Vampire: Die Maskerade

Louisa hatte keine Probleme die Leiche zu untersuchen und merkte sofort, dass die Überreste des Söldners überhaupt nicht verbrannt waren. Kein Gestank schlug ihr entgegen und auch sonst schienen die Überreste das Feuer nicht einmal berührt zuhaben. Im Gegenteil, der Kadaver war intakt, auch wenn es beim näheren Hinsehen wirkte, als ob ihm jegliches Wasser entzogen wurde, ähnlich Fleisch, dass man in der Sonne trocknete, um es zu konservieren. Neben der Lederrüstung fand nicht sonderlich. Einen Dolch, welcher der Mann am Gürtel getragen hatte, zwei Wurfmesser und ein paar silberne Münzen, waren alles, was er noch bei sich trug. Am Ende fand sie auch noch einen kleinen Schlüssel, den der Mann an einem einfachen Lederband trug.

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- Do not go gentle into that good night. Rage, rage against the dying of the light. -

Louisa nahm den Zustand der Leiche als einen Hinweis auf Hexenkräfte, die Theresa eingesetzt haben musste, um sich gegen den Mann zu wehren. Der Anblick des Toten machte sie nervös, doch sie bezwang ihre Empfindungen und suchte alles ab. Die mageren Besitztümer des Attentäters, sogar die Münzen, ließ sie mit stolzer Verachtung liegen. Den kleinen Schlüssel dagegen fischte sie an seinem ledernen Band auf, hob ihn vor ihre Augen und besah sich die Handwerksarbeit. Schlüssel von solch geringer Größe waren nicht einfach anzufertigen, dementsprechend selten. Es mochte also möglich sein, entweder die Truhe oder das Schloss zu finden, zu dem er gehörte – ebenso gut aber auch den Schmied, wenn er in Brüssel ansässig war, denn die hierfür erforderliche Kunstfertigkeit brachten gewiss nur wenige Männer auf. Stammte der Schlüssel von weither, würde diese Spur womöglich im Sand verlaufen. Indem sie Schlüssel und Band in dem kleinen Ledertäschchen an ihrem Mieder verschwinden ließ, stand sie auf, sah sich noch einmal um und machte sich, so nichts weiteres zu entdecken war, auf den Weg, die Dame Kymena aufzusuchen.

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~ Begehren ist die Triebfeder allen Handelns ~

Den Schlüssel sicher verstaut und auf dem Weg zurück, konnte Louisa dank ihrer scharfen Sinne eine Gestalt ausmachen, die sich mit festem Schritt näherte. Gehüllt in einen grauen Mantel, ließ das Mondlicht dennoch die scharlachroten Roben unter der Gewandung aufblitzen. Es handelte sich mit relativer Sicherheit um die Tremere, wie die Brujah feststellen konnte und auch die andere Frau schien sie erkannt zu haben. Sie zog die Kapuze vom Kopf und ging auf Louisa zu. Theresas Haare schienen nass, aber sie schien sich davon wenig beeindrucken zu lassen. „Es ist gut zu sehen, dass Euch nichts passiert ist.“ Sie nickte leicht und schenkte der blonden Frau ein kurzes Lächeln. „Ich wollte mich gerade um die Leiche kümmern. Wisst ihr mehr über den anderen Angreifer? Was mit ihm geschehen ist? Ich konnte keine Spur aufnehmen.“ Die sonst so sanften Züge der Hexe wirkten hart und unerbittlich, ebenso wie ihre Stimme.

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Mit allen Anzeichen von Erleichterung und Freude eilte Louisa auf die Tremere zu. Indem sie impulsiv beide Hände Theresas ergriff und drückte, erwiderte sie: "Und ich danke dem Schicksal, dass auch Ihr unversehrt scheint!" Ihr Lächeln war im Gegensatz zu dem der eher zurückhaltenden Hexe offen und strahlend – vor allem in ihren Augen leuchtete es so intensiv, dass ihre offenkundige Freude wie ein heiß brennendes, aber absichtlich gebändigtes Feuer wirkte, in dem man noch die Ansätze ihrer leidenschaftlichen ersten Annäherung erahnen konnte. Obwohl diese Flamme nach wie vor ihr blasses Gesicht von innen heraus zu erleuchten schien, wurde auch sie auf Theresas Frage ernster und meinte leise: "Zu meiner unendlichen Schande muss ich gestehen, dass ich ihn zwar vertrieben habe, doch bei dem Versuch, Euch zu Hilfe zu eilen..." Sie biss sich auf die Lippen. In ihren Zügen, denen sie ausnahmsweise erlaubte, ihre wahren Gefühle widerzuspiegeln, zeichneten sich Scham und Zorn ab. Zorn auf sich selbst. "...die Urangst vor den Flammen hat mich überwältigt. Ich floh – und ließ Euch allein zurück. Hätte diese Kreatur", ihr Blick streifte verächtlich den seltsam entstellten Leichnam, "dieses Werkzeug von hinterhältigen Mördern Euch Schaden zugefügt, ich hätte es mir nicht verzeihen können. Dennoch wage ich Euch demütig um das zu bitten, was ich mir selbst nicht gewähren kann." Sie nahm Theresas Finger zwischen ihre Hände, hob sie an ihre kalten Lippen und hauchte die Andeutung eines Kusses darauf. "Meine Schwäche hätte Euer Ende bedeuten können", stellte sie zerknirscht fest.

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Theresa versteifte sich für einen kurzen Moment und Louisa konnte ein wenig Irritation, aber auch Skepsis in den Zügen der Tremere, ob Ihrer Bekundungen wahrnehmen. Schließlich zog sie, ohne Hast, ihre Hände aus denen der Brujah und sprach mit offener Anteilnahme in der Stimme. „Ich bin ebenfalls froh, Euch wohlauf und unversehrt zu sehen. Die Angst vor den Flammen ist keine Schande, im Gegenteil, sie ist klug. Dennoch macht Ihr Euch viel zu viele Sorgen um mich.“ Der nächste Teil war dann schon etwas sachlicher und hatte einen vielleicht sogar erschöpften Unterton. „Ich kann Euch versichern, dass ich keinen Ritter in strahlender Rüstung benötige, um mich zu verteidigen. Deshalb gibt es weder eine Schuld, in der ihr mir gegenüber steht, noch irgendetwas, was es zu verzeihen gibt. Ich hoffe, das beruhigt Euer Gewissen.“

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Louisa seufzte. "Ich wünschte, in Euren Adern fände sich nur eine Spur meines Bluterbes – Ihr würdet so viel besser die Leidenschaften verstehen, die meinen Clan stark machen und uns dennoch unsere Ziele ein ums andere Mal zwischen den Händen zerrinnen sehen..." Sie lächelte schwach. "Ihr könnt Euch mich in strahlender Rüstung wohl kaum besser vorstellen, als ich das selbst vermag. Und ich will auch nicht vorspiegeln, es sei eine hohe Moral allein, die mich um Euch bangen ließ. Wie Ihr wisst, habe ich fest in meinem Herzen verschlossen, was Euch – mit Recht, wie viele sagen würden – abstieß. Dennoch ist die Flamme dieser Leidenschaft nicht vollends verloschen und wird ein Teil von mir bleiben, wie all die anderen auch. Ich selbst bin", fügte die Brujah mit einem leisen Kopfschütteln hinzu, "bei aller Angst vor dem vernichtenden Feuer nichts andere als eine Flamme, die manchmal nur leise brennt, beizeiten aber auch glutheiß auflodern kann. Tut sie es, dann muss ich sprechen und handeln, wie es mir die Vitae gebietet." Mit sichtlicher Mühe schüttelte sie die Gedanken ab, die sie bewegen mussten, und erkundigte sich: "Habt Ihr einen Plan, wie wir weiter verfahren sollten? Ich habe bereits meine Diener ausgesandt, mehr über die Attentäter in Erfahrung zu bringen und so womöglich auf die Spur ihrer Hinterleute zu kommen."

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Louisas Worte waren leidenschaftlich und schienen ihre Wirkung nicht komplett zu verfehlen, da die Tremere noch auf diese einging. „Es muss schön sein, wenn man in der Lage ist, die ewigen Nächte damit zu verbringen, einer wahren Passion zu folgen. Dennoch dürft ihr nicht vergessen, dass Ihr privilegiert seid. Ihr seid ein Hoher Clan und ich gehöre einem der Niederen an. Wir, insbesondere meine Blutlinie kämpft jede Nacht um das Überleben, wie der Angriff dieser beiden Hunde wieder einmal gezeigt hat.“ Theresa seufzte kurz. „Vielleicht wird es irgendwann einmal anders sein und ich werde den nächtlichen Überlebenskampf gegen eine Passion eintauschen können, aber im Moment ist es noch nicht so weit. Jetzt ist es an der Zeit, aufzuräumen.“ Die Tremere streckte die Hand aus in Richtung des toten Söldners, dessen Leiche begann sich langsam zu bewegen, bis sie schließlich in der Luft schwebte. Mit einer weiteren Handbewegung wurde der Kadaver schließlich über den See geschleudert und landete mit einem feuchten Klatschen in den Tiefen des Stausees. Theresa wandte sich wieder zu der Brujah. „Ich muss zuerst jagen gehen. Dann werde ich schauen, ob ich irgendwelche weiteren Spuren ausmachen kann.“

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"Mein... Erzeuger sagte einmal, dass die fortwährende Finsternis der Nacht nicht zu ertragen sei ohne jegliche Leidenschaft. Jene Alten, die sie für Schwäche halten und darum leichtfertig alles hinter sich lassen, was sie an ihre Zeit als Sterbliche erinnert, erstarrten allmählich, ohne es zu bemerken. Wie ein Arm, der abstirbt und so keine Schmerzen mehr empfindet. Und schließlich seien sie wahrhaftig tot – bis in ihr Innerstes. Ich weiß nicht, ob das der Wahrheit entspricht, aber um Euretwillen: Lasst mich Euch helfen, jene Glut in Eurem Herzen anzufachen, sowie Ihr dazu bereit seid, denn wenn es eines gibt, vor dem ich noch mehr Furcht empfinde als vor dem Feuer oder dem Licht der Sonne, so ist es dieses langsame Erstarren und Ersterben." Die Worte waren der Brujah über die Lippen gekommen, ehe sie recht realisiert hatte, dass sie den Hidalgo zitierte, den aus ihrer neuen Existenz zu verbannen sie sich doch geschworen hatte. Sie biss sich auf die Zunge.

"Einstweilen", fuhr sie fort, den Ärger über ihre eigene Schwäche diesem Mann gegenüber, die ihr unnatürlich erscheinende Liebe zu ihrem charismatischen Meister unterdrückend, "sehe ich ein, dass Ihr in einer Lage seid, die äußerst prekär ist. Eurer Blutlinie wird viel Misstrauen entgegengebracht, was..." Sie folgte dem mystischen Tun der Tremere mit aufmerksamem Blick, die erstaunlichen Fähigkeiten dieser Kainitin neidend, aber auch argwöhnisch beäugend. "...angesichts ihrer Geschichte und Blutskräfte nicht ganz unverständlich ist. Ihr geht also davon aus, dass der Angriff Euch galt?" Sie grübelte kurz. "Nun, da Ihr Eure Kräfte zunächst erneuern müsst, werde ich mich den Nachforschungen nach diesen gedungenen Mördern auf anderem Wege widmen, würde Euch jedoch gern bei der Spurensuche begleiten. Immerhin bin auch ich nur knapp dem heimtückischen Angriff entgangen, und ich bin mir meinesteils noch nicht sicher, welche von uns man zu treffen hoffte."

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„Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich das Ziel war. Es wäre nicht das erste Mal, dass ich einen Konflikt austragen musste, insbesondere mit diesen Alchemisten. Wir hatten schon einmal das Vergnügen.“ Die Tremere wischte sich eine Strähne ihres immer noch nassen Haares aus dem Gesicht, bevor sie in den Himmel schaute. „Der Morgen wird bald anbrechen. Nächste Nacht, werde ich nach dem Erwachen jagen gehen und dann – so ihr es immer noch wollt – können wir uns eine Stunde nach Mitternacht vor dem Rathaus treffen. Ich denke nicht, dass der Söldner noch lange hier verweilen wird, aber wenn dem so ist, will ich wenigstens sichergehen, dass er weit weg ist.“

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"Kundige der Alchimie? Das erklärt einiges", meinte Louisa nachdenklich. "Dennoch, wer immer diese Männer gesandt hat, wusste um die Existenz und sogar um einige verwundbare Punkte von Kainiten, sonst wären sie nicht derart gefährlich geworden. Wenn Ihr das nicht auch bereits ahnt, müssen wir dringend herausfinden, wer hinter diesem Anschlag steckt." Sie sah sich um. "Sind es Sterbliche, so muss etwas getan werden, weil ihr Wissen eine Gefahr für alle Kinder der Nacht darstellt. Sind es dagegen Kainiten, nun: hoher oder niederer Clan, die Existenz eines Blutsverwandten zu bedrohen, ohne dass eine Blutjagd ausgerufen wurde..." Sie vollendete den Satz nicht, doch bekamen ihre Augen ebenfalls einen Glanz, in dem Härte lag. Schließlich neigte sie den Kopf zustimmend. "In der morgigen Nacht vor dem Rathaus. Ich werde kommen."

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