Sa 3. Okt 2015, 20:54
Das schuppenübersäte Echsenwesen schnappte nach Alida, die ihr Schwert gezogen hatte und alle ihr zur Verfügung stehenden Kräfte aufbrachte um geschickter zu agieren und zu parieren. Sie schob den Jungen weiter vor sich her, der damit jedoch alles andere als einverstanden war und selbst einen Dolch gezückt hatte, mit dem er mit wutverzerrtem Gesicht versuchte nach dem Monster zu schlagen.
Alida stieß ihn in eine Spalte und wich dem nächsten Angriff wieder mit letzter Mühe aus. Sie war geschickt, aber das seltsame Wesen nicht minder. Sie drängte sich in den schmalen Durchgang und hieb ein letztes Mal nach der Echsenkreatur, ohne sie zu treffen. Dann warf sie sich mit der letzten ihr zur Verfügung stehenden Kraft in das brackige Wasser des kleinen Kanals während das Ungetüm davor tobte ohne ihnen folgen zu können.
Konstantin führte Alida über viele verschlungene Pfade durch die tiefen Eingeweide von Konstantinopel. Mal waren es schmale Durchgänge und kaum zu bewerkstelligende Passagen, dann enge Schlurfe unter die man sich hinweg bücken musste, wollte man sich nicht den Kopf stoßen. Vorbei ging es an schroffen Kluften, langen Rissen und herabbröckelnden Geröll.
Allein an der minimalen Temperaturzunahme, konnte Alida feststellen das es wohl langsam bergauf gehen musste.
Der Junge hatte kurz nach der Konfrontation mit Zarek noch schwer ein paar Tränen hinunterschlucken, als auch seinem Ärger hinabwürgen müssen aber er riss sich wirklich hart am Riemen um die Tzimisce so schnell wie möglich aus den Kanälen zu führen. Das tat er wohl nicht nur selbstlos für die Brüggerin sondern natürlich auch für sich selbst, stand doch die Drohung des grotesken Schlangenwesens immer noch im Raum. Eine dunkle Vorahnung machte sich breit und verfinsterte zunehmend sein Gemüt sodass er den ganzen Weg hindurch nur geschwiegen hatte, nur unterbrochen von knappen Anweisungen.
Schlussendlich erklommen sie einen schmalen Pfad, robbten durch einen schmale Öffnung in einer Felswand und konnten, wenn sie nach oben blickten, das Funkeln der Sterne erkennen. Es handelte sich offenbar um einen trockenen Brunnenschacht, der schon lange kein Wasser mehr gab. Die gemauerten Steine waren trocken, teilweise abgekantet und brüchig, boten aber guten Halt als sie sich Meter für Meter nach oben arbeiteten um nach schier ewig langer Zeit wieder in der Oberwelt angekommen zu sein. Ein kurzer Blick verriet Alida, das sie sich sehr weit östlich des Zentrums befanden, genauer gesagt in einem ausladenden Innenhof, der umgeben war von schlecht verputzten Gebäuden.
"Wir müssen zu Großmutter! Zarek wird es nicht wagen ihr etwas anzutun, sie ist der Torwächter, er braucht ihre Zauberkraft."
Konstantin zog Alida energisch am Ärmel und eilte in die Nacht davon.
Die blonde Händlerin schluckte nur. Dieses Schlangenwesen hatte sicher keinerlei Schwierigkeiten damit seine Worte der Wahrheit entsprechen zu lassen. Sie hatte die alte verwirrte Frau kennen gelernt und egal, was für ein Wesen es war, es würde sicher nicht zögern jemanden zu töten, der ihm im Weg stand. Sie folgte dem Jungen. Auch wenn sie lieber nach Emilian gesucht hätte, um endlich denjenigen in Konstantinopel Bericht zu erstatten, die wirklich etwas an dieser Lage ändern konnten, wusste sie doch, dass sie es dem Jungen schuldig war ihm zu folgen. Dass sie es vielleicht auch der alten Frau schuldig war…
Alida hätte keine Probleme dem Jungen zu folgen, denn dieser achtete trotz einer wohl unvermeidbaren Eile darauf, dass sie ihm dicht auf den Fersen blieb.
Es dauerte dennoch eine ganze Weile, bevor sie sich durch das Gewirr der nächtlichen Häuser, Straßen, Gässchen und Gebäude gekämpft hatten, ehe sie wieder bei der Hütte der alten Vettel ankamen. Viele Menschen hatten sie während ihres eiligen Aufbruchs nicht mehr auf den Straßen ausmachen können und auch hier im Armenviertel, gab es nur noch gelegentlich den einen oder anderen einsamen Obdachlosen oder Bettler, der sich zusammen mit seinesgleichen an einem offenen Feuer aufwärmte. Die Tür zum Haus der Großmutter stand weit offen und Konstantin hechtete außer Atem hindurch. Das Schloss, Alida erkannte es gleich, war gewaltsam aufgebrochen worden, selbst den schweren Holzriegel dahinter hatte man buchstäblich in Stücke gefetzt. Es bedurfte großer Kraft oder der Anstrengung mehrerer Männer so eine Tür ohne Werkzeug brachial aufzubrechen. Drinnen herrschte heilloses Chaos. Alle merkwürdigen, seltsamen Kleinode der Vettel lagen verstreut im Raum, Vasen und Krüge lagen zerbrochen herum während sich übel riechende Flüssigkeiten aus den Behältnissen auf den schmutzigen Boden ergossen. Etwa in der Mitte des Raumes, lag die alte Frau das Gesicht erstarrt in einem Ausdruck des Entsetzens. Ihre Gliedmaßen waren merkwürdig verdreht und allein an ihrer Lage war zu erkennen, dass man ihr vermutlich das Genick gebrochen hatte.
Der Junge hockte schweigend auf seinen bloßen Knien neben der Toten und starrte in die Leere. Ein Anblick, den Alida nur allzu gut kannte.
Auch Alida stand einen Moment wie versteinert da. Sie ließ ihre Umgebung nicht aus den Augen: ein Hinterhalt war zu allen Zeiten und vor allem in denen, in denen man vor Trauer blind sein mochte, möglich. Erst als sie das Gefühl hatte, dass keine Gefahr drohte trat sie näher. Vorsichtig kniete sie sich neben die Alte und schloss deren erkaltende Lider. Sie faltete zaghaft deren Hände und tat ein Kreuzzeichen. Diese Gestik wurde auch im oströmischen Reich verwandt.
Ihr Blick glitt zu dem Jungen. Sie kannte ihn zu wenig um zu wissen, was er in einem solchen Moment brauchte. Schließlich griff sie nach einem der letzten blauen Talismane, die nicht in tausend Stücke zersprungen waren und reichte ihn an Konstantin weiter.
„Deine Großmutter würde wollen, dass du ihn bekommst. Sie war eine weise Frau.“
Von einem Hinterhalt war soweit Alida das beurteilen konnte nichts mehr auszumachen. Wer immer hier gewaltsam eingedrungen war, hatte sein tödliches Handwerk, schnell und ohne Reue vollbracht. Ganz genauso war er wohl auch wieder verschwunden. Schnell und ohne wirkliche Spuren zu hinterlassen obgleich man sich wohl vorstellen mochte, wer dahinter steckte.
Für den Moment schienen die beiden sicher und Konstantin schloss einen tiefen Atemzug nehmend die Augen nur um sie im Anschluss wieder um eine Spur gefasst wirkender zu öffnen.
Langsam hielt er seine Hand auf um einen der letzten Talismane seiner Großmutter von Alida in Empfang zu nehmen und lächelte schwach. Es war ihm anzusehen, dass er mit den Tränen kämpfte aber er ließ es sich nicht anmerken. "Das war sie und sie war alles was von meiner Familie noch übrig geblieben ist. Ob sie weise war, kann ich nicht sagen. Sie wusste viel über die Heilung von Krankheiten und Wunden, die Mütter kamen mit ihren Säuglingen zu ihr und die Alten wegen ihrer Knochen. Manchmal fragten sie sogar einige der angesehenen Männer um einen Rat aber es war ganz sicher ein Fehler, sich mit den Djinni einzulassen."
Langsam ließ er den Talisman unter seinem dünnen Leinenhemd verschwinden, bevor er sich wieder erhob. "Meine Familie als auch das ganze Viertel hier war schon immer arm gewesen. Das machte uns nichts, denn wir hatten was wir zum Leben brauchten. Großmutter kochte oft für uns und gab auch an die Nachbarn etwas ab, wenn der Monat wieder schlechte Einnahmen gebracht hatte und pflegte die Kranken, selbst die um die sich niemand scherte." Er nickte nachdenklich.
"Dann wurden plötzlich ein paar Leute schwer krank. Es war ansteckend und führte zu widerlichen Ausschlägen am ganzen Körper. Selbst Großmutter konnte ihnen nicht recht helfen, da ihr die Heilkräuter und Tinkturen fehlten. Die gab es nur teuer aus fernen Ländern und dazu fehlte uns das Geld. Da kamen die Djinni, Ral Zarek und Bakara Shia und haben mit meiner Großmutter gesprochen. Irgendwie wussten sie, dass sie eine weise und mächtige Zauberin war und versprachen im Austausch für ihr Wissen und ihre Kunst, eine hohe Summe regelmäßigen Geldes und frische Arzneiwaren. Dafür musste Großmutter ihnen mehrere Zugänge in der Stadt einrichten, magische Zugänge natürlich. Aber recht geholfen hat es nicht. Sie konnte die Krankheit nur eindämmen und sie am schnellen Fortschreiten hindern aber heilen konnte sie niemanden." Konstantin biss sich auf die Lippe. "Dann haben die Djinni von Göttern und Erlösern gesprochen, die den Kranken Heilung versprachen, keine Schmerzen mehr, kein Leid und viele aus dem Viertel haben auf ihre Worte gehört und sind zu den finsteren Altären der Djinni gepilgert. Einige hast du bereits gesehen. Die Krankheit tötet sie nicht aber es frisst langsam ihren Körper und ihren Geist. Ist das ein Leben, das es noch wert ist gelebt zu werden?" Er sah sie lange in einer Mischung aus Trauer und Wut an. "Manche wurden verrückt und verbergen sich seitdem in den Gewölben unter der Stadt aber andere sahen es als Wunder von den Djinnis und dienen ihnen seither. Großmutter hat schon lange darüber nachgedacht, wie sie die Dämonen vertreiben könnte aber sie waren zu mächtig und hatten zu viele Leute auf ihrer Seite. Wenn sie Großmutter umgebracht haben, dann kann das nur bedeuten, dass sie ihre Funktion erfüllt hat und nicht mehr gebraucht wird. Was die Djinnis planen... ich weiß es nicht aber es ist klar, dass es mit dieser Krankheit zu tun hat und mit dem Mädchen, das sie entführt haben. Am Ende wollen sie noch die ganze Stadt vergiften und sich untertan machen, das wäre schrecklich."
Wieder schluckte Alida. “Konstantin? Was sind Djinni?“
"Djinni sind böse Geister, die nicht aus unserer Welt stammen. Wenn man klug und gewitzt ist, kann man sie dazu bringen einem Wünsche zu erfüllen aber die Djinnis sind verschlagen und einfallsreich. Die Legenden sprechen davon, dass es sehr schwer ist einen Wunsch erfüllt zu bekommen, weil die Djinnis am Ende immer ihren bösen Willen bekommen. Djinnis sind uralt und können viele beliebige Gestalten annehmen aber sie sind egal wie sie aussehen mögen, ganz sicher keine Menschen. Manche essen sogar Menschen oder tun ihnen schreckliche Dinge an, trinken ihr Blut und rauben ihre Seele."
Ihre Augen verengten sich nachdenklich zu Schlitzen. Entsprach seine Schilderung dem, was in der westlichen kainitischen Welt dem „Dämon“ gleichkam?
„Deine Großmutter hat mich hinunter in die Kanalisation gelassen. Sie hat mir, ohne, dass sie mich wirklich gekannt hat, vertraut und geglaubt, dass ich helfen könnte, diese Djinni aufzuhalten. Sie wollte, dass ich hinunter gehe…“ Wieder wanderte ihr Blick zu dem Jungen, dann zu der alten Frau. „Ich bin nicht aus dieser Stadt und ich kenne mich zu wenig aus. Auch verfüge ich nicht über so mächtige Kräfte, dass ich mich einem Djinni, den wir in meiner Heimat wohl Dämon nennen, entgegen stellen könnte. Aber ich kann Kontakt aufnehmen zu Leuten, die vielleicht helfen können, Männern und Frauen, weit mächtiger als ich.“ Ein grimmiger Zug legte sich auf ihren Mund. „Aber ich kann wohl mit einer großen Portion Glück gegen den ein oder anderen bestehen, der die Djinni angerufen hat.“
Der Junge sah sie gefasst und überlegend an, warf einen raschen Blick zu seiner Großmutter, dann wieder zurück zu Alida. "Wenn sie dich durch den Eingang gelassen hat, dann wird sie ganz sicher ihre Gründe gehabt haben. Normalerweise gewährt sie nur den Eingeweihten Zugang, das war auch ein Teil der Abmachung mit den Djinni. Ich weiß zwar nicht warum aber Großmutter hat schon immer mehr in Menschen gesehen als andere, vielleicht nicht die Zukunft die uns erwartet aber eine gewisse Vorahnung... mit der hat sie immer richtig gelegen. Wenn sie dich hereingelassen hat, dann wohl damit du die Djinni aufhältst, ganz egal, ob du allein gegen sie bestehen kannst oder Hilfe brauchen wirst. Es gibt einen Grund, warum du das alles heute Nacht gesehen hast. Es gibt immer für alles einen Grund."
Er sah sie bitter aber ernst an, als würde er eine offene Entscheidung von ihr erwarten. "Willst du uns helfen die Djinni zu vernichten, Fremde? Ich hab nicht viel das ich dir geben kann aber irgendwo dürfte noch ein bisschen Geld sein und die eine oder andere Kostbarkeit."
Alida lachte kurz auf und in diesem Ton lag mehr Traurigkeit als Amüsement. „Das ist lieb von dir, aber wirklich nicht notwendig.“ Sie sog tief die Luft ein. „Eigentlich hatte ich ganz andere Pläne als ich mich auf den Weg nach Konstantinopel gemacht habe… Ich wollte versuchen mich und ein paar Personen, die mir wichtig sind aus einer seit Ewigkeiten andauernden Schei…“ Sie biss die Lippen aufeinander. „… Misere zu holen.“
Sie versuchte ein zaghaftes Lächeln. „Aber das alles hier, geht vor. Und ich bin mir sicher, dass meine Bekannten es sehr begrüßen werden über die Lage in der Kanalisation in Kenntnis gesetzt zu werden. Wie sieht’s mit dir aus? Willst du mitkommen und das, was du weißt berichten?“ Sie zögerte kurz bevor sie die nächste Frage stellte. „Du bist, das hab ich mittlerweile festgestellt, sehr clever, selbstständig und tapfer. Aber trotzdem: Wer wird sich in Zukunft um dich kümmern?“
Konstantin versuchte sich an einem zaghaften Lächeln. "Ich wusste gleich dass du nicht von hier bist, das sieht man sofort. Tut mir fast ein bisschen leid, dass du diese Stadt nur..mmh.. von unten kennenlernen konntest. Vielleicht zeig ich dir wenn das alles vorbei ist, die Stadt so wie ich sie kenne. Mit ihren Türmen und Toren, Straßen und Menschen wenn das Licht der Morgensonne über die Dächer gleitet. Es ist auch schön hier und nicht nur schmutzig." Es klang fast ein wenig entschuldigend.
Danach richtete er sich auf und begann ein wenig in den Schränken und Kästen seiner verblichenen Großmutter zu stöbern, es schien fast als wolle er packen. "Wenn du Probleme hast, dann helf ich dir. Du hilfst mir die Djinni aufzuhalten und ich helfe dir mit den Dingen die du in der Stadt wieder in Ordnung bringen musst ok? Ich erzähl deinen Leuten auch gern was ich weiß, Hauptsache ist, das dies alles endlich endet."
Ihre Frage, wer sich denn ab jetzt um ihn kümmern wurde, ignorierte er fast; wirkte beinahe etwas in seinem Stolz gekränkt. Vielleicht wollte er aber auch einfach nur nicht zugeben, das auch er sehr verletzlich sein konnte. "Ich habe ein paar Freunde in der Verwandtschaft, etwas zu essen und einen Platz zum Schlafen finde ich schon denke ich. Ich komm klar."
Konstantin hatte einen kleinen Beutel gefunden und begann einige Dinge darin zu verstauen. "Ich werde noch dafür sorgen das Großmutter anständig begraben wird, ich kenn da jemanden."
Alida nickte wieder und sah ihm zu wie er seine Sachen zusammen suchte. Der Junge hatte Stolz, das musste man ihm lassen.
„Falls es dir je in Konstantinopel zu langweilig werden sollte: Jemanden wie dich könnt ich zu Hause sicher sehr gut gebrauchen. Bei uns ist es nicht so heiß wie hier, bei uns weht im Herbst Nebel statt Staub durch die Straßen und wenn man schnell vorankommen möchte fährt man manchmal besser auf dem Wasser als auf der Straße. Auch bei uns schippern riesige Dreimaster in den Hafen ein, aber die See bei uns ist rauer und stürmisch. Im Winter fällt Schnee. Aber zu Hause bei meiner Familie ist es schön, jeder hat ein Bett zum Schlafen und im Kamin prasselt ein Feuer, das die Kälte im Winter draußen hält. Also: Falls du mal eine neue Aufgabe suchen solltest…“
Sie nickte ihm zu und überlegte dann ob sie ihm helfen konnte, das Wichtigste einzupacken.
Er würde sie um einige Sachen fragen, ihr erklären wo sie diese finden könnte und diese anschließend in seinem kleinen Beutel verstauen.
Anschließend, sank er vor seiner Großmutter noch ein letztes Mal auf die Knie und küsste sie zärtlich auf die Stirn. "Du hast dich immer gut um mich gekümmert und warst immer für mich da, hast mir eins mit dem Kochlöffel gegeben wenn ich frech war und mich getröstet wenn ich traurig war. Ich weiß nicht wo Mama und Papa jetzt sind, ganz sicher im Himmel aber ich glaube sie würden auch sagen, dass wir das gar nicht so schlecht hinbekommen haben, wir zwei."
Dann stand er auf und sah Alida mit leicht glänzenden Augen an, wischte sich eine kleine Träne aus den Augenwinkeln. "Ich glaube ich habe alles, unterwegs sag ich noch Rafik Bescheid, der kümmert sich um Großmutter. Lass uns zu deinen Leuten gehen, die Djinnis sind immer nur in der Nacht unterwegs, tagsüber verstecken sie sich. Je mehr Leute darüber Bescheid wissen, desto mehr können morgen früh nach ihnen suchen. Sag mir wo du hin musst und ich bring dich hin."
Auf dem Weg nach draußen sah er sich noch einmal in seinem etwas heruntergekommenen Viertel um und schloss die Tür hinter sich. "Gibt es da wo du wohnst auch.... Süßigkeiten?" Zaghaft und fast schon beschämt kam diese Frage.
Alida die bei seiner Beschreibung über die Djinnis erneut nachdenklich in Gedanken versunken war, lachte bei seiner letzten Frage kurz auf. „Manchmal gibt’s auch Süßigkeiten. Vor allem an den Festtagen des Jahres und in der Zeit vor Weihnachten. Aber wehe die Köchin erwischt jemand dabei, wenn er zu viel in der Küche stibitzt. Dann nichts wie weg, sonst werden die Finger ganz schön rot.“ Sie grinste. „Aber unsere Köchin ist alles andere als schnell…“ Sie begleitete den Jungen noch zu den Menschen un d Orten wo er hinmusste.
Alida spürte, dass es nicht mehr allzulange dauern würde bis die Sonne aufgehen würde. Sie fluchte leise in Flandrisch. Ausgerechnet heute. Es gab noch viel zu viel zu tun und zu erledigen. Sie konnte, durfte nicht ausruhen, bevor eine Nachricht an die wichtigsten Kainiten der Stadt herausgegangen war. Aber zuvor musste sie Emilian wieder finden. Sie schlug sobald als möglich den Weg zum Hafen ein.
Konstantin würde ihr auf dem Fuße folgen, ihr sogar helfen sich zurechtzufinden sollte sie Hilfe benötigen. Zwar war der Hafen mehr oder weniger noch einfach zu finden aber der Junge überraschte sie immer wieder mit seiner ausgezeichneten Ortskenntnis, kannte viel Abkürzungen und Umwege, so dass sie am Ende ein gutes Stück Weg sparen konnten und recht rasch am Hafen eintrafen.
Von der Entfernung aus, konnte Alida schon die hohen Masten des russischen Schiffes ausmachen und Lichter in der Kapitänskajüte. Kaum hatte sie sich ein wenig dem Schiff genähert, kam ihr auch schon Girland entgegen der sie, ganz ungewohnt überglücklich an der Schulter packte.
"Meine Güte, Alida van de Burse, wir haben die halbe Stadt nach euch abgesucht und vermutlich jede uns bekannte Zunge mit den Einheimischen gesprochen, weder diese noch die lokalen Wachleute konnten uns sagen wo ihr zu finden wäret. Herr Belinkov ist halb wahnsinnig vor Sorge um euch und das obwohl der Morgen bald graut. Er wollte uns gerade erneut losschicken. Ihr ward wie vom Erdboden verschluckt."
Neugierig musterte er dann Konstantin, der sich ein wenig an Alidas Seite versteckte. "Wer ist das? Ein Betteljunge? Belästigt er euch?"
Konstantins Augen wurden schmal. "Ich bin Konstantin und ich verstehe sowohl Latein als auch Arabisch und wenn ihr die Stadt auch nur halb so gut kennen würdet wie ich, dann hätte ihr uns ganz sicher gefunden."
Es klang trotzig, vermochte aber nicht einmal ein verwundertes Lächeln in das Gesicht Girlands zu zaubern. Der Major Domus von Belinkov hatte Mühe die Situation als auch den Jungen einzuordnen.
Alida freute sich sichtlich den zuverlässigen, gradlinigen Ghul zu sehen. „Girland? Das ist Konstantin. Wohl einer der tapfersten jungen Bewohner von Konstantinopel, die man nur treffen kann. Kannst du dafür sorgen, dass er sobald als möglich etwas zu essen bekommt? Und einen guten Platz zum Schlafen? Ohne ihn wäre ich wahrscheinlich jetzt nicht hier.“ Sie sah zu dem Jungen. „Ist es für dich in Ordnung, wenn ich kurz meinen Freund auf diesem Schiff aufsuche? Er will danach sicher auch mit dir reden.“ Ihr Blick wanderte wieder zu Girland. „Er ist in der Kajüte, oder?“
Der treue Girland nickte verständnisvoll, offensichtlich gab es genug das es zu besprechen galt und wie das so oft der Fall war, würde er wohl auch früher oder später erfahren was denn nun geschehen war. Für den Moment, genügten ihm allein die Erzählungen von Alida. Erneut nickte er bekräftigend. "Natürlich, ich werde ihn zu Anuschka und Anna bringen, die kochen ihm etwas Kräftigendes und vor allem warmes. Eine heiße Tasse Milch mit Honig wird auch noch aufzutreiben sein." Freundlich lächelte er den Jungen an und deutete ihm an zu folgen. "Ich glaube da dürfte auch noch etwas russisches Gebäck an Bord sein...", sinnierte er nachdenklich.
War Konstantin zuerst noch sehr misstrauisch und zaghaft so lächelte er jetzt umso breiter. Man hätte es Girland gar nicht zugetraut aber auch er war wohl ein Familienvater und kannte sich mit Kindern aus.
Ein letzter Blick zu Alida, dann folgte er Girland, der sich noch einmal zu ihr umdrehte.
"Herr Belinkov ist in der Kajüte ja und ihr seid wohl momentan die einzige, die sich im gefahrlos nähern kann, er war... leicht ungehalten über unsere erfolglose Suche. Ihr solltet gleich zu ihm."
Mit diesen Worten verschwand er mit dem Jungen unter Deck, wo es schon angenehm nach gebratenem Fleisch roch. Das Abendessen der Mannschaft und des Suchtrupps, das fast schon ein Frühstück war.