Vampire: Die Maskerade


Eine Welt der Dunkelheit
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 Betreff des Beitrags: Re: Prag I: Hector
BeitragVerfasst: Do 8. Dez 2022, 18:50 
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Hector war für einen Moment gewillt, die ihm angebotene Hand anzunehmen, entschied sich dann aber dagegen und richtete sich dank seiner guten Reflexe von selber wieder auch, auch wenn ihm noch immer etwas schwummrig war. So unhöflich diese Geste vielleicht wirken mochte, aber er wusste auch, er hätte Brams Hand sonst vielleicht nicht so einfach wieder loslassen können. Was auch immer hier gerade passierte, hatte das Potenzial ihn in den Wahnsinn zu treiben. Was geschah hier nur? Hector konzentrierte sich wieder auf die Situation und riss sich zusammen, so normal es eben möglich war zu reagieren. „Ja die Frau, Apollonia ist ihr Namen, gehört zu mir. Wir sind Reisegefährten.“ Der Ekstatiker schaute sich um und war von der Frau und ihrem Gebaren irritiert. Welche Reaktion erwartete die Frau? Der abstrusen Situation zum Trotz senkte Hector leicht den Kopf, um sie anzuerkennen, da er so etwas mal in einem alten Film gesehen hatte, oder zumindest glaubte er das. Er hatte allerdings keine Ahnung, ob dies ausreichte. Mit einigen wenigen Schritten erreichte er den Tisch und trank durstig einen Schluck des vorher angebotenen Wassers. Schließlich räusperte er sich. „Ob zum Guten oder zum Schlechten mag sich tatsächlich noch herausstellen, aber bitte erlaubt mir die Frage. Welches Jahr des Herren schreiben wir genau?“ Hector war kein gläubiger Mann, aber dafür versiert genug in temporaler Magie und den Wirren der Zeit, dass ihm ein unguter Verdacht kam.

(Etikette gg. 8 um es ein bisschen besser einschätzen zu können; 1 Erfolg)

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Verfasst: Do 8. Dez 2022, 18:50 


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 Betreff des Beitrags: Re: Prag I: Hector
BeitragVerfasst: Do 8. Dez 2022, 23:33 
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Bram schien nur für einen kurzen Augenblick irritiert darüber, dass Hector allein aufstand und seine Hand ablehnte. Er schloss die Finger einfach zur Faust, nahm am Tisch Platz und griff nach einer Scheibe Brot. Er brach ein Stück ab und schob es sich in den Mund, kaute kurz und sah dann zu Hector. Der Ekstatiker spürte den Blick auf sich einen Moment zu lange bevor Bram die Augen abwandte. „Hier schreibt man Mai 1618. Wir sind auf Burg Kriechstein, aber das wissen Sie sicher. Ich weiß nicht, wie es bei Ihnen ist, aber wir anderen sind alle unfreiwillig hier.“
Er sah zu der jungen Dame, die dies anscheinend als Zeichen wertete selbst zu reden. „Ich komme aus dem Jahr des Herren 1797. Erst vor wenigen Tagen war es mir vergönnt die Uraufführung von Meister Mozarts neuem Meisterwerk Don Giovanni in Prag zu genießen und auf dem Heimweg beschlossen meine Mitreisenden und ich mit unserer Gefolgschaft in Kriechstein zu nächtigen. Immerhin gehört dieses prächtige Anwesen meiner Familie. Eine abendliche Wanderung führte mich zu diesem Raum und so musste ich mich plötzlich in dieser misslichen Lage wiederfinden.“ Hector konnte bemerken, dass sie etwas ausließ, aber sie fuhr rasch fort: „Für nächste Woche ist meine Abreise nach Paris geplant. Ich habe die göttliche Ehre als Kammerzofe an den Hof von Versailles bestellt worden zu sein um der französischen Königin Maria Antonia als eine von zwanzig Gesellschafterinnen aus der Heimat zur Seite gestellt zu werden.“ Sie strahlte über das ganze Gesicht, das sich im nächsten Augenblick verdüsterte. „Welche Schmach wäre es zu spät abzureisen oder gar zu spät zu erscheinen? Meine Familie würde mir das nie verzeihen. Mein Ruf wäre für immer dahin.“
Während das Mädchen fast verzweifelt auf ihre weißen Finger starrte, suchte Bram Hectors Blick wie um nonverbal zu kommunizieren. Der Ekstatiker kannte den jungen Mann so gut, dass er genau wusste, dass Bram über so viel Selbstmitleid leicht genervt war. Gleichzeitig lag eine Frage in seinen Augen, die er ganz offensichtlich nicht laut aussprechen wollte.
Als das Mädchen aufblickte und Bram ansah, schluckte dieser und erklärte seinerseits: „Ich komme aus 2001. Ich verdank die Tatsache, dass ich hier bin wohl meiner Mutter, die auf die glorreiche Idee kam, in diesen Rui… äh Mauern, ein Ritual durchzuführen. Ich war so blöd dabei mitzumachen um ihr einen Gefallen zu tun, hab ich doch nie im Traum daran gedacht, dass es funktionieren könnte. Tja, jetzt sitz ich hier fest wie Tia… von Waldstein“, fügte er hinzu um der jungen Adeligen einen Gefallen zu tun. „Ich darf zwar nicht die nächsten 5 Jahre als Gesellschafter an den Pariser Königshof, hätt‘ aber nächste Woche Abi. Und das möchte ich ungern verpassen. Außerdem macht sich meine Freundin wahrscheinlich Gedanken, wenn ich nicht auftauche.“ Er seufzte und verzehrte ein weiteres Stück Brot. Dann sah er fragend zu Hector.

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"Alea iacta est." oder "Die Würfel sind gefallen." - Lateinisches Sprichwort


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 Betreff des Beitrags: Re: Prag I: Hector
BeitragVerfasst: Sa 10. Dez 2022, 18:41 
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Die Erklärungen überraschten Hector dann doch. Er hatte nicht damit gerechnet, dass die Anderen durch einen ähnlichen Zufall ins Jahr 1618 gebracht wurden. In seinem Hirn arbeitete es. Wenn dies wirklich der Bram war, den er 2006 kennenlernen würde, dann könnte es sein, dass es einen Weg hier herausgab. Erzählt hatte ihm Bram von diesem Zwischenfall nie, was sicherlich einen Grund hatte. Im Übrigen hatte er auch nie etwas von einer Freundin, aber dies war weder der richtige Ort, noch die richtige Zeit dafür, um eifersüchtig zu sein. Hector war nicht hungrig, nahm aber noch einen Schluck Wasser. Wir beide kommen aus dem Jahr 2016. Auch wir waren in der Ruine, hatten aber eigentlich keine Intension hierherzukommen.“ Er strich sich über seinen kurzen Bart. „Wie lange seid ihr schon hier?“ Er schaute vor allem Bram an. Er war hier. Lebendig. Hector hatte das noch immer nicht komplett verarbeitet.

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 Betreff des Beitrags: Re: Prag I: Hector
BeitragVerfasst: Sa 10. Dez 2022, 23:05 
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Bram hatte mit nachdenklichem Gesichtsausdruck zugehört. Er war derjenige, der antwortete. „Wir alle sind seit zwei bis drei Tagen hier. Simon kommt von 2050, Charlotte redet nicht, also haben wir bei ihr keine Ahnung.“ Er sah zu Hector. „Ich glaube, wir sitzen alle im gleichen Boot und wollen alle wieder in unsere Zeit zurück.“
Hector nickte. „Ja, ich denke, das wollen wir tatsächlich alle.“ Mehr oder weniger fügte er in Gedanken hinzu und versuchte den Blick von dem jungen Bram abzuwenden, um nicht wie ein Perverser zu wirken, der einen gerade mal Volljährigen anstarrte. Er erhob sich. „Wir müssen den Grund herausfinden, wieso gerade wir hier sind. Irgendwas hat uns alle hergebracht, vielleicht kann dieses etwas auch zurückbringen.“ Hector schaute zu den beiden Mitgliedern der Familie Waldstein. „Kann mich jemand zu Apollonia bringen? Ich würde gerne wissen, wie es ihr geht und außerdem werden wir ihre Hilfe brauchen, um herauszufinden, was hier passiert. Sie ist wirklich klug.“ Jeder der Anwesenden konnte eine gewisse Bewunderung in der Stimme des blonden Mannes hören.
Dieses Mal war es an der jungen Frau zu antworten. „Sie liegt da drüben auf dem Lager. Flöhe und das ganze garstige Ungeziefer konnten wir vertreiben. Dennoch ist dies hier iene grausliche Kemmenate.“ Sie deutete in die Schatten und Hector konnte dort tatsächlich die junge Hermetikerin sehen, die zu schlafen schien und mit einem dünnen Stofftuch zugedeckt war. Macht euch keine Gedanken, der Herr. Wenns erwacht, kümmer ich mich um sie.“
Auch Bram nickte. „Manche brauchen etwas länger um diese seltsame... hm... Reise zu verkraften. Vielelicht wie ein Jetlag?“ Er schien zu überlegen..“MUtig genug um da raus zu gehen?“ Er deutete zur Tür. und in seiner Stimme lag eine Herausforderung. „Manchmal versteht man besser, womit wir es zu tun haben, wenn man es mit eigenen Augen sieht.“
Tia schüttelte den Kopf. „Ich halte das für eine überstürzte und unüberlegte Idee. Wer weiß, was da draußen geschieht?“
Bram unterdrückte ein Grinsen. „Ich vertraue auf deine Zauber, Tia... von Waldstein.“
Zu wissen, dass Apollonia versorgt war, beruhigte Hector. Er erwiderte das Grinsen und die Herausforderung von Bram. „Ich denke, das ist eine gute Idee. Mich würde wirklich interessieren, wo wir hier gelandet sind.“
Das Grinsen des jungen Mannes wurde breiter. Es schien ihn zu freuen, dass Hector genug Mut hatte ds Zimmer zu verlassen. „Wie heißen Sie, wenn ich fragen darf?“ Er zuckte mit den Schultern und brachte die fadenscheinigste Erklärung hervor. „Falls Sie da draußen verloren gehen, kann ich mich ja zu Ihnen durchfragen.“
Es stimmte, er hatte sich noch nicht vorgestellt. Was für eine abstruse Situation dies doch war. „Hector ist mein Name und ich denke zusammen im Jahr 1618 gestrandet zu sein, ist genug Grund dafür uns zu duzen Bram.“ Er lächelte ermutigend. „Mit ein bisschen Glück finden wir ein bisschen mehr über all das heraus, aber in diesem Zimmer sein ist keine dauerhafte Option.“
Bram nickte und zuckte mit den Schultern. „Sehr gern. Mein Vater hat auf Höflichkeit immer großen Wert gelegt und so spreche ich selbstverständlich jeden, der älter ist als ich, mit ‚Sie‘ an.“ Es war ein belangloser Satz, aber Hector hatte fast das Gefühl als versuche man ihn zu necken..
Tia sprach Hector an. „Würdet Ihr mir erlauben Euch viel Glück und Schutz zu wünschen, gnädger Herr? Würdet ihr mir eure Hand reichen?“ Sie streckte die zarten, rosa Finger aus, die in ihrem Leben wahrscheinlich noch keine einzige STramme gesehen hatten.
Hector kommentierte Brams Kommentar mit einem amüsierten Schnauben. "Dein Vater hat dich offenbar gut erzogen." Alt? Wer war hier alt? Soviel zu Respekt, dachte sich Hector gut gelaunt und mit einem kleinen Stich im Herzen. Das war genau der Bram den er so vermisste. Bevor er sich weiter in der Vergangenheit, oder besser gesagt der Zukunft verlor, fokussierte Hector seine Aufmerksamkeit auf Tia von Waldstein. War die Frau etwa tatsächlich eine Magierin? Ohne weiteres Zögern reichte er der edlen Dame seine rechte Hand.
Die Berührung war warm und kaum spürbar. Sie fuhr mit den Fingerspitzen die Linien seiner Handinnenflächen nach und murmelte dabei ein paar Worte in einem seltsamen Dialekt. Hector erinnerte sich an alte Kassetten aus seiner KIndheit und alte Fernsehserien. Der Dialekt klang genauso wie die Stimmen mancher ERzähler. Dennoch war es ein deutscher Dialekt, den es im Jahr 2016 fast nicht mehr gab. (outtime: Böhmisch) Der Hermetiker konnte spüren wie die Linien sich kühl anzufühlen begannen als hätte man Pfefferminztinktur aufgetragen.
Hector empfand die Berührung als angenehm und war fasziniert von der fremden Sprache, die irgendwie vertraut und doch auch ganz anders klang. Mit Spannung wartete er auf das Ende des Rituals und auf eine Erklärung des Vorgangs.
Bram sah zu Tia und erklärte. „Tia hat einige nützliche Fähigkeiten. Jemand hat ihr beigebracht einen Zauber zu wirken mit dem man die Wahrscheinlichkeit erhöht zur rechten Zeit am rechten Platz zu sein. Das ist ausgesprochen nützlich, weil man damit vielen Problemen gleich aus dem Weg gehen kann bevor sie passieren.“ Tia errötete.
„Das ist in der Tat eine nützliche Fähigkeit, auch wenn ich mich manchmal frage, wer eigentlich wirklich so genau entscheidet, was Probleme sind und was nicht.“ Hector sagte nicht mehr zu dem Thema. Er kannte solche Kräfte gut, nicht nur war er selbst in der Lage solche Effekte unter günstigen Umständen hervorzurufen, sondern auch weil Dominik sehr ähnliche Gaben besaß. Tia jedoch, unterstellte er keine geheimen Motive. Dafür kannten sie sich nicht lange genug. „Habt meinen Dank, Frau von Waldstein.“ Hector neigte leicht den Kopf und sprach dann Bram an. Sind wir so weit?
Bram griff zu einer braunen Tunika, die er Hector reichte. „Zieh das am besten drüber.“ Er selbst griff nach einer schwarzen und zog sie über das schwarz rote Red Hot Chili Peppers TSHirt.
Hector und Bram verließen das Zimmer durch die schwere Eichentür und durchquerten einen Gang der nach draußen führte. „Das hier sind die Dienstbotenzimmer“, erklärte Bram, der sich umgesehen hatte, dass niemand in Hörweite war. „Wir haben enormes Glück gehabt. Auf Burg Kriechstein findet gerade eine sieben Tage dauernde Hochzeit statt und es sidn so viele Edelleute eingeladen, dass jeder bereits den Überblick verloren hat, wer zu wem gehört. Wir konnten das Zimmer in Beschlag nehmen und jetzt fragt glücklicherweise keiner mehr nach.“
Er trat in einen großen Burghof, der Hector vage bekannt vorkam. Im Jahr 2016 war er das später darauf wachsende Gras Stunde um Stunde abgeschritten. Nun erhoben sich hohe, in der Nacht dunkle Mauern, die mit Fackeln gespickt waren dort, wo zuvor Mauerreste gewesen waren. Hector konnte patroulierende Wachmänner mit langen Speeren auf den ZInnen erkennen und lustiges Treiben nur wenige Meter vor ihm. Man hatte hölzerne BUden aufgebaut und Speis udn TRank wurden an die Feiernden gereicht. Gaukler und Feuerspucker verdienten sich ein Zubrot und waren ebenso von den Gästen sowie deren sich im HIntergrund haltenden Bediensteten umgeben wie lustig aufspielende Musiker und Geschichtenerzähler.

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Bram ging zu einem der Tische und griff nach zwei Krügen, die von einer hageren Frau mit einer bräunlichen Flüssigkeit gefüllt wurden. Bram zog eine Flasche unter seiner Tunika hervor und goss etwas dazu. Dann reichte er Hector den Becher und nahm etwas entfernt vom Treiben auf einem Mauervorsprung unter einem Baum Platz. In ihrem Rücken lag das Tal in der Tiefe, durch das sich ein vom MOndlicht beschienener Fluss schlängelte. Bram nahm einen tiefen ZUg. „Das Zeug ist Branntwein und verdammt gut. Keine Ahnung, was sie da rein mischen. Wenn man es pur trinkt, bringt einen der Kater morgen um, aber mit Wasser geht’s.“
Hector sog die fremde Umgebung, die Gerüche und Eindrücke auf wie ein Schwamm. Alles war fremd und vertraut zugleich. Sie waren in einer anderen Zeit, aber die Bedürfnisse der Leute hier waren nicht anders als in seiner Zeit. Sie wollten feiern, trinken und einfach Spaß haben. Auf die Basis runtergebrochen, waren Menschen eigentlich recht einfache Geschöpfe. Da Hector wusste, dass er selbst auch nicht anders tickte, nahm er ohne zu zögern das ihm angebotene Getränk an. „Danke.“ Mutig kostete er das Gebräu. „Wissen wir eigentlich, wer hier heirate?“
„Der Sohn des GRafen und eine Fürstentochter aus niederem Landadel mit einigen Ländereien. Die nächsten Tage wird weiter gefeiert werden. Wir müssen uns nur etwas überlegen, wenn die Zeit vorbei ist. Dann wird auffallen, dass wir nicht hierher gehören.“ Wie es bei jungen mitunter Männern üblich ist, trank Bram rasch den nächsten Schluck des Hochprozentigen.
„Simon, Tia und ich haben die letzten Tage zusammen gesessen und uns Gedanken gemacht.“ Er schien zu überlegen wie er fortführen sollte. „Simon ist ein sehr guter Magier und er hat einige gute Ideen. Im Jahr 2050 gibt es kein Paradox mehr, hat er erzählt... Es ist so ähnlich wie hier.“ Bram zog den langen Ärmel der linken Hand vor die rechte um niemandes Aufmerksamkeit zu wecken und Hector konnte sehen wie winzige Funken hervorstoben als Bram mit den Fingern schnippte. „Wahnsinn, oder?“ Hector hatte seinen verstorbenen Partner niemals Magie betreiben sehen und war immer davon ausgegangen, dass er dazu nicht in der Lage war.. Bram wartete Hectors Antwort ab.
Dass Bram in der Lage war Magie zu wirken, irritierte Hector sehr, aber er hatte im Moment keine Kapazitäten sich über diese Implikationen Gedanken machen. „Das es hier kein Paradox gibt, hilft auf jeden Fall schon einmal.“ das es 2050 kein paradox mehr gab, konnte dich der Ekstatiker kaum vorstellen. Magie war in seiner Zeit immer schwerer zu wirken, keinesfalls einfacher. Er war schon gespannt auf diesen Simon. Hector trank noch einen Schluck und schaute sich weiter um. „Ich denke immer noch, dass es einen Grund gibt, wieso wir alle hier gelandet sind. Wenn wir diesen finden, gibt und das vielleicht einen Hinweis, wie wir alle wieder in unsere Zeit zurückkommen.“
Bram sah ihn an. „Wir alle haben diesen Raum in unserer Zeit gesehen und betreten und wir vermuten, dass er ein Portal ist, das uns hierher geführt hat, aber auch dazu genutzt werden kann uns wieder zurück zu bringen. Irgendwie ermöglicht es Zeitreisen. Simon hat vermutet, dass es sich irgendwie außerhalb der eigentlichen Zeit befindet.“ Bram seufzte. „Wir haben gesehen, wie dieser Raum in der ZUkunft aussieht und ich denke, wenn wir ihn so herrichten und absichern wie wir ihn gesehen haben, die nötigen Artefakte haben, uns vorbereiten und die entsprechenden Zauber sprechen , kommen wir wieder nach Hause.“ Trotz der Dunkelheit konnte Hector Hoffnung in den Augen des jungen Mannes sehen.
„Das klingt auf jeden Fall nach einer sinnvollen Theorie.“ Hector nickte langsam, während er überlegte. „Es ist nur ein Gefühl, aber ich habe irgendwie den Eindruck das wir unter Zeitdruck stehen, so paradox das klingen mag.“ Hector wollte jedoch keine negative Stimmung verbreiten und Bram schon gar nicht die Hoffnung nehmen. „So oder so glaube ich aber, dass wir tatsächlich eine Chance haben.“
„Was meinst du?“
Er zuckte mit den Schultern. „Wie gesagt es ist nur ein Gefühl, aber Zeitmagie ist komplex und manchmal…naja…zeitsensibel. Genau das Gleiche gilt für hohe Rituale und Ritualmagie. Mit ein bisschen Glück liege ich falsch, aber wenn das, was uns hierher gebracht hat, nicht mehr da ist, weiterzieht oder sonst irgendwie abhandenkommt, könnte es sein, dass es sehr viel schwerer wird zurückzukommen. Immerhin ist es auch immer noch interessant, wieso wir alle gerade im Jahr 1618 angekommen sind.“
Bram nickte und ließ seinen Blick über das nächtliche Treiben wandern. „Du klingst wie jemand, der sich mit dem Zeug auskennt. Bist du in deiner Zeit ein guter Magier.?“ Man konnte Bram ansehen, dass ihm die Frage ein wenig unangenehm, da wahrscheinlich zu persönlich war, aber die Neugier schien größer zu sein.
Hector konnte nicht anders als lachen. Nicht nur aufgrund der Frage, sondern auch weil Brams Unwohlsein etwas Unterhaltsames in seiner Naivität hatte. „Ich weiß nicht, ob ich ein guter Magier bin. Talent sagt man mir durchaus nach, aber auch das ich nicht diszipliniert genug bin aus meine Fähigkeiten das zu machen, was ich daraus machen könnte. Das hat mir zumindest mein Mentor mal gesagt.“
Bram begann herzhaft zu lachen. „Könnte mein Vater sein. Der erzählt mir das auch jeden Tag. Mein ganzes Leben interessiert er sich so gut wie gar nicht und jetzt, kurz vor Schulende kommt er plötzlich auf die Idee sich einmischen zu wollen. Dabei liebt er Ratschläge mit welcher Art von Magie ich mich befassen sollte, was ich studieren könnte... Deswegen hab ich mich wahrscheinlich auch auf diesen Trip über das verlängerte Wochenende mit meiner Mutter eingelassen. Sie ist anders als mein Vater, war aber auch meine ganze Kindheit nie da.“ Er seufzte. „Ich wünschte, die würden sich einfach aus meinem Leben raushalten. Dann wäre ich jetzt nicht hier...“ ER schien einen MOment zu zögern, sprach es dann aber doch aus. „Ich würde gern weg, vielelicht Kunst studieren... nach Berlin oder London.“
Bram leerte den letzten langen Schluck aus dem Becher und verzog wegen der Schärfe das Gesicht. „Darf ich dich etwas fragen?“ ER zögerte einige Augenblicke. „ Sollen wir Tia raten nicht nach Paris zu reisen? Wenn sie das tut wird sie höchstwahrscheinlich in den nächsten zwei oder drei Jahren einen Kopf kürzer gemacht wie fast alle Adeligen in Frankreich. Sie nervt zwar manchmal ein wenig mit ihrem wohlgeborenen Getue, aber ich denke, sie ist eigentlich ganz in Ordnung. Ich habe keine Ahnung, ob man jemadem erzählen sollte, was in der Zukunft passiert. Was meinst du?“

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 Betreff des Beitrags: Re: Prag I: Hector
BeitragVerfasst: Di 13. Dez 2022, 12:39 
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„Ich bin niemand, der sich gerne in das Leben anderer einmischt, denn Entscheidungen müssen die Leute treffen, die sie betreffen. Dennoch kann ich vielleicht einen Ratschlag mit dir teilen, der mir über viele Jahre gute Dienste geleistet hat, auch wenn er etwas abgedroschen klingt. Du musst das tun, was dir gefällt. Scheiß auf alle anderen, denn keiner außer dir selbst muss mit den Konsequenzen all dieser Entscheidungen leben.“ Hector lächelte ermutigend. „Versteh mich nicht falsch, ich hoffe niemand zu sein, der sich aus Prinzip einem guten Ratschlag entzieht, aber wer außer dir selbst kann wirklich wissen, was er machen will und auch machen kann?“ Hector schossen so viele Gedanken durch den Kopf. Er wollte Bram sagen, dass er ein hervorragender Künstler sein wird, dass er Erfüllung und Spaß im Malen finden wird, aber das konnte er nicht, zumindest noch nicht. Die gleichen Gedanken, die ihn hier beschäftigten, spielten ironischerweise auch bei seinem Gegenüber eine Rolle. Der Ekstatiker antworte ernst und unsicher bezüglich der Frage zu Tia. „Ich weiß es nicht, Bram. Ob du mir glaubst oder nicht, aber die Frage beschäftigt mich beinahe seitdem ich hier angekommen bin.“ Hector seufzte. Tief. „Vielleicht sollten wir mit dieser Entscheidung noch warten, bis wir mehr über das herausgefunden haben, was hier vorgeht, damit wir nichts schlimmer machen.“ Diese Worte kosteten Hector Kraft, Kraft, die aber nichts mit Tia von Waldstein zu tun hatten. Er hätte Bram so gerne alles erzählt, hätte ihn davor gewarnt, die Dinge zu tun, die ultimativ sein Leben kosten würden in jener Nacht im Jahre 2012, aber er konnte es nicht. Noch nicht und nicht bevor mehr über das wusste, was hier eigentlich gerade passierte. Er wendete den Blick ab, tat so als ob er nichts mehr hinzuzufügen hätte und das obwohl noch so viel ungesagt blieb.
Der junge Mann hatte auf seine im Schoß gefalteten Hände gesehen, die noch immer den leeren Becher umfasst hielten und ihm aufmerksam zugehört. Dann blickte er zu Hector. „Gute Antwort! Man sollte erst Entscheidungen treffen, wenn man genug Einblick in die Hintergründe hat. Damit hast du recht.“ Er sah kurz in den Nachthimmel, dann grinste er. „Und dabei hatte ich schon fast gehofft, ich bekäme von dir ein paar Infos in welche Aktien und Geschäfte ich mein spärliches Erspartes investieren soll um mir in 15 Jahren die Yacht in Monaco leisten zu können.“ Er lachte gewinnend. Dann hielt er Hector seinen Becher hin. „Holst du uns Nachschub?“
„Von Geld und Aktien verstehe ich leider zu wenig, um dir dabei hilfreich zu sein. Dafür kommen wir zu sehr aus der gleichen Zeit, aber vielleicht sollte ich Tia raten in die Eisenbahn und Baumwolle zu investieren, sobald sie kann.“ Hector versuchte seine düstere Stimmung zu vertreiben und das Gesagte so leicht und lustig klingen zu lassen, wie irgendwie möglich. Mit einer kraftvollen und fließenden Bewegung erhob er sich und schnappte sich Brams Becher. „Gut, dass du fragst. An das Zeug kann man sich tatsächlich gewöhnen.“
Bram nickte grinsend und reichte ihm den Becher. „Gutes Zeug, ja.“ Hector gelang es ohne größere Mühe sich seinen Weg durch die Menge zu der hageren Alten durchzukämpfen. Sie sah ihn skeptisch an und grunzte in breitem Tschechisch. „Hat dein Freund nicht vorhin für dich schon einen Becher mitgenommen?“
Ein breitschultriger Hüne trat ebenfalls an den Tresen. Er trug gute Kleidung über dem zu dicken Bauch und ein Barrett auf dem schütteren Haar. „Der Gute hier mag soviel trinken wie er will, Agnes.“ Er griff nach zwei Bechern, die bereits gefüllt waren, ohne die Reaktion der Alten abzuwarten und drückte Hector einen in die Hand. „Trinkt mit mir! Auf die Ehre der Dame Jorinde!“ Er hob den Becher. Der Ekstatiker konnte sich denken, dass es sich um einen auf der Burg bekannten Edelmann handeln musste.
Hector lächelte dankbar und freundlich, während er den Becher nahm und dem Edelmann zuprostete. „Habt Dank. Auf die edle Dame Jorinde.“ Er nahm einen Zug des starken Getränks. „Die Gastfreundschaft hier sucht wahrlich seinesgleichen.“
„Ja, nicht wahr? Nichts ist zu gut für die Hochzeit meiner Schwester.“ Er deutete auf den Branntwein. „Den hier brennen wir bei uns!“ Er leerte den Becher in einem Zug. „Na? Könnt ihr mithalten? Der Abend ist jung!“ Er griff zu zwei weiteren und bot ihm erneut einen an.
Hector war tatsächlich nicht unbedingt schlecht im Zechen, aber dies war nicht der Moment, um zu viel zu trinken. Entschuldigend, schüttelte er den Kopf. „Ich weiß Eure Großzügigkeit zu schätzen, edler Herr, aber lieber würde ich die Feier noch ein bisschen genießen. Die Qualität des Branntweins sucht wahrlich seiner gleichen und das gilt vor allem auch für seine Stärke.“
Der Edelmann wirkte nicht begeistert von Hectors Antwort. „Ihr wollt nicht trinken? Wollt ihr unser Gebräu beleidigen? Oder die Ehre meiner Schwester?“ Bedrohlich trat er auf Hector zu und dem Ekstatiker war klar, dass in diesem Jahrhundert andere hierarchische Gegebenheiten herrschten.
„Keinesfalls edler Herr.“ Hector prostete mit dem Becher. „Ich wollte Euch und Eure edle Schwester mitnichten beleidigen.“ Mit einem Zug trank er den Becher aus. Das war gewiss nicht was er machen wollte, aber es war besser nicht zu viel Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen und so hoffte Hector sich den verstimmten Edelmann wieder etwas gewogener machen zu können, auf das er ihn im Idealfall bald wieder vergessen möge.
Der Edelmann griff schon nach kurzer Zeit erneut nach dem Becher und forderte Hector zum Trinken auf. Ganz offensichtlich vertrug er einiges.
Eine Gestalt schälte sich aus den fackelerhellten Schatten der Nacht und trat näher. Er war in unscheinbares Grau gekleidet und trug trotz des warmen Wetters Handschuhe. Während Hector erneut den Becher an die Lippen führen musste, griff sich der Mann ebenfalls einen der Krüge und hob ihn gemeinsam mit dem Ekstatiker und dem Hünen in die Höhe. „Auf Jorinde, die Holde.“
Er griff Hector unterm Arm und sprach betont langsam zu dem Edelmann. „Mein Freund hier muss nun leider gehen. Unsere Herrschaft verlangt frische Kleidung und duldet keinen Aufschub.“
„Moment…“, versuchte der Hüne einzuwenden, aber der grau Gewandete flüsterte nur: „Schwarzberg.“ Und der andere gab klein bei. Er zog Hector mit sich fort.
IM Licht einer Fackel konnte Hector den Mann näher erkennen. Ihm fiel nun auch auf, dass er ein wohl vierjähriges, braunhaariges Mädchen bei sich hatte.

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„Danke.“ Hector murmelte die Worte und atmete tief ein. Der Branntwein war tatsächlich gut gewesen, aber eben auch ziemlich stark. Auf einen echten Trinkwettkampf hätte er es mit dem Hünen nicht ankommen lassen wollen. Hector schaute seinen Retter an und versuchte diesen einzuordnen. Ein Mann in der Begleitung eines Mädchens das konnte sich nur um die Zeitreisenden handeln, die er noch nicht kennengelernt hatte. „Das war gutes Timing. Simon nehme ich an? Mein Name ist Hector.“
Der dunkel gewandete Mann sah ihn kurz an, dann wieder auf die Menge, die vor ihnen lag und durch die sie sich einen Weg bahnen mussten. „Der Edelmann liebt es zu zechen und irgendwann eine ordentliche Prügelei anzufangen. Ich denke, darauf kannst du verzichten.“ Er wich einer leicht bekleideten Frau aus, die eigentlich gerade dabei gewesen war ihn auf ihre Reize aufmerksam zu machen. „Ja, ich bin Simon. Meine Begleitung ist Charlotte.“ Er deutete auf das kleine Mädchen, das schweigend neben ihnen herlief. Die Stimme des Mannes klang ein wenig rau, fast heiser und ungewöhnlich ruhig. Hector bemerkte noch etwas anderes darin: Vorsicht. „Brauchst du noch etwas? Sonst gehen wir zurück zum Quartier. Abraham wird sicher bereits da sein.“
Ohne auch nur zu wissen warum, oder auch nur einen Grund zu haben, fühlte sich Hector von dem Mann abgestoßen. Er wollte diesem nichts unterstellen und war für dessen Hilfe dankbar, aber irgendwas hatte Simon an sich, dass ihm widerstrebte. Es war wie eine falsche Note in einem Lied oder eine unpassende Farbe in einem Bild. Hector schüttelte den Kopf, um diese Gedanken zu vertreiben. Sie würden alle zusammenarbeiten müssen, um hier wieder wegzukommen und für Misstrauen war kein Platz. Daher antwortete der Ekstatiker auf die Frage aufgeschlossen und freundlich. „Nein. Solange Bram sich nicht irgendwo einer Gefahr aussetzt, brauche ich nichts mehr. Ich denke, zurückkehren ist klug.“ Hector lief Simon hinterher, während er gedankenverloren das braunhaarige Mädchen beobachtete. Ja, Charlotte war ihr Name und Hector verspürte tiefes Mitleid für das einsame Mädchen. Für ihn war diese ganze Situation schon unverhofft, beängstigend und auf eine gewisse Art überfordernd. Wie mochte nur dieses junge Mädchen all das verkraften? Er machte ihr in jedem Falle keinen Vorwurf, dass sie nicht, sprach. Nein, im Gegenteil. Je mehr er darüber nachdachte, desto attraktiver schien diese Option überhaupt zu sein.
Simon schloss das Zimmer auf, nachdem er mit einem Klopfsignal drinnen sein Kommen angekündigt hatte. Bram war tatsächlich schon da und schmunzelte als er Hector sah. „Ich musste zwar vergeblich auf Nachschub warten, aber zu sehen wie du es mit dem Bruder der Braut beim Zechen aufnimmst, war es auf jeden Fall wert.“ Er rückte auf der Bank weiter um den anderen Platz zu machen. Das kleine Mädchen sah alle Erwachsenen an, trat dann an die Pritsche auf der Apollonia noch immer schlief um auch diese zu mustern und rollte sich dann auf einem der Lager zusammen und schloss die Augen. Simon ließ Hector den Vortritt sich hinzusetzen, dann nahm auch er Platz. Er zog eine kleine Schachtel hervor, holte eine Zigarette hervor, zündete diese an und sog tief den weißen Rauch ein. Hector roch nicht den ihm bekannten Geruch nach Tabak sondern gar nichts.
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Simon schloss die Augen und schien sich mit jedem Zug mehr zu entspannen. Er zog sich die graue Tunica über den Kopf und die Handschuhe aus. Der Ekstatiker erkannte 6 Finger an jeder Hand. Schließlich sah Simon zu Hector. „Tia hat bereits erzählt, dass du und die junge Frau ebenfalls angekommen seid. Ich denke morgen sollten wir uns Gedanken machen, wie wir weiter vorgehen sollten. Wir alle wollen wohl wieder nach Hause.“ Simon sah sich im Raum um als würde er dort unsichtbare Beobachter vermuten. Mit einem Mal konnte Hector hören, dass sich Apollonia zu regen begann. Ihre Stimme klang schwach. „Was…?“
Hector setzte sich neben Bram und führte die Unterhaltung mit guter Laune fort. Trotz der ernsten Situation hatte der junge Mann Hectors Laune alleine durch seine Anwesenheit massiv verbessern können. „Die Situation war nicht ideal, das gebe ich zu, aber wäre es zum äußersten gekommen, würde ich mir trotzdem noch ganz gute Chancen ausrechnen als Gewinner aus dieser Situation zu gehen.“ Der Ekstatiker beobachtete Simon und Charlotte beiläufig, ohne die extra Finger oder irgendein anderes Verhalten der beiden weiter zu kommentieren. Hector wollte gerade dazu ansetzen, etwas zu sagen, als er die Reaktion von Apollonia bemerkte. Innerhalb eines kurzen Moments war er mit einem Becher Wasser an ihrer Seite und sprach beruhigend auf sie ein. „Es ist alles gut, Apollonia. Du wurdest ein bisschen durchgeschüttelt, aber du bist hier unter Freunden. Nimm dir alle Zeit, die du brauchst, dann erklären wir dir alles. Hier ist auch etwas Wasser, falls du durstig bist.“
Apollonia setzte sich mühsam auf. Sie war kalkweiß. „Hector?“ Sie sah die anderen Gesichter an, die sie anstarrten. „Bram?“ Ihr Blick huschte von Brams Gesicht zu Hector und wieder zurück. Sie sprach die Frage nicht aus, die der Ekstatiker ohne jegliche Mühe in ihren Augen lesen konnte.
„Apollonia ich weiß, das klingt jetzt sehr verrückt, aber wir sind in der Vergangenheit gelandet. 1618, um genau zu sein, in der gleichen Burg, die wir vor kurzem noch besucht haben.“ Hector hielt der jungen Frau den Becher hin. „Hier, das ist abgekochtes Wasser. Trink einen Schluck.“ Ohne darauf zu achten, ob Apollonia das Angebot annahm, erklärte er weiter. „Andere ‚Reisende“ hat es auch hierher verschlagen. Mitglieder deiner Familie, wie Bram oder Tia hier.“ Er zeigte kurz auf die beiden. „Im Moment suchen wir eine Lösung und ich bin froh, dass du wach bist, denn wir könnten deinen Grips bei der Lösung des Problems ganz sicher gebrauchen.“
Apollonia schüttelte ungläubig den Kopf. „Was?“ Sie nahm den Becher von Hector an ohne in diesem Moment zu wissen, was sie damit tun sollte.
Bram trat einen Schritt näher auf sie zu. Hector wusste an seiner Mimik genau abzulesen, dass er überrascht war, auch wenn er versuchte sich nichts anmerken zu lassen. „Du kennst mich?“
Apollonia blinzelte mehrmals um sich zu sammeln, warf erneut einen kurzen Blick zu Hector, dann zu Bram. „Nein, ich kenne dich nicht direkt. Ich weiß, dass du der Sohn meiner Großtante bist. Wir sind uns bisher leider nie begegnet.
Bram schien nachzudenken. „Ja, Apollonia… Ich erinnere mich. Auf dem Schreibtisch meiner Mutter stand ein Foto von dir. Darauf warst du aber deutlich jünger. Vielleicht 15?“ Er grübelte.
Wahrscheinlich hätte die Hermetikerin etwas erwidert, sie war aber immer noch zu irritiert um etwas anderes zu tun als die ‚Reisenden‘ anzustarren.
Tia schien von Hectors Mitteilung, dass sowohl Apollonia als auch Abraham zur Familie gehörten, überrascht. „Ihr gehörts auch zur Familie derer von Waldstein? Wie kann das sein?“
Bram machte eine wegwerfende Handbewegung. „Mütterlicherseits, aber ich habe mit der Familie meiner Mutter nie viel zu tun gehabt. Ich rechne mich nicht zum Hochadel“, versuchte er Tia aufzuziehen.
Tia ließ die Bemerkung an sich abprallen. „In meiner Familie favorisiert man Vornamen mit A. Ich kenne niemand, der keinen hat. Das passt…“ Sie sah zu Hector und Simon. „Gehörts auch ihr zur Familie derer von Waldstein?“
Simon zog an seiner Zigarette und schüttelte fast gelangweilt den Kopf. Ganz offensichtlich war ihm das Gerede von Titeln und Familienzugehörigkeit völlig gleichgültig.
Von irgendwoher konnte Hector eine Glocke hören, deren monotoner Klang die Mitternachtsstunde ankündigte. Tia sah in die Runde. „Ich proponiere, dass wir uns zur Nachtruhe begeben. Ich werde Apollonia von Waldstein alles über diese Gesellschaft berichten und mich dann selbst daniederlegen. Der morgige Tag wird mit dem Hahnenschrei eingeleitet und man wird von uns, da wir uns als Diener ausgeben, erwarten, dass wir uns früh wieder erheben.“

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 Betreff des Beitrags: Re: Prag I: Hector
BeitragVerfasst: Do 15. Dez 2022, 19:17 
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Im ersten Moment erstarrte Hector und dachte, Apollonia würde sich verplappern, entspannte sich aber merklich, als er das Gespräch zwischen ihr und Bram weiter vernahm. Die Irritation und darauf folgende Reaktion der Tia von Waldstein wiederum, verfolgte der Ekstatiker amüsiert. Die Frau hatte in ihrer Korrektheit in Verbindung mit der antiquierten Ausdrucksweise etwas von einer viel zu moticierten Gouvernante. Hector merkte wie der Alkohol langsam zu wirken begann und musste sich anstrengen nicht zu lachen, auch wenn er Tia zustimmte. Sie brauchte Ruhe, denn der morgige Tag mochte in der Tat anstrengend, insbesondere aber auch voller Überraschungen stecken, daher stimmte er ihr auch vor der Gruppe zu. „Das sehe ich genauso.” er nickte der Adeligen zu. „Der morgige Tag wird sicherlich lang werden und je schneller Apollonia auf dem neusten Stand ist, desto besser.“ Noch während Hector die Worte sprach, schaue er sich nach einem Ort um, an welchem er sich ein wenig ausruhen konnte. Ganz so als wäre ein Schalter ungelegt worden, spürte er die plötzliche Erschöpfung und Müdigkeit, die sich in seinem Körper ausbreitete.

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 Betreff des Beitrags: Re: Prag I: Hector
BeitragVerfasst: Do 15. Dez 2022, 22:48 
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Den anderen schien es ähnlich zu ergehen. Simon legte sich auf eine der Pritschen, zündete sich erneut eine Zigarette an und inhalierte den Rauch mit geschlossenen Augen langsam und intensiv in seine Lungen. Die helle Spitze der Zigarette erinnerte an ein weißlich leuchtendes Glühwürmchen.
Bram deutete auf eine der Liegen. „Unglaublich unbequem, aber auf jeden Fall angenehmer als sich am Boden der Herausforderung zu stellen, welches Tier einem als nächstes im Schlaf übers Gesicht klettert.“ Er tat es dem Magier aus der Zukunft gleich und belegte eine der anderen Betten. Er zog einen klobigen CD Player aus einem schwarzen Rucksack und steckte sich die Kopfhörer in die Ohren. Hector kannte die kaum hörbare Musik, die das Gerät abspielte. Lieder von Lincin Park, Bon Jovi, Nirvana, Red Hot Chili Peppers, von denen er die meisten zuletzt vor 15 Jahren gehört hatte.
Hector hörte Tia leise auf Apollonia einreden nachdem sie die Kerzen gelöscht hatte. Desto später es wurde desto häufiger wurde der näselnde Wiener Dialekt der jungen Frau von Böhmisch durchbrochen. Der Ekstatiker konnte sich denken, dass Tia eigentlich aus Böhmen stammte, in Wien jedoch in eine edlere Gesellschaft eingeführt worden war, die es zu beeindrucken und zu imitieren galt.
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 Betreff des Beitrags: Re: Prag I: Hector
BeitragVerfasst: Fr 16. Dez 2022, 12:23 
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„Die Zahl der Flohbisse an meinem Körper wird morgen darüber entscheiden, wie bequem diese Liegen wirklich sind.“ kommentierte Hector die Bemerkung von Bram bevor er sich ebenfalls hinlegte. Die Härte der Liege störte den blonden Magier nicht. Er zählte es tatsächlich als eine seiner Gaben, dass er im Grunde fast immer und überall schlafen konnte, ohne mit einem schmerzenden Nacken oder steifem Hals aufzuwachen. Dennoch fiel es ihm heute irgendwie schwerer, Schlaf zu finden. Mit der Ruhe, die eingekehrt war, brachen auch all die offenen Fragen und widersprüchlichen Gefühle wieder über ihn herein. Was oder wie viel würde und könnte er Bram nur sagen? Wie kamen sie alle zurück in ihre Zeit? Wer war für all das verantwortlich? Handelte es sich, um einen Unfall oder hatte jemand mit Absicht Personen aus verschiedenen Zeiten versammelt und vor allem, wieso 1618? War das alles ein Zufall? Seine Überlegungen rasten noch eine Weile, bevor sich diese Gedanken langsam beruhigten und auf Träume stießen, die sich schließlich wie zwei nasse Farbkleckse miteinander vermischten und ihn in Morpheus Arme begleiteten.

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 Betreff des Beitrags: Re: Prag I: Hector
BeitragVerfasst: Sa 17. Dez 2022, 21:42 
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In den Nachtstunde war die Ruhe in der Brug für jemanden, der den größten Teil seines Lebens in Städten verbracht hatte, fast etwas befremdlich. Ab und an hob ein Hund zu kläffen an, irgendwo in der Ferne schrie ein Waldkauz sein monotones Lied. Hier gab es keine hupenden Autos, keine grölenden Gäste, die aus seinem Nachtclub torkelten, keine unter- oder übereinem lebenden schwerhörigen Senioren, die nicht schlafen konnten und den Fernseher extra laut stellten. Hector war es gewohnt überall schlafen zu können, und so gelang es ihm auch mit Hilfe des durch sein Blut zirkulierenden Branntweins ohne Mühe zu ruhen.
Hector wurde mitten in der Nacht von einem seltsamen Geräusch wach. Es klang wie ein Wechsel von Stöhnen und Weinen und kam, das konnte er nach kurzer Zeit im Schein der Glut des heruntergebrannten Feuers ausmachen, von Simon, der verkrampft auf seiner Pritsche lag. „… nein! Nein! Lasst sie in Ruhe! Bitte! Das könnt ihr nicht machen! Lasst wenigstens die Kinder am Leben. Sie glauben doch eh alles!“ Der Magier schlief noch immer und wand sich flehend von links nach rechts als müsste er körperliche Schmerzen erdulden. Simon hatte die Augen leicht geöffnet, schien aber dennoch nichts zu sehen. „Sie sind keine Gefahr! Bitte…!“
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Hector bemerkte, dass Bram und Tia ebenfalls erwacht waren und sich einen vieldeutigen Blick zuwarfen. Anscheinend war es nicht das erste Mal, dass der Schlafende von einem Albtraum heimgesucht wurde. Tia, die ihr Übergewand abgelegt hatte und trotzdem noch ein sittsames Untergewand trug, erhob sich, trat zu Simons Lager und setzte sich auf einen Schemel. Sie griff behutsam nach der Hand des Schlafenden, strich darüber und begann beruhigend, wie zu einem Kind zu murmeln. „Pst… ist nur ein böser Traum. Wenn du aufwachst sind die Nachtmahre fort.“ Sie summte kaum hörbar die Melodie von „Schlaf, Kindlein, schlaf“ und Simon schien sich tatsächlich zu beruhigen.
Hector bemerkte, dass sie während dem leisen Summen in seine Richtung sah. Der Blick ihrer Augen war fragend. Sie selbst schien keine Ahnung zu haben ob ihr Tun richtig war und sie schien auf ein Nicken oder Kopfschütteln seinerseits zu warten.

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 Betreff des Beitrags: Re: Prag I: Hector
BeitragVerfasst: Sa 24. Dez 2022, 16:40 
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Hectors Irritation dauerte nur einen Moment, bevor er die Situation überblicken konnte. Simon hatte einen Alptraum, einen ziemlich heftigen sogar und Tia versuchte bereits dem gepeinigten Mann zu helfen. Zu seiner Überraschung suchte die Adelige seinen Blick, um sich ihres Tuns zu versichern. Langsam nickte Hector, obwohl er eigentlich keine Ahnung hatte und er lediglich nach gesundem Menschenverstand urteilte. Mit einer flüssigen Bewegung erhob sich der Ekstatiker und ging zu beiden hin. „Simon scheint aus keiner besonders rosigen Zukunft zu kommen.“ Die Stimme des blonden Mannes war nicht mehr als ein Flüstern.

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