Sa 13. Jun 2015, 20:40
Die nächste Nacht brach an und im gleichen Rhythmus der vorangegangenen Nacht folgend betrat Alyssa das Arbeitszimmer von Alida um die tägliche Besprechung mit ihr durchzugehen. Im Vergleich zur vorherigen Nacht waren die Augen der Ghulin weit geöffnet und sie wirkte frischer, lebendiger, während sie mit Alida redete. Es gab keine weiteren Auffälligkeiten in den anderen Kontoren zumindest für diese Nacht und Georg hatte nur mit den Kopf geschüttelt und dabei gegrinst, als er von den nächtlichen Ausflügen von ihr erzählt bekommen hatte. Schlafwandeln und Fisch mit Honig essen. Als Lydia dies erfahren hatte, schlich ein Schauer über ihren Rücken. Widerlich. Alidas Anweisung das Zimmer von Alyssa zu verschließen würde heute Nacht das erste Mal erfolgen, auch wenn man in Alyssas Blick Widerwillen ablesen konnte, so hatte aber schon Georg und noch ein paar andere Menschen des Hauses bei Tage auf sie eingeredet und ihr versichert sie im Falle eines Notfalls schnell wieder hinaus zu lassen.
Alidas Pferd war ebenfalls am Anfang der Nacht gesattelt und bereit zum Ausritt in Richtung Belfried, während Cato sabbernd hechelnd sich am Rande der Pferdestallungen aufhielt und den gerade vorbeilaufenden Diener leise anknurrte, woraufhin der einen noch größeren Bogen zu machen versuchte und dabei an der Boxenwand entlang schrubbte. „Möchtet ihr den Hund mitnehmen, oder wird er hierbleiben?“
Alida lachte dem Knecht zu. „Cato? Den nehm ich besser mit. Sonst kommt der gute Hund vielleicht noch auf die Idee, dass du den Stall vielleicht noch zwei oder drei Mal heute Abend ausmisten solltest und ein Nach- Hause- Gehen eine nicht so intelligente Idee für dich ist.“ Sie gab dem Hund ein Zeichen und das Tier erhob sich. Dann sah sie ihn gespielt böse an. „Und du, Cato! Wenn du noch mal Luuk oder sonst jemanden von unseren Leuten anknurrst, dann kommst du an die Kette!“ Sie ließ sich die Zügel des Pferdes reichen. „Danke.“ Dann schwang sie sich in den Sattel.
Der Diener nickte schnell, sichtlich erleichtert als der Hund sich von seinem Platz wegbewegte und brav dem Pferd von Alida nebenher folgte und dabei aufpasste niemals in die Nähe der Hufe zu geraten. Ansonsten blickte der Hund immer nur gespannt um sich, aber bis sie den Belfried erreichten, war nichts bis auf ein aufgescheuchtes Huhn zu entdecken gewesen. Das Warten am vereinbarten Treffpunkt war nur sehr kurz, als Pferdehufe die auf dem Boden aufkamen ihre Gesprächspartnerin ankündigten. "Jaa„, da ist Cato“ diese hohe, laute Stimme gehörte definitiv nicht Lilliana, sondern dem kleinen Mädchen, was vor ihr auf dem Sattel saß und von der Toreador festgehalten wurde. „Ich hab’s doch gesagt. Ich kann heute wieder mit ihm spielen und kuscheln und rumrennen und…“ „Und erstmal werden wir jetzt zunächst hier ankommen und uns vorstellen und die Stimmen etwas drosseln.“ Die Stimme der Toreador hatte den weiteren Redeschwall unterbrochen, während ihr Kopf in Richtung von Alida schaute. Die Ohren von Cato hatten sich bereits beim ersten lauten Kinderschwall aufgerichtet und seine Augen waren danach nicht von Marie gewichen, während der verzerrte Schwanzstummel vor Aufregung wedelte.
Alida blickte leicht irritiert zu der dunkelblonden Frau und hob die Augenbraue. Liliana hatte heute Nacht das Mädchen mitgebracht? Alyssa hatte ihr geschildert, dass der Ghul von Liliana die Kleine, als die Toreador in Gefangenschaft war, zu ihnen gebracht hatte, weil er sie dort in Sicherheit wähnte. Obwohl Alyssa erzählt hatte, dass das Kind anscheinend einen Narren an dem Tier gefressen hatte, ohne dabei gebissen worden zu sein, war Alida doch etwas verstört. Außerdem? Sollte das hier ein Familienausflug werden? Alida holte tief Luft, schluckte dann jedoch eine Bemerkung hinunter. Sie gab Cato ein Zeichen sich zu setzen und ritt zu der Frau und dem Mädchen.
Sie senkte den Kopf wie zu einer Verbeugung. „Liliana. Marie.“
Lilliana hatte aufmerksam die Regung im Gesicht der Tzimisce verfolgt und ein aufmunterndes Lächeln aufgesetzt, während sie ihr Pferd zügelte und es zum Stillstehen zwang. Tarbas, ihr Pferd, sah immer wieder beunruhigt zu Cato und schnaubte, seine Ohren waren nach hinten gelegt. Cato wiederum hatte sich wie befohlen abgesetzt, behielt aber dennoch die Gruppe im Blick. „Guten Abend Alida. Ich bin mir sicher du hast einige Fragen, aber ich würde es vorziehen sie dir nicht hier zu beantworten. Es gibt eine schöne Stelle im Wald vor der Stadt und wenn du nichts dagegen hast, würde ich gerne mit dir dorthin reiten." Lilliana senkte den Blick hinunter zu Marie, die jedoch erst auf ein leichtes „Marie“ sich regte und ebenfalls zu Alida nun aufsah. „Guten Abend“
Die blonde Händlerin seufzte schwach, lächelte dem Kind dann aber aufmunternd zu. Warum auch immer Liliana das Mädchen mitnehmen wollte, es war jetzt nun einmal so. „Schön, dich mal wieder zu sehen, Marie. Geht’s dir gut?“
Das Mädchen schaute Alida etwas irritiert an, nickte dann aber begeistert und klatschte in die Hände, während sie ihren Blick wieder auf Cato richtete. „Ich bin schneller als du!“ Lilliana lächelte leicht und schüttelte nur sachte den Kopf während sie ihr Pferd in Richtung des nächstgelegenen Stadttores von Brügge lenkte. Ihr langer, dunkler Mantel, der sie und auch Marie vor etwaigen Blicken schützte war eng geschlungen und lag über dem Haar der Toreador. „Folge mir Alida!“
Erneut zog Alida eine Augenbraue in die Höhe, tat aber wie geheißen.
Aus der Stadt heraus ging es in Richtung Zeerbrügge noch auf der Straße, ehe Lilliana an einer Abzweigung nach rechts ritt und tiefer in den Wald hinein kam. Marie presste sich fester an sie, doch bereits nach ein paar Minuten öffnete sich der Wald und sie erreichten eine Lichtung. Die Sterne und der Mond leuchteten sie an und das Gras sowie die kleinen Büsche boten reichlich Platz zum Verstecken. Lilliana band Tarbas an einen der Bäume mit einer langen Leine, so dass er mühelos einen kleinen Bach in der Nähe erreichen konnte um dort zu trinken. Marie war bereits vom Pferd abgesprungen und wollte schon in Richtung von Cato rennen, als Lilliana sie schnell mit beiden Händen zurückhielt. „Was hatten wir abgesprochen? Erst wird höflich gefragt, ob du und Cato hier in unserer Nähe spielen dürft. Also ist dein erster Gang zu Lady Alida van de Burse.“ Der Klang der Stimme von Lilliana klang zwar belehrend aber sehr sanft, ehe sie Marie wieder freigab und eine Hand in Richtung von Alida zeigte.
Alida sah das Kind fragend an, schüttelte dann den Kopf. „Cato ist für Fremde kein Hund zum Spielen, weißt du? Kein Kuscheltier.“ Sie fuhr dem Tier über den klobigen Kopf.
Marie stand mit offenem Mund da, als sie eine Antwort auf ihre noch nicht ausformulierte Frage bekam. „Er ist mein Freund und wir spielen gerne.“ Es klang etwas trotzig in ihrer Stimme. „Außerdem respektiert er mich, weil ich ihn wie seine Geschwister ins Ohr gebissen habe.“ Daraufhin ging sie ebenfalls zu dem großen Hund kraulte ihn hinter dem Ohr, was er ohne weiteres akzeptierte. Lilliana hatte während des Schauspiels kurz zum Nachthimmel hinauf gesehen, während sie vor ihrem Auge die Szene um das erste Kennenlernen wieder vor Augen führte. Dann blickte sie Alida mit einer entschuldigenden Miene direkt an. „Alida, glaube mir tief in meinem Inneren schreie ich jedes Mal auf, wenn die beiden sich sehen, aber das ist eine der Fragen die ich dir beantworten werde, so du sie mir stellen willst. Nur lass mich dir versichern die beiden…“ und ihre Hände zeigten auf das Zweiergespann. „die beschützen sich eher gegenseitig, als das sie sich aneinander ein Leid antun. Selbst Tarbas“ und damit blickte Lilliana zu ihrem Pferd „liebt sie abgöttisch, aber ich denke dein Hund noch mehr.“ Marie hatte kurz irritiert zu Lilliana geblickt, als die begonnen hatte, sagte aber nichts, sondern knuffte Cato.
Alida sah ungläubig zu dem seltsamen Paar, dann zu Liliana. „Auf deine Verantwortung! Beschwer dich hinterher nicht bei mir, wenn deinem Mündel etwas geschieht.“ Ein kurzes Nicken von Alida genügte um dem Hund verstehen zu geben, dass er gehen durfte. Sie blickte dem Tier hinterher, das einen kurzen zögernden Blick in ihre Richtung warf und dann mit dem Mädchen im Unterholz verschwand.
„Nicht zu weit Marie! Ihr bleibt in der Nähe und auf dieser Lichtung. Denk an dein Versprechen!“ rief Lilliana dem Zweiergespann noch hinterher. Dann holte sie aus eine der Satteltaschen des Pferdes eine etwas größere Decke hervor und breitete sie alleine oder mit Alida’s Hilfe an einer geeigneten Stelle der Lichtung aus, während sie immer wieder sah, wie Marie mit dem Hund in der Nähe herumtobte. „Ich weiß, ich habe dich mit der Situation überfallen und glaube mir, es ist mir bestimmt nicht leicht damit gefallen.“ Lilliana legte den schwarzen Mantel, komplett ab, währen darunter ein einfaches Überkleid aus dunkelblauem Stoff zum Vorschein kam. Sie setzte sich auf die ausgebreitete Decke und wartete bis Alida ebenfalls saß, ehe sie weiter redete. „Ich mache mir Sorgen um dich, wie du die Ereignisse, die Erlebnisse der letzten Wochen wegsteckst. Ich sehe wie Brügge wieder beginnt sich zu reparieren, wie die alten Frauen aufstehen und mit den kleinen Kindern noch bis spät in die Nacht die Steine schrubben um das viele Blut zu entfernen, was in dieser einen Nacht geflossen ist, wegen uns, wegen dem alten Rat, wegen Lady Draga. Und dann sehe ich dich hinausrennen nach der ersten Gerichtsverhandlung als Lucien auf Carminus drauf ist und dann sehe ich dich gefangen in den Händen in der Inquisition und merke, dass wir beide so oft schon geeint im Kampf, doch so oft getrennt im alltäglichen Leben sind. Und dabei bist du Alida ein Vorbild, wie du Brügge aus dem Händlerviertel führst, wie du deine Familie um dich hast. Darum bin ich hier. Mein Wunsch für die Menschen ist es, dass sie nie wieder durch unsere Hand ein solches Leid erhalten sollen und ich sehe eine der Lösungen darin, endlich unsere Kommunikation zu verbessern, Pläne zu schmieden, die dem Wohl aller dienen.“ Hier endete Lilliana und ließ nun Alida ihrerseits Zeit zu antworten.
Als Liliana die Decke ausbreitete konnte sie erneut das Seufzen der Tzimiske hören. Dennoch nahm sie notgedrungen auf der Decke Platz, wirkte jedoch irgendwie fehl an diesem Platz neben der Adeligen Toreador.
Alida lachte. „Du machst dir Gedanken um Mich??? Während DU hier mit deinem Mündel, einem fleischgeformten Tier und einer Unholdin einen Sonntagsfamilienausflug planst?“ Sie ließ sich auf die Decke zurücksinken und wandte ihren Blick zum dunklen Firmament. Ein Grinsen war zu erkennen. „Nichts für ungut, aber vielleicht sollten wir uns alle Gedanken umeinander machen, meinst du nicht?“
Lilliana zeigte keinerlei erkennbare Regung auf ihr Lachen, sondern nickte nur. „Das sagte ich bereits. Wenn wir anfangen uns Gedanken mehr untereinander zu machen als einzeln, so würde es zu manchen Vorfällen nicht kommen. Daher rede ich mit dir, daher…ist auch Marie hier.“ Lilliana ist etwas leiser. „Erzähl mir doch Alida und verspotte mich nicht. Wie kann ich dir helfen, wie können wir dir alle helfen, damit Brügge wieder erstrahlt. Der Stadt, die du Heimat nennst und die krank ist, wenn du krank bist und die erblüht, wenn es dir gut geht? Wir haben in den letzten 10 Jahren zuviel schleifen lassen, lass uns gemeinsam diesen Neubeginn wagen Alida und die Fehler von damals korrigieren. Lass uns neue Banden mit Städten flechten, die uns wirklich und aufrichtig zu beschützen vermögen und denen wir ebenso aufrichtig beistehen. Wir sind hier zwischen zwei Rädern, zwischen England und Frankreich und unsere einstigen Verbündeten haben Angst vor uns, Angst vor dem was bei uns passiert ist und ihr Misstrauen ist gerechtfertigt, weil die eine Hand nicht weiß, was die andere macht und das möchtest du genauso wenig wie ich Alida.“
Alida schüttelte den Kopf. „Wir haben in den letzten zehn Jahren nichts schleifen lassen. Wir waren wachsam, haben Bündnisse geschmiedet, Freundschaften zu Städten und deren Kainiten gepflegt, die uns in Zeiten der Not beschützt haben, wir haben so gut wir konnten versucht stets im Auge zu behalten, was Draga in ihrem Voivodat getrieben hat, haben versucht, da wir in ihr einen potentiellen Feind gesehen haben, ihr soweit es uns möglich war zu schaden ohne einen offenen Disput zu riskieren. Wir haben einander beigestanden, miteinander gekämpft, Rücken an Rücken, Loyalität bewiesen in den Momenten in denen wir an der Seite unserer Freunde standen auch wenn wir wussten, dass ihre Entscheidungen in den Augenblicken falsch waren.
Weißt du, Liliana? Wir haben versucht alles richtig zu machen. Wir waren wachsam, fleißig, verschworen, wir haben das Beste von uns gegeben doch es hat nicht gereicht. Und diese Erkenntnis macht mich einfach müde“ Sie blickte zu Liliana.
Eine gewisse Zeit sagte Lilliana nichts, während sie in der Nähe noch immer das Hecheln von Cato und die begeisternden Rufe von Marie vernahm. „Nein Alida, wir waren und wir sind noch keine verschworene Gemeinschaft. Wir sind uns nur dahingehend einig dass wir die Anwesenheit des Clan der Tremere auf unserem Gebiet wegen diverser Gründe nicht erlauben und dass wir ein Ratsystem eingeführt haben, weil wir keine Macht nur auf einer Person haben möchten. Aber genau dort liegen auch unsere Schwäche und unsere Stärke. Unsere Stärke ist der Neubeginn, der durch die Rückkehr von Leif eingeläutet wurde, unsere Schwäche die mangelnde Kommunikation. Alles kommt im Nachhinein heraus. Pläne, Personen, des Rates die von diesen Plänen wussten oder sie zumindest sehr erahnt haben und Personen wie wir, die überrascht wurden, aber gleichsam danach bemüht wieder zusammen zu stehen und unsere Personen wieder heraus zu ziehen. Das ist auch wiederum unsere Stärke.“ Lilliana erwiderte besorgt den Blick von Alida. „Wie fast jeden von uns hat es dich auch mitgenommen, ich verstehe und dies wird lange Zeit eine Narbe von dir und der Stadt bleiben. Aber lerne daraus und schöpfe aus deinem Anker, deiner Familie neue Kraft. Sie brauchen dich. Wir brauchen dich hier in Brügge, Alida van de Burse.“ Lilliana legte eine Hand auf die Schulter der Tzimiske. „Und wir sind für dich hier. Ein jeder auf seine Art und Weise.“
„Wir Kainiten hier in dieser Stadt sind, was wir sind. Nicht mehr und nicht weniger. Zum Guten wie zum Schlechten. Jeder von uns gibt auf seine Art sein bestes. Nur darfst du eines nicht vergessen, Liliana: Wir kämpfen für unterschiedliche Dinge. Jeder von uns. Das ist nicht unbedingt etwas Schlechtes, denn unsere Interessen überschneiden sich. Aber deshalb wird es nie Einheit, Harmonie und das Wohl der Gemeinschaft geben. Zumindest nicht mehr als im Moment.
Und ich denke, es ist unser Schicksal aufzubauen und zu sehen, wie es wieder zerstört wird. Nichts außer Gott ist ewig. Jemand hat einst folgende Worte zu mir gesagt:
Jemand hat mir mal erklärt, die Zeit würde uns wie ein Raubtier ein Leben lang verfolgen. Ich möchte viel lieber glauben, dass die Zeit unser Gefährte ist, der uns auf unserer Reise begleitet und uns daran erinnert, jeden Moment zu genießen, denn er wird nicht wiederkommen. Was wir hinterlassen ist nicht so wichtig wie die Art, wie wir gelebt haben. Denn letztlich sind selbst wir vergänglich.“
„Wir sind, was wir sind Alida, ein jeder auf seine Weise. Doch sollten wir uns nicht an diesen Gedankenstrukturen, die vorherrschen weiter daran halten, denn es hat sich ja gezeigt, dass dies zu Fehlern führt. Mauer dich ein Alida und wirst dich immer müde und einsam fühlen. Schmiede Pläne alleine und du wirst sehen, dass die Konsequenzen nicht nur dich betreffen werden, sondern uns alle. Höre auf die anderen und bringe dich ein und unser gemeinsames Ergebnis wird das Beste sein, so dass unsere Art wie wir gelebt haben zusammen mit unserem Ergebnis das Zeugnis unseres Unlebens darstellen wird.“ Lilliana stand von der Decke auf und ihr Blick glitt über die Lichtung und entdeckte nach kurzer Zeit wieder das Zweiergespann zusammen im dichten Gras und ein Lächeln ging über ihr Gesicht. „Marie“ zu leise, als das die Kleine das irgendwie hören könnte.
Alida schüttelte den Kopf. Irgendwie schienen sie aneinander vorbei zu reden. Alida entschloss sich dem endlich ein Ende zu machen. „Liliana? Was willst du von mir? Ich bin hier. Ich geb nach wie vor jeden Tag mein Bestes, begeb mich zum Rat, erledige, was getan werden muss. Ich kämpfe nach wie vor für diese Stadt, ihre Bewohner und alles was dazu gehört. Was also ist es, was du mir eigentlich sagen möchtest, wenn du ein solches Gespräch mit mir führst?“
„Und wo ist die Alida im Rat? Wo bist du Alida? Du wirkst nicht zufrieden mit dem was du tust.“ Lilliana hatte sich wieder hingesetzt und sah Alida direkt an.
Erneut blickte sie Liliana fest an. „Was willst du?“
„Was willst du Alida? Was willst du für dich?“ kam die Frage postwendend zurück.
„Dass es meinen Leuten gut geht. Dass sie sicher sind und das Leben führen können, dass sie wollen. Und wenn du es genau wissen willst…“ Wieder ging ihr Blick hinauf zum Firmament. „… einfach mal Zeit für mich. Meine Ruhe. Einfach mal ausruhen statt jeden Tag bemühen und kämpfen. Und…“ Sie öffnete den Mund und schloss ihn dann wieder. „Du hast gefragt…“
"Und...?" ein weiterer aufmunternder Blick.
Sie biss sich auf die Lippen, kaute an der Unterlippe. Ihr Blick war nach wie vor zu einem undefinierbaren Punkt in der großen Schwäre über ihnen gerichtet. „Jemanden wieder sehen, den ich mal gekannt habe und herausfinden, zu wem er in all den Jahren geworden ist.“ Sie sah zu ihrem gegenüber. „Wir haben wohl alle in unseren Jahrhunderten den einen oder anderen Kainit getroffen, den wieder zu sehen sich lohnen könnte.“ Fügte sie fast entschuldigend hinzu.
Lilliana lächelte ehrlich und verständnisvoll. „Ich danke dir für deine Ehrlichkeit Alida.“ Lilliana ließ ihre Worte bewusste einen Moment verklingen, ehe sie weiter sprach „Und wann gedenkst du deine Wünsche in die Tat umzusetzen?“
„Die Zeit wird zeigen was die Zukunft bringt. Wünsche sind Wünsche und derzeit sind, wie du selbst festgestellt hast, andere Dinge wichtig. Und was willst du? Für dich? Wenn du mal nicht grad das Wohl einer allumfassenden Menschheit im Blick hast?“
Sie grinste verschmitzt
„Lass nicht zu viel Zeit vergehen Alida, dieser jemand wird gewiss auch deine Ankunft nicht erwarten können und du würdest durch dein Fortgehen ja nicht alle Bande hierher kappen.“ Lilliana fügte diese Worte noch hinzu, ehe sie sich leicht lächelnd wegdrehte, etwas Wehmut lag in ihrem Blick, der in Richtung von Maries letzten Aufenthaltsort ging. „Ich möchte sie aufwachsen sehen, möchte sehen, wie sie sich entwickelt, wen sie kennenlernt, wen sie lieben lernt, ob sie Kinder haben wird…wobei….“ Lilliana lächelte verschmitzt und drehte sich wieder zu Alida „Hattest du je Kinder Alida?“
Wieder schüttelte Alida den Kopf. „Nein. Ich habe nie Kinder gehabt. Wobei… “ Sie lachte kurz gedankenverloren zu sich selbst. Dann konnte Liliana wieder erkennen, wie ihr Gegenüber erneut auf der Unterlippe kaute, wie jedes Mal wenn sie nachdachte. Sie ließ eine ganze Zeit verstreichen bevor sie weiter sprach. „Sowohl mein Bruder als auch meine Schwester hatten Kinder. Und die habe ich sehr geliebt.“
Lilliana nickte sachte. „Dann verstehst du, wie ich zu Marie stehe. Sie ist ein Teil meines Herzens und entstammt meiner Linie. Ich kann sie nicht ewig vor unserer Welt verstecken, denn wir beide besitzen eine Gabe, wie auch andere meiner Linie. Ich sage dir dies Alida, weil ich weiß, wie hoch du die Familie schätzt und daher vertraue ich dir dieses Geheimnis an. Bevor Marie Cato kennenlernte sah sie ihn bereits und sich selbst. Es ist beiden bestimmt worden Alida. Von Gott bestimmt und dagegen werde ich mich nicht wehren können, genauso wie gegen die Welt der Dunkelheit, die mein Schicksal bestimmt hat.“ Liliannas Stimme war ernst und fest, während sie dies sagte. „die Familie ist unser beider Stärke und auch ein Teil unserer Schwäche. Durch sie sind wir verwundbar Alida, daher will ich Marie beschützen.“
Alida hörte die Geräusche des Mädchens in der Ferne. „Sie macht den Eindruck als wenn sie ganz gut auf sich selbst aufpassen könnte. Wenn es von Gott bestimmt ist, dass sie aufwächst, liebt, Kinder hat, ihren Weg geht, dann wird es so geschehen. Und wenn er anderes vorhergesehen hat, dann wirst weder du, noch eine Gemeinschaft aller dir wohlgesinnten Kainiten oder eines Heeres von Erzengeln irgendetwas dagegen ausrichten können.
Ich würde dir den Rat geben, ein Auge auf sie zu haben, es aber ab und an auch zu schließen. Sie wird schon ihren Weg gehen. So wie alle Menschen. Aber du hast im Gegensatz zu mir Kinder gehabt. Also weißt du wohl am besten, was du alles richtig und falsch machen kannst.“
Ein sachtes Kopfschütteln seitens Lilliana. „Nein, das hätte ich nur zu gerne gewusst.“ erklang es leise und traurig, ehe sich Liliannas Blick wieder auf Alida richtete „Ich möchte aber, dass du Alida von ihrer Existenz weißt, sollte einmal meine beendet werden und ich möchte das du weißt, dass auf Leif etwas lastet, das ihn dazu bringt Dinge von sich aus in Gang zu bringen. Das Gottesurteil war kein richtiges in meinen Augen, da er es selbst erzwang…nur wegen dieser…dieser Prophezeiung Alida. Er misst ihr selbst so viel Macht zu, dass er vergisst, dass die Dinge selbst kommen werden, von Gott bestimmt und nicht von ihm. Bitte behalte es bei dir, dieses Wissen darüber. Leif ist in seinem Inneren tief gequält und ich wünsche ihm Heilung, so wie uns allen, auf das sich unsere Wunden schließen und unsere Narben verblassen.“
Alida richtete sich auf. „Erzähl mir von deinen Kindern! Und erzähl mir von dem, was du über Leif und diese Prophezeiung weißt. Deine Worte sind bei mir sicher. So wie meine bei dir?“