Das Quartett, das sich dem Gebäude auf dem direkten Weg immer weiter näherte, teilte sich an dessen Eingang auf. Georg und Alida, die zusammen nach unten gegangen waren erkannten, dass der vordere von Ferne unbekannte Mann sich als Michel von Hohenstein herausstellte. Michel blieb vor dem Eingang stehen nickte nochmal zu Balduin und trat dann zur Seite, so dass das Geschwisterpaar an ihm vorbeigehen konnte. Dann drehte er sich um und schritt schweigsam den Weg zurück. Unbeachtet dessen war Cato bereits durch den Eingang geschritten und mit einem schnelleren Schritt an Alidas Seite am Hauseingang geeilt. Hechelnd, aber zufrieden mit sich, versuchte er an seiner Wunde zu lecken.
Alyssa und Balduin näherten sich dagegen langsamer, schritten über die Brücke des Anwesens und verharrten dann nur wenige Meter vor Alida entfernt. Der Kopf der Ghulin war mit jedem Meter, den sie auf den Grund und Boden des Anwesens setzte tiefer gegangen, während Balduin recht unbeeindruckt die Augen auf Alida geheftet hatte. Georg, der bis eben noch an der Seite von Alida war, verabschiedete sich flüchtig, aber mit einem Lächeln zurück ins Haus und würde veranlassen, dass sämtliches Personal sich zunächst zurückzuhalten hatte, aber ein Tee gesüßt mit Honig könnte man den beiden ja anbieten…
Alida trat näher zu den beiden Gestalten heran, musterte sowohl Alyssa als auch Balduin fragend. „Gut, dass du wieder da bist.“ Ihr Blick wanderte dann zu Balduin und sie schenkte ihm ein dankbares Nicken, dass er sie nach Hause gebracht hatte.
Balduin nickte Alida ebenfalls zurück und legte dann einen Finger unter das Kinn seiner Schwester und hob damit ihren Kopf hoch. Er sah ihr tief fragend in die Augen und es verging einige Momente ehe ein schwaches Nicken von Alyssa kam. „Ich werde dann wieder zurückgehen und wegen dem Verband…“ er schaute nochmal auf Alyssa „komm morgen zu mir, dann werde ich ihn dir wieder wechseln und mir den Heilungsverlauf ansehen.“ Ein weiteres Nicken von Alyssa, dann richtete die Ghulin sämtliche Aufmerksamkeit auf Alida, ihre Lippen kräuselten sich und sie schluckte schwer, sich um Fassung bemühend, während ihr Bruder sich noch mit einem Abschiedsgruß an beide Frauen wieder umdrehte.
Wieder wanderte Alias Blick zu der jungen Frau, versuchte zu ergründen, was diese wohl dachte, dann sprach sie Balduin an. „Danke! Wenn du möchtest kannst du gerne rein kommen. Es gibt sicher noch was zu trinken oder zu essen in der Küche.“ Man sah ihr an, dass sie nicht recht wusste, was sie sagen sollte.
Balduin drehte sich nochmal um, schüttelte den Kopf. „Danke, aber ihr beiden habt was Wichtiges auszusprechen und Zeit ist ja bekanntlich kein Problem. Bis die Tage mal.“ Damit verschwand er dann wirklich. Seine Schwester stand noch immer vor Alida, schluckend und doch rann eine erste Träne über ihre Wange. „Verzeih mir!“ wisperte es leise von ihr. „Bitte verzeih mir, ich verstand mich selbst nicht mehr!“
Alida schüttelte stumm den Kopf, legte beschwichtigend eine Hand auf Alyssas Arm. „Es ist ja alles gut. Du bist in Ordnung…“ Sie schluckte, wollte etwas sagen, schluckte die Worte aber hinunter. „Komm mit rein.“ Sie schob die Frau langsam Richtung Eingang, durch den Flur, vorbei am großen Wohnzimmer, Richtung Küche. Sie griff nach einem Becher, schenkte gesüßten Tee ein und reichte der Nachfahrin ihrer Schwester das Tongefäß. „Setz dich und trink erst mal was.“ Sie selbst schenkte sich ebenfalls ein, schloss jedoch nur die Hände um den warmen Ton und setzte sich an den Tisch. Sie schwieg.
Die Tränen flossen mehr und mehr, aber die Anspannung, die in der Luft lag, löste sich in pure Erleichterung auf und die Ghulin umarmte Alida lange, bevor sie sich von ihr ohne weitere Gegenwehr ins Haus führen ließ. Das Personal des Hauses war dabei auffällig unauffällig. Alyssa setzte sich in der Küche hin und verfolgte das Einschenken von Alida mit den Augen, die dabei wie zufällig öfters an ihrem Handgelenk blieben, ehe sich Alyssa schüttelte und schuldbewusst Alida ansah. Cato war indess zurück zu seinem Stammplatz gekehrt und knurrte etwas leiser vor sich hin.
Alida schwieg nach wie vor, man hörte das leise Knistern von Holz im Kamin, irgendwo draußen das Fauchen einer Katze. Vielleicht war es auch die seltsame Schimäre, dachte sich Alida, behielt ihre Worte aber für sich. Sie ließ ihrem gegenüber die Zeit, die sie brauchte.
Alyssa umklammerte das das Tongefäß, indem sich der gesüßte Tee befand, sie schluckte zunächst, trank dann aber einen kleinen Schluck. Dann verschlossen sich ihre Lippen und sie stellte das Gefäß ab und atmete tief ein und wieder aus und richtete den Blick bewusst zunächst zum Boden und dann zurück auf die Tzimiske "Alida, ich habe Hunger, ich habe so großen Hunger."
Alida war irritiert über diese Aussage, wusste Alyssa doch, wo alles stand. Sie trat in den kleinen Vorraum, in dem Lydia die Brote zum Auskühlen aufbewahrte, nahm einen Laib, griff nach Butter, Schinken, Käse und stellte alles vor ihrer Ghulin ab.
Die Reaktion der Ghulin irritierte Alida für einen Moment. Essen und Trinken gab es im Hause reichlich, aber der Blick ihrer Ghulin auf ihr Handgelenk, die Bissverletzung von Cato und da fiel es Alida wie Schuppen von den Augen. Blut, aber sie meinte sich gleichzeitig zu erinnern, dass sie ihren Ghulen erst vor wenigen Tagen Blut gegeben hatte.
Die blonde Frau zog eine Augenbraue in die Höhe. Ihr Blick zeigte echte Besorgnis. Sie deutete auf die Handgelenke von Alyssa. „Was ist passiert?“ Ihre Stimme war leise.
Alyssa schaute beschämt zur Seite, begann dann aber leise zu sprechen: "Das ist meine Schuld. Ich hab so Hunger gehabt und dann, dann weiß ich nicht genau, alles verschwamm und ich kam erst wieder zu mir, als ich diesen Schmerz spürte. Ich hab Cato angegriffen und versucht zu beißen Alida, bis der Hund sich verteidigt hat." sie nahm ihre verbundenen Handgelenke hoch "ich habe es verdient Alida. Aber ich brauche Blut." sie sah Alida eindringlich an und diesmal war die Gier in den Augen der Ghulin nicht zu übersehen.
Ihr Gesicht verzog sich zu einem mitfühlenden Lächeln. Die Geschichte war gar zu grotesk. „Warum hast du versucht Cato zu beißen? Außer Muskeln und Narben ist an dem doch echt nichts dran.“
"Alida" die Ghulin schloss die Augen und hielt diese geschlossen. "Bitte"
Alida wurde sich bewusst, dass sich die Symptome ihrer Ghulin verschlechterten. Immer noch ungläubig schüttelte Alida den Kopf, seufzte dann. Sie griff hinter sich zu einem der Küchenmesser, fuhr damit durch die Haut ihres Handgelenkes und hielt Alyssa dieses hin bevor die ersten Blutstropfen auf die hölzerne Tischplatte fallen konnten.
Der Geruch des Blutes ihrer Herrin ließ Alyssa die Augen wieder öffnen und schneller als sonst gewohnt umfasst sie mit ihren beiden bandagierten Händen das Handgelenk und senkte ihre Lippen auf die Wunde. Glücklich saugend, verlangend, soviel wie Alida ihr geben wollte und die Anspannung wich aus ihr, als das verlangende Nass endlich ihren Körper erreichte und ihren Hunger verebben ließ. Alida wieder loslassend, lehnte sich Alyssa auf den Küchenstuhl zurück und fuhr sich einmal unwillkürlich über ihren Bauch. "Cato hatte Blut, so wie jeder in meiner Umgebung, Alida."
Alida deutete auf das vor sich hindösende Ungetüm. „Nicht mal ich könnte mit dem guten Cato viel anfangen.“ Ihre Augen richteten sich direkt in die hellen Pupillen ihres gegenüber. „Alyssa? Was ist los?“
"Alida" die Ghulin setzte an und leckte sich noch einmal über die Lippen, dann schaute sie zu Alida und man konnte deutlich die Überraschung und den Unglaube in ihren Augen sehen "meine Übelkeit, meine Launen, mein ganzes Leben" Alyssa sah Alida fest in die Augen. "Ich bin schwanger, daran besteht kein Zweifel, ich bekomme ein Kind Alida."
Alida nickte langsam. „Ja, Das mag wahrscheinlich stimmen. Aber du bist nicht die erste Frau, nicht die erste Van de Burse und auch nicht die erste Ghulin, die ein Kind bekommt.“ Sie sah fragend in deren Richtung
"Aber für mich ist es das erste Mal Alida" entgegnete Alyssa prompt darauf. "Ich kenne das nicht und ich kenne auch keine schwangere Ghulin." sie schluckte wieder, die Wörter kamen schärfer als beabsichtigt und die nachfolgenden Wörter waren wieder weicher. "Kennst du dich damit aus Alida?"
Alida blickte kurz auf ihre Finger, die auf der Tischplatte ruhten. „Deine Großmutter Johanna war Ghul, Elsbetha, eine Großnichte von mir…“ Ein kurzes Schmunzeln legte sich auf ihre Züge als sie an die beiden Frauen dachte. „… unauffällige Schwangerschaften, gesunde Kinder… keine Übelkeit, die ausgeprägter als die anderer Frauen gewesen wäre, keine ausgeprägten Stimmungsschwankungen, kein Schlafwandeln, keine Amnesien… Alyssa? Hast du dich mit irgendwelchen Leuten eingelassen, von denen ich wissen sollte?“
Erst lauschte sie Alidas knappen Ausführungen und nickte kurz dazu, dann jedoch wurde sie unwillkürlich rot im Gesicht bei der letzten Frage und sah weg. Ihre Lippen kräuselten sich. "Du sagtest doch, ich soll ausgehen, ich soll raus aus dem Haus."
Alida zog nur fragend die Augenbrauen nach oben.
"Na, ich war draußen. Mal mit Balduin, mal mit Georg, sogar mit Michel und Balduin und manchmal da." sie drehte sich weg. "Ach Mensch Alida, ich muss dir doch nicht erklären, dass man so ein Gefühl haben kann, wenn man eine Person sieht und sich von ihr angezogen fühlt. Du und Lucien, ihr habt diese Gefühle doch auch mal gehabt."
Wieder schwieg Alida, zog eine Augenbraue in die Höhe. Ihre Lippen kräuselten sich für einen Sekundenbruchteil abfällig, dann war der Zug bereits wieder verschwunden und die unausgesprochenen Fragen standen nach wie vor im Raum
Ja und dann ist es halt passiert. Und nicht nur mit...nicht nur mit einem Mann." sie biss sich auf die Lippe "es überrennt mich einfach und das Gefühl, es ist so...angenehm."
Alyssa schwieg nun hier auch uns sah nun leicht herausfordernd Alida an, ehe sich doch ihre Lippen wieder öffneten. "Willst du, dass ich das Kind nicht austragen soll?"
Alida schüttelte den Kopf wie so viele Male an diesem Abend. „Alyssa. Es geht jetzt nicht um das Kind. Ich möchte wissen, was passiert ist, mit wem du unterwegs warst, wer Einfluss auf dich hatte und hat. Du bist seit fast zehn Jahren eine meiner engsten Vertrauten. Wer Einfluss auf dich hat, hat Einfluss auf mich und durch uns auf die ganze Familie. Wenn jemand darunter ist, der uns vielleicht schaden könnte, dann möchte ich das gern wissen. Verstehst du das?“
Alyssa stand vom Küchentisch auf und verschränkte die Hände oberhalb ihres Bauches. "Niemand nimmt Einfluss auf mich Alida. Ich bin frei in meinen Entscheidungen. Ich war frei, als ich selbstständig das Gasthaus für die Gruppe auswählte. Ich war frei, als ich mit den Männern geschlafen habe. Keiner von ihnen hat irgendetwas von mir gewollt, genauso wie ich von ihnen nichts gewollt hatte. Und für das Kind existieren zwei mögliche Väter, denn ich weiß nicht genau wie lange ich schon schwanger bin und im Hospital gab es auch noch keine genaue Auskunft." Alyssa verkürzte nun den Abstand und ging vor Alida auf die Knie und legte ihre Hände in den Schoß der Kainitin. "Ich würde dich nie verraten. Ich liebe dich doch Alida." treue Augen sahen sie dabei an.
Alida seufzte schwach, schüttelte ungläubig den Kopf. „Verrätst du, wer als Vater in Betracht kommt oder behälst du dieses Geheimnis für dich?“
"Möchtest du das wirklich erfahren Alida?" Alyssa sah sie weiter an.
Sie nickte. Ihre Stimme war tonlos. "Es könnte wichtig sein, oder?"
Alyssa nickte Alida. "Ja, das denke ich auch, aber ich glaube nicht daran. So ein Plan ist zu verwegen." Sie schluckte und begann dann zu erzählen. "Der eine mögliche Vater ist Michel von Hohenstein, es hat uns beide übermannt, unwillkürlich, aber wir haben uns geschworen es zu vergessen und er ist so zärtlich und besorgt um mich. Er hat mich entdeckt und Balduin gerufen. Der andere ist ein Ritter, er nannte sich Marius, Chevalier de Noailles. Ein französischer Adliger vom niedrigen Rang. Wir sind danach nur wieder auseinander ohne weitere Worte. Als ich ihn gesehen habe, er hatte so eine faszinierende Ausstrahlung Alida, sie zog mich zu ihm und er spürte das gleiche bei mir."
„Danke, dass du mir das alles berichtet hast. Gibt es sonst noch irgendetwas, das dir einfällt, das wichtig sein könnte?“
"Ich fühle ein größeres Verlangen nach Blut Alida, aber das hast du ja bereits bemerkt. Aber jetzt ist es erstmal gestillt." ein erstes, schüchternes Lächeln kam von der knienden Alyssa und sie lehnte ihren Kopf nach vorne auf den Schoß, wo auch schon ihre Hände lagen. "Ich habe Angst, ich weiß noch nicht genau, was ich tun soll Alida. Haben meine Vorfahren ihre Kinder auch so bekommen? Wahrscheinlich nicht." Alyssa schluchzte im Schoß von Alida auf. "Ich bin eine Hure Alida."
Alida blickte in die Seele der sich kleiner machenden Person vor ihr und die Nähe schien ihr dabei noch helfen zu wollen. Vor ihr war definitiv ein Mädchen und auf Grund der helleren Aura, war sie definitiv ein Ghul. Was die restlichen Farben allerdings angingen. Die Person vor ihr versuchte beherrscht zu wirken, aber das war nur der schwache äußere Schein, der immer wieder durchbrochen wurde von anderen Farben, ein einziges Durcheinander von Silber, Orange, Violett, Grau, doch tief in ihr drin im Kern war das bekannte Hellblau, das ihre Ghulin so auszeichnete. Doch da ist noch etwas...Alida ist sich sicher für einen Moment den kleinen Auraumriss im Bauch von Alida gesehen zu haben und der war heller, als eine normale Aura.
Alida erhob sich. Ihr Gesicht war eine unbewegte Maske, ihre Stimme beherrscht. „Alyssa? Ich denke, du solltest dich einfach ausruhen. Du hast… viel erlebt. Ich gehe jagen.“
Als Alyssa die Bewegung von Alida spürte hob sie den Kopf und leichte Traurigkeit war wieder in das Gesicht zurückgekehrt, als sie ihre Herrin freigab und sich nun ebenfalls erhob. "Du hast Recht Alida, ich ziehe mich zurück. Gute Nacht und danke nochmal für dein Verständnis."