er die Wildnis ohne einen Hinweis zu finden.

Dann jedoch weckte ein winziger gelblicher Stoffstreifen, der abgerissen an einem der Zweige hing, seine Aufmerksamkeit. Lucien folgte den kaum erkennbaren Spuren durch die Finsternis und mit Mühe gelang es ihm den verschlungenen Pfaden zu folgen. Plötzlich hielt er inne. Ein seltsamer schmatzender Laut war zu vernehmen. Vorsichtig sah er sich um und näherte sich dem Geräusch.

Dann sah er es. Über einem noch zuckenden Wolf, der erlegt und halb ausgeweidet am Boden lag, hockte eine Gestalt, die die Fänge in der Kehle des Tieres vergraben hatte. Seine Hände hielten das Tier, dessen Augen panisch nach links und rechts spähten und das sich mit letzter Kraft gegen den Angreifer zu stemmen versuchte, eisern fest. Von irgendwoher war leises Winseln zu vernehmen. In tiefen Zügen stillte die Gestalt ihren Durst.

Lucien erkannte mit seinem kainitischen Blick einen seltsam blassen Mann.

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BeitragVerfasst: So 27. Mär 2016, 16:33 
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Niemand konnte sich auch nur im Entferntesten vorstellen, was es für ein Gefühl der unerreichbaren Freiheit war, buchstäblich wie ein Vogel durch den klaren Nachthimmel zu jagen und die Welt unter sich in finsterem Glanz wahrzunehmen. Es war eines der Dinge, die er in seiner untoten Existenz ganz besonders genoss und zu schätzen wusste. Obendrein brachte es einige nicht zu verleugnende Vorteile mit sich, die ein Jäger wie er gerade auf so einer Pirsch nur allzu gut gebrauchen konnte. Seine scharfen Raubtieraugen begutachteten die Landschaft unter ihm und den gigantischen Felsen, mitten in der unerforschten, gefährlichen Wildnis jenseits der befestigten Mauern von Gent, hatte er rasch gefunden. Der eigentliche Teil dieser Hatz, würde erst jetzt beginnen und allein die Größe des Gebiets, würde eine schnelle Suche unmöglich machen. Er musste sich auf seine Instinkte, sein Können und seinen Verstand verlassen, wenn er Jean hier ausmachen wollte. Menschen und Tiere zu jagen, war eine Sache. Die Jagd auf seinesgleichen, das wussten schon die alten Assamiten, war die Krönung eines perfekt angepassten Raubtieres.

Umso verwunderter war er, als er sich nach mühsamer Suche diesem, zweifelsohne Kainiten, gegenübersah, der sich gerade am frischen Blut eines Wolfes gütlich tat. Es war schon merkwürdig zwei Wilde in einer Domäne anzutreffen, jetzt streifte offenbar noch ein dritter durch das ungebremst wuchernde Unterholz dieser Wildnis. Zu viel des Zufalls; waren doch Gangrel im Grunde genommen Einzelgänger. Auf der anderen Seite war dieses unberührte Stück Land, geradezu ein Magnet für seinesgleichen. Ob der Clansbruder da vor ihm gute oder schlechte; möglicherweise neutrale Absichten verfolgte, konnte er nicht recht beurteilen, dennoch müsste er es auf einen Versuch ankommen lassen. Vielleicht hatte er Informationen, die ihm bei seiner Suche weiterhelfen konnten. Der Hauptmann zog sein Schwert, hielt die Klinge jedoch auf den Boden gerichtet und schritt auf die Lichtung. Er vollführte eine knappe Verbeugung und hielt einen respektvollen Abstand zu seinem Gegenüber ein. „Ich wollte dich keineswegs stören, verzeih wenn ich so unangekündigt und uneingeladen deine Jagd störe. Ich will auch nicht länger bleiben als zwingen erforderlich, deshalb möchte ich dir nur kurz ein paar Fragen stellen. Ich suche jemanden in diesen Wäldern und hege keinen Groll gegen dich…“ Er sah den Clansbruder mit festem Blick an; bereit sich im Notfall jederzeit verteidigen zu können.

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BeitragVerfasst: So 27. Mär 2016, 18:31 
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Der Mann fuhr mit einer kaum vorstellbaren Geschwindigkeit zu ihm herum und kauerte lauernd vor Lucien. Der Geifer, vermischt mit rotem schäumenden Blut rann ihm an der Kehle hinab. Er sah ihn mit wütend zusammen gekniffenen Augen an als wolle er ihn im nächsten Moment anfallen und bleckte die Reißzähne.
Dann mischte sich mit einem Mal Erkennen in den Blick und er richtete sich zu seiner vollen Größe auf. Der Jäger war wohl um einen Kopf kleiner als Lucien und von ausgemergelter aber ausgesprochen sehniger Gestalt- ein Körper, der es gewohnt war monatelang mit einem Minimum an Nahrung die tiefste Wildnis zu durchstreifen. Er trat einen Schritt näher und versetzte dem ein letztes Mal hechelnden Wolf einen so heftigen Tritt auf den Schädel, dass das Tier schließlich regungslos liegen blieb. „Verdammt! Was tust du denn hier, junger Wolf? Und was soll das geschwollene Geschwätz? Hat sich Mitru mal wieder vor deinen Augen auf und davon gemacht und du kommst nicht hinterher, oder was? Ich kann’s auf den Tod nicht ausstehen, wenn man mich bei der Jagd stört. Lass dir das gesagt sein, denn ein zweites Mal bin ich nicht so nett. Also? Was willst du? Verlaufen hast du dich sicher nicht. Der Bär lobt dich ja immer in den höchsten Tönen.“ Wieder war von irgendwo ein Winseln zu vernehmen und der Mann stierte mit einem gierigen Lächeln in die entsprechende Richtung. „Hier irgendwo muss noch eins von den Jungen von diesem Wolf sein. Die anderen hab ich alle erwischt.“ Genüsslich leckte er sich über die Lippen. „ Ich könnt zwar noch ein bisschen vertragen, aber vielleicht würd sich unser Boss über ein kleines Mitbringsel freuen… Wenn ich das verdammte Mistvieh in die Finger kriege…“

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BeitragVerfasst: Mo 28. Mär 2016, 20:20 
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Für einen kurzen Augenblick, verengte sich sein Blick und fixierte misstrauisch den Jäger vor sich. Der Griff um das Schwertheft wurde fester, als der Hauptmann langsam wie ein Panther über die Lichtung schritt und die Situation einzuschätzen schien. Sein schattenhafter Begleiter, hatte sich glücklicherweise schon lange nicht mehr zu erkennen gegeben und allein die Züge des fremden Mannes, waren gänzlich anders. Nein, das hier war nicht das Ding, das er aus dem lichtlosen Höllenloch mitgebracht hatte. Das hier war offensichtlich ein weiterer Gangrel, der sich warum auch immer, mit Mitru verbündet hatte; vielleicht sogar sein eigenes Kind? Und viel verwunderlicher war noch, dass er ihn mit Jean zu verwechseln schien. Natürlich war eine gewisse Ähnlichkeit nicht von der Hand zu weisen aber allein in ihrem Auftreten und ihrer Sprache, waren die beiden Männer grundverschieden. Dieser da, hatte wohl noch nicht das Vergnügen gehabt diese Unterschiede zu bemerken; hatte Lucien selbst nie zu Gesicht bekommen. Ausnahmsweise sorgte die verwandtschaftliche Ähnlichkeit der beiden, einmal nicht für Verwirrung und Verwunderung, sondern brachte einen immensen Vorteil mit sich. Es würde nichts daran ändern, dass dieses Stück Dreck demnächst nur mehr Asche im Winde wäre – doch vorher…

„Tut mir Leid…“, Lucien senkte resignierend den Kopf und hob die Schultern. „Ich.. die ganze Sache ist noch sehr verwirrend für mich und….“ Natürlich war es nur gespieltes Gestammel aber er musste zweierlei Dinge bewirken. Erstens musste er herausfinden, wo sich Mitru befand und zweitens musste er sich dem Jäger ohne dessen Misstrauen zu erregen nähern. Er machte ein paar langsame Schritte auf den Wolfskadaver zu, sodass er ihn direkter Nähe zu dem Fremden stand. Dann zückte er den Wikingerdolch und begann mit kundiger Hand das Fell vom Fleisch zu lösen. So als ob es ganz nebensächlich wäre. Ein Meter, mehr mochte sie nicht trennen. „Ein gutes Fell, es wäre Verschwendung das Tier nicht vollkommen zu verwerten…“, stellte er ihn nebensächlichem Tonfall fest. „Wo ist Mitru denn? Ich habe ihn nämlich… naja.. also… er war wieder ziemlich schnell auf und davon.“ Gespielt beschämt und unterwürfig sah er eingeschüchtert zu dem Mann hoch. Er bräuchte nur eine Wegbeschreibung…

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BeitragVerfasst: Mo 28. Mär 2016, 21:32 
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Der Kainit sah kurz zu dem schwarzhaarigen Mann, der sich mit dem Messer zu dem Wolfskadaver herunter beugte um das Tier zu häuten und zuckte dem Treiben gegenüber gleichgültig mit den Schultern. „Ich hab keine Ahnung, wo sich der Bär rumtreibt. Mit mir bespricht er sich, wenn er in der Stadt jagen will. Sonst läßt er mir meine Ruhe. Mach dir mal nicht ins Hemd. Du findest deinen neuen Meister schon wieder.“ Er trat ein paar Schritte auf das Dickicht zu in dem nach wie vor das leise Winseln zu hören war. Lucien konnte ahnen, dass das versteckte Jungtier nur darauf wartete, dass sie gingen damit es heraus zu dem Kadaver seiner Mutter kommen würde. Die Stimme des Mannes war ein vor Sarkasmus triefendes Gurren. „Na, komm schon, Kleiner. Ich krieg dich eh! Und dann zieh ich dir mit meinen eigenen Klauen das Fell ab.“
Er drehte sich wieder zu Lucien um. „Ich versteh schon, dass du wissen willst, wo der Bär steckt. Der Hunger nach kainitischem Blut steckt einem Sklaven wie dir tief in den sterblichen Knochen, nicht wahr? Keine Angst. Du erhältst bald den Kuss. Ich hab den Alten noch nie in so überschwänglicher Weise von ‚nem Neuen reden gehört. Vielleicht hat er Schiss, dass du ihm irgendwann mal den Rang im Rudelstreitig machen willst? Was weiß ich? Kannst du eh vergessen. Mitru ist mächtig! Verdammt mächtig… Ich hab vor ein paar Nächten mal gehört, dass es wichtig wäre dich erst zu beobachten, bevor man mit dem Werden anfangen sollte. Um Fehler von früher nicht noch mal zu begehen… Was immer der Alte damit gemeint hat… Keine Ahnung.“ Er sah den anderen an und zog dann erneut die Schultern nach oben.

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„Wenn ich das kleine Mistvieh da im Gebüsch gefangen hab, können wir uns auf den Weg zum Lager in der langen Schlucht machen. Mitru wird sicher in ein paar Stunden wieder dort sein. Dann bekommst du, was du willst.“ Er grinste breit.

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BeitragVerfasst: Di 29. Mär 2016, 19:59 
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Lucien schielte nur aus den Augenwinkeln zu dem vor Sarkasmus und Boshaftigkeit triefenden Mann und ließ sich nicht in seiner Tätigkeit beirren. Er nickte nachdenklich und stumm, während die leicht gebogene Klinge in seinen Händen ihre Arbeit verrichtete. Es war eine Sache jagen zu wollen und sich dafür an den Tieren des Waldes gütig zu tun aber eine ganz andere Jungtiere einfach aus reiner Mordlust und Sadismus zu töten. Da verlief eine schmale Grenze zwischen Befriedigung des eigenen Egos und der Notwendigkeit die überlebensnotwendigen Schritte zu tun. Niemand kannte und wusste das besser als er selbst. Töten um des Tötens selbst Willen war selbst für einen Anhänger auf dem Weg des Tieres eine verwerfliche, sündige Tat. Der kleine Wolf reichte ja nicht einmal für einen Happen; kein Blut war nahrhafter als das der Sterblichen. Das und so vieles mehr, sollte diesem speichelleckerischen Drecksack eigentlich bewusst sein. Schmunzelnd fasste der Hauptmann einen raschen Entschluss: Die Wildnis war besser ohne den Mann dran; er selbst ohnehin. Während der hämisch Grinsende sich also wieder ihn böser Vorfreude dem wimmernden Haufen Elend im Gebüsch zu wandte, ließ er das unsterbliche Blut in seine Adern strömen, woraufhin seine Hände sich allmählich verformten und scharfe, lange und vor allem rasiermesserscharfe Klauen daraus erwuchsen. Er ließ den Dolch wo er war und sah noch ein letztes Mal zu dem Mann, dessen Namen er noch nicht einmal kannte. Aber das tat nichts zur Sache, niemand würde sich mehr an ihn erinnern.... bald. Den Weg kannte er und eine 'lange Schlucht', würde er auch ganz sicher ohne kundigen Führer finden.

"Es ist schon erstaunlich, wie gnadenlos und erfahren du als Jäger bist. Wirklich ganz hervorragend", raunte er murmelnd und aus seiner Stimme sprach die reine Mordlust. "Aber besonders klug bist du nicht Nachtpirscher und auch nicht besonders gefestigt in deinem Sein." Sein Schmunzeln bekam einen zutiefst verachtenden Charakter, während sich seine Züge allmählich verhärteten. "Ich bin der Schattenwolf und das hier, war deine letzte Jagd... Bruder..."

Mit rot aufglühenden Augen, löste sich Lucien blitzschnell von der Leiche des Wolfes und war mit einigen schnellen Sätzen, bereits in Reichweite des noch dem Gebüsch zugewandten Mannes gelangt um ihn mit den Hieben seiner Krallen zu zerfetzen. Die Zähne gefletscht, riss er die Augen auf und knurrte ein tiefes, markerschütterndes Knurren das nicht mehr im Entferntesten menschlich klang. Das hier, war auch ganz ohne Jean etwas sehr Persönliches. Dieser 'Gangrel', war seinen Namen nicht wert.


INI: 14
Aktion: Geteilte Handlung --> 2x Angreifen mit Klauen

Erster Angriff: Fehlschlag!
Zweiter Angriff: 2 Erfolge

Schadenswurf: 4 Erfolge + 2 Auto (Stärke) = 6 Erfolge

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