Vampire: Die Maskerade


Eine Welt der Dunkelheit
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 Betreff des Beitrags: Venedig (Feb 1228)
BeitragVerfasst: Mo 5. Dez 2016, 21:13 
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Akt 1

Der Brügger Rat erhält im kalten Februar des Jahres 1228 Besuch von einem Gesandten des Venezianischen Hofes mit Namen Giacomo; offensichtlich ein Ghul und Höfling in den Diensten des Prinzen der Domäne Venedig, Guilelmo Aliprando.

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Dieser lässt ein hochoffizielles Schreiben an die Koterie entsenden, das eine Einladung zur öffentlichen Unterzeichnung eines Waffenstillstandes zwischen Hardestadt, dem Fürsten der Lehen des schwarzen Kreuzes und Vladimir Rustovich, dem Drachen des Ostens, darstellt. Gerüchten zufolge können beide Parteien sich die Fortführung des ewigwährenden Konfliktes nicht mehr leisten, da ihre Aufmerksamkeit auch bei innerpolitischen Belangen dringend benötigt wird.

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Venedig hat sich offenbar dazu bereit erklärt als neutraler Treffpunkt zu fungieren; stellt für die Zeit des Aufenthaltes Verpflegung, Unterbringung und Annehmlichkeiten bereit und kümmert sich überdies um die sicherheitsrelevanten Details dieses Aufeinandertreffens. Im Rahmen des Ereignisses, wird dieser besondere und geschichtlich relevante Augenblick mit einem berauschenden Fest im typisch venezianischen Stil begangen. Auf zahlreiches Erscheinen wird gehofft und Masken, festliche Kostüme und prunkvolle Kleiderwahl sind ausdrücklich erwünscht.
Der Rat diskutiert die dargebotene Einladung und sagt schlussendlich zu, nachdem zuvor bereits wichtige politische Details und delikate, zu beachtende Maßnahmen und Gefahrenpotentiale erörtert werden. Es wird allerdings zu bedenken gegeben, dass sich zwei Ratsmitglieder, Gerrit, der Alte, und Lucien Sabatier wohl nicht auf den Weg nach Venedig machen könnten, da sie außer Landes wären und nicht mehr rechtzeitig erscheinen würden. Lucien befindet sich in Deutschland und Gerrit hat sich überraschenderweise auf den Weg nach England gemacht. Etwaige Kunde würde sie wohl zu spät erreichen um noch eine Reise in Erwägung zu ziehen. Der venezianische Hof stellt eine Kutsche mit einer Entourage aus gut ausgebildeten Soldaten zur Verfügung, die ab der italienischen Staatsgrenze eine Eskorte bis nach Venedig bilden würde. Dies wird vom Rat allerdings dankend abgelehnt; stattdessen entschließt man sich den Seeweg zu nehmen und ein Handelsschiff der van de Burse zu diesem Zwecke mit einer erfahrenen Mannschaft, genügend Proviant und entsprechender Ausrüstung wie persönliche Waffen, Kleidung und Präsente für die Domäne in Abfahrbereitschaft zu versetzen. Das Fest als auch die Vertragsunterzeichnung, finden in genau vierzehn Tagen in der Perle des Südens statt; die schriftliche Einladung stellt zugleich einen offiziellen Passierschein dar, der es überhaupt erst erlaubt die Stadt zu betreten, da die Sicherheit vor Ort entsprechend hoch sein würde.

Nur wenig später, setzt sich das Handelsschiff mit der erfahrenen Mannschaft samt Kapitän und dem Brügger Rat in Bewegung. In einer stürmischen Nacht der länger dauernden Überfahrt, findet ein Gespräch zwischen Alida van de Burse und Leif Thorson statt, das die Verbindung der blonden Händlerin zu den Unholden des Ostens aufgreift ().

Eben jene hatte zuvor bereits über rituellen Wege Kontakt mit Andrej Rustovich aufgenommen, um sich über die genaueren Umstände des zu unterzeichnenden Vertrages zu informieren.

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Die Auskunft, die sie erhielt, schien nur das wiederzugeben, was in den Kreisen der Nacht ohnehin geflüstert wird: Beide Domänen hätten aktuell genügend interne Probleme, sodass ein vorläufiger Waffenstillstand unvermeidlich wäre.
Sie erhielt überdies über die Wiedergängerin ein persönliches Schreiben ihres Erzeugers, Emilian Victorovich, der ihr zu verstehen gab, dass er persönlich nicht anwesend sein könnte, da seine Familie ihn dringend in den Landen des Ostens zur Wahrung des Friedens an den Grenzen benötigen würde.

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Er hätte aber jemanden entsandt, dem man vertrauen könnte und der ein Auge auf Alida, als auch den Brügger Rat haben würde. Jemand der außerhalb politischer Fraktionszugehörigkeiten agieren könnte und dennoch in Verbindung mit den Unholden stünde. Die Person würde sich mit einer geheimen Frage an Alida wenden, sobald diese sich auf dem Fest befände. Die entsprechende Antwort, war ebenfalls in ihrem Schreiben vermerkt.
Etwa zur gleichen Zeit machte sich auch Gerrit auf den Weg nach Venedig, der zuvor in England verweilt hatte, um sich mit einem hervorragenden und vielgelobten Baumeister zu unterhalten, der sich unter Umständen um den Wideraufbau bzw. Weiterführung des Bauvorhabens am Brügger Dom verpflichten lassen würde. Der Nosferatu war gerade am französischen Hof in abermals diplomatischer Mission unterwegs, als der venezianische Bote auch an Frankreich die entsprechende Einladung überbrachte. Es wurde ihm zugesagt, mit dem französischen Hofstaat ebenfalls per Schiff anreisen zu dürfen, da man ja gute politische Verbindungen pflegen würde.

In Venedig angekommen, musste der Rat zunächst einmal mit dem Schiff am Lido anlegen, einem elf Kilometer langen Strand, der dazu diente die ankommenden Schiffe eine Zeit lang unter Quarantäne zu stellen und auf Krankheiten zu untersuchen; eine gewöhnliche Vorgehensweise in Venedig. Der Lido, eine teils sandige, teils sumpfige Landschaft, offenbarte dann auf dem Weg zur Überfahrt in die eigentliche Stadt jedoch ein grausames Geheimnis.

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Die Leiche eines rothaarigen Mädchens, in prächtigen Kleidern lag etwas versteckt zwischen Geäst und morschen Wurzeln. An der Innenseite des Saumes, waren Initialen eingestickt worden: I. B. Daneben fand man ein hübsch gearbeitetes Kreuz als Anhänger, sowie einen merkwürdigen Beutel mit leicht rötlich glänzendem Sand. Die Untersuchung des Kreuzes ergab, dass es für den Besitzer keine große Bedeutung gehabt hatte, dieser aber in boshafter Erwartung und klar erkennbarer Absicht, mit dem Gegenstand in Verbindung gebracht werden konnte. Der Beutel Sand offenbarte eine wahre Flut an sich überschneidenden, unzähligen, wirren und nicht eindeutig interpretierbaren Sinneseindrücken. Es war als würde man die Chronik der Welt in Buchform im Sekundentakt durchblättern. Beide Gegenstände wurden verwahrt und nach einigen Diskussionen, wie mit der Leiche des Mädchens zu verfahren wäre, entschied man sich dazu die Leiche den Behörden zu übergeben, auch wenn mancher dahinter bereits die erste Intrige in der Stadt der Masken vermutete. Die medizinische Untersuchung des Mädchens ergab nämlich eindeutig eine klar erkennbare Blutarmut, die unverkennbar durch einen Kainiten zustande gekommen war. Es blieb ein Rätsel, wie ein Mädchen aus gutem Hause, auf die Quarantäne-Insel gekommen war ohne bemerkt worden zu sein. Über geschickte Fragestellungen, konnte man den Namen des Mädchens in Erfahrung bringen: Isabella Barosso. Da man des Italienischen mächtig war, gab man sich als trauernde Verwandtschaft aus, welche die Verstorbene in ihrem Geburtsort beerdigen wollte. Man konnte die Wachmannschaft recht schnell davon überzeugen, dass die rothaarige Frau natürlich keinesfalls Opfer einer Seuche an Bord geworden war.

Man trat die Überfahrt in einem kleinen Ruderboot an; eigens dafür abgestellte Schiffer nahmen die Einladung des Rates entgegen die als Passier- und Erlaubnisschein fungierte.

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Nachdem man vom Lido auf die Lagune übersetzt hatte, wurde man bereits von einem Höfling im Dienste des Prinzen in Empfang genommen, der versprach sich um die ärgerliche und beunruhigende Mordtat zu kümmern. Der Höfling selbst wusste nicht viel zu den Geschehnissen zu sagen, gab aber erneut zu bedenken, dass der Prinz der Stadt gerade bei so hohem Besuch von wichtigen Würdenträgern besonderen Wert auf die Sicherheit und Stille des Blutes legen würde. Waffen wären auf dem eigentlichen Fest untersagt und alle Fraktionen mitsamt Begleitung, wären in unterschiedlichen Zufluchten untergebracht, die über den Standort der jeweils anderen nicht Bescheid wüssten. Die Leiche des Mädchens wurde von Helfern unter strenger Geheimhaltung fortgeschafft, während der Rat zu ihrer temporären Unterkunft in Venedig geführt wurde.

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Die Villa Biscari, die einem wohlhabendem Händler und gutem Freund des Prinzens gehörte, war gerade zur Verfügung gestellt worden, da der Hausherr sich auf Reisen befand. Das Dienstpersonal war entsprechend instruiert und würde den Herrschaften jeden Wunsch erfüllen. Über ansprechendes Interieur, Stuck und Fresken, großen Ölgemälden und sonnendichten Zimmern mit üppig ausgestatteten Gemächern und ausladenden Betten, gab es nichts das der anspruchsvolle Gast vermissen könnte.

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Der Rat hatte jeweils einen sterblichen Ghul bzw. Reisegefährten mit in die Stadt genommen und während die Schiffsmannschaft an Ort und Stelle verblieb, transportierten Konstantin, Michel und Thomas die persönlichen Gegenstände, die Kisten und Säcke, Garderobe und Besitztümer der Ratsmitglieder in die Villa. Der begleitende Höfling, gab zu verstehen, dass der Prinz die Herrschaften noch heute Nacht gerne persönlich begrüßen würde und diese in einer Stunde in der Villa Narsette, dem Prinzenpalast empfangen würde. Nachdem man sich in der vorläufigen Zuflucht eingerichtet hatte, untersuchte Leif Thorson den merkwürdigen Beutel mit rötlichem Sand, der noch immer ein Mysterium war. Dieser rieselte ihm durch die Finger und fing an merkwürdig zu leuchten und zu blinken, wie kleine Sterne die immer strahlender und heller brannten und schlussendlich anfingen die Raumzeit zu krümmen, zu dehnen und zu verändern. Mit einem Mal fand sich die Koterie wieder in der Schlacht um Brügge wieder; stand kurzerhand vor der zerteilten Lilliane die von Volgar einst beinahe getötet worden war. Nach einigen Diskussionen, ob man diese offensichtliche Vergangenheit beeinflussen oder verändern könnte oder überhaupt sollte, entschied man sich dazu nicht weiter einzugreifen. Als man kurzzeitig dennoch versuchte die Figuren der blutigen Szenerie zu berühren, veränderte sich die Realität erneut.

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Der Horizont zerrann zu einer klebrigen Masse aus Farben und setzte sich erneut zur Stadt Venedig zusammen oder besagt gesagt, zu einem bläulich-gräulichem Zerrbild der Stadt das in dichte Nebelschwaden gehüllt und von Schatten durchzogen schien, die sich in grotesker Agonie emporreckten. Offenbar begann eine kalte und fremdartige Dimension zwischen den Welten in diese Realität zu sickern und diese damit zu verändern; sich mit dieser zu vermischen. Menschen oder Lebewesen, waren keine auszumachen und die ganze Stadt schien wie ausgestorben. Die Einladung zu einem privaten Maskenball am Donnerstag, welche sich auf einem kleinen Beistelltischchen im Salon befand, ließ mutmaßen das man sich in der Zukunft befand. Die Villa selbst schien verwüstet, geplündert und verfallen als ob sich die Last von Jahrhunderten über das Bauwerk gelegt hätte. Dann verblasste das Bild so schnell wie es gekommen war und die Gruppe befand sich wieder in ihrer eigenen Realität. Keiner der Charaktere hatte eine wirkliche Erklärung für die Geschehnisse und es schien nicht klar, ob man eine Prophezeiung, eine feststehende Zukunft oder etwas Anderes gesehen hatte. Fest stand wohl nur, dass der Sand über unheimliche und schwer einzuschätzende Kräfte verfügte. Woher Isabel den Sand hatte blieb auch ungeklärt, genauso wie die Frage, ob man die Geschichte den zuständigen sterblichen bzw. unsterblichen Behörden berichten sollte. Das Geheimnis um Isabel und den Sand, musste wohl auch vorläufig eines bleiben, denn der Höfling betrat erneut die Villa, um die Gesandtschaft zum Prinzenpalast zu geleiten.
Der Rat hatte sich bereits im Vorfeld mit prachtvollen Kostümen und Masken ausgestattet, die er zu diesem Anlass in kürzester Zeit hatte anfertigen lassen.

Auf dem Weg zum Prinzenpalast, konnte man schon den allgemeinen Lärm der johlenden, Lachenden und sich unterhaltenden Menge vernehmen. Überall in Venedig wurde getanzt und gefeiert, Verkäufer hatten kleine Hütten und Verkaufsstände mit Wein und Heißgetränken aufgebaut, Spielleute musizierten und der köstliche Geruch von deftigen und süßen Speisen lag in der kalten Nachtluft. Die schiere Flut der prachtvollen Masken und Kostüme war überwältigend; der Karneval war ein Ausnahmezustand in der Stadt. Der Besuch beim Prinzen verlief relativ unspektakulär; da dieser aufgrund der Vorbereitungen für das Fest in der morgigen Nacht noch zahlreiche Dinge zu erledigen hatte. Er empfing die Gruppe im Palast, der gut bewacht schien und bereits jetzt üppig dekoriert und ausgestattet worden war. Überall hasteten Bedienstete und Mägde herum, befüllten Tische mit kleinen Leckereien, verschoben Vasen und Gedecke, Bilder und Blumenarrangements. Guilelmo Aliprando, das Kind von Narses von Venedig, dem einstigen Führer der kainitischen Häresie, tauschte einige höfliche Floskeln mit dem Rat aus und ermahnte nochmals zur Stille des Blutes, während er die Sicherheitsmaßnahmen und den zeitlichen Ablauf der morgigen Veranstaltung bekanntgab.

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Gerüchten zufolge war sein Erzeuger in Verruf geraten sich mit allzu weltlichen Dingen zu beschäftigen und wurde höchstpersönlich von seinem Kind abgesetzt, das nunmehr Prinz der Stadt geworden war. Die Führung der Häresie, war einem russischen Unhold mit Namen Nikita von Szredentz übertragen worden, der dem Prinzen bei der Unterhaltung mit der Brügger Koterie Gesellschaft leistete und überdies als sein Seneschall fungierte.

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Das Zentrum der Häresie, einer rituellen, kainitischen Glaubensgemeinschaft, welche die katholische Kirche von innen und außen unterwanderte, um einem angeblichen Irrglauben entgegenzuwirken und über Intrigen ihre eigenen Dogmen durchzusetzen, befand sich gegenwärtig ebenso in der reichsten Stadt des Kontinents. Nach dem kurzen Gespräch mit dem Prinzen der Stadt, wollte sich die Gesellschaft wieder in Richtung Zuflucht begeben, als sie von einem jungen, offenbar sterblichen Burschen aufgehalten wurden, der angab im Auftrag seines Herren, dem Händler Barosso entsandt worden zu sein. Dieser wäre der Vater von Isabel und wäre in tiefer Trauer über den Verlust seiner einzigen Tochter; es wäre ihm aber zu Ohren gekommen, dass eine Hand voll Fremde diese als erstes entdeckt hätten. Er bat die Koterie also ihm alles zu berichten, was es zu berichten gäbe, da die örtlichen Behörden auffällig langsam und geheimnistuerisch arbeiteten. Mit einem Mal war wohl klar, dass Gerüchte und die beliebte Stille-Post in Venedig ganz besonders schnell arbeiteten. Irgendwie musste er wohl schon vorzeitig vom Tod seines Kindes erfahren haben. Der Rat stimmte zu dem Vater der Ermordeten, Giuseppe Barosso Rede und Antwort zu stehen. Der sie begleitende Höfling des Prinzen war zuerst verärgert und argwöhnisch, lenkte dann aber ein und gab zu verstehen, dass es wohl tatsächlich das Beste wäre dem Vater gerade so viel zu erzählen wie nötig wäre, um diesen in trügerische Sicherheit zu wiegen. Die Beauftragten der Domäne, würden sich der Sache gewiss annehmen; wären aber wohl aufgrund des bevorstehenden Festes recht eingespannt.

Giuseppe Barosso schien am Boden zerstört; seine Frau hatte ihn bereits früh verlassen und nun wurde ihm auch seine Tochter genommen.

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Die wohlhabende und sehr erfolgreiche Händlerfamilie, drohte frühzeitig auszusterben. Die Gruppe berichtete ihm gerade so viel wie notwendig war, ließ aber verräterische Details zur kainitischen Natur sorgsam aus. Als der Händler das Kreuz, welches man bei der Leiche des Mädchens gefunden hatte zu sehen bekam, zeigte er sich äußerst aufgebracht und wütend. Zwischen Tränen und schwermütiger Gram packte ihn der Zorn, denn es stünde außer Frage, das Venantius di Bari dahinterstecken würde. Dieser Mann wäre ein ortsansässiger, exzentrischer Künstler der den Mädchen gerne schöne Augen machte, sich besonders christlich und gläubig gab aber dabei doch nur ein verdammenswert sündiger Mensch wäre. Die Damenwelt läge ihm zu Füßen aber über seine Kunst ließe sich streiten. Er habe Isabel mehrmals verboten Venantius aufzusuchen aber junge Mädchen aus privilegierten Häusern hatten ja ohnehin ihren eigenen Kopf. Von Rachegedanken, konnte er vorerst mit vereinten Kräften abgebracht werden, obgleich ihm die Trauer und die Wut beinahe alle Sinne raubten. Gleich morgen, wolle er den Dogen aufsuchen und ein Verfahren beantragen. Die Gruppe bekundete ihr Beileid und verließ den trauernden Vater, um sich in ihre Zuflucht zurückzuziehen. Dort bekundete Michel großes Interesse daran den Kuss von Lilliane zu erhalten, da er sie auf diese Weise besser schützen könne. Zunächst schien es nicht so, dass die Gräfin von diesem Ansinnen besonders erfreut wäre aber schlussendlich lenkte sie ein; verschob diesen wichtigen Moment jedoch auf später. Der Kuss sollte in der Sicherheit und Behaglichkeit der eigenen Heimstatt vollzogen werden und vorerst hatte Venedig Priorität. Konstantin merkte an, das Venedig eingehüllt wäre in eine mächtige Energie, die schwierig zu interpretieren wäre aber großes Potential in sich trüge. Genaueres vermochte er nicht zu sagen.

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Ein paar Stunden später, war der venezianische Karneval in den Straßen noch immer in vollem Gange; die Straßen hell erleuchtet, die Palais und Villen prachtvoll geschmückt und durchzogen mit den Stimmen als auch den Düften der dekadenten, verschwenderischen Serenissima, die sich selbst feierte, als der Rat sich für das große Fest ankleidete und sich alsbald auf den Weg dorthin machte. Auch Gerrit war mittlerweile rechtzeitig per Schiff in Venedig angekommen, anders als die französische Delegation, hatte er aber nur das notwendigste bei sich, sodass er auf Anfrage bei einem venezianischen Höfling, noch eilig nach der Überfahrt vom Lido zur Lagune, einen recht überteuerten Schneider aufsuchte, der ihm entsprechend prunkvolle Gewänder fertigte und Unsummen dafür abnahm. Ausgestattet in edle Tuche und mit ansprechender Maskierung, begab auch er sich auf das Fest, nachdem ihm die Information zugetragen worden war, die Brügger Abgesandten hätten sich bereits auf den Weg dorthin gemacht.

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Das Fest war bereits in vollem Gange, als die Brügger Delegation und kurz darauf Gerrit im Palazzo Narsette eintrafen. Der Palast bestand aus drei hoch aufragenden Innenhöfen, die über Durchgänge mit Rundbögen miteinander verbunden waren. Überall gab es verschwenderisch eingerichtete Zimmer und Räumlichkeiten die entweder der Allgemeinheit zugänglich waren oder von aufmerksamem Wachpersonal verschlossen gehalten wurden.

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Im zweiten Stockwerk auf der linken, sowie auf der rechten Seite, prangten die Banner von Hardestadt respektive Rustovich. Die beiden Fürsten und Widersacher, waren wohl aus gutem Grunde möglichst weit voneinander weg untergebracht worden. Die feierliche Vertragsunterfertigung, war auf Mitternacht angesetzt worden und bis dahin hatte die Gruppe die Möglichkeit sich dem berauschenden Wogen aus Sterblichen und Untoten hinzugeben, die aßen und tranken, tanzten und lachten und sich in ihrem Wohlstand und Dekadenz aalten. Hie und da verschwanden angetrunkene, kichernde Pärchen es wurde zünftig aufgespielt, die Tische bogen sich unter der Last der Köstlichkeiten und lediglich die strenge Bewachung durch die persönlichen Gardisten des Prinzen, erinnerten einen gelegentlich daran das bei dieser Zusammenkunft immer mit unvorhersehbaren Schwierigkeiten gerechnet werden musste.

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Madame Lavalle, wurde beim Eintreffen von Venantius di Bari in Beschlag genommen, der mehr als entzückt und entbrannt vor Leidenschaft für die Französin schien; für sie ließ er sogar seine eigene Begleitung stehen.

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Die Dame selbst hingegen, schien dezent ausgedrückt weniger angetan von seinen Avancen. Wie aus dem abgefangenen Brief, den man beim Speckfürst in den Taschen des ermordeten Händlers aus Venedig gefunden hatte hervorging, standen sich die beiden offenbar recht nahe. So nahe sogar, dass er wohl ihren Vornamen kannte und die aus Brügge abhanden gekommene, heilige Lanze für sie ausgemacht hatte.

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Währenddessen, traf sich Alida im Garten des Anwesens mit ihrer geheimen Kontaktperson, die von Emilian zu ihrer Sicherheit entsandt worden war und tauschte das Losungswort aus.

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Die Agentin des Ostens hieß offenbar Anastasia; eine schwarzhaarige, wenig grazile Dame, die wohl mit feiner Gesellschaft und Etikette nicht viel am Hut hatte, dafür sogleich ein paar wichtige Informationen an Alida weitergab und sie darüber aufklärte, dass Jaques de Camarque wieder aus den Kreuzzügen zurück wäre und bei Geoffrey du Temple in Ungnade gefallen wäre. Etienne de Poitou hätte ihn wieder aufgenommen und der blonde Franzose wäre ebenfalls auf dem Fest zugegen. Des Weiteren konnte über einige Gespräche und geflüsterte Gerüchte in Erfahrung gebracht werden, dass Madame Lavalle ihren Posten als Seneschall wieder abgegeben hatte, was kontrovers diskutiert wurde. Manche sahen es als entwürdigenden Machtverlust, andere sahen darin einen klugen Schachzug des französischen Prinzen. Jaques de Camarque war es dann auch, der Lilliane von Erzhausen, die das Spektakel von einer erhöhten Brüstung aus beobachtete ansprach und ihr erneut seine ewige Liebe und Zuneigung kundtat.

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Auch auf mehrfaches Insistieren ihrerseits, ließ er sich in seiner unsterblichen Leidenschaft nicht davon abbringen, dass beide füreinander bestimmt wären. Kurz darauf wurde mit Fanfaren und unter Applaus das Erscheinen der beiden Fürsten angekündigt, die sich beide ihrerseits mit einer Delegation von Wachen über breite, reich verzierte Treppen, ihren Weg durch die Menge bahnten.

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Der Innenhof wurde für die Allgemeinheit gesperrt und nur noch für die geladenen Gäste und Unsterblichen offen gehalten. Die Türen wurden nach strenger Kontrolle geschlossen, sodass die Stille des Blutes nicht gefährdet wäre. Auf einer großen Steinsäule, lagen bereits mehrfach überprüft und inspiziert die entsprechenden Vertragsdokumente, welche die beiden Kontrahenten nach einigen verbalen Machtkämpfen und unterschwelligen Drohungen und Schmähungen auch nacheinander unterschrieben.

Entgegen der allgemeinen Meinung, brach das bereits erwartete Chaos aus Attentaten, Giftmorden und intriganten Anschlägen nicht aus; im Gegenteil. Es wurde eine lange Tafel aufgedeckt, an der sich die Größen der Nacht mit frischer Vitae aus prunkvollen Kelchen stärken durften. Selbst Hardestadt und Rustovich stießen miteinander an und die Feierlichkeiten nahmen ungehindert und ungestört ihren Lauf. Als krönenden Abschluss des gelungenen Abends, als auch dem Abschluss des Waffenstillstandes, war eine Reihe von Spielen angedacht, zu deren Teilnahme jeder unabhängig seiner Herkunft oder seiner Treueschwüre eingeladen war. Verschiedene Kainiten nahmen teil, darunter auch der Rat aus Brügge. Es begann mit einem Wetttanzen, zu dem Leif Lilliane aufforderte, die sich aber zunächst nicht dafür erwärmen konnte. Erst als Jaques de Camarque sie aufforderte, ließ sie sich unter der Prämisse, er dürfe nicht vergessen wem ihr Herz gehöre, darauf ein. Gerrit tanzte mit Madame Lavalle und Leif forderte aus Jux und Tollerei einen Nosferatu auf, der grinsend zusagte.

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Man fegte über den peinlichst genau gesäuberten Marmorboden zu den schnellen Klängen der Musiker und obgleich alle eine gute Figur machten, waren es Gerrit und Madame Lavalle die schlussendlich einen famosen, leidenschaftlichen Tanz vollführten der alle in Erstaunen versetzte und ihnen den Sieg bescherte. Lilliane und Alida nahmen jeweils an Bogenschießen und Gesangwettbewerben teil, konnten aber den Sieg schlussendlich nicht für sich beanspruchen.

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Der Heiler Leif hingegen stellte einen neuen Rekord im beliebten französischen Hof-Spiel „Fang das Ferkel“ auf.

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Mit schier übermenschlicher Geschicklichkeit und Geschwindigkeit, hatte er das quiekende Tier innerhalb weniger Sekunden gepackt, alle Verfolger hinter sich gelassen und in Bestzeit wieder in seinem kleinen Weidenkörbchen abgesetzt. Als Belohnung gab es für ihn eine äußerst wertvolle Rüstung aus Konstantinopel von meisterlicher Machart, während Gerrit einen ebenso vortrefflichen Helm sein eigen nennen durfte. Madame Lavalle erhielt schier unbezahlbaren Schmuck.

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Als Ausklang sollte es noch eine kleine Gondel-Regatta geben, die von einem festgelegten Starpunkt des Canale Grande aus, einige hundert Meter lang durch die trüben, kalten Wasser der Lagune führte. Die Festgesellschaft begab sich also zur feiernden, sterblichen Menge nach draußen an den Startpunkt, wo Alida mit ihrer Kenntnis von Schiffsbau in kürzester Zeit die perfekte Gondel für die teilnehmenden Gerrit und Leif ausgesucht hatte. Unter den Teilnehmern waren unter anderem auch Nikita der Seneschall und nominelle Führer der Häresie, sowie der ehrenwerte Besuch aus Spanien, der Kardinal Antonio Delgado.
Lilliane von Erzhausen gab mit einem Taschentuch den Startschuss und unter begeistertem Jubel und Pfiffen, setzten sich die Gondeln in Bewegung. Es dauerte nicht lange und ein klarer Favorit kristallisierte sich unter den Teilnehmern heraus: Brügge. Gerrit und Leif hatten sich ein gutes Stück vom Rest der Gondeln abgesetzt und steuerten schon auf das Ziel zu, als plötzlich das Unfassbare geschah. Mehrere Armbrustbolzen, schlugen in die Gondel von Nikita und Delgado, versanken im Wasser, trafen lackierte Teile aber auch den schmerzvoll aufschreienden Kardinal. Der Seneschall riss den Mann über Bord; suchte hinter der wackeligen Gondel im eiskalten Wasser Schutz, da die beiden hier im offenen Kanal ein mehr als leicht zu treffendes Ziel abgaben. Die sterblichen und unsterblichen Zuschauer brauchen eine ganze Weile lang, um nach und nach zu verstehen was da gerade vor sich ging und die gellenden Hilfeschreie von Nikita, gaben erst allmählich die Erkenntnis Preis: Ein Attentat und offensichtlich hatte der Schütze keinen der untoten Würdenträger im Visier gehabt.

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Hardestadt und Rustovich beschuldigten sich schon gegenseitig; vermuteten ein weiteres, zeitgleich stattfindendes Komplott und ließen ihre Wachen aufmarschieren, um jeder für sich den Attentäter, den sowohl Alida als auch Gerrit und Leif alsbald auf einem der hohen Hausdächer der Kanalseite entlang ausfindig machen konnten, dingfest zu machen. Erst das Eingreifen Andrejs einerseits und Lillanes andererseits, brachten die Fürsten von diesem unüberlegten Vorhaben ab, da die Straßen mehr als genügend Verstecke und Möglichkeiten für Hinterhalte boten und niemand wissen konnte, ob nicht tatsächlich auch dieser so feige aber gleichsam schon gefährlich offensichtliche Anschlag, nicht Teil eines perfiden Plans wäre. Während Leif Thorson an die Seite des verwundeten Kardinals gerufen wurde, da ihm sein Ruf als hervorragender Heiler bereits vorauseilte, nahmen Alida und Gerrit die Verfolgung des Attentäters auf, der weite, helle Kleidung trug und einen leicht morgenländischen Einschlag erkennen ließ. Der Verwundete wurde in das Ärztekabinett eines befreundeten Heilers des Prinzen gebracht, als die zerstrittenen Fürsten voneinander abließen und auf Geheiß des venezianischen Prinzen wieder in ihre jeweiligen Zufluchten zurückkehrten; man würde sich als Domäne Venedig des Problems annehmen. Leif erkannte, dass der Kardinal von mehreren Bolzen getroffen wurde. Die eigentliche Gefahr ging aber von verschiedenen Giften aus, mit denen man die Spitzen getränkt hatte und die auf die lebenswichtigen Organe des Würdenträgers abzielten. Er schaffte es unter Aufbietung all seines Könnens und seiner Kunstfertigkeit, dem Mann das Leben zu retten wofür ihm vor allem der Seneschall unendlich dankbar war, da Delgado als vielversprechender Kandidat für das höchste Amt in der katholischen Kirche in Rom galt. Der Kardinal würde unter strenger Bewachung im Behandlungszimmer des Arztes verweilen, bis er transportfähig wäre. Danach würde man ihn an einen geheimen und schwer bewachten Ort bringen, um sein Leben zu schützen. Nach außen, würde man es auf Anraten des Heilers so darstellen, als hätte der Mann den Anschlag nicht überlebt um die Mörder auf eine falsche Fährte zu locken.
Indessen verfolgten Alida und Gerrit den Attentäter über Häuser und Dächer, durch überfüllte Straßen und Gässchen, quer durch die Massen der feiernden Venezianer, bis sie ihn an einer Häuserkante, hoch über einem der größeren Kanäle stellen konnten.
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Gerrit näherte sich dem scheinbaren Araber, während Alida von der Straße aus darauf achtete, ihm unter Umständen die Flucht abzuschneiden. Der überaus geschickte und gelenkige, durchtrainierte Mann sprach den Nosferatu zunächst auf Arabisch, dann auf Latein an und gab zu verstehen, dass offenbar niemand in dieser Stadt verstand was wirklich vor sich gehe. Dann breitete er die Arme aus und ließ sich nach unten fallen. Noch im Sturz verwandelte er sich in einen Adler und selbst die heranrauschende, geworfene Holzaxt, die Alida aus einem naheliegenden Hackstock gerissen hatte, hielt seine Flucht nicht auf. Man kehrte wieder zu Leif, Lilliane und dem Prinzen der Stadt zurück, der versprach alle Vorgänge restlos aufzuklären und noch heute die entsprechenden Maßnahmen zu setzen, um jedes bisschen Information einzusammeln und jeden verfügbaren Mann zu entsenden. Bis auf weiteres, wurde auch die Brügger Delegation gebeten sich wieder zurück in ihre Zuflucht zu begeben. Morgen Nacht, würde es bereits erste weitere Hinweise auf den Attentäter und etwaige Zusammenhänge geben. Die Koterie begab sich zurück zum Palazzo Biscari, wo noch eine Weile diskutiert und überlegt wurde, bevor man sich für den herannahenden Tag zur Ruhe begab.

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Der Weg zum Ziel beginnt an dem Tag, an dem du die hundertprozentige Verantwortung für dein Tun übernimms.
Dante Alighieri


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Verfasst: Mo 5. Dez 2016, 21:13 


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BeitragVerfasst: Mi 25. Jan 2017, 16:05 
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Russische Eröffnung (während des Festes)

Russische Eröffnung

„Bauer auf E4.“ Die fremde, schwarzhaarige Frau sprach sie mit dieser seltsamen Formel an.
„Springer auf F6“ Alida kannte die Antwort und erwiderte rasch.
Mitten in der üppigen Pracht des eigens für den festlichen Anlass der Vertragsunterzeichnung angelegten Gartens standen die nach wie vor fleischgeformte Alida zusammen mit der ihr noch völlig unbekannten, schwarzhaarigen Dame, die ihr zuvor die geheime Losung ihres Erzeugers genannt hatte. Ihr Lächeln war leicht schief und wirkte beinahe amüsiert; offensichtlich empfand sie diese Begegnung als erheiternd. Möglicherweise lag es aber auch einfach nur an der aufgezwungenen Heimlichtuerei, die sie offensichtlich für in höchstem Maße übertrieben hielt.

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Rings um sie herum, hatten sich entweder leichtfüßig dahinschlendernde Pärchen oder Grüppchen aus kunstvoll gekleideten Damen und Herren gebildet, die den botanischen Prunk des Palazzo Narsette begutachteten. Nicht selten vernahm man zwischen all dem Lachen und den allgegenwärtigen Gesprächen, auch ein erstauntes Raunen oder respektables Staunen.

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Die Frau sah sich kurz um und deutete der Unholdin dann an, sie ein Stück zu begleiten. „Habt ihr euch schon ein wenig umsehen können? Wie wirkt diese Veranstaltung auf euch?“, fragte sie mit gedämpfter Stimme in Französisch. Alida fiel auf, dass die Dame es offensichtlich nicht gewohnt war lange Kleider zu tragen oder sich galant und damenhaft zu bewegen; dafür fehlte einfach etwas, dass sie nicht recht benennen konnte, aber sehr wohl einen Unterschied ausmachte. Diese Festivität war wohl eine Gelegenheit, auf der man sie normalerweise nicht anzutreffen vermutet hätte.
Alida folgte ohne große Hast. Drinnen waren die Festigkeiten am Beginnen und bisher verbrachte fast jeder Besucher seine Zeit damit alles zu erkunden, die Pracht zu genießen oder nach bekannten oder bisher unbekannten Gesichtern Ausschau zu halten.
Sie ließ ihren Blick über den Garten und ins hell beleuchtete Innere schwenken und antwortete ebenfalls in Französisch. „Prachtvoll, dekadent, eine Zurschaustellung von Macht und Einfluss der Serenissima. Sie feiern sich selbst. Nun ja… Die eigentlichen Beweggründe für diesen Schritt konnten sich mir noch nicht entschließen, aber davon mag es hunderte geben.“ Sie musterte die Fremde näher und erkannte die schwache Aura der Kainiten. „Ihr interessiert euch also für das Spiel der Könige? Ich habe einen guten Freund, dem es ähnlich ergeht.“
Die Frau schüttelte leicht lächelnd den Kopf. „Nein, überhaupt nicht, aber unser gemeinsamer Bekannter hat wohl eine gewisse Schwäche für dieses Spiel. Er hätte sich wohl jedes beliebige Geheimwort ausdenken können, und dennoch blieb er beim Schach.“ Mit einem kleinen Seitenblick Richtung Alida fügte sie fragend hinzu: „Und soweit ich weiß, vertreibt ihr selbst euch auch gerne die Zeit damit, Alida van de Burse.“ Die Worte klangen wie eine halbe Frage, dann wieder wie eine simple Feststellung. „Ich kenne mich nicht sonderlich mit Politik aus, aber habe bedauerlicherweise immer wieder das zweifelhafte Vergnügen, mich mit ihr beschäftigen zu müssen. So oder so, sind wir heute beide hier auf dieser Veranstaltung, auf die wir eigentlich gar nicht hingehören, ganz egal ob es nur darum geht die Serenissima oder einen merkwürdigen Friedensvertrag zu feiern.“ Als sie an einer hübsch gefertigten Sitzbank vorbeigingen, folgte ihnen die Augen zweier opulent gekleideten Damen, die prachtvolle Masken trugen. Flüsternd meinte die Dame neben der Unholdin: „Franzosen… die sind hier überall. Es ist du Temple wohl ein besonderes Anliegen Präsenz zu zeigen, wo sich zwei so formidable Feinde zähneknirschend die Hand reichen. In Wahrheit kommt ihm dieses Abkommen, genau wie vielen anderen auch, nicht gerade recht, was mich zu der Annahme bringt, dass diese Farce hier ohnehin früher oder später blutig enden wird. Sicherheit und Wahrung der Stille des Blutes…“ Sie schnaubte verächtlich. „Rustovich und Hardestadt sind hier, wer könnte uns das bei aller Liebe garantieren? Deshalb habe ich mich auch schon umgesehen und die Fluchtwege ins Auge gefasst. Angeblich soll es auch dekadente Spiele und Wettkämpfe geben. Nehmt ihr und euer Rat teil?“
Alida sog tief die Luft ein. „Ich weiß es nicht. Wahrscheinlich…“ Sie sah zu der schwarzhaarigen Frau. „Wollt ihr vielleicht so frei sein und mir euren Namen nennen?“
„Anastasia“, meinte die Frau mit einem besonders breiten Lächeln. „Und bitte bemüht euch nicht darum, meinen Namen irgendwie mit unserem gemeinsamen Bekannten in Verbindung bringen zu wollen, denn es gibt keine. Zumindest keine, die euch bekannt sein dürfte. Mit dem Osten habe ich äußerst wenig zu schaffen und im Grunde wäre ich auch nicht hier…“ Sie lächelte und betrat den hölzernen Steg zum aus weißem Marmor gefertigten Pavillon, der sich inmitten eines äußerst flachen Wasserbeckens befand. Jemand hatte wie um den Bereich künstlerisch zu umranden, zusätzlich farblich abgestimmte Seerosen großzügig auf der Oberfläche verteilt. „ …wenn da nicht die Tatsache wäre, dass wir ein gemeinsames Interesse hätten, euer Freund und ich. Nämlich: alles daran zu setzen, dass dieses Theaterstück geradewegs so über die Bühne geht, wie es ohnehin niemand zu hoffen wagt: friedlich und ohne Zwischenfälle. Dass ihm dabei wohl eure Sicherheit besonders am Herzen liegt, davon gehe ich einfach einmal aus.“ Sie ergriff Alidas Hand und zog sie in den Pavillon, aus dem sich gerade ein sich innig küssendes Pärchen ertappt zurückzuziehen begann. Anastasia ignorierte die beiden offensichtlich Sterblichen und bedeutete, um die Ecke spähend, auf einen Mann, der gerade dabei war ein paar Blumen zu pflücken und daraus einen Strauß zu formen.

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Das Gesicht war Alida auf Anhieb bekannt – Jaques de Camargue. „Der gefallene Sohn ist auch wieder Teil des höfischen Lebens…“, flüsterte die Schwarzhaarige.

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Mit offenem Mund sah Alida zu dem Franzosen und stahl sich sogleich in den Schatten einer Säule. Sie schielte zu der Schwarzhaarigen. „Das hätt‘ ich auch nicht gedacht, dass wir den noch einmal zu sehen bekommen… Kreuzzüge nehmen wohl mitunter auch ein Ende. Ist das nun gut oder schlecht? Ich hätte nicht gedacht, dass er Blumen pflückt… bestenfalls, dass er Blumen pflücken lässt.“ Sie schmunzelte. Jaques war einer der Charaktere mit dem sie noch nie ein Wort gewechselt hatte, einer, dem sie in ihrer Existenz seltsamerweise fast nie über den Weg gelaufen war und doch wusste sie, dass er den Weg so einiger Brügger Kainiten gekreuzt hatte.
Sie trat näher an Anastasia heran. „Nun denn, wenn es euer Interesse, ebenso wie das meinige und das so manch anderer Kainiten ist, dass alles reibungslos über die Bühne zu bringen, warum habt ihr dann Kontakt zu mir aufgenommen?“
„Eine gute Frage…“, konterte die Frau und wartete ab, bis der in eine prunkvolle Paraderüstung gekleidete Jaques offenbar ein weiteres Blumenbeet anvisierte und kritisch die passenden, bunten Pflänzchen für seine Sammlung auserkor. Das sie umgebende Fackellicht, spiegelte sich dabei auf seinem glänzenden Brustharnisch auf dem ein goldener Löwe prangte.
„Weitaus wichtiger ist allerdings die Frage, wie wir gedenken dieses Ziel zu erreichen, nicht wahr?“ Sie legte den Kopf leicht schief und verschränkte die Arme. „Ich bin euer zusätzliches Paar Augen, die sehen und Dinge beobachten können, ohne selbst gesehen oder bemerkt zu werden. Gewiss ist die schier unüberblickbare Anzahl an feiernden Gästen und geladenen Maskierten, ein Vorteil für uns, doch seid ihr jemand, oder besser euer gesamter Rat, der einen gewissen Rufe genießt. Es spielt dabei gar keine Rolle, ob dieser gut oder schlecht ist, denn ihr wurdet hochoffiziell eingeladen. Damit werde ihr beobachtet, erkannt, beäugt, gemessen und bewertet. Natürlich liegen Hardestadt und Rustovich heute Nacht im Zentrum der Aufmerksamkeit, aber ihr könnte euch mitunter wohl auch nur schwerlich hinter eurer ungewollten Prominenz verstecken.“ Sie trat einen Schritt näher. „Ich bin ein Niemand, jemand den niemand kennt und niemand vermisst. Niemand weiß etwas über mich, und niemanden interessiert es. Die Augen eurer Verbündeten und Feinde ruhen auf euch, und während alles sich auf euch konzentriert, übersehen sie… mich.“ Etwas argwöhnisch zupfte sie an ihrem einfach gehaltenen Kleid. „Ich bin fürs Grobe zuständig… dann, wenn im Zweifelsfall ein wohlplatzierter Schlag der letzte Ausweg scheint. Ich kann mich hier recht frei bewegen in gewissen Grenzen. Das war auch der Plan unseres gemeinsamen Bekannten.“
Alida sah erneut über all die fein frisierten Köpfe, die kostbaren Masken und bemerkte die laute Musik, die einen Teil der Gespräche verschluckte. „Die ganze Politik der italienischen Stadtstaaten ist mir ein Rätsel… Ein seltsames Sammelsurium an unterschiedlichsten Interessen, die ich nicht so recht verstehe. Es gibt so viele, die sich mehr als nur freuen würden, wenn dieser Vertragsabschluss scheitern würde… Aber egal, was in diesen Mauern geschehen mag: das Ende der Friedensverhandlungen wäre erst dann gegeben, wenn sich der Voivode der Voivoden und der schwarze Monarch selbst en die Gurgel gehen würden… Auch wenn ihr, wie ihr sagt, nicht bewandert in Sachen Politik seid: Habt ihr eine Ahnung von wem die größte Gefahr ausgehen mag?“ Erneut besah sie sich die Kainitin. Auch wenn es ein Brief von Emilian gewesen war, der diese Agentin angekündigt hatte, hieß das nicht, dass darin nicht in irgendeiner Art die Finte eines Feindes verborgen lag. Vorsicht war besser als Nachsicht.

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Anastasia schüttelte den Kopf und hob die Schultern, dabei lösten sich einige schwarze Strähnen ihres Haares und fielen ihr ins Gesicht. Ärgerlich kämmte sie diese wenig zaghaft wieder nach hinten. „Venedig hat eine gewisse Sonderstellung, habe ich mir sagen lassen. Jede dieser italienischen Stadtstaaten blickt mit Neid auf die Metropole, die unglaublichen Reichtum und mannigfaltige Möglichkeiten bietet. Und während sie untereinander zerstritten sind und um die Gunst des Fürsten und um Macht und Einfluss buhlen, werfen sie immer wieder neidvolle Blicke auf die Lagune allen voran… Genua.“ Ein breites Lächeln, das sich süffisant schief verzog erschien auf ihrem Gesicht. „Baronessa Giulia Vittoria Caravaggio wohnt dem Fest nämlich nicht bei. Als Grund hat sie dringende Angelegenheiten in Sizilien angegeben. Das wundert zwar niemanden wirklich, und sie konnte ihre Würde ja nach wie vor aufrechterhalten, aber dennoch…“ Die Schultern glitten ein weiteres Mal nach oben. „Es ist nur eine Theorie… eine von vielen möglichen, aber es ist schwierig sich in diesen Massen an Untoten und Sterblichen innerhalb kürzester Zeit verlässliche Informationen zusammenzusuchen. Vor allem da ich ja unter erschwerten Bedingungen arbeite.“ Anastasia seufzte laut. „Die Antwort lautet also nach wie vor leider ‚nein‘ – ich kann noch nicht sagen worauf unsere ganz besondere Aufmerksamkeit liegen sollte oder wer sich verdächtig genug macht, um eine nähere Untersuchung zu rechtfertigen. Und falls es ein Attentat oder dergleichen gibt, dann müsste es noch vor der Vertragsunterzeichnung geschehen. Mir läuft in diesem Fall also ganz schlichtweg die Zeit davon.“ Die Aura der offensichtlichen Kainitin, zeigten ein blasses Farbenspiel aus gedeckten Tönen, die Sorge, Nachdenklichkeit und ein wenig aufkeimende Nervosität widerspiegelten. Gelegentlich flackerte ein wenig Wut und Unzufriedenheit auf. Auf einen eventuellen Verrat, Lügen oder Auslassungen, konnte Alida dadurch nicht schließen. Die Frau wirkte auch ganz ohne das Lesen ihrer Aura, eher sehr direkt und gerade heraus; würde vielleicht noch ganz andere Worte benutzen um ihren Unmut zu beschreiben. „Auf jeden Fall ist es wichtig, das wir nicht zusammen gesehen werden, falls dies nicht schon ohnehin passiert ist. Es sollte niemanden Anlass geben in unserer Begegnung mehr zu sehen als den reinen Zufall, wie das auf Festen ja ohnehin oft der Fall ist. Verhaltet euch also ganz so, wie ihr euch unabhängig von mir oder anderen geben würdet. Einfach weitermachen wie bisher und die Augen offenhalten.“
Die umgeformte Händlerin zuckte mit den Schultern.

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„Da ich der guten Alida van de Burse nur marginal ähnlichsehe und nur einige wenige aus dem Osten dieses Gesicht kennen, sollte es nicht von allzu viel Belang sein, ob man uns zusammen sieht oder eben nicht. Woher wusstet ihr Bescheid?“ Sie fuhr sich etwas nervös über die zu feinen Finger wie über ein zu enges Kleidungsstück. „Ich denke, wir sollten schauen, dass wir unser Bestes geben und das tun, was wir tun können: Augen und Ohren offen halten.“ Sie sah erneut zu der Kainitin. „Wenn ich euch in irgendeiner Art und Weise behilflich sein kann, dann sagt es mir.“
„Rustovich…“, meinte die Dame, die sich in ihrem Kleid sichtlich unwohl fühlte etwas die Augen überrollend. „Andrej Rustovich. Unser gemeinsamer Bekannter befand es für notwendig noch jemand anderen in diese Sache einzuweihen, da er wie ihr ja wisst, selbst nicht zugegen sein kann. Ich mag ihn nicht; kein Stück, aber die… Notwendigkeit noch jemand anderen davon wissen zu lassen, im Falle meiner Entdeckung, war wohl unumgänglich. Wir sind keine Freunde, wenn es euch interessieren sollte, aber schwierige Zeiten erfordern schwierige Entscheidungen. Dieser Auftrag… mein Auftrag…. Es ist eine gefährliche Angelegenheit, aber wir können getrost davon ausgehen, das zwischen all diesen Gästen sicherlich noch viele weitere Spione, Agenten und Lauscher versteckt sind, die diversen Herren und Domänen dienen.“ Anastasia wandte sich der gegenüberliegenden Seite des Pavillons zu, die ebenfalls über einen soliden Holzsteg mit dem üppig gedeihenden Rasen verbunden war.
„Wenn ich eure Hilfe brauche, werde ich es euch wissen lassen, vertraut mir. Letzteres solltet ihr ohnehin tun… denn ich bin nach euren Ratsmitgliedern hier sicher die einzige Person, der wirklich etwas an eurem Wohlergehen gelegen ist. Spielt eure Rolle, das dürfte vorerst genügen. Versucht das Fest zu genießen und Winkelzüge im Voraus zu erahnen… wir hören voneinander.“ Damit schritt sie etwas unbeholfen über den Holzsteg und stieß ein paar Flüche aus, die wohl ihrer Garderobe galten.

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Von der anderen Seite des Gartens, konnte Alida Nikita von Sredentz erblicken, der sie kurz musterte, aber dann den Blick wieder abwandte als er sie offenbar nicht zuordnen konnte. Der Abend versprach spannend zu werden, wie immer man „spannend“ interpretieren wollte.

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Der Weg zum Ziel beginnt an dem Tag, an dem du die hundertprozentige Verantwortung für dein Tun übernimms.
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 Betreff des Beitrags: Re: Venedig (Feb 1228)
BeitragVerfasst: Fr 24. Feb 2017, 22:24 
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Das Venedig, so wie Alida es zuvor betreten hatte, hatte sich durchwegs verändert. Früher waren Spielleute, Artisten und ausgelassene Bürger in bunten Kostümen durch die Straßen geschritten. Jetzt sah man nur gelegentlich einsame Venezianer vorsichtig um die nächste Ecke biegen; hin und wieder einen Trupp Soldaten im metallklirrenden Gleichschritt marschieren. Wer immer in ihre Nähe kam, wurde streng und misstrauisch gemustert. Offenbar war der Auftrag nach wie vor jener, jedes Aufkeimen von Rebellion oder Gewalt mit noch größerer Gewalt zu unterbinden. Der Großteil der Nachtschwärmer machte umgehend Platz und gab damit beinahe schon flehentlich zu verstehen, dass er ein unschuldiger und unbeteiligter Bürger des Viertels war. Manche blieben dadurch von den scharfen Blicken der Soldaten verschont, andere wurden angehalten und barsch kontrolliert. Nach wie vor standen mehrere Monde, in unterschiedlichen Mondphasen am Himmel und die Wolkendecke bewegte sich rasend schnell, so das einem bei längerem Betrachten übel werden konnte. Auch die Schatten in der näheren Umgebung, gewannen an Intensität und wurden manches Mal regelrecht plastisch; als würden sie die Kainiten verhöhnen. Anastasia führte die Händlerin durch selten begangene Pfade und Wege, allerdings war sie zuvor einen kleinen Aufklärungsflug über das Viertel geflogen, nur um sicher zu gehen. Ortskundig schien sie selber ebenfalls nicht zu sein.
„Es gibt noch immer eine Ausgangssperre in diesem Viertel aber selbst die Wachen wissen, das irgendwann wieder Leben in die Stadt kehren muss. Jetzt da der Durchbruch bei Orsini und Barosso fast erfolgt ist, beruhigt es sich allmählich. Trotzdem könnten wir Probleme bekommen, falls irgendeinem besonders eifrigen Wachmann unsere Nasen nicht passen. Du solltest dich also möglichst unauffällig geben, so dumm das klingen mag.“
Alida erhöhte ihre Geschwindigkeit und schloss zu der schwarzhaarigen Frau auf. Sie sprachen wieder Französisch. „Habt ihr mitbekommen, was bei Orsini und Barosso geschehen ist?“
„Teilweise“, meinte Anastasia knapp seufzend. „Dieser ganze Belagerungszustand ist chaotisch und unberechenbar, selbst von oben konnte ich nicht alles mitverfolgen.“ Sie duckte sich unter einen in schattiger Dunkelheit liegenden Torbogen, bevor nur einige Augenblicke später ein kleiner Trupp venezianischer Soldaten an ihnen vorbeiging. „Man sagt, beide Familien haben sich offiziell beim Dogen und ihren Mitbürgern entschuldigt, Orsini spricht von einem faulen Übel, das ihn befallen hatte und Barosso meinte, er wäre von Sinnen gewesen ob seines Zornes und seiner Trauer. Es gibt Leute, die ihnen das glauben, andere tun es nicht. Der Doge oder das was von ihm übrig ist, tut es wohl nicht und so hat er unverzüglich ein Todesurteil ausgesprochen, das sofort vollstreckt werden soll. Jetzt kämpft das was von den streitenden Familien übrig ist nicht mehr verzweifelt um Ehre oder Rache, sondern ihre Köpfe. Aber was will man gegen die Truppen des Dogen schon ausrichten? Es ist nur eine Frage der Zeit, bis die Bauernopfer liquidiert werden und lose Enden geschlossen.“ Anastasia deutete mit einer Hand ein wenig in die Ferne. „Es ist nicht mehr weit. Dieser Nosferatu Nicolo war vor kurzem bei uns und hat den russischen Hof über die Vorgänge in der Stadt unterrichtet. Er blieb nicht lange, weil er wohl noch anderen Kunde übermitteln musste. Ich habe mich auf den Weg gemacht, um mir selbst ein Bild zu machen; Rustovich hat getobt.“ Sie grinste schief und ging zügig weiter.
Alida war in Gedanken und hob erst den Kopf als sie von Rustovich zu reden begann. „Das kann ich mir vorstellen. Wenn der Gute eines kann, dann ist das toben. Nun ja: Er ist ein auch ein unglaublich guter Stratege, wenn es um seine Krieger und Truppen geht und man mag es glauben oder nicht, ein Anführer, dem die Kainiten des Ostens, soweit das überhaupt möglich ist, gerne und geeint folgen.“ Sie seufzte. „Es entsetzt mich, mir vorzustellen, dass Orsini und Barosso wegen all dem den Kopf verlieren werden. Ich habe den einen von beiden kennen gelernt und er verdient ein solches Schicksal nicht. Wahrscheinlich genauso wenig wie der andere“ Alida biss die Lippen aufeinander, wusste sie doch, wie diese Spiele um Macht und Einfluss gespielt wurden und ihr war es mit Sicherheit nicht möglich hier in Venedig irgendetwas auszurichten um den beiden Oberhäuptern der Handelsfamilien in irgend einer Art zu helfen. Sie musterte die Frau an ihrer Seite eine Zeit lang eindringlich.
Die seltsame Frau an Alidas Seite war in dunkles, beinahe schwarzes Leder gekleidet und hatte sich die langen Haare mit einer Lederschnur zurückgebunden. Dicke Stiefel und feste Handschuhe rundeten den Gesamteindruck der wenig grazilen Dame als offensichtliche Kriegerin ab. Ein Schwert hing an ihrer Seite und im rechten Stiefel steckte ein schwerer Dolch. Grüne Augen bohrten sich durch die Schwärze und fixierten raubtierartig den Eingang zum Anwesen.
Es dauerte auch nicht mehr lange, da kamen die beiden auch schon durch eine weitere Seitenstraße auf einen kleinen Platz mit Brunnen und Löwenstatuette, der flankiert wurde von mehreren weitläufigen Gebäuden mit strahlend weiß getünchten Wänden und roten Schindeldächern, im typisch romanischen Stil. Sie wirkten aufgrund der besonders kräftig hervorstechenden Farben und der zahlreichen Fenster und dem verspielten Verputz wie die Domizile eines gutbetuchten Händlers oder Adeligen. Erst beim Näherkommen, erkannte Alida das die Gebäude in Wirklichkeit ein großes, gemeinsames Anwesen waren, denn es gab nur eine stattliche Doppelflügeltür mit schwerem Eisenknauf. Vor diesem Eingang standen zwei in mehrere Lagen blitzendes Metall gerüsteten Wachleute, die ganz eindeutig dem Dogen und nicht Rustovich zugeordnet werden konnten. Pechfackeln an den Wänden tauchten die Pflastersteine in dämmriges Licht. Anastasia blieb kurz verdutzt stehen und verzog die Augen zu schmalen Schlitzen. „Rustovich ist schlauer als man ihm auf den ersten Blick zugestehen möchte und brandgefährlich, vor allem wenn er in die Ecke gedrängt wird. Ich versuche meistens ihn nicht allzu sehr mit meiner Anwesenheit zu… erfreuen. Was die beiden Händler angeht: Offenbar brauchte diese verrückte Zauberin nur einen guten, legitimen Grund das ganze Repertoire an waffenfähigen Soldaten zu entsenden und somit die Kontrolle über Venedig zu erlangen. Üblicherweise werden Sterbliche fallen gelassen sobald sie ihren Dienst erfüllt haben, ob sie es verdienen oder nicht. Wir können davon ausgehen, dass wir sie nicht mehr wiedersehen werden.“ Die dunkelhaarige Frau zog Alida hinter einem kleinen Karren, unlängst des Hauses in Deckung. „Das sind Dogenwachen. Als ich ging, waren die noch nicht hier. Irgendwas geht hier vor sich… ist sie uns zuvor gekommen?“
Ein bitterböses Lächeln legte sich auf Alidas Züge. „Die gute Melina hat in Ceoris schon ein Mal den Kürzeren ziehen dürfen. Ich gebe zu, sowohl sie als auch mich hätte es damals fast erwischt. Ich habe eigentlich nicht erwartete sie wieder zu sehen. Vor allem nicht ohne ihre Tremerefamilie. Welcher Tremere schert schon aus den Reihen?“ Ihre Augen wanderten zu Anastasia. „Wie seid ihr in all diese Geschehnisse geraten? Ihr habt berichtet, dass ihr mit dem Osten eigentlich nicht so viel zu schaffen habt. Eure Fähigkeiten weisen euch als eine Gangrel aus und obwohl ich im Osten mal einen Gangrel namens Mitru kennen lernen konnte, sind die kainitischen Tiere doch nicht allzu oft im Dienst von uns Drachen unterwegs…?“
Es folgte lediglich ein Schulterzucken und ein fragender Seitenblick. „Ich war Belinkov noch einen Gefallen schuldig, das ist alles. Wir hatten dereinst eine Vereinbarung getroffen und er meinte er würde darüber nachdenken. Jetzt habe ich eine Möglichkeit meine Schuld schon vorzeitig abzutragen. Er war damit einverstanden.“ Sie lächelte schmal. „Mit dem Voivoden der Voivoden oder seinem Bruder habe ich weder besonders viel zu tun, noch kann ich behaupten, dass ich einen der beiden besonders schätze oder mag. Aber über Belinkovs Einfluss war es zumindest möglich mich über den Osten mit in die Stadt zu schicken. Er befürchtete größere Schwierigkeiten als nur Differenzen bei den Verhandlungen und wie ich bereits zuvor mehrfach sagte: Ich bin hier, um euch Brüggern zu helfen – nicht mehr und nicht weniger, Alida van de Burse. Und es gibt ein paar meiner Art, die den Voivoden die Treue schwören, genauso wie es wohl sicher den einen oder anderen Tremere geben wird, der sich von seinen Reihen abwendet und ein besseres Angebot annimmt. Aber das muss dann schon ziemlich gut sein, glaube ich. Ansonsten gibt man nicht Sicherheit, Blut und Unterstützung auf und wandelt alleine durch die Nacht. Wobei, alleine ist sie wohl nicht, wie man am Dogen merkt. An der Sache sind mehrere beteiligt, möchte ich meinen.“ Anastasia räusperte sich. „Wie ist es um deine Kletter- und Schleichkünste bestellt? Wir können an der Rückseite hoch oder über das Dach hinein; es liegt ganz bei dir. Die Vordertür würde ich nicht empfehlen.“ Erneut lächelte die dunkelhaarige Frau schief.
Alida musterte die engmaschige Bewachung. „Faszinierend, dass sich Rustovich das überhaupt bieten lässt. Ich hätt‘ mir da ganz andere Dinge vorstellen können. Der verspeist die venezianischen Wachen doch zum Frühstück.“ Sie grinste. „Wir können gern versuchen übers Dach hinein zu gelangen. Ich mag Dächer.“ Ihr Lächeln nahm einen schiefen Zug an, der dem der schwarzgewandeten Dame in nichts nach stand. „Außerdem hatte ich in letzter Zeit die Möglichkeit ein wenig zu üben. Schaun wir mal.“
Anastasia nickte kurz und schien sich aus keinem bestimmten Grund über die bevorstehende Kletterpartie zu freuen. Man umrundete das Gebäude und begann den Aufstieg zunächst über eine alte Birke, die unlängst des einstöckigen Anwesens stand. Von da an begann der eher schwierige Teil über Fenstersimse und bröckliges rankenumwuchertes Mauerwerk, über die Dachkante in luftige Höhen. Aber je schwieriger es wurde, desto behänder schien sich die Tzimisce zu bewegen. Jeder Schritt war richtig gesetzt, jeder Griff war fest und entschlossen. Es dauerte nicht lange und beide fanden sich auf dem Schindeldach wieder, wo Anastasia auf eine kleine Dachluke zuhielt. Früher war hier wohl auch alles mit Schindeln verkleidet gewesen aber hie und da gab es auch bei solch einem Haus eine gewisse Reparaturbedürftigkeit. Die Gangrel löste die strohgedeckten Holzplanken und deutete Alida hinabzusteigen. „Das hier habe ich mir gemerkt. Dachte mir schon beim ersten Rundgang, dass es vielleicht einmal nützlich wird um hier ungesehen rein oder raus zu kommen.“ Unter der Luke würde Alida nur dämmriges Licht erkennen, aber ihre Begleiterin meinte beschwichtigend: „Ein ungenutzter Raum, der jetzt ein Möbellager ist. Alte Truhen und Bilder, zusammen mit Stühlen und Tischen. Der größte Teil dieses Anwesens ist wohl generell nicht bewohnt. Nur weil man nach Venedig kommt, heißt das scheinbar nicht, dass man mit Glück gesegnet wurde.“ Mit einem Satz sprang Anastasia in die Tiefe und wartet auf Alida. Unten roch es nach muffigen Decken und tatsächlich wirkte der Raum eher wie ein Antiquariat, als ein bewohnbarer Raum in einem stattlichen Herrenhaus.
Alida sprang ohne lange zu zögern hinterher und ihre Stimme nahm sofort einen gedämpften leisen Klang an. „Ihr scheint eine ganz und gar aufmerksame Beobachterin zu sein, Anastasia. Vielleicht solltet ihr mal in meiner Heimatstadt, Brügge, eure Runden drehen und fest stellen, wo wir Lücken in unserer Verteidigung haben, die es vielleicht zu schließen gilt. Ich bekomme sofort ein mulmiges Gefühl, wenn ich mir vorstelle, dass jederzeit jemand über das Dach des Anwesens meiner Familie zu uns einsteigen könnte.“

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Anastasia grinste. „Könnte ich wohl machen, aber ich hörte ihr habt bereits einen meines Clans in eurer Stadt der sich um die Sicherheitsbelange, deren Lücken als auch um die generelle Verteidigung kümmert. Zwei meiner Sorte will ich euch in eurer schönen Stadt nicht zumuten.“ Die Gangrel schlich um ein paar übereinadergestapelte Stühle und hielt in diesem Labyrinth aus altem Inventar auf eine hohe Tür zu. „Diese Tür führt auf den Gang in den ersten Stock, der alle Räume miteinander verbindet. Dieser Flügel ist für die Wachablösen und Bediensteten des Ostens vorgesehen. Wir müssen nichts weiter machen, als dem Gang folgen und kommen direkt zu Rustovich. Und da wir beide dem Drachen ja bekannt sind, sollten wir auch keine Probleme mit unserem plötzlichen Auftauchen haben.“ Mit einem leichten Ruck drückte Anastasia die Klinke nach unten und deutete Alida auf den Gang hinaus zu treten; folgte ihr im Anschluss nach. Der Gang war so breit und großzügig angelegt worden, dass man vom oberen Stock ins Erdgeschoss sehen konnte und links und rechts die Türen zu den einzelnen Zimmern erspähen konnte. Im ersten Stock, verhielt es sich gleich. Der Gang verlief beidseitig U-förmig das ganze Anwesen entlang. Öllampen leuchteten in der Düsternis und erhellten Brokatvorhänge mit edlen Teppichen und Porträts venezianischer Edelleute. Hin und wieder hing sogar ein großer kerzenbehangener Lüster. An einem Ende des Ganges konnte man schon zwei russische Soldaten patrouillieren sehen, die etwas verwundert in die Richtung der beiden Damen starrten, aber aufgrund der Anwesenheit der Gangrel nicht beunruhigt zu sein schienen. „Ihr seid zurück?“, fragte einer der Wachen.
Anastasia nickte. „Ja und ich habe jemanden mitgebracht, den der Drache sicher sehen will. Ist er… zu sprechen?“
Der Wachmann nickte und hob die Schultern. „Gut gelaunt wie immer, Madame. Wir warten jeden Moment auf den Befehl zum Ausrücken.“
Mit einem Seufzen drehte sich die Dunkelhaarige zu Alida um. „Ich hoffe inständig, dass du den Osten tatsächlich so gut kennst wie du vorgibst, ansonsten wird das ein kurzer Besuch.“
Kaum dass sie das letzte Wort gesprochen hatte, machte sie schon auf dem Absatz kehrt und marschierte voran. In der Mitte des U-s blieb sie kurz verdutzt stehen. Kopfüber aufgehängt an zwei langen Seilen, baumelten die gehäuteten Kadaver von zwei offenbar männlichen Sterblichen an einem ausladenden Lüster, deren Blut auf den weißen Marmor im Erdgeschoss tropfte. Sie waren ganz offensichtlich tot. Der Geruch von warmer Vitae erfüllte den Raum.
Alida hatte den kurzen Wortwechsel zwischen Wachen und Anastasia aufmerksam verfolgt. Offensichtlich war die Gangrel tatsächlich bekannt genug um zu Rustovich vorgelassen werden zu können. Noch während sie hinter der Schwarzhaarigen her schritt, murmelte sie: „Wer behauptet hier, ich würde den Osten kennen?“
Dann stand sie plötzlich dort, wäre fast in ihre Führerin gerannt und erblickte die beiden Leichen. Kurz öffnete sich ihr Mund zu einem stummen Aufschrei, dann wurde ihr, während sie auf das Entsetzten wartete, dass sich eigentlich einstellen musste, etwas bewusst: Ja, sie kannte den Osten… Und etwas anderes wurde ihr bewusst, dass ihr zugleich unsagbar bitter aufstieg, genauso wie es sie beruhigte. Ihre Stimme war von einer seltsamen Ruhe erfüllt: „Wer sind diese beiden Männer?“
Noch bevor die ebenso überraschte Frau neben ihr antworten könnte, hörte man schon eine unverkennbar aufgebrachte Stimme, lediglich ein wenig gedämpft durch eine Holztür knapp vor ihnen brüllen: „Ich werde sie allesamt in der Luft zerreißen, hörst du? Am Ende wird nichts mehr von ihnen übrigbleiben als zermahlene Knochen, die der Wind durch die Straßen fegt! Glaubst du ein Heer von gerüsteten Händlerknaben mit feinen Tuchen und hübschem Federschmuck am Helm nimmt es mit dem Drachen auf? Ich stampfe diese Stadt zurück ins Meer, wenn ich will!“ Wenige Meter vor Alida, befand sich eine hohe Doppelflügeltür die flankiert wurde von zwei hochgewachsenen Tormentoren. Eben jene schrecklichen Gerüsteten Vasallen des Drachen, deren geschwärzte Hornhelme nicht einmal einen Blick auf ihre Augen werfen ließen. Die Hand am Schwert, fixierten sie jede Bewegung von Alida und Anastasia. Letztere schluckte und konnte erst jetzt zu einer Antwort ansetzen. „Ich habe… keine Ahnung. Aber vermutlich, sind sie Rustovich begegnet.“
Sie sah von der Tür und den Tormentoren erneut zu den beiden Leichen. „Ja, das hab ich mir fast gedacht. Der Zusammenhang hätte mich nur ausgesprochen interessiert…“ Alida wandte sich auf dem Absatz um und trat mit erhobenem Haupt auf die Tormentoren zu. Sie reckte das Kinn ein wenig in die Höhe und sah zu dem Tormentor zu ihrer Rechten auf. Ihre Stimme hatte den befehlsgewohnten Ton angenommen, der immer dann auftrat wenn die Zugehörigkeit zu ihrem kainitischen Blut die zu ihrer menschlichen Familie überlagerte, wenn die von den Drachen so geschätzten Tugenden ‚Stärke, Tradition, Loyalität zur kainitischen Familie‘ diejenigen der Van de Burse ‚Familie, Ehre, Pflicht‘ überlagerten.
„Alida van de Burse. Kündigt mich an! Ich warte!“
Der ausdruckslose Totenhelm des Elitegardisten reckte sich langsam in ihre Richtung und es ertönte nach so langer Zeit wieder der vertraut blecherne Ton der kratzig-rauen Stimme unter kaltem Metall, den sie schon bei der Schlacht um Ceoris des Öfteren vernommen hatte. „Eure Anwesenheit in dieser Stadt ist dem Drachen nicht unbemerkt geblieben. Meister Andrej Rustovich hat euch bereits vor Beginn des Festes aufgesucht, Herrin Alida.“ Die Maske fuhr herum in Richtung Anastasia. „Diese wird warten müssen, sie ist nicht von reinem Blut. Ich werde euch ankündigen.“ Kaum hatte der Tormentor diese Worte gesprochen und war gerade im Begriff gewesen sich in Richtung der Tür umzudrehen, da flog diese in hohem Bogen auf, mit einer Kraft, die sie fast aus den Angeln gerissen hätte. Durch den Türrahmen flog ein voll gerüsteter Venezianischer Wachmann – ohne Kopf. Der Kadaver krachte gegen die Balustrade auf der gegenüberliegenden Seite und klatsche hart im Erdgeschoss auf, wo sich eine Blutlache bildete. Dahinter erschien die imposante und grimmig dreinblickende Gestalt des Voivoden der Voivoden; gerüstet in schwarzes Eisen.
Aus dem Raum den er gerade verlassen hatte, hörte man lauthals Andrejs leicht ungehaltene Stimme. „Bruder, ich bitte dich, das löst diese schwierige Lage auch nicht. Wir müssen besonnen vorgehen und unsere Kampfkraft im richtigen Moment und am richtigen Ort ausspielen. Du kannst nicht in Venedig einmarschieren…“

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Alida überlegte eine Sekunde, trat dann zur Seite, in die Nähe der Säulen. Ein kurzer Blick ging zu Anastasia. Es erschien ihr in dieser Situation mehr als unklug, durch ihre Anwesenheit auf sich aufmerksam zu machen.
Vladimir Rustovich stapfte ans Ende der Balustrade und starrte mit starrem und wutentbrannten Blick auf die geköpfte Leiche unter sich. In seinen Pupillen brannte das lodernde Feuer eines Drachen. „Ich muss zugeben, dass dieser hier auch nicht viel mehr zu berichten wusste; offenbar benötigen wir tatsächlich ein wenig mehr Informationen.“
Ein paar knappe Schritte weiter trat Andrej gekleidet in lange, blutrote Roben aus dem Raum und seufzte lautstark und betont. „Vladimir, diese Wächter sind gewöhnliche Sterbliche; Soldaten, die nur einem Befehl gehorchen. Sie wissen nicht, wer oder was hinter dieser Farce steckt und keiner ist wichtig genug um darin eingeweiht zu sein. Außer einer ungefähren Aufstellung der Truppen Venedigs bekommst du aus so vernachlässigbaren Lakaien nichts heraus. Ich würde vorschlagen wir…“ Da glitt sein Blick in Richtung der Säule und seine Lippen verzogen sich zu einem breiten Lächeln. „Alida, was für eine Freude. Es scheint der Ruf der Familie ereilt dich auch ohne mein Zutun. Es ist gut, dass du gekommen bist. Wir haben fast ausschließlich nur beunruhigende Nachrichten gehört seitdem in dieser Stadt das Chaos ausgebrochen ist.“
Der Voivode der Voivoden drehte sich ebenfalls abrupt in Alidas Richtung um und lachte laut auf. „Ha! Wunderbar. Ein Unhold mehr für unseren Vorstoß. Ich bin das ewige Geschwätz meines Bruders schon langsam leid. Es wird Zeit Nägel mit Köpfen zu machen, damit das heute Nacht nicht der einzige Kopf bleibt der jemanden von den Schultern gerissen wird!“
Alida trat noch einen Schritt weiter nach hinten. Sie senkte in angemessener Demut den Kopf, konnte sich ein verräterisches Zucken um die Mundwinkel jedoch nicht verkneifen. „Nicht doch, nicht doch. Es stand nie in meiner Absicht den großen, siegesgewohnten Voivoden der Voivoden und seinen stets mit gerissenem Kalkül vorgehenden obersten Berater in ihrer wichtigen Besprechung zu stören. Ich warte gern. Sagt mir nur vielleicht durch einen Boten Bescheid, wenn der nächste unfähige venezianische Wächter in hohem Bogen durch die Tür geflogen kommt, damit ich einen Schritt zur Seite wagen kann.“ Sie biss sich auf die Lippen um das Schmunzeln zu unterdrücken.
Andrej lachte offen und herzlich bei Alidas schlagfertigen Worten, während Vladimir mit einer Hand auf den Handlauf schlug, dass es nur so knirschte. Der Drache machte ein paar Schritte auf die Brügger Händlerin zu. „Beim verrottenden Blute der Hexermaden, sie hat sogar das lose Mundwerk von Victor geerbt“, meinte er grimmig lächelnd. Er hob einen Finger gemahnend nach oben, während er vor Alida zu stehen kam. „Sag meinem lieben Bruder, dass mir egal ist, wer in dieser Stadt irgendwelchen Unfug mit uns treibt, aber der Drache des Ostens lässt sich nicht in dieser billigen Händlerhütte gefangen setzen. Weder von den Deutschen, noch den Hexern oder den schwülstigen Italienern mit ihren dicken Geldbörsen! Wer immer glaubt hier falsches Spiel mit den Unholden treiben zu müssen soll nur gleich vortreten! Die paar Blutbeutel vor der Tür waren erst der Anfang.“

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 Betreff des Beitrags: Re: Venedig (Feb 1228)
BeitragVerfasst: Sa 25. Feb 2017, 17:55 
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Alida trat einen Schritt auf den Voivoden der Voivoden zu und fiel in die Verbeugung, die dem derzeitigen obersten Kriegsfürsten ihres Clans, zustand. Sie erhob sich wieder. „Ich wünschte, ich hätte tatsächlich ein paar Eigenschaften von Victor geerbt. Er war einer besten Männer, die ich je kennen lernen durfte.“ Alida versuchte sich Victor zu Lebzeiten neben seinen beiden stets kontrovers vorgehen wollenden Brüdern vorzustellen. Sie konnte ihn fast bildlich vor sich sehen, an eine Balustrade, ähnlich der hier vorhandenen, gelehnt, lässig an einem Apfel kauend, während sich Vladimir und Andrej in den Haaren hatten. Wahrscheinlich hätte er aus der Küche die beiden längsten Messer, die es dort zu finden gäbe, geholt, sie beiden beherzt in die Hand gedrückt und sowas gemeint wie: „Wisst ihr was: Klärt das doch ein für alle Mal: Stecht euch gegenseitig ab! Keine Angst, ich komm später vorbei und mach sauber.“ So oder so ähnlich…
Sie schob den Gedanken nach hinten.
„Ihr habt Recht: Der Voivode der Voivode würde sich nie in einem venezianischen Haus fest setzten lassen und weder Kainiten deutscher oder venezianischer Herkunft würden auch nur den Gedanken an eine solche Dreistigkeit wagen. Aber diese Stadt hier ist derzeit, nach allem, was meine Leute …“ Alidas Blick ging zu Anastasia um auf die schwarzhaarige Frau aufmerksam zu machen.“ und ich in Erfahrung bringen konnten, nicht mehr in deren Hand. Eine neue Gruppierung versucht die Herrschaft über die Stadt und so vieles mehr zu erlangen. Wenn Ihr es wünscht, dann werde ich euch berichten, was wir heraus finden konnten.“ Ihr Blick ging zu den offenen Flügeltüren.

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 Betreff des Beitrags: Re: Venedig (Feb 1228)
BeitragVerfasst: Mi 1. Mär 2017, 21:25 
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Andrej legte einen Finger an die Lippen und ließ ein langgezogenes und nachdenkliches „Hm“, ertönen, während der Voivode der Voivoden zuerst tief schnaubend einatmete und zunächst nicht recht zu wissen schien, wen von beiden er jetzt mit seiner Aufmerksamkeit bedenken sollte. Vladimir Rustovich zog die Mundwinkel zunächst spöttisch und dann rasant verhöhnend nach oben. Sein Lachen krachte gegen die Wände. „Ha! Was für ein irrwitziger Gedanke Kind. Natürlich waren es die Deutschen, wer sollte es sonst sein? Sie sind in der Unterzahl und sie verlieren den Krieg, ganz gleich ob es meine Truppen oder ihre eigene Uneinigkeit in ihrer Stammdomäne zuwege bringen – Hardestadt ist geächtet und geschmäht.“ Er machte ein paar bedrohliche Schritte auf Alida zu und seine schweren Panzerstiefel knirschten unter dem Gewicht des östlichen Rüstharnisches auf den hellen Fliesen. „Und wenn es nicht Hardestadt war, dann eben der Franzose! Wer immer von uns beiden hier das zeitliche segnet, Paris kann dabei nur gewinnen. Zum Teufel, selbst Venedig würde sicher auf irgendeine Art und Weise von meinem Ableben profitieren. Krieg kurbelt die Wirtschaft und den Handel an und der beste Zulieferer ist die Serenissima.“ Hinter ihm lachte Andrej verhalten und nickte bedächtig. Als er den Kopf hob lag in seinen Augen dieser kühle Glanz von schneidender Geistesschärfe, die seine wohl mächtigste Waffe darstellte.

„Nein Vladimir. Ich glaube das wer immer hinter all diesem Chaos steckt, genau diese Reaktion von uns erwartet. Jahrhundertelange Fehden und Feindschaften, Kämpfe und Territorien Verluste; all das Sterben und Morden, die Intrigen. Die Komplexität der Beziehungen der einzelnen Clans und Domänen zueinander ist immens und es könnte durchaus sein, dass wir von einer weiteren, nämlich der tatsächlichen Gefahr abgelenkt werden.“ Andrej verschränkte die Arme hinter dem Rücken und kam ebenfalls ein paar Schritte näher. „Wenn du nichts dagegen hast lieber Bruder, so würde ich unsere geschätzte Verwandte gerne anhören. Sich blind in Rachegelüsten und Feindschaft zu ergehen, ist womöglich genau der Plan dieser neuen Bedrohung. Solange jeder jeden beschuldigt, bleiben die wahren Täter unerkannt. Noch lassen wir keine Waffen sprechen Vladimir, sondern spielen Schach. Wer soll uns in dieser Partie vertreten? Du oder ich?“ Der Drache des Ostens blähte die Nüstern und schnaubte abermals. Ein dunkles Grollen entstieg seiner Kehle, als er seinen so hassgeliebten Bruder mit dunklen Augen fixierte. Ein weiterer Blick ging Richtung Anastasia, welcher er aber kaum Beachtung schenkte. Schließlich ruhten die durchbohrenden Augen des Drachen auf Alida und er machte eine hastige, auffordernde Geste mit der Rechten. „Mein Bruder ist schlimmer als jeder Hardestadt es sein könnte aber für gewöhnlich behält er in solchen Momenten recht – sprich also und berichte uns Kind des Emilian, Kind des Victor. Und vergiss nicht das du mir einen Treueeid geschworen hast.“ Andrej schüttelte hüstelnd den Kopf. „Ich glaube über derlei Dinge müssen wir nicht mehr diskutieren. Alida van de Burse gehört zur Familie. Du solltest dich an Victors Erbe gewöhnen Bruderherz.“ Vladimir brummte und nickte dann. „Also… wer ist der Feind der uns hier allesamt zum Narren hält?“

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 Betreff des Beitrags: Re: Venedig (Feb 1228)
BeitragVerfasst: Do 2. Mär 2017, 21:39 
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Alida öffnete die Handflächen und deutete somit auf die weitläufigen, mehrstöckigen Hallen. „Verzeiht, wenn ich mir diese Anmerkung erlaube, aber auch wenn eure Tormentoren ebenso wie Emilians Verbündete Anastasia über jeden Zweifel der Loyalität erhaben sein mögen, so können wir doch nicht mit absoluter Gewissheit sagen, dass sich nicht doch fremde, nächtliche Ohren irgendwo in der Nähe befinden. Vielleicht sollten wir zurück in eure etwas privateren Räumlichkeiten gehen?“ Sie senkte den Blick und wartete die Antwort ab.
Dann begann sie zu berichten. „Ich kann euch nicht sagen, wer alles Teil dieser Verschwörung ist, aber einen Namen mag ich zu nennen: Melina, eine Tremere, die schon in Ceoris mit allen ihr Verfügung stehenden Kräften damals fast erfolgreich versucht hat, den entscheidenden Vorstoß aufzuhalten.“ Sie erzählte von ihrer Ankunft, dem ermordeten Mädchen, dem Maler di Bari, Sophie de la Viera deren seltsame Söhne, ihr noch verwunderlicheres Ableben. Sie schilderte so kurz wie möglich und doch so ausführlich wie nötig. Das einzige Detail, das sie mit Inbrunst verschwieg war der Zeitsand, der sich derzeit in ihrer Manteltasche verbarg.“
Anastasia runzelte bei den letzten Worten Rustovichs fragend und wohl auch etwas überrascht die Stirn. Offenbar machte sie der bis vor kurzem noch unbekannte Treueschwur der blonden Brüggerin mehr als stutzig. Und da Alida nichts tat um die Worte des Drachen zu dementieren, schien es wohl der Wahrheit zu entsprechen. Man sah der dunkelhaarigen Frau ihre Irritation sehr wohl an, jedoch schien sie sich im Beisein der östlichen Führungsriege sämtliche Kommentare und Fragen zu verkneifen. Viel Zeit sich zu wundern blieb ihr ohnehin nicht, da Andrej die gefallenen Worte eilig mit einer einladenden Handbewegung unterstrich. „Bitte nach dir, diese Privatgemächer sollten einigermaßen sicher sein.“ Nachdem er selbst als auch Vladimir Rustovich, Alida und Anastasia den Raum betreten hatten, wurde die Tür rasch von innen verschlossen. Die letzten, scharfen Anordnungen an die Tormentoren kamen vom Drachen persönlich. „Niemand hat uns zu stören. Ich will nicht einmal eine Fliege hier drin sehen.“ Dann fiel die Tür endgültig ins Schloss.
Der Raum war großzügig ausgestattet und mit allerlei kunstvoll gefertigten Holzmöbeln versehen worden. Man konnte sogleich feststellen, welche Hälfte welchem Rustovich gehörte; denn offenbar hatte man das Zimmer brüderlich geteilt. Die rechte Hälfte bestand größtenteils aus Ansammlungen von Waffen- und Rüstungsteilen, Schleifsteinen und Öl. Gelegentlich fanden sich wild verstreut, verschiedene Kleidungsstücke und Gürtel, sowie Schuhe, Riemen und Karten. Die linke Seite war aufgeräumt und die schmalen Regale mit einigen Büchern unterschiedlicher Größe belegt. Herumliegende Kleidung gab es nicht; alles war säuberlich gefaltet worden. Auf einem kleinen Schreibtisch war eine begonnene Schraffur, die den Markusdom zeigte; Briefpapier und Tinte lagen daneben. Es war selbst für den nicht allzu aufmerksamen Beobachter ein leichtes zu sagen, welche Hälfte welchem Unhold gehörte. Das einzige was sie einte, war eine mit Leder überzogene Sitzgruppe in der Mitte des Raumes, an der auch ein runder, dunkler Holztisch stand dessen Gewicht enorm sein musste. Duftlampen und Kerzen waren großzügig in metallenen Leuchtern verstaut worden und wenn nicht die vernagelten und verbarrikadierten Fenster gewesen wäre, hätte man sich vielleicht sogar wohl fühlen können. Die Verwandtschaft aus dem Osten nahm am Tisch Platz und hörte sich Alidas Ausführungen bis zum Ende mit wachsender Besorgnis an. Selbst Vladimir Rustovich unterbrach sie nicht; tat aber seinen offensichtlichen Zorn ob der jüngsten Ereignisse mit lautem Zähneknirschen und Knochenknacken kund.

„Die Hexe, die unseren Drachenbändiger; euren Erzeuger beinahe getötet hätte?“, fragte der Voivode der Voivoden agitiert. „Wir hätten diesen widerlichen Hort der Abscheulichkeiten schon viel früher zu Staub verwandeln sollen. Der Teufel hat sie wahrlich besonders gesegnet, wenn sie noch immer unter uns weilt! Zur Hölle mit dieser Hure und zur Hölle mit den Tremere! Was immer sie da plant, es zeigt ganz eindeutig worauf es die Hexer in Wahrheit abgesehen haben. Sie rauben und manipulieren und betrügen wie es ihnen beliebt um sich ihren Platz in unserer Mitte zu erschleichen. Doch ihre wahre Natur können sie nicht verleugnen! Das Geschmeiß der jüngsten Nächte!“
Andrej seufzte laut und trommelte gleichmäßig wiederholt mit den Fingern auf der Tischplatte; wirkte dabei äußerst nachdenklich. „Es geht nicht darum, wem sie dient oder warum sie diesen Zauber veranstaltet. Das sind Fragen, die wir so schnell nicht in ihrer Gesamtheit klären können werden und auch wenn es gut zu wissen wäre, so sind diese Antworten im Augenblick bedeutungslos. Derzeit müssen wir uns darum bemühen, ihrem Unterfangen ein Ende zu setzen und das möglichst schnell.“ Er lächelte grimmig und es wirkte beinahe noch einschüchternder als das Lachen seines Bruders. „Alida, meine Liebe, du sagtest die Kappadozianer sind der Auffassung die Kontrolle der Stadt ist der Schlüssel zum baldigen Ende dieser Krise. Und diese wäre nur über den Dogen zu erlangen. Was sollen wir also deiner Meinung nach tun?“
Vladimir schlug mit der Faust auf den Tisch. „Was für eine idiotische Frage Andrej! Wir reißen sie auseinander, das werden wir tun!“
Anastasia räusperte sich sehr kleinlaut und verhalten. Ein Drache war eine Sache aber gleich drei auf einmal schienen ein wenig viel für sie, obgleich sie sogar alle verwandt miteinander schienen. „Vielleicht sollten wir zumindest den Wolfling am Leben lassen; immerhin wäre es ganz gut zu wissen, wo Mileena abgeblieben ist. Roberto meinte, sie würde über sich den Schleier der Verborgenen weben... was immer das heißt. Auf jeden Fall ist sie selbst mit übernatürlichen Mitteln nicht aufzuspüren, meinen die Knochenschaber.“
Der Voivode holte Luft. „Nun, dann werden wir…. wir… werden...“ Er hustete. „Es aus ihm herausprügeln. Ein wenig Zeit am Seziertisch mit unserem Andrej…“
Hastig wurde er von diesem unterbrochen. „Hast du nicht zugehört Vladimir? Morgen wird das ganze passieren, zumindest, wenn wir von dem ausgehen, was berichtet wurde. Diese Nacht hat nur noch wenige Stunden, also kann, was immer wir tun wollen, nur morgen Nacht stattfinden und zwar hurtig. Und was glaubst du wie lange ich zum sorgfältigen Foltern eines solchen pelzbehangenen Ungetüms brauche? Bis dahin hat die Tremere gewiss Erfolg.“ Anastasia hob die Schultern und blickte zu Alida.
Alida sah zu den beiden Männern und kurz zu schwarzhaarigen Frau. „Es stimmt. Uns läuft die Zeit davon und spielt den Feinden in die Hände, die, wenn ihre Pläne gelingen werden, alle Zeit der Welt haben werden um sie nach ihren Wünschen zu gestalten und zu formen. Und ob in dieser Welt die deutschen Ventrue oder die Drachen des Ostens eine Rolle spielen werden mag ich mehr als bezweifeln…“ Ihre Lippen verzogen sich zu einem bitteren Strich. „Ein Vorschlag der Kappadozianer war es in Venedig für Unruhe zu sorgen. Die Truppen müssten vom Dogenpalast abgezogen werden und es wäre um einiges leichter ihn zu stürmen oder im Geheimen hinein zu gelangen. Dann könnten wir diese Bestie von einem Werwolf fest setzten und vielleicht Mileenas Versteck aufspüren. Ob das mit Hilfe von Beherrschung der Ventrue oder den fleischformerischen Künsten von wem auch immer geschieht, mag uns in diesem Moment gleich sein, oder? Ein besiegter Feind ist ein guter Feind.
Andrej zog die Augenbrauen ein Stück weit zusammen und wirkte in höchstem Maße konzentriert; folgte jeder ausgesprochenen Silbe der Frau und schien zeitgleich seine eigenen Überlegungen anzustellen. Es war wie ein Zahnradgetriebe, das ineinandergriff und das Für und Wider gegeneinander abwog.
Vladimir nickte zur Überraschung Alidas ebenfalls. „An und für sich, ist das gar keine so dumme Idee“, hörte sie den Voivoden der Voivoden dann schlussendlich sagen. „Ich habe zwar mit Venedig nichts zu schaffen und es interessiert mich auch nicht wirklich, aber du hast dich einst in der Schlacht um Ceoris bewiesen, genau wie dein Erzeuger. Ich habe keine Ahnung, welche Magie hier am Werke ist, aber ich will dir für den Moment Glauben schenken, Kind. Selbst wenn es mir bedeutend lieber wäre, der Feind wäre Hardestadt oder dieser schmierige Franzose.“ Vladimir lächelte mit grimmiger Bitterkeit. „Das käme mir bei weitem gelegener.“
Sein Bruder erhob sich schwungvoll aus seiner Sitzgelegenheit und nickte Alida erneut zu. „Du hast es gehört: Der Drache des Ostens sichert dir und Venedig vorläufig aus gemeinsamen Interessen seine Unterstützung zu. Wir werden die Truppen…“ Vladimir hob energisch die Hand und gebot Andrej Einhalt. „Unter einer Bedingung Kind; eine Bedingung stelle ich: Ich will dir nicht misstrauen oder deine Worte der Lüge bezichtigen, aber ich und meine Truppen, werden erst an diesem Plan teilnehmen, wenn ich sicher bin, dass die anderen Domänen es ebenfalls tun. Nicht, dass am Ende doch noch jemand in diesem Chaos auf dumme Gedanken kommt. Ich will Magdeburg hier als Unterpfand, solange der Angriff dauert. Es wird ihm nichts geschehen und wenn die Schlacht vorüber ist, darf er wieder zu seinem Herrn zurückkehren.“
Andrej hob eine einzelne Braue nach oben. „Meinst du nicht, dass Hardestadt ihn bei seinem Manöver benötigen könnte? Oder dass er vielleicht doch nicht so unersetzlich für den Schwarzen Monarchen ist, wie du dir einbildest?“ Vladimir lächelte hart. „Magdeburg ist seit langer Zeit ein vertrauenswürdiger, hochdekorierter und gepriesener Vasall. Gerade mit den Unruhen in seiner Domäne kann er es sich nicht erlauben einen umsichtigen und aufrichtigen Unterstützer so plötzlich zu verlieren. Alles was danach speichelleckerisch aufrücken möchte, könnte nie und nimmer das uneingeschränkte Vertrauen des Fürsten genießen – es wird ihm nicht egal sein, was mit Magdeburg geschieht und seine Kampfkraft wird für ein Manöver gegen lediglich Sterbliche nicht fehlen, Bruderherz.“
Andrej nickte ausnahmsweise anerkennend. Vladimir mochte heißspornig, hitzig und aufbrausend sein, aber er war ein Stratege und Taktiker, wenn es um den Kampf ging. Immerhin hatte er einen Krieg gegen die deutschen Lande und Hardestadt gewonnen. Dazu gehörte auch ein wenig mehr als nur ein starker Schwertarm und Vladimirs bösartiger, verschlagener Verstand in Bezug auf die Kriegsführung, suchte immer noch seinesgleichen.
„Erlaubt ihr, dass ich mich äußere, Voivode der Voivoden?“ Alida wandte den Blick einen Moment ab, wusste sie doch, dass das, was sie hinzufügen würde, nicht wohlwollend aufgenommen werden würde. „Es ist ein kluger Schachzug auf die Zusage der anderen Domänen zu warten und eine kurzzeitige Geißel ist ein absolut berechtigtes und gängiges Unterpfand zum Einhalten gegenseitiger Verpflichtungen… aber eines, möchte ich zu bedenken geben.“ Sie schwieg eine gefühlte Ewigkeit. „Hardestadt wird auf seinem Recht als Schwarzer Monarch beharren und die gleichen Rechte einfordern. Schon allein um in dieser fremden Domäne, umgeben von Venezianern, Franzosen und was weiß ich nicht alles, nicht das Gesicht zu verlieren. Und ihr wisst mit Sicherheit, dass es nur eine Geißel gibt, die er einfordern würde…“ Ihr Blick wanderte zu Andrej.

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 Betreff des Beitrags: Re: Venedig (Feb 1228)
BeitragVerfasst: Di 7. Mär 2017, 21:44 
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Der soeben Angesprochene lächelte gespielt süffisant und ganz so, als würde ihm die augenblicklich erworbene Aufmerksamkeit der restlichen Personen im Raum, nur noch bedeutungsvoller werden lassen. Es war ganz offensichtlich nur eine weitere Geste um seinen Bruder herauszufordern, der für einen kurzen Moment lang schwieg und dann grübelnd nickte. Für gewöhnlich hätte man sich vom Voivoden der Voivoden jetzt ein bitteres Lachen erwartet. Etwas, das den immerwährenden Bruderzwist noch weiter angefacht hätte, aber überraschenderweise war Vladimir Rustovich sehr bedächtig und ruhig. Vor allem, wenn man seine Wutausbrüche schon das eine oder andere Mal erlebt hatte. Andrej mochte vergeistigt und selbstüberzeugt sein, gepaart mit einer gewissen herausfordernden Schläue und kühler Rationalität, die er meistens dazu nutzte, die Entscheidungen seines Bruders in Frage zu stellen. Aber auch die größte Stichelei geschah aus dem Grundbedürfnis heraus den Voivoden zu unterstützen und vor Unheil bewahren zu wollen. Auch ein Choleriker und Kriegsfürst wie der Drache der Drachen musste sich dies zähneknirschend eingestehen. Und jemanden wie Andrej einer derartigen Gefahr auszusetzen, selbst wenn er dafür Jürgen von Magdeburg bekäme, war ein hohes Risiko. Eines, das er scheinbar doch nicht so einfach einzugehen bereit war. „Es stimmt wohl. Hardestadt wird sich mit niemandem geringeren zufriedengeben als meinen Bruder. Allein schon um eine theoretische Gleichwertigkeit zu erreichen.“ Der Drache schnaubte abfällig. „Und auch wenn ich von den Fähigkeiten meines lieben Bruders überzeugt bin, ist und bleibt das ungeachtet dieser neuen Bedrohung von der du sprichst, ein hohes Risiko.“ Sein Blick streifte Alida und war unnachgiebig, wenngleich es eine Spur gefasster schien und objektiver. „Dir muss klar sein, dass wir hier immer nur von einer Bedrohung ausgehen, für die es noch keine Beweise gibt, Kind. Ich nenne dich nicht Lügnerin; ich vertraue dir, aber Hardestadt kann ich selbst unter diesen Umständen kaum vertrauen. Er könnte mir auch nicht vertrauen. Der Austausch zwischen Jürgen und Andrej… darauf würde er sich vielleicht noch einlassen, aber es ist gefährlich. Es wäre nur allzu leicht meinen Bruder ermorden zu lassen und es dann dem allgemeinen Chaos anzulasten; ich hätte auch niemanden, der mir die Wahrheit solcher Aussagen je bestätigen könnte. Was schlägst du vor, Tzimisce?“ Das letzte Wort betonte er mit einer gewissen, geschliffen-russischen Sorgfalt, sodass es unverkennbar klar würde, dass er sie nicht nur als Familien- sondern auch als Clansmitglied um ihre Meinung fragte.
Andrej indessen zog nur die Stirn kraus und lauschte den Worten seines Bruders. Gewiss hätte er etwas zu sagen gewusst, aber aus keinem bestimmten Grund hielt er sich augenblicklich wohl zurück; überließ seiner Verwandten das Feld. Der Ausdruck in seinen Augen verriet ihr allerdings, dass der Drache der Drache sie selbst oder etwas an ihr testete. Loyalität? Bedingungslose Clanstreue? Taktisches Geschick im Sinne der Familie? Schwer zu sagen.
„Hm…“ Alida senke grübelnd den Blick. „Meine Verbündeten, die Ratsmitglieder von Brügge, sind derzeit auf dem Weg zu den…“ Sie suchte nach einem Wort, das dem Voivoden besser gefallen würde als ‚Fürsten‘ oder ‚Mächtigen‘, wusste sie doch ganz genau, was er von Paris oder den Lehen des Schwarzen Kreuzes hielt.“… zum Friedensvertragsabschluss eingeladenen Anführer der kainitischen Lande im Westen. Sie werden ebenso wie ich berichten, was sich zugetragen hat und um Unterstützung ansuchen. Auch Ihnen wird der Vorschlag der Kappadozianer unterbreitet, einen Aufstand vorzutäuschen. Ich vermute, es wäre sinnvoll sich dieses eine Mal mit Hardestadt abzusprechen und einen scheinbaren gegenseitigen Straßenkampf vorzutäuschen. Jeder einzelne Kaufmann in Venedig weiß, dass der Osten und Deutschland aufgrund der Kriege, die sowohl zwischen Kainiten als auch Sterblichen stattfinden, nicht gut aufeinander zu sprechen sind- in einer solchen Situation erscheint es wohl für jeden nachvollziehbar, dass sich die erhitzen Gemüter der deutschen und russischen Krieger ‚entladen müssen‘. Wenn dann wirklich venezianische Truppen angreifen sollten, wäret ihr in der Lage vom vorgetäuschten Schaukampf jederzeit in ein echtes Gefecht mit den wahren Feinden wechseln zu können… und da sowohl Hardestadt, als auch Paris als auch der Osten derzeit den gleichen größenwahnsinnigen Feind hat… hätte dieser wohl innerhalb kürzester Zeit das blutige Nachsehen ohne dass wir dabei wertvolle Soldaten einbüßen müssten.“
Vladimir Rustovich hob eine gepanzerte Hand rasselnd an sein breites Kinn und rieb sich den drahtigen, kohlrabenschwarzen Bart. „Du schlägst also vor, dass wir uns ohne jedes Unterpfand, ohne jeden ausgleichenden Faktor und ohne Ass im Ärmel, ohne jegliche Rückversicherung dem Schwarzen Monarchen annähern und einfach so darauf vertrauen, dass wir heil aus dieser Sache herauskommen? Zumindest was die Deutschen angeht?“ Seine Brauen hoben sich zutiefst kritisch und offenbar war dem Drachen der Drachen ganz und gar nicht wohl bei der ganzen Angelegenheit. „Der Plan mag an und für sich gut sein, wenn wir davon ausgehen, dass dieser Feind von dem du sprichst tatsächlich existierst aber dahingehend werde ich dir wie damals beim Sturm auf die Hexenfestung einen Vertrauensvorschuss einräumen, Alida van de Burse.“

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Nach einem unselig tiefen Brummen, drehte sich der Unhold in Richtung seines Bruders. „Was ist deine Meinung? Du hast doch immer und überall zu allem eine Meinung… jetzt sag schon was“, forderte er Andrej beinahe ‚freundlich‘ auf.
Sein Bruder verschränkte die Finger erneut ineinander und hob die Schultern, als wüsste er schwerlich zu antworten. „Wir gehen davon aus, dass dieser Feind existiert und uns alle bedroht. Da er derzeit anscheinend zu mächtig ist, da ihm die Truppen des Dogen unterstellt sind, müssen wir den Dogen unter unsere Kontrolle bringen und somit gleichzeitig den Wolfling eliminieren. Das gelingt wohl nur dann, wenn wir anstatt uns gegenseitig zu verdächtigen einen Schulterschluss bilden und wenigstens bis zur Rückeroberung der Stadt und unserem daraus resultierenden freien und unversehrten Geleit, über unseren eigenen Schatten springen.“ Andrej legte den Kopf leicht schief. „Und da wir wissen, lieber Bruder, dass du selbst als auch Hardestadt und auch du Temple nur allzu gerne sehr lange, schier unüberwindliche Schatten werfen, können wir davon ausgehen, dass dies alles ebenfalls Teil des feindlichen Plans war.“ Der Unhold lächelte schmal. „Werden sich Hardestadt und Vladimir Rustovich verbünden? Zumindest kurzweilig um diese Stadt und damit sich selbst zu retten? Ich glaube, die Hexer versuchen dich mit deinen eigenen Waffen zu schlagen, genauso wie den Rest von uns: Dein Stolz.“

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Der Drache der Drachen verzog das Gesicht und brummte Unverständliches, während Andrej fortfuhr. „Aber du magst es ja nicht, wenn ich länger aushole, darum kurz und bündig: Sollte die Bedrohung so groß sein wie sie uns geschildert wurde, wird uns nichts Anderes übrigbleiben als zumindest ein einziges Mal Seite an Seite zu kämpfen.“
Der Voivode grinste breit und verbittert, dann lachte er erneut hart auf und schlug mit der Faust auf den Tisch. „Zum Teufel und seinen bocksfüßigen Knechten mit euch beiden, na schön.“ Er deutete mit dem Finger auf Alida und fixierte sie mit tödlich-dunkler Präzision. „Du wirst dafür Sorge tragen, dass deineVerbündeten in dem kleinen Brügger Rat die Verhandlungen mit Hardestadt und du Temple vorantreiben. Du kannst den Deutschen und Franzosen im Zweifelsfall ausrichten lassen, dass ich sie gerne allesamt im Höllenfeuer schmoren sehen würde, aber es mir nicht beliebt dabei im selben Topf zu sitzen. Ich bekomme das Ehrenwort beider Hohlköpfe und wenn der Deutsche es bricht, kann er den Friedensvertrag seinem Gaul in den Hinter stecken!“ Der Voivode lächelte siegesgewiss. „Und der Franzose… nun, es gibt auch Tzimisce in Frankreich, die dem Osten nahestehen. Wenn er sich etwas erlaubt, kannst du ihm ausrichten, dass er ein paar neue Tänze für seine edlen Bälle lernen wird… russische Tänze.“ Dann ging sein Blick zu Anastasia, die beinahe erschrak als sie so angesehen wurde. „Und du komisches Weib, ich habe keine Ahnung zu was du überhaupt taugst oder warum mein Neffe dich als Abgesandte hierher geschickt hat, aber anstatt überflüssige Aufklärungsflüge zu machen, wirst du sie begleiten. Du begleitest sie und teilst mir dann den Ausgang der Gespräche mit, sobald sie beendet wurden, meine Verwandte wird danach nämlich wohl mit ihren Gefährten den Schlachtplan ausarbeiten. Zeig, dass du etwas mehr kannst als nur herumstehen…. Teufel, du schwingst nicht einmal die Hüften so als dass es ansehnlich wäre. Mach dich auf, Mädchen.“
Die Dunkelhaarige schien irritiert, verstört, zornig und unschlüssig zu sein – zu allem Überfluss noch alles zugleich. Schlussendlich nickte sie aber nur stumm und bekräftigend. Eindeutig hatte die Vernunft gesiegt, denn einen ohnehin schlecht gelaunten Rustovich wollte man nicht noch zusätzlich provozieren.
Dieser sah ein letztes Mal zu Alida. „Wenn alles so kommen sollte, wie du es dir erhoffst, Kind, dann werden wir uns mit Hardestadt und du Temple morgen Nacht zur achten Stunde hier treffen und beratschlagen. Zur elften werden wir unser Spektakel beginnen, das ist dann eure Stunde.“ Hart ruhte sein Blick auf ihr und duldete nunmehr wohl keine Gegenworte. Hinter ihm erhob sich Andrej und schien Schriftstücke zu sortieren. „Noch Fragen, Drache?“, sprach der Voivode der Voivoden und die unterschwellig leicht bedrohliche Frage galt ganz offensichtlich Alida
Sie schüttelte so bestimmt wie sie es vermochte den Kopf. „Nein, Drache der Drachen. Ich bin mir sicher, dass meine Verbündeten erfolgreich sein werden. Keinem ist mit einem größenwahnsinnigen Feind gedient, der über Vergangenheit und Zukunft zu herrschen vermag…“ Der Hauch eines Lächelns umspielte kaum merklich ihre Lippen. „Und sollte Hardestadt tatsächlich sein Wort brechen und zum wahren Angriff über gehen: Dan bekommt ihr endlich den Kampf nach dem ihr euch all die Tage schon sehnt. Tormentoren gegen geghulte Deutschritter… Das verspräche doch ein spannendes Scharmützel zu werden. Selbstverständlich zweifle ich in keinster Weise daran, dass die Tormentoren haushoch gewinnen würden.“ Sie nickte bekräftigend und biss sich auf die Lippen um ein Schmunzeln zu unterdrücken.
Der Fürst und Kriegsherr des Ostens nickte zufrieden und reckte sogar noch wir zur Bekräftigung die stolz geschwellte Brust in seiner pechschwarzen Rüstung. „Die Deutschritter sind ja allesamt nette kleine Gestalten die zweifellos schon den einen oder anderen Kampf bestritten haben, aber meine Tormentoren, liebes Kind, sind handverlesene von frühesten Kindesbeinen an trainierte und gestählte Schlächter. Jeder von ihnen wurde buchstäblich für den Kampf und das Töten geboren und sie sind mir bedingungslos ergeben. Ein Tormentor zu sein, ist die größte Ehre und zugleich die größte Selbstaufgabe. Ich kenne niemanden, der es mit ihrem Geschick und ihrer Gier nach Blut aufnehmen könnte – ausgenommen unsere Art selbstverständlich.“ Der Voivode stellte plötzlich für sich selbst fest, dass er wertvolle Zeit vertrödelte oder zumindest wohl in seinen Augen mit langwierigen Ausführungen verschenkte. Mit einer raschen, festen Handbewegung scheuchte er sowohl Alida als auch Anastasia zur Tür hinaus. „Genug davon, hinaus mit euch. Tut wie euch geheißen und seht zu, dass die Weichen zu eurem Plan eilig gestellt werden, wenn ihr schon so überzeugt davon seid.“
Während Alida gemeinsam mit Anastasia den Raum verließ, sah sie noch aus den Augenwinkeln wie sich Andrej über ein paar Schriftstücken erhob und leicht einen Mundwinkel nach oben zog. „Buena Fortuna“, meinte der verschlagene Unhold in zurückhaltendem aber doch freundlichem Tonfall, als die Damen gemeinsam die Privatgemächer der östlichen Delegation verließen. Nachdem man ein paar gemeinsame Schritte auf dem glatten Marmorboden getan hatte, drehte sich die dunkelhaarige Frau in Alidas Richtung und wirkte sehr irritiert. Der Grund dieser Irritation schien aber nicht Rustovich oder ihr Plan Venedig und damit sich selbst zu retten zu sein. Nein, es drehte sich auch überraschenderweise nicht darum, wie man es überhaupt bewerkstelligen sollte solch hochrangige, zerstrittene Kainiten alle an einen Tisch zu bringen oder irgendwelche anderen taktischen Erwägungen. Sie fragte bloß vorsichtig: „Ihr habt Vladimir Rustovich die Treue geschworen? Dem Voivoden der Voivoden, dem Schinder der Menschen und Geißel der östlichen Grenzlande? Der Mann, der ganze Dörfer auslöscht und pfählen lässt und seine Festungen mit den Gebeinen und Innereien der Toten schmückt?“ Anastasia wirkte geradezu entsetzt. „Ich dachte ihr wärt aus dem Westen…“

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Alida kniff bei der Ausführung der schwarzhaarigen Frau etwas überrascht die Augenbrauen zusammen. Sie schritt an den Tormentoren, die im Eingangsbereich positioniert worden waren vorbei und sprach laut und so fest wie möglich damit jeder es hören konnte. „Aber selbstverständlich. Dem Drachen der Drachen gebührt Treue. Wie könnt Ihr daran zweifeln?“ Sie biss die Lippen aufeinander und schickte einen warnenden Blick zu der fremden Frau. Erst als sie die Hallen verlassen hatten und durch das Haupttor geschritten waren, als sie sicher gehen konnte, nicht belauscht zu werden, verharrte sie im Schritt und sah ihr Gegenüber fragend an. “Ihr scheint, warum auch immer, mit dem guten Herrn Belinkov zusammen zu arbeiten. Aber ganz offensichtlich verbindet euch nicht viel mit dem Osten, wenn ich eure Worte von eben richtig deute…“
Anastasia sah kurz über die Schulter in Richtung der Halle. Die Tormentoren oder andere spitze Ohren konnten unter Umständen schon gehört haben, was sie soeben in normalen Tonfall und gewöhnlicher Lautstärke von sich gegeben hatte. Allerdings waren die Tormentoren einfach nur gezüchtete Mörder und Maschinen des Krieges; ihre Aufgaben waren klar definiert und selbst wenn jemand mangelnde Loyalität vermuten ließ, so waren die beinahe stummen Krieger wohl äußerst gut darin abzuschätzen, wer es wert wäre dem Voivoden gemeldet zu werden und wer nicht. Die dunkelhaarige Frau genoss weder das Vertrauen noch den Respekt des Drachen und damit war es wohl auch ein Stück weit egal was sie von sich gab. Bei Alida mochte das aber tatsächlich ein wenig anders sein; Tormentoren waren in gewisser Weise Monster aber Monster mussten nicht zwangsweise dumm sein.
„Nein“, meinte Anastasia knapp mit verschränkten Armen in Alidas Richtung. „Es gibt nur sehr wenig, was mich mit dem Osten verbindet, aber ich weiß was dort passiert und wie dort geherrscht und regiert wird, tagsüber als auch nachts. Ich bin hier für Emilian Viktorovich, um eine Schuld zu begleichen. Ich werde einem Vladimir Rustovich sicher nicht widersprechen; so dumm bin selbst ich nicht aber das heißt nicht, dass ich ihn mögen muss. Ich hörte es war Andrej, der einst Brügge angriff? Wie können diejenigen, die euch gequält, verraten, betrogen und gemordet haben in eurem eigenen Land, jetzt einen Treueschwur wert sein?“ Kühle trat in Anastasias Gesicht. „Ihr seid Händlerin… haben sie euch gekauft?“
Erneut sah Alida die Frau etwas irritiert an. „Ihr… Ihr seid gut informiert. Unser gemeinsamer Bekannter hat mich angehalten, euch zu vertrauen, wie ich es einem Ratsmitglied Brügges gegenüber täte. Solche Gespräche sind keine, die ich mit den Ratsmitgliedern Brügges tätigen würde.“ Alida seufzte und schüttelte dann den Kopf. „Sei’s drum“, meinte sie mehr zu sich selbst. Sie sah zu den Augen der Fremden. „Die ganze Geschichte ist nicht so einfach, dass ich sie mit wenigen Worten erzählen könnte. Ich selbst wäre wohl eine der ersten gewesen, die dem guten Andrej eigenhändig die Augen ausgekratzt und ihm liebend gerne den Kopf von den Schultern gefegt hätte. Aber ich verdanke ihm mittlerweile einiges… Ich war im Osten und habe einiges erfahren, dass mir vorher nicht bewusst war. Ich bin durch…hm… Familienbande, die über das Blut der Drachen hinausgehen, an die Brüder Rustovich gebunden. Aber das allein würde mir nie ein Wort der Traue entlocken.“ Sie überlegte. „Vladimir Rustovich ist gut für die Tsimiske. Er ist in der Lage die so unterschiedlichen Drachen zu einen, gemeinsam kämpfen zu lassen. Statt sich gegenseitig zu zerfleischen, handeln sie in einem Sinne. Auch wenn er ein Kriegsfürst ist und es möglicherweise gar nicht beabsichtigen mag, bringt er Frieden. Tsimiske sind stolz. Sie zögern nicht für diesen Stolz ihr Land zu verbrennen, ihre Leute ausbluten zu lassen oder sie sinnlos in den Krieg zu schicken. Zeiten des Friedens mögen daran vielleicht etwas ändern. Zumindest ist das meine Hoffnung. Wollt Ihr die Worte meines Schwures hören?“ Alida begann zu zitieren. „Ich schwöre euch bei Kain und Gott, dass ich meinen Clan im Westen so würdig vertreten werde wie es mir möglich ist. Ich trage meinen Namen und den meiner Herkunft und Familie mit Stolz. Wenn ich euch hilfreich zur Seite stehen kann bei den Belangen, die die Ehre der Drachen in der Welt mehren, dann werde ich es tun… Das waren meine Worte. Die Drachen haben viel Potential. Ich denke, dass sie mehr sein können als fleischformerische Monster und menschenschindende Feudalherren. Und wenn ich dazu beitragen kann, dann möchte ich meinen Teil dazu leisten.“ Sie sah zu Anastasia und zögerte. „Versteht ihr das?“



Anastasia zog die Mundwinkel schief und atmete einmal tief ein und aus. Das darauffolgende, zögerliche Kopfschütteln galt wohl mehr ihr selbst als Alida. „Seiner Herkunft kann man sich nicht erwehren, auch seiner Vergangenheit nicht. Was zählt sind weder leere Worte noch vollmundige Versprechungen, sondern einzig die Taten, die man im hier und jetzt begeht. Daran messe ich die Leute… zumindest versuche ich sie daran zu messen.“ Es folgte ein etwas angestrengt, wirkendes Schulterheben. „Ob ich euch verstehe? Nein, tu ich nicht. Ob ich eure Entscheidung, aufgrund irgendwelcher Familienverhältnisse vorläufig zumindest neutral dem Osten gegenüber zu stehen nachvollziehen kann, um nicht noch mehr Feinde im Nacken zu haben: Ja, das tu ich. Aber merkt euch eins: Selbst der größte Herrscher, der die feinsten Reden und glühendsten Ansprachen hält, wird am Ende aller Tage nur an seinen Taten gemessen. Miss deine Feinde an ihren Taten aber deine Freunde noch umso mehr.“ Die Gangrel schritt vorne weg, aber wagte es nicht in einen lockeren Dauerlauf zu verfallen, aus Angst man könne so nur umso mehr die Aufmerksamkeit der venezianischen Wachen auf sich lenken. Nach ein paar Metern, wickelte sie mit der rechten das schwarze Tuch, das sie um die Schwerscheide am Rücken gebunden hatte ab und zog die Klinge. Fast mühelos, warf sie das lange Stück Metall zu ihrer Begleiterin. Alida musste sich zwar ein wenig wundern aber ihre Reflexe waren schnell genug um das Schwert aufzufangen. „Falls wir doch noch Gesellschaft bekommen. Mit dem rostigen Dreck den euch die Leichenschänder da mitgegeben haben, erschlagt ihr ja nicht mal einen blinden, einarmigen Bettler.“
Alida fing die Klinge etwas überrascht auf. „Ich denke, ich weiß, auf wen ich mich verlassen kann und wem meine alleroberste Loyalität gilt.“ Sie fuhr mit der Fingerspitze über die scharfe Schneide… Familie, Verbündete, Brügge. Sie seufzte leise. Und ‚Familie, Ehre, Pflicht‘ die Grundprinzipien der van de Burse

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Der Weg zum Ziel beginnt an dem Tag, an dem du die hundertprozentige Verantwortung für dein Tun übernimms.
Dante Alighieri


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