Vampire: Die Maskerade

Zorn war immer ein zweischneidiges Schwert, wie auch Luisa dieses Mal wieder feststellen musste. Zum einen eine Quelle ungeahnter Kraft, zum anderen aber auch eine Emotion, die mit Unvernunft und in diesem Fall mit Ungenauigkeit einherging. Der Angriff der Brujah ging ins Leere, vorbei an ihrem eigentlichen Ziel und alles, was Louisa tun konnte, war, sich wieder in die Ausgangsstellung zu begeben. Ihre Wut war aber dennoch sichtbar, auch für den Gegner, der in seiner Bewegung zu erstarren schien. Was mochte der Söldner wohl vor sich sehen, was ihn so verstörte? Eine andersweltliche Göttin der Kriegskunst, schön und tödlich oder eher ein blutrünstiges Monster, welches ihn zerfetzen wollte?

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- Do not go gentle into that good night. Rage, rage against the dying of the light. -

Zornerfüllt wandte sie sich wieder dem Unbekannten zu, wütend über die eigene Voreiligkeit, die sie den Erfolg gekostet hatte, welchen eine besonnenere Attacke wohl erzielt hätte. Die heiße Welle wollte alles in ihrem Inneren überfluten und schrie danach, den Sterblichen in kleine Stücke zu zerreißen. Ein winziger Rest an Überlegung war ihr indes noch verblieben. Und der Gedanke, dass hinter ihrem Rücken Theresa dem zweiten Angreifer gegenüberstehen mochte, ließ sie zögern. Das seidige, wunderschöne Haar der Tremere stand ihr groteskerweise für den Bruchteil eines Moments vor Augen, und ihr Bewusstsein tauchte aus der roten Flut der Rage auf wie eine Ertrinkende, die kurz Luft schnappen kann. Fauchend krümmte sie die Finger der freien Hand und zischte den Mann an, ihre Fänge erneut zeigend: "Lauf, wenn dir dein Leben lieb ist, du Wurm – lauf!!" Dann wirbelte sie herum, um Theresa beizustehen, die womöglich über große mystische Kräfte gebieten mochte, aber nicht den Eindruck einer erfahrenen Kämpferin auf Louisa gemacht hatte.

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~ Begehren ist die Triebfeder allen Handelns ~

Der angesprochene Söldner schien einen Moment zu verharren, ganz so als müsste er eine Entscheidung treffen, nur um dann geschwind die Beine in die Hand zu nehmen und den Ort des Geschehens zu verlassen. Dieser Umstand befreite Louisa von einer Front des Konfliktes und so konnte sie zurück ans Seeufer stürmen. An diesem konnte sie ein kleines Feuer sehen, welches sich am Boden ausbreitete und von einer schwarz-bläulichen Flüssigkeit genährt wurde, welches sich aus den zerbrochenen Tonkugeln ergoss.

Die Flammen waren nicht direkt gefährlich, stellten aber eine Barriere zwischen dem Ufer und der Position des zweiten Angreifers dar. Theresa selbst war ebenfalls dabei sich zu verteidigen und die Brujah konnte sehen, wie die Tremere eine fließende Bewegung mit ihren Armen machte. Eine große Menge Wasser erhob sich daraufhin aus dem See und ergoss sich über die Flammen, um diese zu ersticken. Plötzlich zischten diese jedoch nach oben und breiteten sich beinahe explosionsartig aus und eine alte, in ihrer Art tief verankerte Furcht machte sich in der Brujah breit. Der Rötschreck auch bekannt als die rote Angst, führte dazu, dass das Tier, welches tief in ihrer Brust ruhte, nur noch ein tun wollte – nämlich zu fliehen.

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Die Kainitin sandte dem Mann noch ein Zischen nach, ehe sie sich umwandte und zurückeilte, um Theresa zu helfen. Die Zähne gebleckt schickte sie sich an, mit einem weiten Sprung über den Brand hinweg zu setzen, als die Flammenwand vor ihr sich prasselnd und spuckend erhob wie eine denkende Kreatur. Die Brujah prallte zurück, riss den Arm in die Höhe und schützte ihre an die Düsternis gewöhnten Augen, ehe der Dämon in ihr sich ebenso gewaltsam und plötzlich aufbäumte wie das Feuer vor ihr: Mit einem schrillen Heulen warf sie sich herum und stürmte in die Nacht, das hungrige Element hinter sich lassend, das allein neben den Strahlen der Sonne ihr untotes Fleisch in Windeseile zu verzehren vermochte – und ebenso die Tremere, die sie hatte schützen wollen. Ihr Wehklagen verhallte in der Ferne so rasch, wie ihr flatterndes Kleid mit der Schwärze verschmolz.

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Louisa konnte nicht genau wissen, wie lange sie in die düstere Nacht gerannt war. Ihr Tier hatte von ihr Besitz ergriffen, nicht aus Gründen der Dominanz oder Gewalt, sondern aus Furcht. Feuer hatte seine eigene Macht, eine, der das Alter und die Kraft ihres untoten Fluches völlig egal war. Die Flucht vor dieser unbändigen Naturgewalt war ein Instinkt gewesen, einer der sie nun in das Brügger Umland getrieben hatte. Als die Brujah wieder völlig zu Sinnen kam, fand sie sich etwa eine Meile von der Stadt entfernt, zwischen Weilern und Weiden wieder, die die Handelsstadt umgaben.

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Als sich die roten Nebel langsam wieder zurückzogen, sah sich die Kainitin gehetzt um. Sie war offensichtlich immer weiter gelaufen, solange die Urangst vor den Flammen sie im Griff gehabt hatte. Das mochte ziemlich weit sein, kannte doch ihr untoter Körper nicht mehr dieselbe Art von Erschöpfung wie der einer Lebenden. Nachdem sie sich orientiert hatte, wurde ihr bewusst, dass sie tatsächlich außerhalb der Mauern angelangt war, sich daher zügig zurück in die Stadt und damit in greifbare Nähe ihres Refugiums und anderer sicherer Rückzugsorte begeben musste. Hier draußen von der Sonne überrascht zu werden, würde vielleicht tödlich, zumindest aber sehr unangenehm werden... Zudem hatte sie keine Kenntnis davon, wie es ihrer Gefährtin ergangen war und wie es um den zweiten Attentäter stand, den sie nicht in die Flucht geschlagen hatte. Indem sie sich noch einmal letztes Mal umsah, ob sie auch keine unerwünschte Neugier erregt hatte, machte sie sich daran, ungeachtet ihrer edlen Kleidung den Fußmarsch zurück anzutreten. Sie würde kaum etwas an ihrem Sonntagsstaat ruinieren, das nicht schon durch ihre Flucht in Mitleidenschaft gezogen war.

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Louisa erkannte die Hauptstraße, die sie geschwind und zumindest trockenen Fußes zurück in die Stadt bringen würde. Mit einem Blick auf ihre Kleidung, sah die Brujah, dass diese weniger in Mitleidenschaft gezogen worden war, als man vielleicht befürchten musste, aber dennoch würde Ida einiges zu tun habe, ihre Aufmachung wieder uneingeschränkt vorzeigbar zu machen. Dennoch spielte all das im Moment nur eine untergeordnete Rolle. Der Brujah war klar, dass alles viel schlimmer hätte kommen können. Louisa hatte wahrscheinlich etwa die Hälfte des Weges zu Stadt zurückgelegt, als sie plötzlich hörte, wie sich ein Pferd nährte. Aller Wahrscheinlichkeit nach, kam dieses aus Brügge, was unter normalen Umständen normal – zu dieser Uhrzeit allerdings – höchst ungewöhnlich war.

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Die Kainitin hielt beim Klang von Pferdehufen inne. Zwar fühlte sie sich angesichts der Kräfte in ihrer Vitae nicht sonderlich bedroht, doch schien es ihr klüger, zunächst einmal festzustellen, mit welchem Reisenden sie es zu dieser für normale Sterbliche ungewöhnlichen Stunde zu tun hatte, ehe sie sich selbst zeigen wollte. Rasch ging sie hinter einem nahen Busch oder Baum in Deckung und schärfte ihre Sinne, bis sie ihr in einer übermenschlichen Schärfe alle Eindrücke aus der Umgebung vermittelten. Dann lag sie still auf der Lauer, bereit, sich zu erkennen zu geben, wenn der Unbekannte Hilfe bedeuten mochte oder zumindest offenkundig keine Gefahr darstellte, sich andernfalls verborgen zu halten – oder aber in anderer ihr angemessen scheinender Weise zu reagieren. Einem Kind der Nacht zu begegnen und diese Erfahrung womöglich teuer zu bezahlen, war ein Schicksal, das einem einsamen Sterblichen in den Stunden der Dunkelheit jederzeit drohte.

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In der Welt der ewigen Dunkelheit, in der Luisa lebte, war Vorsicht definitiv besser als Nachsicht und auch wenn sie sich gut verteidigen konnte, war es manchmal besser, Konflikten aus dem Weg zu gehen. Gerade, wenn diese unnötig waren. In ihrem aktuellen Fall schien die Brujah jedoch Glück zu haben, da sich ihre Position gerade erheblich zu verbessern schien, als sie die bekannte Stimme von Odric hören konnte, bevor sie ihren Ghul überhaupt sah. „Louisa!“ Er suchte offensichtlich nach ihr. „Louisa!“ Das Pferd kam näher.

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Trotz allen Vertrauens in die Kräfte des Blutes fühlte sich die Brujah beim Klang von Odrics Stimme erleichtert. "Hier bin ich!" rief sie und trat ins Freie, winkend, falls er sie in der Dunkelheit nicht entdecken könnte. "Wie kommst du hierher?" fragte sie den Ghul, kaum dass er heran war. "Hat dich..." Sie hielt inne. "Du wurdest benachrichtigt? Wie ist die Lage in der Stadt?" Sie blieb stehen, auf den gewissen Abstand zu dem Pferd bedacht, den ein Kainit ohne besondere Affinität zu Tieren einhalten musste, um es nicht zum Scheuen zu bringen. Eine gewisse Anspannung war ihr anzumerken.

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