Vampire: Die Maskerade


Eine Welt der Dunkelheit
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BeitragVerfasst: Mi 6. Jul 2016, 14:25 
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"Trautes Heim - Glück allein"

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Es begab sich an einem warmen Frühlingsabend in Brügge; die letzten Sonnenstrahlen waren gerade dabei sich hinter den sanften Hügeln der flandrischen Felder zu verlieren und dem für diese Jahreszeit doch recht hellem Abendschein zu weichen, der ein friedvolles Licht auf die bunten Blumen der lebensspendenden Jahreszeit warf. Früher hatte man hier gekämpft und gefochten, jetzt waren üppige Tulpen- und Lupinenfelder auf der Asche der Niedertracht entstanden, die Auge und Herz erfreuten.

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Hie und da, erhoben sich einzelne Nachtfalter in die angenehm duftende Abendbrise und ergänzten das kraftvolle Spiel der Frühlingsfarben mit ihren leuchtenden Flügelschlägen.

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Liliane hatte erst kürzlich Nachricht von Schwester Agnes erhalten, die auf Empfehlung von Bruder Levikus in das Amt der neuen Mutter Oberin und Leitung für das Bonifatius-Waisenhaus in Brügge berufen worden war. Aufgrund der zahlreichen wohlwollenden Spenden großmütiger Mitbürger, allen voran Liliane selbst, konnte das Waisenhaus um einen weiteren Flügel erweitert und modernisiert werden. Der kleine Garten mit der maroden Umzäunung war komplett saniert und neu angelegt worden; beinhaltete nun ein kleines Gemüsebeet und Jungbäume. Ganz besonders stolz war man nun auf die nagelneue Großküche mit anschließendem Speisesaal, in der die Kinder gemeinsam mit den Nonnen die täglichen Mahlzeiten einnehmen konnten. Kein Dach war mehr undicht und für den Winter war der alte Horst, bester seiner Zunft persönlich gekommen, um einen gemütlichen Kachelofen für die Ärmsten der Armen zu errichten. Das Engagement der Toreador, hatte nicht nur finanzielle, sondern auch christliche Früchte der Nächstenliebe getragen und es verging keine Nacht, an der sich die Kinder nicht ganz besonders auf ihre Besuche und die allabendliche Märchenstunde freuten.

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Ihr getreuer Diener und persönlicher Leibwächter Michel war wie immer dienstbeflissen an ihrer Seite und begleitete die Dame vorbei durch die dunkel gepflasterten Straßen, in der man zu dieser Stunde im Grunde nur noch den einen oder anderen Handwerker seine letzte Arbeit verrichten hören konnte und das allbekannte Gelächter aus den Wirtsstuben, zu einer geselligen Runde zünftigen Aldur-Bräus verleitete. In einer ledernen Tragetasche, trug er ein altes und kunstvoll verziertes Märchenbuch; dasselbe aus dem Liliane Hans dazumal immer vorgelesen hatte. Ab und an bellte ein wachsamer Hund oder man hörte das andächtige Summen eines alten Mütterleins, das in ihrer Stube an der Heimarbeit saß und sich an die alten Zeiten erinnerte.

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Es dauerte nicht lange und Aurora von Erzhausen, wie sie sich selbst in diesen Nächten nannte, gelangte an die Pforte des Bonifatius Waisenhaus, dessen Fassade neu getüncht worden war und somit immer noch ein wenig nach frischer Farbe roch. Ihre Handwerksmeister hatten keine Kosten gescheut eine entsprechend schmutzverträgliche, langhaltende und witterungsbeständige Rezeptur zu mischen, die auch noch die nächsten paar Winter gut halten sollte. Aus der kleinen, jämmerlichen Hütte, um die sich niemand scherte war beinahe eine kirchliche Institution unter dem Segen des Herrn Jesus Christus geworden. Und den Kindern ging es dementsprechend gut.

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Verfasst: Mi 6. Jul 2016, 14:25 


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BeitragVerfasst: Do 7. Jul 2016, 17:20 
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Während Lilliana mit festen Schritten durch die Straßen Brügges streifte, wanderten ihre Augen immer wieder umher, während ihre Füße selbst den Weg kannten. Jetzt gerade blieben sie bei der Tasche von Michel kleben und für einen kurzen Augenblick meinte sie durch den Stoff blicken zu können, um das Buch in seiner vollständigkeit darin zu sehen.

Ein Schatz, ein kleiner Schatz war dieses Buch. Es hatte schon einigen Generationen von Kindern Geschichten erzählt von strahlenden Helden und lieblichen Frauen, deren Tugend in keinster Weise im Zweifel stand. Von Ritter und Prinzessinnen, von Drachen und Schwertern, alle zusammengetragen von Sängern, von Gauklern, die die Welt und die Königshäuser bereist hatten. So manche Geschichte kannte Lilliana durch das viele Lesen schon auswendig, aber das machte ihr nichts aus.

Michel erreichte als erster die Eingangstüre des renovierten und angebauten Waisenhauses. Lilliana hatte dafür eingestanden nur die besten Materialien zu verwenden um für die Zukunft der Kinder auszusorgen. Während er klopfte, um Einlass für sich und die Dame zu erhalten, ging Lilliana im Kopf die Geschichte durch, die sie heute Abend gerne vorlesen wollte: Die Artus-Sage


Zuletzt geändert von Lilliana am Sa 9. Jul 2016, 09:16, insgesamt 1-mal geändert.

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BeitragVerfasst: Fr 8. Jul 2016, 12:18 
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Und tatsächlich konnte sie sich bereits während Michel neben ihr an die Tür des neu gestrichenen und erst kürzlich sanierten Waisenhauses klopfte, lebhaft ausmalen wie der Abend mit den Kindern vorangehen würde. Sie sah sich schon im Kreise neugieriger und erwartungsvoller Augen sitzen, die gebannt jede Silbe aus ihrem Mund in sich aufsogen und begeistert klatschten, wenn der strahlende Ritter die Prinzessin rettete. Schließlich war es beileibe nicht das erste Mal, da sie sich in liebevoller Geduld den von der Gesellschaft so gering geschätzten Kinderseelen zuwandte. Manch einer würde gar hellseherische Fähigkeiten vermuten; in diesem Fall handelte es sich jedoch ganz sicher um eine häufig gemachte, immer wiederkehrende Erfahrung.

Doch noch war es nicht soweit, denn nach wie vor wartete man vor der dunkelbraun gestrichenen Holztür auf Einlass, der nicht lange auf sich warten ließ. Eine junge Ordensschwester, selbst kaum mehr als zwanzig Jahre alt öffnete der Dame und deutete einen leichten Knicks an. In ihrem Gesicht zeichnete sich ein erfreutes Lächeln ob des nur allzu willkommenen Besuches an. Früher war die Toreador als Liliane von Erzhausen im Waisenhaus ein- und ausgegangen; jetzt war es Aurora die gottgefällige Nächstenliebe zeigte. In den Gemütern und Gedanken der gewöhnlichen Sterblichen um sie herum, war sie die logische Fortsetzung eines Familienzweiges die Großzügigkeit und Selbstlosigkeit auch über Generationen hinweg mehrfach bewiesen hatte. „Wie schön euch zu sehen Frau von Erzhausen. Die Kinder waren heute ganz besonders artig, da sie es kaum erwarten konnten euren Geschichten zu lauschen.“ Sie ließ Liliane und ihren Begleiter ein und schritt dann voran durch die kerzenerhellten Korridore. „Oberin Agnes erwartet euch bereits, folgt mir doch bitte.“

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Eine knappe Weile lang schlenderte man durch dunkle aber penibel gesäuberte und geputzte Gänge, vorbei an den streng getrennten Schlafräumen und der Speisekammer, bis hin zum neu angelegten Trakt der den Speisesaal mit daran anschließender Großküche beherbergte. Ein lang gestreckter Saal, mit langen, schweren Tischen und ebenso wuchtigen Bänken, an denen dutzende kleine Kinder in passabler und sauberer Kleidung saßen und mit bemüht sorgsamen Manieren eine dicke Suppe löffelten. Durch die Anrichte in Richtung Küche, hörte man noch das Blubbern und Köcheln eines dicken Eintopfs mit herrlich duftendem Brot. Einige der Kinder bemerkten Liliane und Michel, wie sie von der jungen Schwester angeführt den Saal betraten und konnten sich kaum mehr halten. Einige wollten schon aufspringen, sahen dann aber etwas furchtsam zu einem erhöhten Geländer auf, an dem Oberin Agnes stand und ein wachsames Auge auf gehobene Tischsitten und tadellose Manieren hatte. Ihr strenger Blick, strafte gerade einen allzu voreiligen jungen Mann, der beinahe den Teller umgeworfen hätte.

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„Friedhelm! Was haben wir gelernt? Wir nehmen unsere Mahlzeiten schweigend ein und sprechen nicht mit dem Tischnachbarn. Wir schmatzen und kleckern, rülpsen und furzen nicht. Der Löffel geht zum Mund und nicht umgekehrt. Cornelia! Wir wischen unseren Mund auch nicht am Hemdärmel ab! Wenn ihr euch nicht zu benehmen wisst, dann gibt es heute keine Märchenstunde! Nur brave Kinder haben sich eine Geschichte verdient.“

Die junge Ordensschwester verbeugte sich noch einmal knapp, bevor sie wieder durch die Tür im Saal verschwand. Ein paar Stufen führten die Toreador und ihren Leibwächter zu der Mutter Oberin hinauf, die sie schon freudestrahlend erwartete. Mit ihren schlanken Fingern, umschloss sie die Hände Lilianes und sah sie wohlwollend an.

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„Ach, Frau von Erzhausen. Es ist uns wie immer eine ganz besondere Freude jemanden wie euch in unseren einfachen Hallen zu empfangen. Gott allein weiß welch unsägliches Leid ihr schon so vielen unschuldigen Schäflein in der dunkelsten Stunde ihres Lebens erspart habt. Ich danke dem Herrn jede Nacht für euch.“ Knappe drehte sie sich von ihrer erhöhten Position zu den Kindern und rief etwas lauter. „Kinder wir wollen Frau von Erzhausen gemeinsam begrüßen!“ Kaum hatte sie das gesagt, erklang schon wein wohl einstudierte Chor aus vielen Kinderstimmen: „Guten Abend Frau von Erzhausen; wir freuen uns das du heute Abend bei uns bist!“ Da die allgemeine Begrüßung Schwester Agnes Auffassung nach wohl geglückt sein musste, nickte sie den Kindern streng aber mit einem bekräftigenden Lächeln zu; wandte sich dann wieder an Liliane.

„Ach mein liebes Kind seht nur wie wundervoll der Speisesaal geworden ist. Jetzt haben wir sogar Platz für eine anständige Küche und Lebensmittel. Zwei Köchinnen versorgen uns jetzt mit nahrhaften Mahlzeiten – dreimal pro Tag; das nenne ich ja fast schon Genusssucht.“ Agnes lachte scherzend. „Das verdanken wir nicht zuletzt eurer Großzügigkeit Frau von Erzhausen, obgleich es schwierig war eurem Wunsch noch mehr armen Seelen ein Dach über dem Kopf zukommen zu lassen, nachzukommen. Es scheint als würden einige Flüchtlinge aus dem Osten zu uns kommen, deren Eltern in diesen furchtbaren Kriegen ein unwürdiges Ende gefunden haben. Manche können nicht ein Wort Flandrisch; um ehrlich zu sein: die wenigsten!“

Sie machte eine einladende Geste, die Liliane dazu einlud ihr zu folgen. Nebeneinander gingen sie die Treppen hinab, während eine dürre Küchenmagd dicken Eintopf auf Teller verteilte. Keins der Kinder wagte sich zu rühren. Offenbar wartete man auf die Erlaubnis. „Dann haben wir noch das Problem mit dem Alter. Sehr viele ganz junge Kinder und auch einige ältere. Diese Mischung, auch mit Knaben und Mädchen ist fatal! Stellt euch vor, erst letzten Monat hatten wir ein Mädchen das gerade einmal dreizehn Jahre zählte und bei einem der Knaben gelegen hatte. Unfassbar!“ Entrüstet faltete Agnes die Hände. „Natürlich konnten wir sie nicht im Haus behalten. Ein schwangeres Kind, schrecklich. Ich habe daher einen Brief an meinen Konvent verfasst und um eine Aufnahme gebeten, nur so kann ihre sündige Seele doch noch Rettung erhalten. Der Säugling wird wohl auch noch irgendwann bei uns landen.“ Sie schlug ein Kreuz und versuchte sich wieder an einem Lächeln, klatschte dann zweimal dem Saal zugewandt in die Hände. „Denkt an die Manieren Kinder! Wer fertig ist räumt den Teller ab, bedankt sich bei Frau Irmgard für das köstliche Mahl und spricht das Abendgebet. Diejenigen, die bei der Märchenstunde dabei sind, dürfen sich dann im Lesezimmer einfinden. Und vergesst nicht auf eine tadellose Garderobe; wer fleckig oder ungewaschen erscheint, kann gleich zu Bett gehen.“ Und ob man es nun glaubte oder nicht, einige der Kinder schlangen die Mahlzeit beinahe ohne zu kauen hinunter. Ganz ohne Frage konnten sie nach wie vor die Märchenstunde mit Liliane kaum erwarten. Schwester Agnes sah mehr oder weniger darüber hinweg, was auch daran lag das sie sich immer noch vordergründig auf Liliane konzentrierte. Ihr Lächeln war sanft.

„Ihr wäret eine hervorragende Mutter Frau von Erzhausen und ich bin überzeugt davon, so Gott will wird er euch eines Tages einen tüchtigen und aufrichten Mann entsenden, damit ihr auch euren eigenen Nachkommen all die Liebe angedeihen lassen könnt, die ihr schon jetzt bei diesen armen Waisen zeigt. Ich werde für euch beten Aurora, sowie für eure Verwandte Liliane von Erzhausen. Gott hab sie selig.“

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BeitragVerfasst: Mo 11. Jul 2016, 20:19 
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Beide, Lilliana und Michel erwiderten die Begrüßung der jüngeren Nonne, ehe Lilliana als erste ihren Fuß über die Schwelle setzte und zu der jüngeren Nonne aufschloss. „Es ist immer schön zu vernehmen, dass Gottes Nächstenliebe seine Früchte trägt.“ Sie begleitete den Satz mit einem Lächeln, das ihn in seiner Bedeutung unterstrich und ihr Interesse galt zunächst der Nonne. Bald darauf wanderten ihre Augen die Wände entlang, aber ganz besonders der neue Speisesaal hatte es ihr angetan und ihr Lächeln vertiefte sich deutlich, als sie die Kinder dort wahrnahm, wie sie Speis und Trank zu sich nahmen.

Michel war indessen wenige Schritte von ihr entfernt am Laufen und besann sich auf seine Aufgaben. Er ließ den Damen so viel Freiraum, dass sie sich von ihm nicht bedrängt fühlten, gleichzeitig behielt er die Kontrolle, falls seine Herrin ihn rufen würde.

„Euer frisches Brot hat einen herrlich duftenden Geruch.“ Zur Bestätigung dessen schnupperte sie zaghaft und schloss dabei für einen Moment die Augen. Alles nur um den Anschein einer Konversation zu wecken und am Leben der anderen Teil zu haben, während sie weiter, zunächst an der Seite der Nonne und dann allein entlang Schritt und dabei bereits die Stimme der Oberschwester vernahm.

Während die Oberschwester ihre vorher mit Blut erwärmten Finger in die ihren nahm, machte auch Lilliana eine leichte Verbeugung vor der Nonne und senkte sanft ihr Haupt. Danach ließ sie sich führen und hörte mit sichtlicher Freude die Begrüßung der Kinder, ehe ihr Interesse wieder der Nonne galt. Lilliana hörte der Schwester lange zu und ihr Interesse an dem was gesagt wurde war ehrlich und nicht gespielt. Ein kurzes Nicken von ihr zum Thema mit den fremden Kindern, ehe sie wieder in die Rolle der Zuhörerin fiel. Erst als die Oberschwester geendet hatte, sprach auch Lilliana.

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„Ihr Oberschwester seid eine wahrhafte Frau Gottes. Mit Gottes Liebe gesegnet stellt ihr euch den Aufgaben, die der Herr euch gestellt hat und noch stellen wird. Die Kinder aus dem Osten mögen ein neuer Teil dieser Aufgabe sein, doch verzaget nicht. Die Herzen der Kinder sind rein und schlagen in jedem Teil von Gottes großer Welt im Gleichklang. So mag es sein, dass sich die Kinder des Ostens mit den Kindern aus Flandern bereits verstehen, wo unsere Sprache noch nicht ausreicht. Wir sollten versuchen ihnen zuzuhören.“ Lilliana wurde kurzzeitig still. „Mein Teil, wie auch der meiner Vorfahrin Lilliana war und ist es euch darin zu unterstützen, worin ich auch kann. Was meine Zukunft angeht so bin ich bereits einem lieben und treuen Mann versprochen und freue mich auf unsere baldige Vermählung. Für eure Gebete dazu danke ich euch Oberschwester.“ Sie musste ohne dass sie es kontrollieren konnte lächeln, als sie an Will Adale dachte, besann sich dann aber wieder auf das Gespräch und veränderte den Ton in ihrer Stimme zu einem neutraleren Klang. „Zu eurer weiteren Aufgabe: So mag nur ein getrenntes Schlafzimmer für Mädchen und Jungen nicht mehr in höheren Jahren ausreichen, aber was schlagt ihr vor? Ein weiteres Haus? Oder ein Platz für die älteren Kinder, um sie gesondert von den anderen zu unterrichten?“ sie ließ Platz für eine Erwiderung, ehe sie etwas leise und fragend fortfuhr. „Was geschah mit dem Knaben, bei dem das Mädchen lag?“


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BeitragVerfasst: Di 12. Jul 2016, 14:15 
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Während sich Liliane und Oberin Agnes bereist in Richtung Lesezimmer begaben, hörte man im Hintergrund das Klappern von Besteck, Krügen und Tellern. Gelegentlich war ein unterdrücktes Lachen oder Kichern zu vernehmen, das mit einem knappen Grummeln der dürren Küchenhilfe quittiert wurde. Wie immer wenn die Katze aus dem Haus war, tanzten die Mäuse und je weiter sich die gestrenge Dienerin Gottes mit der so heiß ersehnten und geliebten Märchenerzählerin vom Speisesaal entfernte, desto lauter und ausgelassener wurde das andauernde Murmeln und Raunen. Agnes wandte sich plötzlich unvermittelt mit einem zutiefst ungehaltenen Gesichtsausdruck um und fixierte zwei Knaben, die just in dieser Sekunde versuchten ein Stück Brot in die Taschen zu stecken. „Jürgen und Bertram. Was fällt euch ein? Legt sofort wieder das Brot zurück“ Die Jungen senkten die Köpfe und taten wie geheißen. „Keine Märchenstunde für euch und nach dem Essen erwarte ich euch vor dem Andachtszimmer. Und der Rest von euch isst gesittet und ruhig zu Abend. Maria wird euch beaufsichtigen und mir alle Namen nennen, die sich nicht zu benehmen wissen.“ Das Raunen verklang und die Kinder aßen vorsichtig und ein wenig resignierend weiter. Agnes hob ein letztes Mal eine Augenbraue und wandte sich dann mit einem verzeihenden Lächeln wieder zu Liliane; setzte gemeinsam mit ihr den Weg fort. „Verzeiht…“, sagte sie wie beiläufig. Offenbar spielten sich solche oder ähnliche Szenen einfach sehr häufig im Waisenhaus ab.

Mit einem Nicken bestätigte sie ihr Wohlwollen gegenüber der Toreador. „Dankt mir nicht mein liebes Kind, es ist das mindeste was ich für euch tun kann. Eure Mildtätigkeit kennt wahrlich keine Grenzen und ihr führt das Erbe eurer so großzügigen Verwandten, mit Fleiß und Eifer weiter. Der Herr möge euch und eurem Gemahl gesunde und kräftige Kinder schenken. Ein Stammhalter für eure Familie, der euren ehrbaren Namen weiterträgt und ein liebreizendes Mädchen, das eure Schönheit erben soll.“ Sie lächelte sachte und drückte ihr den Arm; seufzte dann aber wieder etwas verhalten. „Die Kinder tragen das Licht Gottes in sich und doch sind sie ohne eine christliche und strenge Erziehung wahrlich kleine Teufel. Der Herr möge sich ihrer erbarmen und sie auf den rechten Weg leiten, wenn sie unser bescheidenes Heim einmal verlassen. Wenn nur die Hälfte von ihnen nicht in der Gosse oder auf dem Schafott landet, haben wir schon etwas bewirkt.“

Man erreichte eine hohe, weit geöffnete Tür die in einen kleinen Raum führte in dem einige Regale mit einer überschaubaren Anzahl an Büchern standen. Bescheidene Wandteppiche und Heiligensymbolen, rundeten das nüchterne Erscheinungsbild ab. Zwei Schreibpulte im Hintergrund waren mit Tintenfass und Feder ausgestattet und ließen erahnen, das die Oberin und ihre Schwestern sich hier mit der Kunst des Schreibens und Lesens beschäftigten. Vermutlich diente der Raum überdies als Ort des Rückzuges für die Nonnen. Ein dickes Bärenfall lag vor einem kleinen Kamin, der noch nicht entfacht worden war. Daneben gab es einen einfachen, mit Leder bespannten Sessel, der dennoch bequem wirkte. Die Toreador hatte diesen Raum unzählige Male in ihrem Leben als Aurora, sowie auch als Liliane von Erzhausen aufgesucht und den Kindern bis spät in der Nacht aus ihrem kostbaren Märchenbuch vorgelesen. Für gewöhnlich war es eine der Schwestern, die dann zur Nachtruhe rief. Bis dahin aber war sie völlig allein mit ihren kleinen und begeisterten Zuhörern. Oberin Agnes blieb neben dem Eingang stehen und sah Liliane mit fragendem Blick an. „Unterricht?“ Als ob sie sich verhört hatte.

„Wir lehren sie ein gottgefälliges und tugendhaftes Leben zu führen, das den zehn Geboten folg und frei von Sünde bleibt. Jürgen wird einmal ein großartiger Stallbursche werden, wenn er das Stehlen und Stibitzen lässt. Und Jochen könnte bei den van de Burse im Lager aushelfen. Er hat jetzt schon mehr Kraft als die übrigen Burschen. Magda wird wohl leider als Dirne enden, so ungeschickt wie sie sich in der Küche anstellt.“ Man hörte das leise Knarzen von Dielen, als sich die ersten Kinder mit gesenktem Haupt an den beiden ins Zimmer vorbeibewegten und sich dort auf dem Bärenfell niederließen. Wäre Liliane allein gewesen, so hätten die Kinder wahrscheinlich gelacht, gescherzt und ihrer Freude Ausdruck verliehen aber mit der strengen Mutter Oberin an der Tür, bemühte sich ein jedes von ihnen um besonders gesittete und vor allem lärmfreie Manieren. „Ein zweites Waisenhaus, das lediglich die größeren und älteren Kinder beherbergt, wäre in der Tat anzuraten Gräfin von Erzhausen. Streng getrennte Schlaf- und Aufenthaltsräume verstehen sich da natürlich von selbst. Ich habe mir erlaubt bereits an den Bischof von Brüssel zu schreiben, um ihn um seinen Segen zu bitten. Die Stadt Gent würde ein entsprechendes Haus zur Verfügung stellen und mit etwas Glück und Gottes Hilfe, werden sich unsere Kapazitäten damit um einiges erhöhen. Es wäre auch eine Entlastung für unsere lieben Mitschwestern.“

Ein Mädchen mit kurzem, braunen Kleid ging an den beiden vorbei; wurde aber von Oberin Agnes aufgehalten. „Du nicht, du hast den Eintopf fast anbrennen lassen Trude. Marsch ins Bett.“ Mit gesenktem Haupt, drehte sich das Mädchen enttäuscht und sichtbar traurig um und schlurfte eingeknickt davon. Mit einem letzten Blick in den Raum, hatte die strenge Schwester die Anzahl der verbliebenen Kinder, die sich eine Märchenstunde verdient hatten begutachtet und nickte zufrieden. „Der Junge bekam was er verdient hatte. Wir haben ihn mit dem Rohrstock aus dem Hause gejagt, nachdem er den Herrn aufs derbste beleidigte und unsittlich fluchte. Das hat er sicher von seinem Vater, der ja schon früh dem Alkohol verfallen war.“ Agnes lächelte knapp. „Das wären dann alle für heute Nacht Gräfin von Erzhausen. Zögert nicht mich zu rufen, solltet ihr etwas benötigen. Eine Schwester wird euch zwischenzeitlich ein wenig von unserem selbst gekelterten Wein aufwarten. Einen schönen Abend euch und Gottes Segen.“ Sie verneigte sich knapp vor Liliane und verließ den Korridor durch einen breiten Durchgang in Richtung Speisesaal. Michel war den beiden in einiger Entfernung gefolgt, hatte dem Gespräch wachsam zugehört und nickte seiner Herrin nun dienstbeflissen zu.

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BeitragVerfasst: Sa 30. Jul 2016, 10:29 
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Der Inhalt des Gespräches wurde je länger er dauerte interessanter und aufschlussreicher. Lilliana unterbrach sittsam nicht die Rede der Frau neben ihr, aber das ein ums andere Mal war sie versucht einzuschreiten. Aber hier hatte diese Frau das Sagen und in diesem Rahmen und in der Gegenwart der Kinder würde Lilliana nicht eingreifen können. Ein kleines verschmitztes Lächeln, als sie ihren Blick einen Moment auf Michel ruhen ließ, während die Mutter Oberin zwei der Kinder ermahnte.

"Ich danke euch, dass ihr eure Gedanken mit mir geteilt habt Mutter Oberin. Es stimmt mich froh, dass es bereits erste Erfolge gibt und bereits ein Haus in Gent zur Verfügung steht und mit dem Wohlwollen des Bischofs von Brüssel bewohnt werden kann. Sein waches Auge war und ist schon immer auf die Schwachen in seiner Herde gerichtet."

In einer kurzen leichten Referenz versunken, verblieb sie danach: "Gottes Segen und Liebe sei ebenso mit euch!"

Dann erst richtete sie ihr Interesse, nachdem die Mutter Oberin den Raum verlassen hatte auf die Kinder und das Lächeln, dass nur ihnen galt war von einer tiefen Liebe geprägt, die sich auch in ihren Augen wiederfand mit dem sie jedes Kind ansah. Dann setzte sich Lilliana wie so oft in den Sessel. "Kleine Engel seit ihr auf dieser Welt." dann musste sie kurz auflachen. "Nun ja, manchmal mit allerlei Flausen im Kopf. Aber dennoch geliebt meine Kinder. Vergesst das nicht." dann warf sie Michel einen Blick zu, damit sie das Buch von ihm in Empfang nehmen konnte "Wollen wir heute Abend eintauchen in die Geschichte des heldenhaften König Artus und seiner Ritter der Tafelrunde?"

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BeitragVerfasst: Do 4. Aug 2016, 18:03 
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Ein einstimmiges und lautes: „Jaaaaa!“, schallte aus den versammelten Kindermündern, während die Augen der ‚kleinen Engel‘ leuchteten, wie helle Kometen. Nun, manche der Engel mochten tatsächlich ein paar Flausen im Kopf haben und ihnen dementsprechend wohl der Schalk im Blicke stehen. Wenn die Gräfin Erzhausen jedoch das Waisenhaus besuchte, um ihnen aus dem kostbaren Märchenbuch vorzulesen und sie an weit entfernte, magische Orte zu entführen sowie ihnen von hübschen Prinzessinnen, tapferen Rittern und bösen Ungeheuern zu erzählen, dann war alle quirlige Energie in gebannter, hocherstaunter und zudem angenehm leiser Aufmerksamkeit gefangen. Michael hatte seiner Herrin nur wenige Momente später bereits das Buch überreicht und sich ein wenig abseits platziert, wo er das Geschehen gut überschauen konnte. Hier waren nur Kinder; draußen vor der Tür gab es nur Nonnen aber ein versierter Meuchelmörder würde wohl jede sich ihm bietende Situation ausnutzen. Der Hauptmann ihrer persönlich eingesetzten Leibgarde, hielt die Augen und Ohren offen, während die Gräfin begann aus ihrem mitgebrachten Buch zu erzählen. Ein kleines Mädchen; Leonore, zupfte ungeduldig an Michels Wappenrock, der das Kind daraufhin mit einem knappen Seufzer zu sich auf den Schoß nahm. Sie sah in dem gutaussehenden Wachkommandant ihren zukünftigen Prinzen, denn jede Prinzessin brauchte offenkundig ihren ‚tapferen Helden und Ritter‘, der sie natürlich auch eines Tages ehelichen würde. Lilianes Ghul, ließ sich nur wiederwillig auf dieses altbekannte, kindliche Spiel ein, da dies nicht das erste Mal war, da Leonore ihn völlig für sich zu vereinnahmen suchte. Wer den Blick des Kommandanten annähernd zu deuten verstand wusste, dass dieses Spiel langsam aber sicher anfing an seiner Geduld zu nagen.

Die Toreador indessen hatte bereits angefangen vorzulesen und schlug ihre jungen Zuhörer, mit ihrer sanften und warmherzigen Stimme völlig in ihren Bann. Man nahm fast gar nicht mehr wahr, wie die Zeit verflog und kaum eine Stunde später, klopfte bereits eine der Nonnen zaghaft an die Tür zur Lesestube, um die Kinder zu Bett zu bringen. Im Frühling, waren ihre Besuche meist spät abends und dadurch zeitlich begrenzt, was jedoch nichts an der ungebrochenen Zuneigung der Waisenkinder zu ihrer Wohltäterin änderte. Ein wenig traurig darüber, dass die allabendliche Märchenstunde schon wieder vorbei sein sollte, verabschiedeten sich die Kinder eines nach dem anderen bei Lilliana und dankten ihr mit einstudierten Knicksen und mehr oder weniger gelungenen Verbeugungen. Eine weitere Schwester, dirigierte die Kinder durch die Gänge in den Waschsaal, wo man sich bereits ein wenig müde bettfertig machte. Die Gräfin von Erzhausen selbst, wurde mit einem letzten Wort des ehrlich gemeinten Dankes und einem frommen Gebet wieder zur Tür geleitet, wo Michel wieder das kostbare Buch für seine Herrin verstaute und gemeinsam mit ihr den Heimweg antrat. Oberin Agnes trafen die beiden nicht mehr an; die gestrenge Leiterin des Waisenhauses, war bereits zu Bett gegangen.

Dafür kam ihnen auf dem Weg durch die kleinen, verwinkelten Gassen, ein Gesicht entgegen, das sie stutzen ließ und Lilliana mit einem leicht schiefen Lächeln bedachte. Wo hatte sie ihn schon einmal gesehen? Richtig, damals am Tor als der Karneval in der Stadt weilte. Sie sah näher hin und plötzlich kamen ihr die Augen bekannt vor. Der kleine Hans, mittlerweile ein erwachsener Mann und Schreiber der Brügger Stadtwache, verneigte sich knapp vor ihr. Nach wie vor zog er leicht eines seiner Beine nach und stützte sich auf seine hölzerne Krücke. Gelegentlich sah man ihn jetzt sogar das Gehen an einem gewöhnlichen Stock üben. Er zog den gefiederten Hut vor ihr.

„Gräfin von Erzhausen. Immer noch spät abends unterwegs um den Kindern eine Geschichte vorzulesen, wie… liebreizend.“

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BeitragVerfasst: Sa 6. Aug 2016, 14:25 
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Jedes Mal, wenn die Zeit mit den Kleinen wieder vorbei war und es Zeit war die Märchenwelt zu verlassen, spürte Lilliana wie die teilweise harten Dinge der Realität auf sie und all die Wesen um sie herum einstürmten. Lucien würde ihr zum wiederholten Male nur erklären, dass sie niemals jeden retten würde können, dass sie sich etwas vormachte. Das sie ein verdammtes Monster war und all die lebenden Wesen um sie herum ihre Beute. Und wiederum würde sie ihm entgegnen, dass jedem seine Entscheidung blieb, als was er sich ansah. Und so würde es weitergehen. Irgendwie war es schon ein gewisses Ritual geworden, dass sie nicht missen mochte zwischen ihr und dem Hauptmann der Nachtwache.
Aus der Märchenwelt gerissen, wurden auch ihre Gedanken wieder klarer. Lilliana/Aurora war keine Närrin. Jeden zu retten würde sie alleine niemals schaffen, aber sie konnte Steine anstoßen, die ansonsten an ihrem Platz geblieben wären.

Jedes der Kinder hatte sie noch einmal verabschiedet und ihnen eine gute Nacht und Gottes Segen gewünscht und Michel eine Mischung aus einem belustigten wie auch verständnisvollen Blick zugeworfen. Sie hatte seine neue Freundin längst bemerkt und sie bewunderte ihn für seine Gutmütigkeit, aber diese Lektion war für ihn noch nicht ganz zu Ende.

Beide verließen in derselben Formation, wie sie gekommen waren das Waisenhaus.

"Hans?" Lilliana war stehen geblieben, als sie unvermittelt von ihm angesprochen wurde. Ihre Stimme war nicht fragend, denn sein Gesicht würde sie wohl lange Zeit nicht vergessen, ebenso nicht, wie er die Verletzung bekommen hatte. Umso erfreuter, erhellte sich ihr Gesicht. "Hans, es freut mich deine Anwesenheit hier festzustellen. Dein gutes Vorbild erfreut mich. Sag mir, besuchst du ab und an das Haus, das dich beherbergt hat, um den Kindern dort den rechten Weg zu weisen?."
Ihre rechte Hand öffnete sich und offenbarte ihre Handinnenfläche, während die Fingerspitzen auf ihn zeigten. Eine offene Geste.


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BeitragVerfasst: So 7. Aug 2016, 13:52 
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Der kleine Hans, war mittlerweile zu einem jungen Mann herangewachsen der über Umwege den Beruf des Schreibers für die Brügger Stadtwache ergriffen hatte. Die Bürger der wohlhabendsten Stadt des flandrischen Städtebundes, kannten ihn mittlerweile recht gut, was nicht zuletzt daran lag, das wann immer etwas schriftlich festgehalten werden musste und mit der Rechtsprechung vor Ort zu tun hatte, Hans einer der ersten war die man zu Gesicht bekam. Berichte und Urteilsverkündungen, Begnadigungen und Gutachten für den Magistrat, Aufstellungen und Erlaubnisscheine; der Schreiber war ein gefragter und vielbeschäftigter Mann. Wenn auch vielleicht nicht auf eben jenem Posten, den er sich als Waisenkind so sehnlichst gewünscht hatte. Die Augen des Schreibers, verfolgten die einladende Bewegungen ihrer Hand, die jedoch nur zögerlich ergriffen wurde. Der Umgang mit eher rohen und autoritär geformten Stadtgardisten trug nicht dazu bei, dass er den feinen Gepflogenheiten der Etikette allzu viel Aufmerksamkeit schenkte, obgleich es bei manchen seiner Aufgaben durchaus dazu gehören mochte. Schmal lächelnd, schüttelte er leicht entschuldigend den Kopf.

„Nein, bedauerlicherweise lässt meine derzeitige Tätigkeit allfällige Besuche im Waisenhaus nicht mehr zu Gräfin von Erzhausen. Die Schriftgelehrten sind begehrte Arbeitskräfte und ihr würdet euch wundern, was allein die Stadtwache so an bürokratischen Schriftstücken produziert. Der Hauptmann verflucht mich dafür jedes Mal aufs Neue.“ Er zeigte ihr ein nicht unbedingt unzufriedenes Grinsen.
„Zudem hat das Waisenhaus ja mittlerweile durch unsere fürsorglichen Schwestern mehr als genug gelehrte Menschen, um anfallende Schreibarbeiten selbst durchzuführen und was den rechten Weg angeht…“ Hans machte eine knappe Pause, in der er sie lange nachdenklich ansah, so als ob er seine Worte mit Bedacht wählen wollte.

„Nun, ich glaube dafür sind andere um einiges geeigneter als meine Wenigkeit. Eure liebe Anverwandte beispielsweise, deren mildtätige und gottgefällige Arbeit ihr ja auf geradezu selbstlose Art und Weise weiterführt. Ich bin kein Vorbild Gräfin – das seid ihr. Und wie ich feststelle, seid ihr ganz wie es eurer Familie zu eigen ist, noch immer stets bemüht um die Kinder. Euch mag gewiss ein Platz im Paradies beschieden sein.“ Er lächelte breit.

„Erlaubt mir aber doch eine eher sehr persönliche Frage Gräfin, falls ich so dreist sein darf: Wie steht es um eure eigenen Kinderwünsche? Es ist mittlerweile in der Stadt ja eine bekannte wenngleich auch kaum beachtete Tatsache, dass euer Familienzweig sich zumindest in direkter Linie nicht weiter verzweigt? Hattet ihr vielleicht nicht einmal daran gedacht, eines der Kinder aus dem Waisenhaus zu adoptieren? Ich bin sicher man könnte sich keine bessere Mutter wünschen. So könntet ihr Tag und Nacht mit euren Schützlingen verbringen; eine sehr innige Form der Beziehung, die getragen wird von eurer Liebe und der gemeinsamen Zuneigung.“

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Through action, a Man becomes a Hero.
Through death, a Hero becomes a Legend.
Through time, a Legend becomes a Myth.
By learning from Myth, a Man takes action.
~Corazon~


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BeitragVerfasst: Mi 10. Aug 2016, 18:29 
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Die Zeit schien eingefrohren und einfach nur still zu stehen. Sie konnte den sachten Windhauch, der selbst durch die winzigsten und engsten Gassen dieser Stadt wehte, hören und fühlen wie sich einige wenige Haare sanft dazu bewegten. Sie gab sich die Zeit und überdies würde er merken, dass ihr diese Antwort nicht leicht viel. Lilliana blinzelte und atmete ein und aus.

"Hans... Hans... Schreiber der Stadt Brügge, ehemaliger Bewohner des Waisenhauses. Nun stehst du vor mir und sagst, dass meine Person, die nie in einem Waisenhaus aufwuchs, deren Zukunft bereits bestimmt ist, dass ich ein Vorbild sei?" sie ließ ihm einen Moment. "Dem gegenüber stehst du. Mit der Erfahrung. Mit Gottes Willen. Mit dem rechten Wege, den du eingeschlagen hast." sie ließ die Präsenz über ihn kommen. (CH+Vortrag gg7: 4 Erfolge) "Geh hin und lehre die Kinder diesen Weg, denn ich fürchte nicht alles werden die lieben Schwestern auffangen können. Du aber kannst eines der Lichter sein, welches sie wieder auf den Weg weisen wird. Unterweise sie, so wie Lilliana dich unterwiesen hat. Sei für sie da, so wie es Lilliana für dich tat." sie beendete die Präsenz und blickte ihm tief in die Augen.

"Kinder sind etwas wunderbares. Und obwohl mir mein Stand in mancher Hinsicht helfen kann, ihnen zu helfen, so versperrt er mir diese Möglichkeit." sie trat näher an ihn heran und würde, so er es denn zuließ, mit den Spitzen ihrer Finger, sehr zart an der Seite seiner Stirn entlangfahren. Für einen Moment wollte sie ihre Kräfte benutzen, um in sein Innerstes zu sehen, seine Gedanken, seine Erinnerungen zu lesen, aber sie hatte das Gefühl, als wüsste sie bereits, was sie darin vorfinden würde. Also unterließ sie es. "Du wolltest einst, dass dich Lilliana adoptiert." Sie zog die Finger wieder zurück und ging auf Abstand. "Aber wenn sie das gemacht hätte, entgegen aller Regeln und Gebote, was wäre dann geschehen? Denkst du es hätte dich glücklich gemacht? Denkst du, es würde ein Kind glücklich machen in diesem Stand. Und was wäre mit den anderen Kindern? Welches würdest du auswählen Hans? Und wie?" wieder ließ sie ihm Zeit darüber nachzudenken, ehe sie etwas neutraler fortfuhr und ihm dabei nicht mehr direkt in die Augen blickte.

"Ich gebe den Kindern, allen Kindern etwas, bevorteile keines von ihnen, denn sie sind alle Gottes Geschenke für unsere Stadt. Und was mein Haus angeht Hans, so irrst du. Mein Haus ist viel zu weit verzweigt. Hier in Brügge ist nicht unser Stammsitz und ich bin auch nicht, gerade weil ich eine Frau bin, die Oberste." sie erlaubte sich ein einfaches Lächeln. "Aber ich sage dir, meine Zukunft ist bereits beschieden. Ich bin versprochen worden und zwar einem englischen Adligen. Schon bald wird mein Name hier vergessen sein und ich hoffe das irgendwann in ferner Zukunft eine andere, jüngere aus meiner Familie meinen Platz hier einnimmt."


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