Vampire: Die Maskerade


Eine Welt der Dunkelheit
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BeitragVerfasst: Sa 15. Nov 2014, 00:37 
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Der Wald war ein Miasma an tausenden kleinen widerwärtigen Eindrücken und Gerüchen geworden, jede Wurzel und jeder Baumstumpf kamen ihm fremd vor, dabei hatte er doch eine derartige lange Zeit in der unsicheren, unwirtlichen Gegend rund um Brügge verbracht. Jeder Baum und jeder Zweig waren ihm vertraut, es war seine Domäne und sein Jagdgebiet, sein Revier. Heute Nacht, in dieser unwirklichen Realität eines geteilten Traumes, wurde diese Vertrautheit schnell zu einem alptraumhaften Spiegelbild dessen, was es einst für ihn bedeutet hatte.

Mit jedem Schritt den er tat, kam er sich verlorener und unwillkommener vor und der bestialische Gestank, zusammen mit dem blutigen Knacken von Knochen und Fleisch, gepaart mit dem animalischen Knurren und Heulen der Bestien, die sich rings um ihn wohl im Verborgenen versammelt haben mussten, führten ihm äußerst eindrücklich vor Augen, dass dies nicht länger die Wildnis war, die er kannte. Die Dornen zerschnitten seine Kleidung und seine Haut, kratzten brennende Spuren in seinen Körper und ließen ihn schmerzverzerrt die Zähne zusammenbeißen. So verletzlich war er an diesem Ort, so zerbrechlich – der Schattenwolf in seinem eigenen Terrain, kein Gangrel und kein Kainit mehr, sondern ein gewöhnlicher, sterblicher Mensch. Mit einer Hand vor dem Mund, ein ersticktes Würgen unterdrückend, schritt er hastig und unbeholfen durch die Finsternis, immer der Kreatur vor ihm folgend, die er jedoch bald aus den Augen verlor. Er verfluchte sich selbst und seine menschlichen Schwächen, die ihm gerade in diesem Augenblick zutiefst zuwider waren. Seine Augen hätten ihn jedes noch so kleine Detail in dieser pechschwarzen Nacht erkennen lassen, sein Körper hätte Hieben standgehalten die einen geringeren buchstäblich in der Luft zerrissen hätten und seine Klauen wären durch die Reihen gefegt, wie die Sense durch ein Weizenfeld zur Erntezeit. Dennoch half alles nichts, in dieser Realität, galten andere Gesetze und so sehr er auch seinen guten Schluck Bier und die saftigen Speisen an Alidas Tafel vermisste und gar gerührt gewesen war, ob der Tränen bei ihrem Abschied – hier wäre das Monster Lucien gefragt gewesen und nicht der Tunichtgut und Wegelagerer aus Aquitanien.

Mit einem letzen Satz, kämpfe er sich verschwitzt vor Anstrengung und innerer Anspannung durch das fahle Dickicht und trat in die nur spärlich erleuchtete Lichtung hinaus. Sein Atem wurde langsamer und kondensierte in der kalten Nachtluft, als er die Augen zusammenkniff um in der schier endlosen Schwärze zumindest Umrisse erkennen zu können. Der vermeintliche Alphawolf und die schmale Silhouette einer beinahe nackten Frau, der die Überreste ihrer schäbigen Kleidung in Fetzen vom Körper hingen, drängten sich in die Aufmerksamkeit seines Blickfeldes. Ein Knurren später, sah er schwarze Schemen die sich unterwürfig ins raschelnde Unterholz verzogen – offensichtlich hatte die nächtliche Schönheit die Führung übernommen.

Sein Blick glitt an ihr herab, als er bleiernen Schrittes näher trat, gleichwohl, als hätte man schwere Steine an seine Füße gekettet und der nieselnde Regen, schien den ohnehin feuchten Waldboden in einen morastigen Sumpf zu verwandeln. Luciens Herz schlug schneller, als er die Unbekannte genauer in Augenschein nahm. Das prachtvolle, wallende Haar, die wachen, gierigen Augen einer Jägerin die mit ihrer Beute spielte und dieses sanfte, schmale Lächeln mit der Gewissheit überlegen zu sein, formten mit langsam dämmernden Gedanken und Erinnerungen zudem sich ein intensives, berauschendes Gefühlserleben gesellte, einen Namen.

„Vanya…“

Er sprach es tonlos, neutral, beinahe wie die Verse aus einem uralten, längst vergessenen Buch, das man lieber nicht zu öffnen wagte und wirkte dennoch erschrocken überrascht. Sie war hier, in diesem Traum, in diesem Wald, genauso wie er sie in Erinnerung hatte, genauso wie er sie zuletzt gesehen hatte. Vanya, seine Erzeugerin. Ihre Bewegungen geschmeidig und anmutig, ihre Stimme der melodische Klang einer Nachtigall, ausgestattet mit rasiermesserscharfen Zähnen und Klauen, die schon Jahrhunderte vor ihm, die namenlosen Gräber mit dutzenden unvorsichtigen oder allzu siegessicheren Sethskindern gefüllt hatten. Wenn Liliane schon ihn als unmenschliche, animalische Bestie abtat, hatte sie Vanya noch nicht gesehen. Blut und der Ruf der Freiheit, den die Wildnis den Gangrel bot waren ihr Begehr und auch seines war dereinst geflossen. Damals, als er sein Leben aushauchte in dieser jämmerlichen, verfallenen Holzfällerhütte in Toulouse. Es war Vanya, Traum oder nicht, die da vor ihm stand und ihn mit dieser ganz eigentümlich sinnlichen Stimme ansprach, die seinen Atem schon damals ins Stocken gebracht hatte. Der Schein vermochte zu trügen, denn auch der Panther war von edler Schönheit und dennoch todbringend und gnadenlos. Nur wenige wussten, was sich hintern diesen vollen Lippen, hungrigen Augen und verführerischen Rundungen verbarg. Ein Tier bleibt ein Tier.

Lucien musste sich zunächst einen Augenblick sammeln um die Unwirklichkeit dieses Moments, richtig einordnen zu können. Das alles ergab keinen Sinn und wenn doch, entzog ihm sich dieser völlig. Seine Stimme klang voller Unsicherheit und misstrauischem Zweifel als er langsam zu einer Antwort ansetzte.

„Vanya…. Es ist lange her als wir uns das letzte Mal gesehen haben. Vielleicht gar Jahrzehnte wie du meintest aber was soll das alles bedeuten?“ Seine Hand machte eine ausholende Bewegung, die den Wald und ihre Bestien darin einschloss. „Seit wann führst du eine Meute an und weshalb seid ihr hier? Du weißt das selbst wir die Stille des Blutes wahren und ein offener Angriff gegen eine Menschenstadt, ist wohl etwas das sich nur die fanatischsten Unholde in ihren eignen Landen leisten können. Warum diese Jagd und gegen wen geht es? Mir fällt es schwer zu glauben das man dir auf einem Thing, geschweige denn einem Allthing Gehör geschenkt hätte, wenn du so etwas vorgebracht hättest.“

Sein Seufzen war gefolgt von einem zögerlichen Blick zu Boden, bevor er ihn wieder in Richtung Vanya lenkte. „Ich bin ein Mensch Vanya, das heißt… wieder ein Mensch, ich blute und sterbe wie jeder beliebige Saftbeutel auch und bitte frage mich nicht wie so etwas möglich ist, ich kann es mir selbst nicht erklären.“ Lucien legte den Kopf leicht in den Nacken und schloss für einen Moment die Augen. „Und nur um mir das zu sagen schleppst du eine Meute an und veranstaltest dieses Schlachtfest? Wir sind Gangrel, wir töten wenn wir müssen und es uns dienlich ist, nicht weil uns gerade der Sinn danach steht oder es uns Freude bereitet. Und Brügge wie du feststellen wirst, beinhaltet nicht nur steinerne Festungsmauern und Bauernhöfe sondern auch zahlreiche, ausgedehnte Wälder – meine Domäne, in der ihr euch wenn ich das auch nebenbei erwähnen darf, gerade befindet.“ Er machte einen Schritt auf seine Erzeugerin zu und verzog das Gesicht. „Im Übrigen weiß ich sehr gut selber wer und was ich bin, denn ich war immer der Jäger der seiner Beute nachstellte und die Wildnis der einsamen Wälder Brügges ist nunmehr mein Zuhause. Ich jage, ich beobachte, ich töte und sichere damit mein Überleben, ich schütze meine Domäne und meinen Besitz. Kein Zögern, kein Bedauern, keine Spielchen oder höfisches Tamtam. Mein Name ist Lucien Sabatier de Nimes, der Schattenwolf und wie es das Schicksal so will, gerade auch Hauptmann der Nachtwache. Ich habe ganz und gar nicht vergessen wer ich bin Vanya und du hättest mich niemals in die Nacht geholt wenn ich dir als zu schwächlich oder unwürdig für dieses Dasein erschienen wäre. Seit wann kümmert es dich was deine Kinder treiben?“

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Through action, a Man becomes a Hero.
Through death, a Hero becomes a Legend.
Through time, a Legend becomes a Myth.
By learning from Myth, a Man takes action.
~Corazon~


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Verfasst: Sa 15. Nov 2014, 00:37 


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BeitragVerfasst: Sa 15. Nov 2014, 19:56 
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Sie sah in die Wälder ringsum, in die Tiefe der Nacht. „Es interessiert mich nicht, was meine Kinder tun. Diese Meute“ ihre Hand glitt in einer ausschweifenden Bewegung durch die Luft. „ist unwürdig und wird sich selbst vernichten oder anders vergehen. Trotz meiner Warnung lieben sie es ihr Bewusstsein dem wütenden Tier zu überlassen. Dennoch lebt in ihnen noch immer soviel Schwäche, dass sie sich nach ihrem Rausch weinend und klagend über ihre Opfer beugen und ihnen aus Selbstmitleid den Kuss schenken statt ihnen den Gnadenstoß zu versetzen.“ Sie trat noch näher an ihn heran und fuhr mit ihren kalten Fingern über die Muskeln seiner Unterarme.
„Du jedoch, Lucien, warst immer anders. Deine Stärke war überwältigend, dein Instinkt bewundernswert und hättest du mir die Jagd auf dich nicht so unglaublich schwer und schmackhaft gemacht…“ Ihre Worte klangen leise aus und sie fuhr sich langsam und überlegend mit der Zunge über die Lippen. „Du warst mein gelehrigster Novize und der einzige, der es je wert gewesen wäre einen Tropfen Blut zu verschwenden.“
Sie sah ihn erneut an und Mitleid legte sich über ihre Züge. „Und doch bist du nur noch ein Schatten deiner selbst, schwach und hilflos. Du verkriechst dich in den Mauern der Stadt oder den einzelnen Bäumchen, die darum wachsen n und regelmäßig gerodet werden. Du nennst das deine Domäne und sprichst von Stille des Blutes… Gehörst du seit neuestem den hohen Clans an? Was interessiert uns das Gesetz und die Gesellschaft von Sterblichen oder Kainiten? Wir Wilden sind immer auf Wanderschaft und unerreichbar für diejenigen, die glauben, sie würden die Welt regieren. Dabei wissen sie nichts über die Welt, sich selbst oder das Tier. Hast du es vergessen? „Du bist ein Raubtier, und alle anderen sind deine Beute. Komm mit mir in die Tiefen der Nacht, in Wildnis so weit und unendlich, dass sie nie durchwandert werden könnte.
Öffne deine Augen und sieh, fahr deine Klauen aus und spüre und öffne deinen Mund und schmecke das einzige worauf es wirklich ankommt. Lass die Rolle des Sterblichen hinter dir und sei das Tier, das du bist.“
Sie stand nun direkt vor ihm, schön und wild. Sie sah ihn offen und herausfordern an.

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BeitragVerfasst: Sa 22. Nov 2014, 12:13 
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Sein Blick glitt an ihrer Hand entlang, dieser kalten, bleichen Hand die sich im Gegensatz zu seiner warmen Haut wie blankes Metall anfühlte. Lucien verzog das Gesicht zu einem schmierigen Grinsen als er die Gedanken in die Ferne schweifen ließ, zurück zu diesem Ort, zu jener Nacht als er seinen sterblichen Häschern entkam, nur um von etwas weitaus bösartigerem und gefährlicherem gejagt zu werden.

"Es freut mich dass ich dir soviel Freude bereitet habe und dich die Jagd so köstlich unterhalten hat, damals... bin ich einfach nur um mein Leben gerannt und habe mir die Vertrautheit des Terrains zu Nutzen gemacht. Und ganz nebenbei hab ich mir in die Hosen geschissen vor Angst... aber das wusstest du natürlich."

Sein Lächeln wurde breiter, gönnerhaft als er seine Hand leicht anhob und leicht unter ihr Kinn legte, ihren Kopf anhob und ihre Augen wohlwollend fixierte. Die andere Hand strich beinahe zärtlich über ihre Hüften, ihren Bauchnabel entlang bis zu ihrem üppigen Busen. Das Gewicht des kalten, weichen Fleisches ließ ihn kurz scharf die Luft einsaugen.

"Ah... ich habe mich zumindest immer bemüht dazuzulernen, Vanya. Besser und härter zu werden als der Rest, wobei ich, das muss selbst ich sagen - mehr Grips hatte als die da."

Er nickte kurz in die Richtung der anderen Bestien. "Vielleicht...", seine andere Hand glitt nun ebenfalls herab an ihrem Hals, umschloss die Umrisse ihrer Brust und schwenkte dann zügig zwischen ihre Beine.

“Vielleicht hast du ja recht, Vanya, und ich habe mich wirklich ein wenig gehen lassen, vielleicht bin ich schwach geworden, habe die Wildnis und die Wege unseres Clans vergessen - mehr ein Hund, der die Knochen abnagt, welche die Saftbeutel übrig lassen als ein Wolf."

Sein Gesicht drehte sich leicht, bei diesen Worten und glitt ihre Wange entlang, schmiegte sich an sie und küsste sie leicht. Sie rieb ihre Hüfte an seiner, fuhr mit der Hand über seine muskulösen Oberarme, den Rücken hinab und über sein Gesäß. Es schien ihr ausgesprochen zu gefallen. Sie schloss für einen Lidschlag die Augen und wandte ihm dann das Gesicht zu. Ihre dunklen Augen reflektierten die Schwärze der Nacht.

"Du weißt es. Das ist der Weg wie du deine Kräfte zurück erlangen wirst. Mein Blut hat dich zu dem gemacht, was du bist und das wird es erneut."

Sie biss sich auf die Lippen und wie die auf Münder aufgetragene Farbe der adeligen Damen legte sich das Rot über ihren Mund. Lucien roch den tiefen metallenen süßlichen Geruch.
Er schien ihre animalische Nähe und Präsenz sichtlich zu genießen, die kalten aber doch fordernden Berührungen die ihm in der Schwärze der Nacht, wohlige Schauer über den Rücken jagten. War er auch so kalt und leblos? Er hatte nie wirklich darüber nachgedacht und bei Irina, die er ab und an aufgesucht hatte, hatte er gnädigerweise immer besonders viel Blut verschwendet - sinnloserweise. Vanyas Blut war nicht verschwendet oder unwürdig, es war die potenzierte Macht eines äonenalten Fluches den Kain oder wer auch immer auf sich geladen haben mochte. Und wie ein Geschenk offerierte sie es ihm, anders als beim ersten Mal, zärtlich, erregt, leidenschaftlich,... wie die Wölfin die ihre Welpen säugt. Mit einem kräftigen Ruck, ließ er eine Hand hinter ihren Rücken gleiten und zog sie näher an sich. Ihre schemenhaften Gesichter, in der Finsternis kaum zu erkennen, waren nur wenige Zoll voneinander entfernt. Lucien nickte und lächelte erwartungsvoll. Dann begann er Vanya zunächst zaghaft, dann immer wilder und hemmungsloser zu küssen, schmatzend, saugend und gierig ließ er seinen Mund über ihren gleiten in einer grotesken Umarmung aus Leben und Tod. Das Rot ihres Blutes schmierte sich über seinen, die Lippen, die Zungen, seinen Mund, das ganze Gesicht.
Lucien spürte wie das rote Blut durch seine Adern pulsierte. Es war mächtig, ungezähmt, frei und wild. Es breitete sich in jeder einzelnen Pore aus, alle Haare seines Körpers stellten sich auf, seine Muskeln brannten wie Feuer und schienen fast zu explodieren. Er spürte wie seine Krallen unter den Fingern hervorbrechen wollten. Das Blut berauschte seine Sinne, seinen Verstand. Ihm wurde schwindlig und er ging auf die Knie. Seine Augen öffneten sich endlich für die Schönheit der Nacht, seine Ohren wollten sich nach dem Wind drehen um das Wispern der Blätter zu vernehmen. Seine Füße rammten sich in den feuchten Boden und nahmen Kontakt zu der Tiefe der Erde auf.
Dann spürte er das heftige Pochen seines Herzens, das mit aller Macht das Blut zurückdrängte, es aus seinen Adern, Venen und Kapillaren verbannte. Rhythmisch wie der Schlag einer Trommel. Sein Atem ging tief und heftig, und frische Luft nahm den Platz ein, den vorher die gewaltige Wirkung des Blutes für sich beansprucht hatte.
Vanya stand vor ihm und betrachtete ihn erwartungsvoll.
Die Wirkung des äonenalten Giftes war atemberaubend, kaum hatte er genug vom roten Blut der schönen Gangrel gekostet, brannte es sich auch schon durch seinen Körper und fraß sich mit gieriger Macht durch alle Gliedmaßen, bis in seinen Verstand. Sein Blickfeld verschwamm, als ihm ein Knie wegsackte und er in den dreckigen Morast fiel. Die Intensität und Brutalität mit dem ihm die Woge weg riss war animalisch und ungebremst - welche Macht allein in diesem bisschen lag. Er fühlte Klauen die bereit waren alles zu zerfetzen, ein Körper der alle Schläge bis auf die härtesten abschütteln konnte und seine glühenden Augen, welche den Schleier der Nacht beiseite schoben. Und... sein Herz und seine Atmung die merkwürdigerweise noch immer klopften und Luft in seine noch funktionstüchtigen Lungen pumpten. Normalerweise hätte er erwartet tot bzw. untot zu sein aber er war noch ein Mensch. Alle Vorteile? Keine Schwächen? Langsam erhob er sich und schüttelte leicht den Kopf.


"Ich hatte beinahe vergessen wie... unglaublich dieses Gefühl ist."

Vanya trat näher an ihn heran, legte ihm die eiskalten Finger an die Schläfe, fuhr mit dem schmalen weißen Zeigefinger an seinem Kinn entlang und saugte dann kurz das daran haftende Blut ab.

"Ja, wunderbar, nicht wahr? Aber mein Liebster... eines hast du vergessen." Ihr Blick war in die Tiefe seiner hellen Augen gerichtet. "Das Blut in dir lebt und wird auf ewig verhindern, dass du einer der Unsrigen wirst." Sie beugte sich noch näher zu ihm heran. "Wir sollten dich davon befreien, findest du nicht?" Er richtete sich gerade wieder auf als sie ihre Fänge bereits in seinen Hals bohrten.
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Lucien spürte, wie sie trank und begann alles Lebende, Pulsierende und Warme aus ihm heraus zu saugen. Sein Herz wehrte sich, pochte härter, sein Körper kämpfte dagegen an. Dies war sein Blut, seine Kraft und Stärke. Er spürte, wusste, dass sie nicht aufhören würde, dass es ihr Freude machte zu nehmen, was sie als ihr Eigentum betrachtetet. Er versuchte sich gegen ihren tödlichen Kuss zu wehren, doch war er wie versteinert. Ihr gieriges Schmetzen machte ihm bewusst: Sie wollte jeden Tropfen seines Blutes. Doch es gehörte ihm allein und nur ihm selbst. Es war mächtig, stark und reiner als das ihre. Und mit einem Mal, während er spürte wie das Leben aus ihm heraus floss, wurde ihm bewusst, dass er niemanden brauchte um zum Unsterblichen zu werden. Er war in der Lage es selbst zu tun. Sein eigenes Blut zu trinken, denn er war Lucien Sabatier, der Schattenwolf.
Lucien hörte ein surrendes Geräusch und plötzlich ließ seine Erzeugerin von ihm ab. Irritiert und ungläubig betrachtete sie einen Pfeil, der aus ihrem rechten Brustkorb ragte.


"Lass ihn los!"

hörte Lucien eine Stimme vom anderen Ende der Lichtung. Vanya drehte sich um und sah ihren Angreifer an. Für einen Moment war es ihm, als ob sich seine Geschichte wiederholen würde. Die plötzlich wiedererlangte Stärke, die in warmen, blutigen Zügen Vanyas Rachen entlang rann, sich beinahe kläglich wand, in den scharfen, unerbittlichen Fängen der Gangrel. Ein Leben, das sich so vehement gegen den Tod wehrte. Lucien Sabatier war kein Mensch, er war auch kein blökendes Schaf, das sich seinem Schicksal resignierend hingab… er war der Schattenwolf, Hauptmann der Nachtwache, Anführer der Wolfsbrigade, einziger Überlebender von Ongers Räuberbande, Nomade der Wälder und frei wie der Wind, der auch in dieser Nacht, durch die dürren Blätter strich. Er würde sie nicht brauchen und sie ihn ebenso wenig – es war ein Traum. Mit dieser einkehrenden, plötzlichen Gewissheit war ihm bewusst, was er zu tun hatte.
Als der Pfeil seine Erzeugerin unvermittelt traf und sie sich überrascht nach ihrem Angreifer umdrehte, richtete Lucien sich leicht auf und spürte das warme Blut, das dünn und schmierig seinen Hals entlang sickerte und seine Kleidung scharlachrot färbte. Sein Mund verzog sich zu einem Grinsen: irgend jemand hatte doch nicht auf seine Anordnungen gehört und er hatte schon eine leise Vorstellung davon um wen es sich höchstwahrscheinlich handelte.


„Du hast auch etwas vergessen, Vanya, nämlich deine eigenen Worte. Wir Gangrel beugen uns keinen Gesetzen oder Regeln, etwas an das ich mich, getreu deiner Lehren, immer gehalten habe, meine Teure. Mit den Gesetzen war es bei mir ja ohnehin nie weit her aber was noch viel wichtiger ist….“ Seine rechte Hand hielt plötzlich eisern das dunkle Metall seines Schwertes umklammert. „Ich bin ein Schwein.“

Dann rammte er ihr mit aller verbliebenen Kraft die Klinge unter dem Schulterblatt in ihr untotes Fleisch, versenkte sie schmatzend in ihrem Körper und durchstach ihr Herz. Mit einer unbeholfenen Bewegung, spannte er seine Muskeln an und richtete sich keuchend auf. Sein Blick ging in die Richtung, aus der er seinen unerwarteten Helfer vermutete.

„Jean… du bist wirklich genauso tollkühn wie ich es einst war und mindestens genauso dumm.“

Lucien schüttelt kurz den Kopf und verbannte die Erinnerung an alte Zeiten aus seinen Gedanken.

„Lauf, sie wird das nicht lange auf sich sitzen lassen und ihre Meute genauso wenig.“
Dann setzte er sich eilig in Bewegung.

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"Mit Sicherheit mindestens genauso dumm wie du, aber nicht nur meine Wenigkeit......"

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hörte Lucien ein kurzes Lachen auf der anderen Seite der Lichtung. Dann schoss ein Pfeil in einen angreifenden Gangrel aus der Tiefe des Waldes. Luciens Augen schienen für einen Sekundenbruchteil rot zu glühen und er erkannte in wohl 40 Yard Entfernung Jean, der den Bogen zur Seite warf und zu dem Schwert an seiner Seite griff.

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Hinter ihm schwang Marlene eine Lanze und stellte sich dabei gar nicht mal ungeschickt an. Die blonde Frau, die Lucien als Alida ausmachen konnte, griff nach den Pfeilen in ihrem Köcher um einen nach dem anderen auf irgendwelche von ihm nicht erkennbare Ziele zu schießen. Ein großer hünenhafter Mann gab ihr mit seiner Axt Rückendeckung.



Lucien hörte die tiefe melodische Stimme, die ihm so unbekannt war:

"Auf die Pferde! Los! Er hängt sie schon ab."

Vier Augenpaare richteten sich auf ihn, dann vertrieb ein Blinzeln seinen Blick, und sein heftiger Herzschlag verhinderte jedes weitere Anzapfen seiner alten Kräfte. Lucien konnte es kaum glauben. Gerade eben noch war der Kampf schier ausweglos gewesen und seine Hoffnungen am schwinden, da waren nicht nur Jean sondern auch alle anderen erschienen. Alida mit ihrem Bogen und Marlene mit einer Lanze und schließlich auch Gerrit, der Mensch Gerrit, auch bekannt als Menelaos, der Grieche. Faszinierend wie ihm seine Fantasie in diesem Traum ein so komplexes und vollständiges Bild von Gerrits sterblicher Erscheinung inklusive Stimme vorgaukeln konnte. Und die Stimme sprach wahr: jetzt oder nie! Seine Freunde konnten keinen Augenblick länger warten, heldenhaft allein, dass sie für genug Tumult sorgten damit er verschwinden konnte. Sein Blick fixierte den Wald vor sich und er nutzte den kurzen Moment, des Aufflackerns seiner alten Kräfte um sich zu orientieren. Nein, geradeaus war der Weg versperrt und flankiert. Er drehte sich hastig um. Ohne ein Wort des Dankes, um nicht seine Position zu verraten, hastete er in die entgegen gesetzte Richtung. Hoffentlich würden es alle schaffen, so dass er ihnen nachträglich danken konnte. ‚Reitet!’, dachte er. Denn auch wenn die Pferde schnell waren, man wusste nie wie schnell diese Bestien werden konnten. Geschwindigkeit und Distanz war für die meisten Gangrel kein Problem.
Vanya lag geflockt vor ihm auf dem Boden, das Schwert in der Brust. Lucien rannte los und musste die silberne Waffe zurück lassen. Die Meute war verwirrt. Lucien erkannte es an den hastigen unentschlossenen Bewegungen... Der Kampf am anderen Ende der Lichtung, der gepflockte Körper der halbnackten Frau, die fliehende Gestalt des Hauptmanns der Nachtwache... Ihm war klar, dass die Verwirrung einige Sekunden andauern würde. Er hörte das Wiehern der Pferde und das Hufgetrappel als die Gruppe in vollem Galopp davon schoss.
Die Verwirrung der Meute musste sich Lucien zunutze machen und das tat er auch. Wenn es eines gab, dass er in seinem Leben als Wegelagerer und Tunichtgut gelernt hatte, dann war es rennen - schneller, ausdauernder und behänder als man es jemals von ihm gedacht hätte. Er stürmte durch das nächste Dickicht, übersprang die Überreste eines morschen Baumes und umging das schmale Rinnsal eines leise dahin plätschernden Baches, indem sich das Mondlicht spiegelte. Lucien war sechs Jahre alt und lief durch den Nachmittagsregen des Waldes rund um Nimes, hinter ihm die drohende, brüllende Stimme seines Stiefvaters die langsam leiser wurde. Blut sickerte aus der Platzwunde an der Schläfe des kleinen Jungens, Überreste eine allzu häufig vorkommenden "Meinungsverschiedenheit". Er war achtzehn als er über den Marktplatz von St. Germain lief, die Wachen im Nacken und das Kläffen der Hunde in den pochenden Ohren, fünfundzwanzig als sie den ersten Handelsposten niedergebrannt hatten und vor den Schergen des Vogts flohen. Dann war er untot und rannte durch die weiten Ebenen und tiefen Schatten des Schwarzwaldes. Weiter und weiter sich nicht ein einziges Mal umblickend überwand er selbst bei stockfinsterer Dunkelheit Meter für Meter, kämpfte sich eilig voran und machte einen großen Bogen mit dem Ziel schließlich wieder zurück zu den Stadtmauern von Brügge zu gelangen - so war zumindest sein Plan.

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Er rannte und rannte. Hinter sich hörte er wie die Meute aufholte, näher und näher kam, dann jedoch seine Fährte verlor und in die entgegen gesetzte Richtung davon hetzte. Er hatte es geschafft. Im Moment hatte er seine Verfolger abgehängt. Seit Atem ging schwer und sein Herz raste bis zum Hals. Seine Seiten schmerzten und seine Beine brannten wie Feuer. Er erinnerte sich an die Platzwunde in seiner Kindheit und griff an seinen Kopf. Er spürte das warme Blut, dass ihm in einem breiten roten Strom am Hals herab lief. Die Verletzung, die Vanya ihm mit ihren scharfen Zähnen gerissen hatte war tief und ihr Instinkt hatte sie wissen lassen wohin sie beißen musste. Er spürte wie das Leben langsam aus ihm heraus floss.
Er hielt kurz inne und kniete sich hinter einen großen Strauch, atmete gierig die kühle Nachtluft ein als er mit einer Hand an seinen Hals fasste und das warme Blut ihm die Handfläche verschmierte. Vanya hatte ganze Arbeit geleistet, aber was hätte man auch von ihr anderes erwarten können? Zumindest hatte er die Meute abgehängt und wenn er noch ein wenig durchhielt würde er es bis an die Stadttore von Brügge schaffen. Er knöpfte sein Wams auf und riss Streifen von seinem Leinenhemd ab, formte einen Druckverband und zog diesen, so gut er es alleine konnte fest zu um die Blutung abzudrücken. Sein Blut gab ihm seine Macht, also würde er sich selbst auch seine Macht geben können. Er ließ es auf einen Versuch ankommen und leckte über die blutige Handfläche.
Das Blut schmeckte gut. Unvorstellbar gut. Lebendig und es war mächtig. Es war bereit zu heilen, zu stärken aber noch floss es durch seinen Körper. Es gelang ihm notdürftig einen Verband anzulegen. Doch ohne medizinische Versorgung, das war ihm mit dem, was er über das Heilen wusste klar, würde er in seiner jetzigen sterblichen Situation in wenigen Stunden verblutet sein. Die Lage der Wunde an seinem Hals machte es fast unmöglich einen Druckverband anzulegen ohne sich selbst zu erdrosseln. Lucien sah sich um. Er war an einem größeren Teich angekommen. Er konnte Felsen und kleine schattige Überhänge am rechten Ufer erkennen. Dort wäre er für einige Zeit sicher. Hinter sich, in wohl einem Kilometer Entfernung hörte er den Schrei einer Frau. Lang und grausam und kaum noch menschlich.

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Er verfluchte seine medizinischen Kenntnisse, sie waren ihm schon damals nicht wirklich hilfreich gewesen, egal ob es sich um Pfeil- oder Klingenwunden handelte. Ein Räuber seiner Bande, Werfel, hatte das gemacht, der dumme Werfel. Aber wenn es um Wunden ging war er der richtige Mann gewesen. Der Naseweis Lucien, der unter den Räubern aufgewachsen war, hatte lediglich das allernotwendigste mitbekommen, aber das hier überstieg seine Fähigkeiten bei weitem. Nicht genug das er in wenig Stunden verblutet wäre nein, der gellende, unmenschliche Schrei der meilenweit zu hören war, gehörte ohne Frage Vanya - die wohl gerade von ihrem improvisierten Metallpflock befreit worden war oder ihm wohl einfach nur ihren Hass entgegenbrüllte um ihn einzuschüchtern. Naja, er musste zugeben dass sich seine Situation trotzdem nur marginal verbessert hatte. Er versteckte sich an den Überhängen am Ufer und überlegte angestrengt was er tun sollte. Die Meute hatte er abgehängt, seine Freunde waren sicher schon in Brügge angelangt. Vanya wäre nicht so leicht abzuschütteln und er wäre tot bevor er es auch nur irgendwie schaffen könnte ihr auszuweichen. Sein Blut... alles stand und fiel mit seinem Blut. Er zog einen Dolch aus dem Stiefel und betrachtete sein Handgelenk. So oder so, entweder das hier würde funktionieren oder er wäre ohnehin noch vor Morgengrauen tot. Mit einem gezielten Schnitt, öffnete er seine Pulsadern. Erst floß es träge, dann schoss das pulsierende Rot in Wellen aus seinem Fleisch. Schließlich riss er sich zusammen und trank sein eigenes Blut - nicht das ihm das Trinken allein etwas ausgemacht hätte, er war Kainit oder zumindest ein solcher gewesen… aber sein eigenes... das war eine ganz andere Sache.
Er spürte wie die Kraft aus ihm heraus ran. Sein Körper wurde schwächer und schwächer, fühlte sich unvorstellbar alt und gebrechlich an. Das Saugen fiel ihm von Sekunde zu Sekunde schwerer, einen Moment wurde ihm fast schwarz vor Augen. Sein Herz wurde schneller, raste und verlor doch immer mehr an Kraft. Sein Atem wurde langsamer bis er plötzlich inne hielt. Es war still am Ufer. Kein Herzschlag, kein Ein- und Ausatmen. Nur das leise Plätschern der Wellen ans Ufer war zu vernehmen. Seine Beine hielten ihn nicht mehr.
Lucien spürte wie das Blut sich in ihm ausbreitete. Es gab kein Zurück mehr. Er wurde das, was er immer war, spürte die Möglichkeiten sich zu verändern, den Ruf der Tiere und die schiere Unverwundbarkeit seines Clans… und doch war da auch etwas anderes, etwas, das von ihm Besitz zu ergreifen suchte. Es breitete sich ebenfalls in seinen Adern aus, erfüllte ihn mit Wildheit. Er wollte mehr davon und gleichzeitig wollte er am liebsten seine Haut aufreißen um diese seltsame Kraft aus seinem Körper zu reißen. Er kämpfte mit alles Kraft dagegen an, weigerte sich, die Kontrolle zu verlieren.
Lucien spürte wie Vanyas Blut durch seine Gefäße pulsierte. Alles schien sich zu wiederholen doch diesmal war kein Herzschlag oder Atemzug da um es zurück zu drängen. Es breitete sich erneut in jeder einzelnen Pore aus, alle Haare seines Körpers stellten sich auf, seine Muskeln brannten und schienen fast zu explodieren. Er spürte wie seine Krallen unter den Fingern hervorbrechen wollten. Das Blut berauschte seine Sinne, seinen Verstand. Ihm wurde schwindlig und er ging auf die Knie. Seine Augen öffneten sich endlich für die Schönheit der Nacht, seine Ohren wollten sich nach dem Wind drehen um das Wispern der Blätter zu vernehmen. Seine Füße rammten sich in den feuchten Boden und nahmen Kontakt zu der Tiefe der Erde auf.
Er spürte wie das Fell in seinem Nacken durchbrach und sich über seinen Rücken nach unten ausbreitete: Das Symbol seiner ersten Raserei. Seine Fußzehen krallten sich in den Boden und verloren ihre Form, begannen an Krallen zu erinnern. Seine Muskeln verschoben sich, nahmen eine kräftige Form an, die er nicht kannte, für Bewegungen gemacht, die ihm nicht vertraut waren. Seine Kleider spannten sich, rissen und vielen in Fetzen herab. Die Schmerzen als seine Knochen den Muskeln folgten waren unbeschreiblich und er brach zusammen und krümmte sich unter Krämpfen. Mit Entsetzen spürte er, wie sich die Knochen seiner Wirbelsäule verlängerten und sich am Ende des Rückens zu einem Schwanz formten. Seine Ohren stellten sich auf, verliefen spitz und passten sich ihrer eigentlichen Funktion an. Die Töne drangen lauter und intensiver zu ihm. Dann spürte er wie der Rest des Fells wuchs. Er versuchte es zu verhindern, konzentrierte sich, doch er war machtlos gegen diese Kraft. Die Haare brachen dicht und wild durch die Poren und bedeckten nach und nach jeden Zoll seiner hellen Haut. Erst über den Rücken, dann nach vorne gleitend wie eine Welle, schoss es aus seinen Armen über seine Brust, die Beine und das Gesicht. Mit seiner Zunge leckte er über die letzten Reste von Blut und spürte messerscharfe Reißzähne. Lucien gelang es kaum einen klaren Gedanken zu fassen. Was war das für ein schrecklicher Albtraum?
Und mit einem Mal wurde ihm etwas bewusst: Es war nicht die Raserei, die die Meute zu dem gemacht hatte, was sie war, sondern das Blut der Jägerin. Er brach zusammen und alles um ihn wurde schwarz.

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BeitragVerfasst: Sa 22. Nov 2014, 14:15 
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Trinken, trinken in tiefen vollen und schweren Zügen. Es war ein grotesker Anblick, der sich dem nächtlichen Beobachter bot, hätte er das Pech gehabt gerade in diesem Moment Luciens Weg zu kreuzen. Sich selbst leer zu trinken, hatte so etwas unsagbar widerlich-falsches, beinahe schon suizidales, das selbst Lucien zwischendrin nicht mehr ganz sicher war, was er da eigentlich tat. Wenn das hier nicht funktionierte, würde er sich ohnehin bald um nichts mehr Sorgen machen müssen, er wäre tot bevor er es merken würde. Sein Herz schlug mit rasendem Tempo und pumpte den roten Lebenssaft durch seine Adern, während seine Augen langsam zu flackern anfingen, seine Kräfte anfingen ihn zu verlassen. Und mit einem Mal wurde es merkwürdig still an den Ufern des klaren vom nächtlichen Mondlicht erhellten Sees. Lucien Sabatier war tot, hatte sich in der Hoffnung auf Rückerlangung seiner alten kainitischen Kräfte, das eigene Blut aus den Adern gesaugt.

Leblos war er in sich zusammengesackt und lag bleich und starr gen Himmel blickend, reglos unter dem kleinen steinernen Überhang. Dann schoss plötzlich und völlig unvermittelt, der Fluch Kains durch seine Adern und brannte sich mit einer alles vernichtenden Urgewalt durch seinen Leib. Er biss die Zähne zusammen und zitterte unkontrolliert als er immer noch am Boden liegend, den Brustkorb durchstreckte, das Gesicht dabei zu einer schmerzhaften Grimasse verziehend. Lucien spürte die schneidende Brutalität und animalische Stärke die seinen Körper und Geist erfüllte, das Erbe seines Clans welches ihn zurückriss aus den Landen der Toten und ihn erneut an ein Dasein als Untoter fesselte, verdammt dazu nach dem Blut der Lebenden zu gieren und die Ränder der menschlichen Zivilisation zu durchstreifen. Auch wenn es scheußlich brannte, als jede Faser seines Körpers elendig verstarb und in seinem Todeskampf wiedergeboren wurde, war es zunächst ein guter Schmerz. Die Art von Pein, die einen zurückholte aus einer Lethargie –in diesem Fall, der ewigsten aller Lethargien… aber er spürte auch noch etwas anderes, ein weitaus scheußlicheres Gefühl. Das Knacken und Brechen von Knochen, Sehnen und das schmatzende Geräusch von reißenden, blutigem Gewebe als die dunkle, untote Kraft, die nunmehr seinen Geist und Körper erfüllte zu einem weiter und weiter anschwellenden Crescendo anschwoll, das er sie sich am liebsten wie einen Fremdkörper heraus gerissen hätte. Er wimmerte wie ein kleines Kind als der brachiale Schmerz sich wie ein altertümliches Ungetüm über ihn warf und verschlang, seinen mittlerweile ganz und gar untoten Körper, in ekelerregenden Verrenkungen deformierte und schüttelte wie ein verblutender Hase den die mächtigen Kiefer eines Wolfes zerfetzten.

Mit einer ungelenken Bewegung sprang er auf, als der nächste stechende Schmerz seinen an vielen Stellen mittlerweile aufgeplatzten Leib überspannte und wie eine böse, finstere Energie aus dem inneren heraus zu peinigen schien. Er geriet ins Stolpern, fiel röchelnd und keuchend, einen Schwall Blut und abgestorbene, innere Organe heraufwürgend auf die Knie. Vanya, bei allen sieben Niederhöllen – das war nicht der gewöhnliche Kainsfluch, das war ein schreckliches Gift welches er zuvor, über die kleine Menge vom Blut seiner Erzeugerin aufgenommen hatte. Sich schmerzhaft windend und schreiend schlug er mit den Fäusten gegen die Felswand doch wie sehr er sich auch wehrte, dagegen aufbäumte und sich zu beherrschen versuchte – es kroch bis in die letzten Ecken seines Körpers.

Lucien wollte jagen, seine Krallen in das saftige, weiche Fleisch seiner Opfer rammen und in gierigen Zügen aus klaffenden, tief blutenden Wunden saugen. Er hörte Vanyas Schreie immer lauter und näher… aber nein, das war nur eine Täuschung, er hörte sie nicht näher kommen, er vernahm sie nur klarer und weitaus präziser als zu vor. Er konnte eine Maus selbst im dichtesten Unterholz noch an ihren trappelnden Bewegungen erkennen und den Hirsch auf der pechschwarzen Weide sah er so, als schiene die Sonne an einem klaren Tag im Hochsommer zur Mittagsstunde. Als er schließlich den Kopf ruckartig nach hinten riss um einen gellenden Schmerzensschrei auszustoßen, entkam diesem nur ein Knurren, schmatzendes Mahlen und Grunzen als erneut Knochen und Fleisch sich verschoben und Haare begannen sein Gesicht und den Rücken zu bedecken. Neue Muskelpartien, eisern, sehnig und brachial zerrissen nach üppigem, beinahe unkontrolliertem Wachstum selbst seine solide gefertigte Lederkleidung und bald wand sich nur noch ein, blutendes hünenhaftes Fellbündel in ein paar Kleiderfetzen unter dem Überhang. Beinahe instinktiv leckte Lucien über seinen verschmierten Mund, der sich unter scheußlichem Krachen verrenkte und nach vorne zu einer spitzen Schnauze formte; spürte kurz darauf eine Reihe gigantischer, langer und todbringender Reißzähne die aus seinem Kiefer hervorbrachen und seine früheren, menschlichen Zähne, knackend seitlich aus dem Rachen schoben.

Hilflos und beinahe bewegungsunfähig schleifte er sich selbst Richtung Seeufer als er noch kurz einen beißenden Schmerz an seiner Wirbelsäule und and den Ohren spürte, dann lag er schwer und krampfhaft röchelnd eine Weile reglos am Ufer ohne sich nur auch einen Millimeter zu bewegen, verlor gnädigerweise sogar Bewusstsein.

Als er langsam erwachte ohne zu wissen, wie lange er eigentlich außer Gefecht gewesen war, fiel ihm sofort ein sehr verändertes Körpergefühl auf. Er fühlte sich eigenartig anders an, seine Muskeln, seine Haut, das Gleichgewicht, die Verteilung der Masse – alles war irgendwie anders. Ein kurzer Blick seine Unterarme und Hände entlang, die über und über bedeckt waren mit grauschwarzem Fell und mit langen, tödlichen Klauen ausgestattet waren, ließen ihn für den Bruchteil einer Sekunde panisch werden. Mein Gott… Vanya und die Meute. Das konnte doch nicht wahr sein. Zunächst weigerte er sich aber dann fasste er all seinen Mut zusammen und blickte auf die Reflektion seines Ebenbildes auf der nächtlichen Seeoberfläche. Ob seiner grauen Augen, das einzige was jetzt noch an den einstigen Hauptmann der Nachtwache erinnerte, erschien ihm dieses, genau wie der Rest der Umgebung taghell und gestochen scharf. Ihm wäre es lieber gewesen, er hätte es gar nicht so genau erkannt denn was er sah, bestätigte seine schlimmsten Befürchtungen. Vanya hatte doch noch gewonnen.


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BeitragVerfasst: So 23. Nov 2014, 20:37 
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Die grässliche Fratze, die ihm auf der spiegelnden Oberfläche des nächtlichen Sees entgegenblickte, stand im starken Kontrast zum Rest der friedlichen, beschaulich wirkenden Umgebung des in Dunkelheit getauchten Waldes. Ein Wanderer, der sich um diese Zeit in den Vororten Brügges verirrt hätte, wäre nie im Traum darauf gekommen, dass sich gerade in diesem Moment, die schrecklichsten Monster seiner finstersten Alpträume hier versammelt hatten um die Bewohner der Stadt heimzusuchen und ein Blutbad unter ihnen zu veranstalten. Lucien war nunmehr eines dieser Monster, mehr noch als je zuvor – nicht nur ein untoter Blutsäufer und tödlicher Jäger, der die einsamen Nächte durchstreifte sondern auch äußerlich ganz und gar verdorben und verdammt. Er hätte bitter lächeln wollen ob der Ironie die in der Erkenntnis lag, das sein inneres Tier, wie es so vielen Gangrel zueigen war, nun auch die irdene Form deformiert hatte. Dieser Makel, die Schwäche und gleichzeitig auch der Stolz seiner Clanbrüder- und Schwestern hatte nun völlig von ihm Besitz ergriffen und lediglich seine grauen Augen waren ihm als dunkle Erinnerung an das Dasein als einstiger Hauptmann von Brügge geblieben.

Es hätte nicht sein sollen, es hätte nicht sein dürfen und trotzdem konnte er das dichte Fell und die langen Klauen, den Wolfsschädel und die tierischen Pfoten, die nunmehr seine Gestalt definierten, nicht aus seiner Wahrnehmung verbannen – Vanya, das war mit trauriger Gewissheit, das Werk der Vitae seiner einstigen Erzeugerin. Kein Wunder also, das diese ärmliche, völlig dem Tier anheim verfallene Meute kaum mehr an etwas menschliches erinnerte, ja nicht einmal mehr an etwas Untotes. Unmöglich war es unter normalen Umständen aber hier in dieser surrealen, mittlerweile alptraumhaften Welt war es zu einer Realität geworden die zu akzeptieren, ihn einiges an Mühe kostete. Seine Zunge strich vorsichtig über die langen Reihen, gewaltiger Reißzähne und er tauchte seine Schnauze, kurz in das kalte, klare Wasser des Sees. Das kühle Nass, erfrischte ihn und linderte die Schmerzen seines geschundenen Wolfskörpers. Eine mächtige Pranke abstützend richtete sich Lucien, der Schattenwolf, der seinem Namen nunmehr alle Ehre machte vorsichtig zu voller Größe auf und versuchte die Masse seines muskulösen Körpers im Gleichgewicht zu halten, was ob der neuen Form seiner sehnigen Wolfsbeine gar nicht so einfach schien. Als er einige träge Schritte gemacht hatte, streckte er sich und schnappte ein paar Mal nach unsichtbaren Gegnern, schüttelte sich ein wenig und legte die Nase in den Wind haltend, die spitzen Ohren an. Tausend Gerüche und Eindrücke nahm er war, noch intensiver und eindrücklicher als er es aus seiner Existenz als Gangrel gewohnt war. Diese neue Form hatte auch etwas für sich, musste er sich eingestehen und er bezweifelte, das irgendetwas oder irgendjemand in diesem Wald es mit diesem Monster, das einzig zum Reißen und Töten von Beute geschaffen war, aufnehmen konnte. Lucien war zu jenem unheilvollen, blutbesudeltem Tier geworden, vor dem sich die menschlicheren Kainiten Brügges immer gefürchtet und gewarnt hatten. Was sollte er nun tun? Wohin sollte er gehen?

Für die Realität des Traumes, war er zunächst ein Mensch gewesen aber alle die ihn als solchen erkannt und behandelt hatten, würden in ihm nunmehr lediglich das Monster sehen, das er der Welt nach außen hin zeigte. Die einzige Person die ihm noch etwas anhaben konnte, wäre Vanya und diese würde sich vermutlich noch über seinen jetzigen Zustand freuen - alle anderen sähen in ihm nur ein Ungetüm das es zu vernichten galt. Die menschliche Zivilisation, wäre ihm also ab sofort völlig verwehrt und der Anschluss an diese hirnlose Meute, war auch keine befriedigende Option, zumal dies gewiss nicht der Ausweg aus diesem mehr und mehr zu einem Alptraum mutierenden Traum wäre. Vielleicht war ja Vanya der Schlüssel zu allem und er würde sie bekämpfen müssen um endlich erwachen zu können, falls nicht… nun, Brügge war nicht weit entfernt und viele andere Möglichkeiten standen ihm nicht mehr offen.

Lucien, der Wolf ließ sich auf alle Viere sinken und die kräftigen Beine und Pfoten trugen ihn mit kraftvoller Schnelligkeit durch die öde Finsternis seines Traumes. Der Herr des Waldes, in seiner natürlichen Domäne, tödlich, leise und voll überschäumender animalischer Kraft.

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BeitragVerfasst: So 23. Nov 2014, 20:42 
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Lucien hörte das Krachen und Knacken von brechenden Ästen und aufgewirbeltem Laub am anderen Ende des Sees als wären seine Verfolger nur wenige Yards hinter ihm. Der Wind stand günstig für ihn und mit seinem hundertmal geschärften Geruchsinn witterte er den Geruch der verdreckten, blutverschmierten Gestalten. Als Hauptmann der Nachtwache wäre ihm von dem Gestank übel geworden doch im Körper der Bestie, die er nun war, verstand er, was das alles für sie war: nichts weiter als eine Jagd, ein Spiel, ein sich dem Tier hingeben ohne Rücksicht auf Verluste. Sie hatten jeglichen Verstand, jede Emotion, alles, was sie vielleicht einmal gewesen waren aufgegeben um vollständig im Rausch der Raserei aufzugehen.
Sie suchten, schnüffelten, fauchten sich dann und wann gegenseitig an, wenn sie sich zu nahe kamen, waren aber nicht in der Lage seine Spur aufzunehmen. Ihnen fehlte das logische Verständnis um die Teile, die doch so offen vor ihnen lagen, abgeknickte Zweige, menschliches Blut auf schlammigen Pfützen schimmernd, einzelne Fasern von lederner Kleidung miteinander zu kombinieren. Sie wollten nur eines: Jagen, Rennen und Fressen.
Er spürte, dass er vorerst in seinem Versteck sicher war.

Dann erkannte er die Figur am anderen Ufer. Obwohl ihre Gestalt gebückt ging und nicht mehr die anmutigen menschlichen Formen ihrer folgenschweren Begegnung hatten, war er sicher seine Erzeugerin vor sich zu sehen. Sie blickte ebenfalls über den gleichmäßigen schwarzen Spiegel des nächtlichen Sees, konnte aber außer dem Plätschern der Wellen nichts vernehmen. Ihre Kontur war die einer gewaltigen Raubkatze, geschmeidig, stark und gefährlich. Dann hörte er ihren Schrei, der schrill, fauchend und kaum noch menschlich an sein geschärftes Gehör drang. Seine Ohren stellten sich ganz von selbst in die Richtung aus der die Stimme zu vernehmen war.

„Lucien. Du kannst nicht entkommen! Wir werden dich finden. Komm heraus und vielleicht vergebe ich dir deinen Verrat. Früher oder später wirst du einer von uns sein. Unser Blut verschont niemanden.“
Sie witterte und tat einen Schritt in seine Richtung, bemerkte jedoch, dass sie im Wasser des Sees zu stehen kam und wich fauchend zurück. Sie gab ihrer Meute einige Befehle, die Lucien nicht verstand und die Gruppe sammelte sich. Desto näher sich die einzelnen Bestien kamen, desto gewaltsamer wurden sie. Sie hieben mit ihren messerscharfen Klauen nach einander, bissen unkontrolliert nach links und rechts, duckten sich jedoch wimmernd vor ihrer Herrin. Auf ein Fauchen wurden sie still und verharrten. Vanya witterte weiter, suchte seinen Geruch, versuchte seinen Atem zu hören oder seinen Herzschlag. Es gelang ihr auch nach langer Zeit nicht. Die Meute wurde ungeduldig und begann wieder untereinander zu kämpfen. Vanya entließ sie wütend und sie stoben planlos auseinander.

„Die Menschen breiten sich aus und beanspruchen unsere Jagdgründe. Du versuchst einer der ihren zu sein? Einen Platz zu finden? In irgendeiner Art und Weise nützlich zu sein? Freundschaft zu Sterblichen oder Kainiten?“
Das Echo ihres Fauchens wurde von den Felsen zurückgeworfen und Schweigen breitete sich wie eine Wolke über der nächtlichen Waldlandschaft aus.

„Glaubst du, sie werden es dir danken? Denkst du, sie werden dich noch wollen, wenn du nicht mehr der gutaussehende, respekteinflößende Hauptmann bist? Glaubst du, einer der Menschen, die dir mal wichtig waren wird dir noch in die Augen schauen, wenn du das geworden bist, was tief in deinem Inneren lauert? Eine Bestie!!!“

Wieder ließ sie ihm Zeit.
„Du kannst nur entkommen mit dem Blut von einem der Menschen, die dir etwas bedeuten.“ Sie lachte laut und lang. Es hatte etwas Erstickendes an sich. „Sie werden alles tun, um dich zu vernichten, wenn du zu ihnen in die Stadt kommst, deine „Freunde“, „Verbündete“ oder wie auch immer du sie nennen magst.“
Sie spie die Worte fast aus.

„Komm mit uns! Du kannst ohne mich nicht überleben.“

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"Alea iacta est." oder "Die Würfel sind gefallen." - Lateinisches Sprichwort


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BeitragVerfasst: Di 25. Nov 2014, 19:52 
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Wölfe bewegten sich wirklich lautlos, musst Lucien immer wieder bewundernd feststellen – nun zumindest wenn sie es für notwenig erachteten. Sein massiger, kraftvoller Körper, auf dessen Schultern ein bulliger Wolfsschädel thronte, hielt für den Bruchteil einer Sekunde inne, bevor er sich auf allen vieren, seitlich hinter eine größere Ansammlung von jungen Bäumen wegduckte. Ja, er hielt eine gewisse Vorsicht und Heimlichkeit selbst in dieser Gestalt für notwendig - Vanya und ihre Meute hingegen offensichtlich weniger. Das Knacken und Brechen von morschen Ästen und Zweigen, lenkte seine aufmerksamen Blicke in Richtung einer Hügelkuppe auf der gegenüberliegenden Seite des Sees, die von üppig wucherndem Moos bedeckt war. Wenn sich die verkrüppelten, widerwärtigen Gestalten, die in seinen Augen sogar noch weniger wert waren, als das geringste aller Tiere, dem man hier des nachts begegnen konnte, sich nicht ohnehin durch ihr Knurren und Jaulen angekündigt hätten, hätte sie der bestialische Gestank nach vermoderndem Fleisch und Blut dennoch über Meilen hinweg verraten. Für Gangrel waren ihre tierischen Male eine Art Geschenk der Clansgründerin, ein Zeichen das man mit sich und dem Tier im Einklang stand. Besaß man zu wenig dieser Male, wurde man schnell misstrauisch beäugt und in Frage gestellt. Umkehrt deuteten zu viele Male auf einen allzu leichtfertigen Umgang mit dem eigenen Tier hin, bis zu dem Punkt an dem der Clan auf diese Entarteten sogar Jagden veranstaltete um die eigene Sicherheit zu schützen. Kaum zu glauben das Vanya sich mit diesen unwürdigen Kretins abgab, sie sogar anführte und höchstwahrscheinlich auch für ihren Zustand verantwortlich war. Auf dem nächsten Thing würde man ihre Kinder vernichten und ihr, wenn sie Glück hatte, geschlossen eine ordentliche Abreibung verpassen – ganz zu Schweigen von dem Gesichtsverlust an dem sie locker für ein paar Jahre zu nagen hätte.

Aber dies war ein Traum und so real Vanya und die Meute ihm auch erscheinen mochten, nichts davon war wahr – insofern nur in einer fiktionalen Realität wahr, ein Hirngespinst seines Geistes oder die blasphemische Ausgeburt eines Zaubers von Sebastian und seiner Brut. Wichtig war nur, den Ausweg zu finden, was durch diesen zusätzlichen Fluch, den er sich nunmehr aufgeladen hatte, nicht unbedingt einfacher wurde. Dann huschte plötzlich eine Gestalt am anderen Ufer in sein Blickfeld, die sich eindeutig von den anderen Wesen unterschied. Die schlanken, kraftvollen Formen einer majestätischen Raubkatze, ließen nur einen Schluss zu: Vanya war ihm beunruhigend nahe gekommen. Aber anstatt sich auf ihre eigenen Fähigkeiten als Jägerin zu verlassen, schien sie viel zu aufgebracht und wild; überließ die Suche augenscheinlich ihren tölpelhaften, hirnlosen Monsterdrohnen, die zwar brutal und gnadenlos aber dafür umso dümmer schienen. Aus der Sicherheit seines Versteckes, in der Gewissheit für den Moment unbemerkt bleiben zu können, beobachtete er seine Erzeugerin und unterdrückte ein zähnefletschendes Knurren als ihr tierischer, hasserfüllter Schrei an sein sensibles Gehör drang.

Regungslos verharrte er auf allen vieren und sah, wie ein neugieriger Hund, auf das Kätzchen am anderen Ufer, dass sich stetig abmühte ihn einzuschüchtern oder zum Überdenken seiner Entscheidung zu bewegen. Ihr Wittern und das Zurückschrecken vor den klaren, kalten Wassern des Sees verrieten ihre eigene überspielte Unsicherheit und die tobende, geifernde Meute schien selbst ihr, in ihrem aktuellen Zorn und ihrer Enttäuschung, zuviel zu werden. Wie die jämmerlichen Straßenköter die sie waren, wurden sie mit einer fauchenden Bewegung fortgeschickt – im Rudel mochten sie stark sein, für sich allein waren es lediglich schwächliche und dumme Welpen, befand Lucien.

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Ruhig und auch nur einen Atemzug zu tun beobachtete er weiter gebannt die Raubkatze am anderen Ufer und leckte sich reflexartig den Geifer von der Schnauze. Dies schien einer dieser Momente der Entscheidung zu sein, wie sollte er weiter verfahren? Vanya konnte nicht im Ernst erwarten, dass er sich mit ihr und diesem Absud einer verkrüppelten, wertlosen Meute verbündete und mit ihr die Wälder durchstreifte. Vielleicht war etwas Wahres dran an den sich stetig haltenden Gerüchten, Ahnen würden nach ein paar Jahrhunderten nicht mehr ganz richtig im Kopf sein. Gewiss waren einige für menschliche Maßstäbe rätselhaft und fremdartig aber richtig wahnsinnig und von Sinnen, wie Vanya ihm in diesem Moment erschien? Nein, egal was sie ihm für würdelose und haltlose Kommentare entgegen warf oder wie gut sich dieser giftige Zucker in seinen Ohren anhören mochte, selbst wenn es wahr wäre – was sie da vorschlug oder für richtig erachtete, war völlig unabhängig von allen anderen Dingen grundlegend falsch und verdammenswert. Er würde sich nicht bewegen oder Anstalten machen, ihr wildes, herausforderndes Rufen zu erwidern, was ihm zugegeben recht schwer fiel. Er hätte die Sache am liebsten sofort geklärt aber er wusste, anders als die Meute, dass dies ein äußerst schlechter Plan wäre. Zu gern hätte er Vanyas Hals mit seinen mächtigen Kiefern in blutige Streifen gerissen und ihren Bauch, mit seinen Klauen in eine breiige Masse zerschnitten als ihr verhöhnendes Lachen ertönte.

Überleben? Es mochte eine Zeit gegeben haben da war er es nicht wert gewesen das Blut der Gangrel in sich zu tragen, ja er mochte einmal unwürdig, schwach und unterlegen gewesen sein. Aber die Jahre, Jahrzehnte und Jahrhunderte hatten ihn hart gemacht. Zu anfangs hätte er gewiss nicht ohne Vanya überlebt – nicht das sie ihm jemals eine große Hilfe gewesen wäre, wenn es um das grundsätzlich Überleben ging. Ihr Unterricht beschränkte sich größtenteils auf die philosophischen, spiritualistischen Ansätze ihres Weges und den allfälligen Kleinigkeiten wie die Warnung vor Sonnenlicht und Feuer. Nein, dachte Lucien der Werwolf und schabte, sich selbst in Zaume haltend, mit seinen scharfen Krallen vor sich im weichen, erdigen Boden, nein… damals nicht aber heute umso mehr. Er hatte ohne sie überlebt und würde weiter ohne sie überleben, mit oder ohne Wolfskörper, mit oder ohne ihre Meute. Ein schwerer Fehler Vanya, dachte er bei sich, du überschätzt deine eigene Bedeutsamkeit.

Bedeutsamkeit… ein weiteres wichtiges Stichwort. Glücklicherweise war diese schicksalsträchtige Begegnung mit Vanya und der ganze Alptraum, in dem er nunmehr festsaß, nicht ohne positive Seiten geblieben. Seine Erzeugerin hatte ihm zumindest, ob beabsichtig oder nicht, verraten wie er einen Ausweg aus seinem Traum finden würde. Das Blut eines Menschen, welches ihm etwas bedeutete würde er benötigen. Nun, Vanya war weder ein Mensch noch wirklich bedeutsam für ihn und so verharrte er auch weiterhin in seinem sicheren Versteck, bis diese sich wieder fluchend und nach ihm rufend von dannen machte. Er wartete einen Augenblick, bis sein Gehör und sein untrügerischer Geruchsinn Entwarnung gaben, dann erhob er sich langsam aus seiner Deckung und drehte den Schädel Richtung Waldrand. In weiterer Entfernung, roch er schon den penetranten Geruch der Pechfackeln und Pferdeställe – Brügge. Dort waren Menschen und was noch viel wichtiger war, Menschen die ihm etwas bedeuteten. Wenn das der Weg hier hinaus war, den er zu gehen hatte, dann würde ihn sein Weg erneut nach Brügge führen. Ein Brügge das ihn ihm nichts mehr sehen würde als ein Monster aus der Hölle, ein alarmiertes, verteidigungsbereites Brügge mit Wachen die er selbst ausgebildet und angeleitet hatte. Jeder würde sein Feind sein, niemand würde ihm helfen. Der Wolf fletschte grimmig die Zähne und es kam beinahe einem bösen Grinsen gleich. Völlig auf sich alleingestellt um das nackte Überleben kämpfend? Wäre nicht das erste Mal, stellte er entschieden fest, als seine mächtigen Pfoten sich in die feuchte Erde gruben und Lucien den Schattenwolf, der in dieser Nacht unverkennbar mehr Tier denn Mensch war, zügig Richtung Stadtmauern trugen.

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BeitragVerfasst: Do 27. Nov 2014, 12:26 
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Lucien kannte seinen Weg. Der Wind stand günstig und schon von Weitem vernahm er mit seinen geschärften Sinnen die Gerüche der Stadt: Pferdeställe, Pechfackeln, den Rauch von Herdfeuern, den Mörtel und Staub der neu gebauten Verstärkung der Stadtmauer. Er hörte das Schnarchen in den Häusern, den Wind der durch die Schießscharten der Befestigung blies, Wiehern, Befehle, die laut gebrüllt wurden und ab und an den Ruf des Horns vom Südtor zur Verständigung mit den anderen Stadttoren. Er wusste, was das bedeutete: Die Wachmannschaft war in Alarmbereitschaft, jederzeit bereit einem kommenden Angriff tapfer entgegn zu treten um ihre Stadt bis aufs Blut zu verteidigen.

Es gelang ihm sich über einen kleinen Wald, das Jagdgebiet eines der Adelshäuser von Brügge, in die Nähe des Südtores zu schleichen. Einige hundert Yards entfernt, erkannte er eine einsame schmale Gestalt an der Brüstung der Mauer, den Blick starr auf die Felder der Umgebung gerichtet. Das lange blonde Haar wehte im Wind: Alida.
Er schlich näher heran und blieb dabei stets im Schatten der Bäume und Sträucher.
Eine weitere Person stieg eine Steintreppe hinauf und kam mit festen Schritten über den breiten Wehrgang näher. Obwohl Lucien wahrscheinlich noch 200 Yards entfernt war, erschien es ihm, die beiden Gestalten wären nur wenige Schritt von ihm entfernt

„Alida?“ Es fiel Lucien nach wie vor schwer das fremde Gesicht richtig zuzuordnen, doch an der melodischen Stimme erkannte er Gerrit
„Gerrit? Gut, dass du hier bist? Gibt es etwas Neues?“ In ihrer Stimme schwangen Angst und Hoffnung mit.
„Wir haben sämtliche Männer der Stadtwache zusammentrommeln können. Die Tore und Wehrgänge sind rund um Brügge alle besetzt. Die Waffen und Verteidigungsgeräte sind bereit. Das Pech wird gerade erhitzt. Die alten Kanäle hab ich je schon vor Jahren zum größten Teil verbarrikadieren lassen und wenn unsere Angreifer nicht gerade übers ungeschützte Meer angeschwommen kommen, sind wir wohl alle in Sicherheit. Ich habe die Wolfsbrigarde zur dritten Stunde am Belfried zusammen gerufen. Ich muss mich bald auf den Weg machen. Die Jungs warten auf ihre Befehle. Und bei dir?“
„Das ist gut. Hier ist auch alles soweit in Ordnung. Keine Spur von diesen Viechern.“ Sie seufzte und ihre Stimme wurde leiser. „Aber du weißt, dass ich das nicht gemeint habe, oder? Gibt es irgendein Lebenszeichen?“
Einige Zeit verstrich. „Nein. Niemand hat etwas gesehen oder gehört. Und wenn er durch eines der anderen Tore nach Brügge gekommen wäre, dann würden wir es wissen. Ich hab den Männern Order gegeben sofort Bescheid zu geben.“
Sie wandte sich zu dem großen muskulösen Mann um. „Wir hätten ihn nie allein im Wald lassen sollen. Das war Wahnsinn. Du hast diese Kreaturen doch gesehen und diese Harpyie, die versucht hat ihn zu fressen… wie soll er entkommen? Ohne Pferd oder Unterstützung?“ In ihrer Stimme lag ein Vorwurf. An Gerrit, die ganze Situation und am meisten an sich selbst. „Alida, du weißt, Lucien ist mein bester Freund, fast so was wie ein Bruder. Ich würde wenn es ihm was nützen würde bis in die tiefsten Tiefen der Hölle wandern um ihm beizustehen,… wenns ihm was nützen würde… Aber das tut es leider nicht. Wir hatten keine Möglichkeit ihn da raus zu holen.“ Er trat an sie heran und schloss sie fest in die Arme. Sie vergrub ihren Kopf in seinem dicken grünen Mantel und ließ sich einfach nur fest halten.
Leiser hörte der ehemalige Hauptmann wieder die Stimme Gerrits. „Eines darfst du nicht vergessen: Wir haben ihm die Möglichkeit verschaffen können, zu fliehen. Er ist Lucien Sabatier, der beste Jäger, Räuber und Hauptmann, den man sich vorstellen kann, oder? Wenn einer aus einer solchen Situation wieder raus kommt, dann er.“ Er hörte das leise, tränenerstickte Lachen der jungen Frau. Alida löste sich langsam aus seiner Umarmung
„Ja, vielleicht hast du recht, Gerrit. Ich habe nur solche Angst davor, dass er nicht zurück kommt, dass er irgendwo allein im Wald liegt, vielleicht verblutet und niemand an seiner Seite ist …“
„Du liebst ihn, oder?“
In seiner Stimme schwang eine Mischung aus Frage und Feststellung. Der Schattenwolf hörte das schneidende Geräusch des Windes durch die Schießscharten. Lange Momente verstrichen. „…natürlich…“ Ihre Antwort war leise und wohl ein Zugeständnis, dass sie sich bisher selbst nicht bewusst gemacht hatte.
Gerrit legte ihr eine Hand auf den Arm. „In drei Stunden geht die Sonne auf und dann werden wir ausschwärmen und den Wald durchsuchen. Die Viecher können bei Tag nicht aus ihren Verstecken. Wir werden ihn finden… Du solltest nach Hause gehen und dich ein paar Stunden ausruhen.“ Er schmunzelte. „Erschöpft und todmüde nutzt du niemandem etwas… Wie geht es Jean und Marlene?“
„Wir haben Jean ins Hospital gebracht. Die Bestien haben ihn übel zugerichtet. Die Wunden waren tief und… irgendwie unnatürlich… Leif kümmert sich um ihn. Er hat gemeint, der Junge wird schon wieder aber es wird einige Zeit dauern. Wenn Jean es schafft, dann mit der Unterstützung unseres skandinavischen Heilers. Marlene weicht nicht von seiner Seite. Sie hilft, wo sie nur kann.“
Sie blickte erneut über die Weite des Brügger Umlandes. „Ich würde den beiden gerne gute Nachrichten überbringen. Sie werden mich nach Lucien fragen. Vor allem der Junge hängt sehr an unserem Hauptmann.“
„Die beiden sind keine Kinder mehr. Sie sind stark und verkraften auch schlechte Nachrichten. Und Jean hat genug Eigenschaften von Lucien übernommen; dazu gehören Stärke, Mut und ein ordentlicher Sturkopf.“ Wieder erhellte ein Lachen sein Gesicht.
Alida nickte. „Ich werde kurz im Hospital nach dem Rechten schauen und dann nach Hause gehen und versuchen ein wenig zu schlafen. Ich begleite dich ein kurzes Stück auf deinem Weg zum Belfried. Einverstanden?“ Die zwei dunklen Gestalten verließen den Wehrgang.

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BeitragVerfasst: Mi 3. Dez 2014, 21:12 
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Brügge versank auch ohne die Anwesenheit des Hauptmanns, gerade in geräuschvoller Betriebsamkeit. Nun, zumindest die Wachmannschaften, Späher und Bogenschützen waren in Aufruhr, galt es doch schließlich eine Bedrohung abzuwehren, der sich wohl kaum ein Sterblicher je freiwillig entgegenzustellen gewagt hätte. Das Klirren von Hufen und Metall, ein murmelndes, teils befehlsbetontes Stimmenwirrwarr und die lodernden Fackeln, die man rund um die Stadt hatte erzünden lassen ließen zusammen mit dem Wachhorn, das soeben erschallte, keinen Zweifel darüber aufkommen, wie es um die Befestigung der Stadt augenblicklich stand. Was einst auf seine Anordnungen erfolgt war, entpuppte sich nunmehr als eine Mobilmachung die ihm, ohne dass es außer ihm jemand hätte erahnen können, zu seinem eigenen Nachteil gereichte. Selbst wenn er es geschafft hatte, die Patrouillen und verängstigten Blicke der Bauern und Adligen, rund um das Gebiet der Felder, Wiesen und Äcker von Brügge zu umgehen, der Eintritt in die Stadt würde sich als schwierig, wenn nicht gar als unmöglich erweisen. Lucien duckte seinen massigen, fellbedeckten Körper, hinter eine kleine Ansammlung von jungen Laubbäumen, stets darauf bedacht, sich vom hellen Licht, der die nähere Umgebung erleuchtenden Fackeln, fernzuhalten. Dann sah er sie und seine Ohren richteten sich instinktiv auf um das soeben gesprochene, selbst auf diese Distanz in perfekter Klarheit wahrnehmen zu können. Alida und Gerrit gemeinsam auf der steinernen Wehrmauer über ihm - die Gesichtszüge ernst und in Gedanken versunken, vertieft in einen nächtlichen Dialog bei dem es vordergründig um die Verteidigung der Stadt zu gehen schien.

Da er in diesem speziellen Fall, nicht auf die Hilfe der beiden und auch auf sonst keinerlei Hilfe zählen konnte, war er völlig auf sich allein gestellt und ob der unmenschlichen Natur seiner Aufgabe, nämlich das Blut eines bedeutsamen Menschen zu trinken, ein Feind der Stadtwache und sämtlicher Bürger. Ganz zu schweigen vom Aussehen einer wilden Bestie, das er der Außenwelt gezwungenermaßen präsentierte. Es fühlt sich komisch an, ehemalige Freunde zu belauschen und die Informationen in gewisser Weise „gegen“ sie zu verwenden aber wenn er das Blut bekäme, würden sich alle Probleme von alleine lösen und alle würden buchstäblich aus einem bösen Traum erwachen. Alle Mannschaften sogar die Miliz- und Ersatzleute waren eingezogen worden, sämtliche Tore und Mauern bewacht, abgesichert und mit Waffen und Kriegsgeräten bestückt worden. Das alleine wäre ja schon herausfordernd genug gewesen aber laut Gerrit, war überdies die Wolfbrigade am Belfried in Alarmbereitschaft versetzt worden. Auch eine Zeit wurde genannt. Das half ihm, zusammen mit der Information, dass Jean überlebt hatte und von Leif, zusammen mit Marlene im Krankenhaus gepflegt wurde, schon ein gutes Stück weiter. Über die unterirdischen Gänge und Kanäle war der Zugang scheinbar versperrt worden, wirklich zu dumm denn dies wäre der einfachste Weg gewesen. Was er suchte, waren Jean oder Marlene. Beide bedeuteten ihm auf unterschiedliche Weise etwas und wenn es hier in Brügge Vitae gab, die den Bann des Traumes brechen konnte, dann wusste er nunmehr wohin er gehen musste.

Gerade als er überlegte, welche Mauer er erklimmen sollte um den schnellstmöglichen Weg zum Krankenhaus einschlagen zu können, fuhren die beiden Gestalten auf dem Wehrgang damit fort, sich zu unterhalten. Diesmal ging es um die Auseinandersetzung mit Vanya und das man ihn im Stich gelassen hätte – vor allem Alida schien sich Vorwürfe zu machen. Lucien legte den Kopf leicht schief und seine Ohren zuckten kurz, als er die Verzweiflung und Angst aus Alidas Stimme deutlich heraus hören konnte. Sie machte sich wirklich Sorgen um ihn - so wie scheinbar alle die ihn näher kannten. Selbst Gerrit zeigte mehr Emotion als sonst üblich. Der Schattenwolf schüttelte sein dunkles Fell und bleckte die Zähne. Sterbliche… in diesem Traum waren sie alle sterblich und standen den sterblichen Tugenden und Schwächen näher als der schwarzen, verzehrenden Leere des Untodes. Ein unbeherrschtes Wimmern, erklang aus seiner Wolfskehle als Alida gegenüber Gerrit verriet, das sie ihn, den Hauptmann insgeheim lieben würde. Was für ein… merkwürdiger, merkwürdiger Traum. Menschen und Hexermagie, anders konnte er sich all dies nicht mehr erklären. Es machte für die Logik des Traums vielleicht Sinn, das konnte er sich ja noch irgendwie zusammenreimen aber dennoch blieb es verstörend.

Als die beiden, in seinem Traum nur allzu menschlichen Gefährten, die Wehrmauer nach ihrem kurzen Zwiegespräch wieder verließen um sich um die aktuell, äußerst dringlichen Angelegenheiten der Stadt zu kümmern, knurrte der bullige Wolf in seinem nahen Versteck und hob die feine Nase in den Wind. Zusammenfassend, konnte man sagen das Brügge abgeriegelt worden war und nichts und niemand von außen unbemerkt eindringen würde können, selbst die unterirdischen Geheimwege wurden überwacht – ärgerlich. Lucien hob den Kopf ein gutes Stück weiter an und blickte in die sternenklare Finsternis des Nachthimmels als ihm die rettende Idee kam. Rings um, als auch unter Brügge, vermochte man sich wohl keinen Zutritt zu verschaffen aber mit einem Eintritt von oben würde niemand rechnen. Wenn er tatsächlich wieder im Vollbesitz seiner kainitischen Fähigkeiten, allen voran der seines eigenen Clans war, würde er sich mühelos in seine Fluggestalt verwandeln können und unerkannt in der Schwärze der Nacht abtauchen. Gerrit war auf dem Weg zum Belfried um die Brigade zu instruieren, höchstwahrscheinlich würde er sie mit Späheraufgaben betrauen, was das Eindringen nur noch weiter erschweren würde; dementsprechend gab es keine Zeit zu verlieren. Alida würde Jean und Marlene noch einen Besuch in Leifs Krankenhaus abstatten, sich dann in ihr Anwesen zurückziehen. Wenn er es vorsichtig und überlegt anginge, so könnte er auf dem Dach des Hauses landen, Alidas Besuch abwarten und sich dann Zutritt verschaffen. Das Eintreffen der Wachen würde nicht lange auf sich warten lassen aber er rechnete nur mit Jean, Marlene und Leif, eventuell noch mit ein bis zwei Bediensteten. Es gab auch die Möglichkeit, das bereits verwundete Wachen ins Lazarett gebracht worden waren, allerdings war die Dunkelheit sein Verbündeter und das Tageslicht verbrannte ihn wie eh und je. Nein, es musste noch heute Nacht geschehen. Rauf auf das Dach und rein, aus dem Weg räumen was sich ihm in den Weg stellte und ein wenig Blut von Jean oder Marlene rauben. Spätestens dann würde sich zeigen, ob Vanya die Wahrheit bezüglich des Auswegs aus diesem Traum, gesagt hätte. Wenn nicht, wäre binnen Minuten die gesamte Brügger Bevölkerung auf den Beinen, inklusive Wachen.

Lucien ließ die potenzierte, machtvolle Vitae durch seinen untoten Körper strömen und konzentrierte sich auf die Verwandlung in seine Tiergestalt, eine seiner mittlerweile leichtesten Übungen die in ihrer Nützlichkeit, kaum zu übertreffen war. Doch so sehr er sich auch bemühte, es wollte nicht klappen.

_________________
Through action, a Man becomes a Hero.
Through death, a Hero becomes a Legend.
Through time, a Legend becomes a Myth.
By learning from Myth, a Man takes action.
~Corazon~


Zuletzt geändert von Lucien am Do 4. Dez 2014, 20:11, insgesamt 1-mal geändert.

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BeitragVerfasst: Do 4. Dez 2014, 20:10 
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Beiträge: 1400
Lucien konzentrierte sich auf die potenzierte Vitae in seinem untoten Körper. Er kannte das Gefühl der Verwandlung in die Tiergestalt, wusste, worauf es bei der Verwandlung ankam. Er hatte den mächtigen Vogel in seiner Vorstellungskraft direkt vor Augen. Die gefiederten Schwingen, die ihn zügig himmelwärts tragen würden, hoch zu den dunklen Wolken die kurzzeitig den Mond verdeckten. Er hörte das geräuschvolle Knacken und Biegen der Knochen und des Fleisches. Es war so kurz vor ihm… das Gefühl wie er Anlauf nehmen würde um sich in den Himmel zu werfen.
Doch irgendetwas hielt ihn zurück. Er öffnete die Augen und verlor die Kontrolle über die Verwandlung. Für den Bruchteil einer Sekunde sah er menschliche Arme, seine verfilzten Haare hingen ihm in die Stirn und verdeckten teilweise seinen Blick. Er erkannte Finger, die sich den Wolken entgegen streckten, schlammbespritzte Füße mit kurzen braunen Haaren…
Dann wurde er zurück gerissen und alles schien von vorne zu beginnen. Seine Muskeln rissen seine Haut und seine Knochen in die Wolfsgestalt und der Schmerz brannte heller als das heißeste Feuer. Die Wucht riss ihn von den Beinen und er krümmte sich unkontrolliert am Boden ohne der Gewalt Einhalt gebieten zu können. Mit aller Kraft konzentrierte er sich darauf nicht ein unkontrolliertes Geräusch auszustoßen. Der Wolf in ihm, nein er selbst, wollte winseln, heulen, knurren. Einfach nur den Schmerz herausbrüllen, doch das würde seinen Tod bedeuten.
Wieder verlor er kurzzeitig das Bewusstsein. Die Wolfsgestalt war anscheinend das Gefängnis aus dem er nicht auszubrechen vermochte. Lucien versuchte sich mit Mühe aufzurappeln. Seine kräftigen Beine waren geschwächt und schmerzten, sein Körper fühlte sich an wie auseinandergerissen und falsch wieder zusammen gesetzt. Der Versuch hatte einiges von seiner Kraft gekostet.

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"Alea iacta est." oder "Die Würfel sind gefallen." - Lateinisches Sprichwort


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