Vampire: Die Maskerade


Eine Welt der Dunkelheit
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BeitragVerfasst: Sa 29. Mai 2021, 09:19 
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Odric würde sich, das versicherte er ihr, etwas einfallen lassen um ihr zu helfen ihren zukünftigen Zufluchtsort so sicher wie nur möglich zu gestalten. Er würde Ausschau halten nach ein paar fähigen Männern, die dann, sofern von Louisa gewünscht, in ihre Dienste treten konnten. Bis dahin würde er ihre ein paar seiner eigenen Männer stellen, die um das Elysium Ausschau halten würden, die er aber leider nicht immer entbehren konnte.
Im Haus des Gerardus van den Berg war ein Diener zugegen, der ihre Fragen beantwortete.
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Gelehrte Frauen, das versicherte er ihr, waren in Brügge nicht vorhanden. Ihnen war das Studium an den Universitäten verboten, nur die Töchter reicherer Patrizier erhielten mitunter eine schulische Ausbildung in den eigenen vier Wänden. Es gab ein Beginenkloster, das einige verwitwete Frauen beherbergte, die nicht gewillt waren den Schleier zu nehmen und Nonne zu werden. Ansonsten war Brügge, so wie viele andere flandrische Städte bekannt für Hand- und Kaufmannsfrauen, die weniger als in anderen Teilen Europas gewillt waren, ihren angestammten Platz einzunehmen. Ein Großteil der Seidenweber zum Beispiel bestand aus Frauen, die nach dem Tod ihres Mannes nicht gewillt waren erneut zu heiraten und auch bei den Kaufmannsfamilien wurden Ehen nach dem Tod von Ehemännern eher zögernd geschlossen um das Geld lieber in der Verwandtschaft zu belassen. Der Diener selbst rümpfte ein wenig abfällig die Nase über solche Gepflogenheiten. Bevor Louisa das Anwesen wieder verließ, äußerte er sich noch ein wenig verwundert darüber, dass sie bereits die zweite innerhalb einer Woche sei, die sich nach gelehrten Frauen umhörte. Erst vor fünf Tagen waren ein gebildet wirkender Spanier und seine Dienerschaft bei Ihnen gewesen, hatten mit seinem Meister ein wenig philosophiert und exakt die gleichen Fragen wie Louisa gestellt.

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Verfasst: Sa 29. Mai 2021, 09:19 


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BeitragVerfasst: So 30. Mai 2021, 10:23 
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Da sie ihrem Ghul in derlei Angelegenheiten mehr Vertrauen entgegenbrachte als in solchen, bei denen es um diplomatisches Fingerspitzengefühl ging, überließ sie Odric alle weitere Sorge um ihre Sicherheit. Nur berichten sollte er ihr, was er unternahm. Bei dem Diener versuchte sie sich dem anzupassen, was er geäußert und wie er dabei gewirkt hatte. Sie beeilte sich, den etwas peinlich berührten Eindruck einer Frau zu machen, die sehr wohl wusste, dass sie sich für Dinge interessierte, die natürlich reine Männersache waren. Mit einigen honigsüßen Worten – unterstützt von ein paar harten, klingenden Münzen – hoffte sie ihn jedoch davon zu überzeugen, dass es sich um bloße weibliche Neugier handle, Wissbegierde einer wohlhabenden Kaufmannsfrau, lästig, aber harmlos... Da sie darum wisse, wie wenig ihr solches eigentlich anstehe, wäre sie ihm sehr zu Dank verpflichtet, wenn er es nicht weiter herumerzähle, dass sie sich solch minderer Sünde hingebe, wie gesagt ohne jede böse Absicht... Doch verzehre sie sich angesichts jener Fragen, könne einfach nicht davon lassen, und so sei es wohl verzeihlich, wenn sie sich erkundige, wer wohl dieser Spanier gewesen sein möge..? An dieser Stelle wechselte eine weitere Münze den Besitzer.

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BeitragVerfasst: Di 15. Jun 2021, 19:06 
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Der Diener wirkte nicht sonderlich erbaut als Louisa sich als reiche, neugierige Kaufmannsfrau zu ‚erkennen‘ gab. Diese Art von Weib war in seinen Augen, das sah man am verzogenen Ausdruck um den Mund herum, auf bestenfalls gleicher Stufe wie gelehrte Frauen. Nichtsdestotrotz kannte er als einfacher Bediensteter seinen Platz in der althergebrachten Hierarchie nur allzu gut und senkte in gespielter Demütigkeit das Haupt als sie ihre Münzen in seine glatten Hände wandern ließ. Der Mann habe sich als Esteban de Carceres vorgestellt. Bisher war dieser noch nie in diesem Haus zugegen gewesen, der Diener hatte jedoch von dessen Bediensteten erfahren, dass er sich in den letzten Monaten in den Ländern des Heiligen römischen Reiches und Burgund aufgehalten hatte. Der Spanier schien viel zu reisen und nie länger als einige Wochen an ein und dem gleichen Ort zu verweilen.

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BeitragVerfasst: Do 17. Jun 2021, 12:39 
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Das Verhalten des Dieners kam wenig überraschend, und es fiel ihr ausnahmsweise nicht schwer, die Selbstbeherrschung zu wahren. Die Brujah war gewohnt, ihre Ziele mit einem Lächeln auf den Lippen zu erreichen, und wer ihren weiblichen Reizen nicht erlag, ließ sich für gewöhnlich mit klingender Münze überzeugen, ihr zu Willen zu sein. Sie verabschiedete sich daher sehr bald und ohne den Versuch, den hochmütigen Burschen von seiner Meinung abzubringen. Vielmehr beschloss sie, nunmehr Nachforschungen nach dem Aufenthalt von Esteban de Carceres zu betreiben. Bevor sie diesen nächsten Schritt in Angriff nehmen würde, wollte sie sich jedoch zunächst auf das vereinbarte Treffen im Gästehaus der van de Burse vorbereiten, um dieses mit den besten Aussichten auf Erfolg wahrzunehmen. Zudem würde sie ein wenig Zeit gut gebrauchen können, ihre Gedanken zu ordnen, ehe sie dem Toreador gegenüber trat, denn um wen sonst sollte es sich handeln, wollte man keine unwahrscheinliche Namensgleichheit annehmen? Was, so fragte sie sich, konnte das Kind des Kainiten von ihr wollen, der ihrem Meister ein Todfeind schien?

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BeitragVerfasst: So 20. Jun 2021, 19:52 
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Die restliche Zeit bis zum Treffen mit der van de Burse verlief ereignislos. Es kam Louisa jedoch in den Sinn sich zu fragen, warum der Toreador Esteban nach einer Gelehrten suchte, wenn er nach ihr Ausschau hielt. Sie erinnerte sich an seine Worte, als er vor vielen Monaten in der Festung in den Rheinlanden erzählt hatte, seinen Meister habe es verwundert, dass Louisas Erzeuger sie statt einer tugendhaften Gelehrten mit untadeligem Ruf auserkoren hatte, wie es sonst seine Art gewesen war. Dass Estebans Erzeuger dahinter eine Finte gewittert hatte. Wenn er in Brügge nach einer Gelehrten Ausschau hielt, würde er damit wohl nicht in erster Hinsicht sie meinen, schoss es ihr zweifelnd durch den Kopf.
Am vereinbarten Tag konnte sie das Haus der Kaufmannsfamilie van de Burse leicht finden. Ein jeder in dem besagten Viertel wusste, wo das Anwesen zu finden war und sie konnte sich schnell hindurchfragen.
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Die Häuseransammlung lag auf einer der Inseln in den Kanälen und war durch hohe, von kleinen Seitenportalen unterbrochenen Mauern geschützt. Mehrere große Gebäude lagen eng beieinander. Louisa konnte den intensiven Geruch von reifen Äpfeln wahrnehmen.
An der großen eisernen Pforte ließ ein Diener sie nach kurzem Dialog passieren und sandte sie anschließend an die Haupttür.
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Erst nach mehreren Minuten öffnete eine rundliche Frau und sah sie skeptisch an. Ihre Hände waren mit Mehl bestäubt und in ihrer Schürze lugte ein langer Holzlöffel aus einer der Taschen hervor.
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BeitragVerfasst: Di 22. Jun 2021, 18:51 
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Die Ungewissheit, wen der Toreador nun suchen mochte, bedeutete einerseits eine gewisse Chance, dass doch niemand sie in ihrem Schlupfwinkel aufgestöbert hatte – andererseits nagte die Neugier an ihr, wer in diesem Falle wohl sonst die geheimnisvolle Gelehrte sein mochte, nach der er fahndete. Weibsvolk, das sich in derlei Dingen auskannte, war in der Tat selten... Louisa bemühte sich redlich weiter, Esteban ihrerseits ausfindig zu machen, ohne ihr Interesse allzu öffentlich werden zu lassen. Eine vorübergehende Pause legte sie allerdings für den Besuch im Hause van de Burse ein. Angetan mit ihrem besten Staat suchte sie ihren Weg zum vereinbarten Treffpunkt.

Die Kainitin ließ sich von einem zuverlässigen Mann Odrics bis zum Tor des Anwesens begleiten, um nicht als Frau aufzufallen, die um solche Zeit allein in den Gassen unterwegs war, und auch um ihr Ego ein wenig zu streicheln. Dass sie recht lange warten musste, ließ zwar ihr Brujah-Blut aufwallen, doch bezwang sie ihre Ungeduld. Ein kurzer Blick auf die Frau, die an der Tür stand, ließ sie vermuten, dass es sich um die Köchin oder Haushälterin handelte. Eine Angehörige der Dienerschaft eindeutig, unter dieser jedoch eine bevorzugte oder womöglich gar die oberste im Hause. Daher nickte Louisa zurückhaltend, aber höflich – eine gutsituierte Bürgersfrau, die gute Manieren pflegte, sich ihrer Position aber durchaus bewusst war. "Gott zum Gruß, gute Frau" meinte sie. "Ich bin mevrouw van de Voort. Man erwartet mich."

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BeitragVerfasst: Di 6. Jul 2021, 19:47 
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Die Dame, die ihr gegenüberstand, presste skeptisch die Lippen aufeinander und musterte sie von Kopf bis Fuß, entschied dann aber, dass Luisas Betragen und ihr Anliegen angemessen waren. Sie nickte wohlwollend. „Einen guten Abend, mevrouw van de Voort. Die Herrin Alida wird bald Zeit für euch ha-ben. Sie macht sich derzeit noch ein wenig zurecht… Ihr könnt derweil im Gästehaus auf sie warten.“ Sie sah sich mit geschürzten Lippen im Eingangsbereich um, sah auf ihre Hände und schien zu überlegen. Ihre Stimme klang laut und befehlsgewohnt als sie in Richtung der hinteren Räumlichkeiten ausrief: „Hendrik? Ich hab dich doch vorhin zur Bibliothek schleichen sehen. Komm her und mach dich nützlich!“ Es war eindeutig, dass diese Matrone keinen Widerspruch dulden würde.
Aus den Schatten der Gänge hörte Louisa missmutiges Gemurmel und schlurfende Schritte, die langsa-mer als nötig näher kamen. „Berta, ich bin doch kein Diener. Ich hab zu tun…“
Eine Gestalt schälte sich aus der Dunkelheit und Louisa erkannte den ungewöhnlichen Jungen wieder, den sie zuletzt vor einigen Nächten in den Straßen Brügges getroffen hatte. „Frau van de Voort?“ Über-rascht blieb der Knabe stehen und starrte sie an. Ganz offensichtlich hatte er mit vielem gerechnet, aber nicht mit der blonden Brujah. Es blitzte in seinen Augen und ein schmales, doch freudiges Lächeln zuckte um seine Mundwinkel.
Die Bedienstete zog eine Augenbraue in die Höhe. „Ihr seid euch also schon einmal begegnet? Um so besser! Für die Dame bitte ins Gästehaus! Herrin Alida erwartet sie. Bevor du dich wieder an den Bratäp-feln mit Sahne vergreifst.“ Ein wohlwollendes mütterliches Schmunzeln legte sich auf ihre Züge.
Hendrik verdrehte die Augen und grummelte in den nicht vorhandenen Bart. „Beim letzten Mal: Wie alt war ich da? Fünf?“
Die Köchin gab ihm einen Schubs in Louisas Richtung. „Man kann in der Küche nie vorsichtig genug sein.“ Dann machte sie auf dem Absatz kehrt, grüßte Louisa ein letztes Mal und kehrte wohl in ihren Herrschaftsbereich zurück.
Hendrik schien es zu freuen mit der Besucherin allein zu sein und schien nichts mehr dagegen zu haben ‚niedere Dienste‘ zu verrichten. „Folgt mir bitte!“ Er verließ das Haupthaus und durchschritt ein steiner-nes Seitenportal ohne Tür, das von Geißblatt und wildem Wein umrankt wurde. Ein paar spärliche Lich-ter erhellten den Weg und waren wohl extra für Louisa entzündet worden.

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BeitragVerfasst: Fr 9. Jul 2021, 21:10 
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Mit einer leichten Neigung des Kopfes verabschiedete sich die Brujah von der Köchin. Ihre eigene Über-raschung, kaum minder groß als die ihres jungen Bekannten, verbarg sie hinter einem Lächeln. "Gern doch" erwiderte sie auf seine Worte. "Wenn du der Kavalier sein sollst, der mir das ritterliche Geleit gibt, dann ist mir das sehr recht." Gemächlichen Schrittes folgte sie dem Jungen, wobei sie ihre Blicke schweifen ließ wie eine müßige Spaziergängerin. Wann immer sie Hendrik streiften, blitzte der Schalk in ihren Augen. "Die rundliche Dame eben tat wohl nur so streng, weil eine Fremde dabei war, nicht? Sie scheint dich in Wahrheit sehr zu schätzen." Ein wenig neckend klangen ihre Worte. Es begann sie doch zu interessieren, welche Rolle der ungewöhnliche Knabe in diesem Haushalt spielte.
„Berta herrscht über ‚ihre Küche‘“, kommentierte der Knabe die Rolle der Köchin. „Sie liebt es seit jeher mir mitunter wenig sinnvolle Aufgaben zu übertragen, da sie es nicht sehr schätzt, wenn sich Kinder zu später Stunde außerhalb ihrer Betten aufhalten. Sie besteht auf Zucht und Ordnung, ist aber eigentlich ein herzensguter Mensch.“ Hendrik ließ sich ein wenig nach hinten fallen um neben ihr zu gehen. „Ich habe nicht damit gerechnet, dass ihr Alida aufsuchen würdet.“ Er zuckte mit den Schultern. „Auf der anderen Seite trifft sie mit der Zeit wohl eh alle wichtigen Bewohner von Brügge…, schätze ich mal…“
"Zucht und Ordnung, so ,so... Nun, es sind viele der Meinung, die seien das wichtigste" meinte sie, wo-bei ihr Grinsen deutlich machte, dass ihre Position wohl ein wenig hiervon abwich. Sie warf Hendrik einen Seitenblick zu. "So, du hast nicht damit gerechnet? Also hast du dir so deine Gedanken gemacht, was ich wohl tun würde..." In einer Geste, die normalerweise für erwachsene Männer reserviert war, warf sie kokett ihr Haar zurück. "Ich darf mich also in dem Bewusstsein sonnen, dass mir ein Kavalier einige Gedanken gewidmet hat? Das schmeichelt mir sehr." Die Dame de Burse traf sich also mit vielen, vielleicht gar allen wichtigen Bewohnern der Stadt... "Wichtige Brügger – wen meinst du denn zum Bei-spiel?" erkundigte sie sich, ohne sich die Mühe zu machen, ihr Interesse gänzlich zu überspielen. Der Junge besaß einen gewissen Scharfsinn, und seine Sinne waren bemerkenswert wach. Für ihn wäre es wohl eine schlimme Beleidigung gewesen, hätte sie ihn wie ein Kind behandelt, das man derart leicht hinters Licht führen konnte. Ihr Interesse an diesem kleinen "Hausdiener" wuchs allmählich.
Hendrik biss sich auf die Lippe, überlegend, wie er antworten sollte. „Ihr wisst, wen ich meine, oder? Seit über einem Jahr ist Brügge eure Behausung. Ihr habt einige von ihnen kennen gelernt, sonst wäret ihr jetzt in diesem Moment wahrscheinlich nicht hier.“ Er sah sie vorsichtig und entschuldigend an als hätte er zu viel gesagt oder einen unfreundlichen Ton gebraucht.
Sie blieb stehen und sah dem Jungen in die Augen. Dann nickte sie. "Ja, ich weiß es denke ich. Du sollst nicht mehr sagen, als du darfst. Ich möchte nicht, dass du Schwierigkeiten hast meiner Neugier wegen." Ihr Blick war ernst, barg vielleicht auch eine Andeutung von dem mütterlichen Ausdruck in sich, wie ihn die Köchin gezeigt hatte. Dann lächelte sie wieder, und das Unbeschwerte, Mutwillige, kehrte wieder zurück auf ihre Züge. "Ich will mich sehr gern damit begnügen, von Euch geleitet zu werden, mein Kavalier" neckte sie ihn erneut, deutete einen Hofknicks an und reichte ihm mit einem "Also, wollen wir gehen, mein edler Herr?" den Arm in einer elegantren Geste derart, dass er sie an weiten Ärmel ihres Kleids würde symbolisch "führen" können, ohne ihre kalte Hand zu berühren.
Der Junge sah sie an und musterte ihre Gestik ihm den Arm zu reichen verstohlen. Er sah zu ihr hoch, die sie ihn um mehrere Köpfe überragte und biss sich erneut auf die Lippen. Louisa konnte sich denken, dass es schmerzen musste. Er entscheid sich dafür den Arm zu ignorie-ren und deutete auf ein Gebäude am östlichen Ende des Gartens. Das Haus wirkte neu, wahr-scheinlich keine zehn Jahre alt, mit soliden Mauern und steinernem Dach. Man hatte Rosen gezogen, die sich an den Hauswänden hochrankten, in den Rabatten davor blühten Kapuzi-nerkresse und Minze um die Wette. „Das ist das Gästehaus. Alida wird sich noch ein wenig zurecht machen und bald bei euch sein.“
Nonchalant überging sie sein Zögern und seine Entscheidung, ihren Arm zu ignorieren. Als sei nichts geschehen, schritt sie neben dem Jungen weiter. Eingehend mustert sie das Gäste-haus, schätzte, wie viel seine Errichtung wohl gekostet haben mochte, studierte die stabilen Mauern. "Ich danke dir, mein Junge" sagte sie schließlich ganz ruhig und fuhr mit der Hand in ihre verborgene Börse, um ein kleines Geldstück hervorzuziehen. "Ich vermute, dass du dich nicht beleidigt fühlst, denn ein wenig Geld kann man immer brauchen, und für ein Ge-leit keinen angemessenen Lohn zu geben wäre meines Standes unwürdig" meinte sie und hielt ihm die Münze hin. Dass er unter einem hohen Druck stand, war unschwer zu bemer-ken. In ihn zu dringen, wäre hier und jetzt aber das schlechteste, das sie versuchen könnte, da war sie sicher. Vielleicht würde er früher oder später von sich aus einen Schritt wagen...
Das Haus war solide und eindrucksvoll gebaut und musste den Bauherren eine Stange Geld gekostet haben. Die Brujah konnte sich denken, dass es genutzt wurde um reiche Gäste zu empfangen, die man mit dem zur Schau gestellten Reichtum beeindrucken wollte.
Hendrik schüttelte mit einem amüsierten Zucken um die Mundwinkel den Kopf. „Es war mir eine Freude euch wieder zu sehen und ich habe euch gern den Weg zum Gästehaus begleitet. Wenn ihr so wollt…: Es war mir eine Ehre!“ Er öffnete die zweitürige Hauptpforte des Ge-bäudes und ließ sie eintreten. Er führte sie durch einige mit Teppichen ausgelegte Gänge in ein weitläufiges, edel eingerichtetes Studierzimmer
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Sinnend ließ sie ihre Blicke auf und ab schweifen. Der Reichtum, den das Haus verdeutlich-te, sagte ihr eines: Sie war im Gespräch mit den rechten Leuten – denn wer reich werden wollte, brauchte reiche Freunde, wie das Sprichwort so sagte. Mit einem kurzen Neigen des Kopfes akzeptierte sie die Worte Hendriks und meinte: "Nun gut. Doch ich weiß Galanterie zu schätzen, mein Kavalier. Vielleicht kann ich mich irgendwann noch auf andere Weise bedanken." Dieses Mal lag kein Scherz in ihren Worten – der Tonfall war ruhig, aber ernst. Sodann betrat sie das Gebäude und ließ nun auch die Räumlichkeiten im Inneren auf sich wirken. Unwillkürlich schritt sie in dem Studierzimmer umher, besah sich Folianten, Ast-rolabien oder was auch immer an Handwerkszeug eines Geistesarbeiters sich vorfand. Diese Dinge, sie atmeten den Geist des Hidalgos... Wissen. Erkenntnis. Weisheit? Macht, in jedem Falle. Sie hatte sich innerlich stets gegen sein strenges Regime, gegen die Erziehung zu ei-ner Gelehrten gesträubt. Und doch: Das geschrieben Wort, die Werkzeuge des forschenden Geistes, sie hatten mittlerweile etwas vertrautes für sie, die einmal, als Sterbliche, kaum in der Lage gewesen war, den eigenen Namen zu kritzeln. Sonderbar... Dabei hatte sie ihren Meister stets dafür verlacht, dass er manches Buch als einen engen Freund anzusehen schien.
Das Studierzimmer, soviel war Louisa bewusst, diente zur kurzweiligen Unterhaltung von Gästen, die warten mussten. Gemälde und Karten hingen an den Wänden, in den Regalen waren ein paar Bücher aufbewahrt, deren Wert nicht im unermesslichen angesiedelt war. Diese Räume dienten für gewöhnlich wohl dazu Geschäfte abzuschließen.
Der Junge musterte sie, während sie durch den Raum wanderte. „Ich mag die Karten sehr“, gestand er. „Eines Tages würde ich auch gerne reisen…“
Gedankenverloren ließ sie ihre Hand über Buchrücken streichen. Mochten auch die Inhalte der Seiten nicht die seltensten sein, so war doch immer noch jedes von ihnen das Erzeugnis mühsamer Handarbeit, die man sich nicht für wertlose Worte machte. Eine Bibliothek, hatte ihr Meister einmal gesagt, sei ein größerer Schatz als ein Gemach voller Goldmünzen. Tö-richt, hatte sie damals gedacht, lächerlich, denn für Gold erhielt man ein kostbares Gewand, ein edles Reitpferd, ein Haus, Diener – was immer man wollte. Und doch... Louisa hob den Kopf und musterte Hendrik. "Du würdest gern ferne Länder sehen? Welches mag wohl das sein, das du am liebsten von allen sehen würdest? Venedig? Konstantinopel? Das Heilige Land? Oder vielleicht die Länder der Muselmanen im Westen?"

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BeitragVerfasst: Sa 17. Jul 2021, 19:42 
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Der Junge ließ seine Augen durch den Raum schweifen, verweilte auf den großen Landkar-ten. „Schiffe fahren von hier aus in alle Himmelsrichtungen: zu den erzhaltigen Gebirgs-massiven im Norden, sie werden in England mit robuster, weicher Wolle beladen, bringen Wachs, Honig, Bernstein und Pelze aus dem fernen Osten… sie segeln bis in Gebiete, die winters wie sommers vor Hitze glühen. Ich würde gern alles sehen…“
Eine Stimme antwortete von der Tür her. „Ich bin mir sicher, das wirst du, Hendrik. Wenn du alt genug bist, kannst du fahren wohin der Wind und die Wellen dich bringen.“
Eine blonde Frau, die aussah wie Mitte 20, war in den Pfosten der Tür getreten und hatte offensichtlich den letzten Worten des Knaben gelauscht.
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Sie trug ein helles Kleid aus fein gewebtem ungebleichtem Leinen und hatte das Haar hoch-gesteckt. Ihre Züge wirkten als hätte sie ein wenig zu viel Puder aufgelegt und verliehen dem Gesicht etwas fast unmerklich Künstliches.
Hendrik drehte sich ohne große Überraschung zu zeigen in ihre Richtung und legte beide Handflächen auf die Lehne einer Stuhles. Er sah sie fest an. „Das mit dem „alt genug“ habe ich in den letzten Wochen mehr als genug gehört. Ich hoffe, es nutzt sich nicht irgendwann ab…“
„Vielleicht ist einfach etwas Wahres dran“, antwortete die blonde Frau und ein Lächeln brei-tete sich auf ihrem Gesicht aus. Dann sah sie zu Louisa. Mit den Händen vollführte sie eine einladende Geste, die den ganzen Raum umfasste. „Louisa van de Voort? Es ist mir eine Ehre! Welche Schwelle ihr auch immer betretet, es möge jemand da sein, der euch will-kommen heißt. Seid für heute Abend mein Gast!“

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BeitragVerfasst: So 18. Jul 2021, 09:03 
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Die Brujah hatte den Jungen bei seinen Worten nachdenklich betrachtet. Ehe sie zu einer Antwort kam, trat allerdings die Gastgeberin auf den Plan. Louisa neigte den Kopf höflich und deutete einen Knicks an. "So ist es, ich bin Louisa van de Voort. Die Ehre ist ganz meinerseits, meine Dame – ich nehme Eure Gastfreundschaft dankend an." Ihr Blick war beim Neigen des Kopfes über die Erscheinung ihres Gegenübers gewandert, und sie hatte kaum merklich ebenfalls ein zuvorkommendes Lächeln aufgesetzt, ihre Gesten wirkten beinahe höfisch. "Dieser junge Kavalier war so freundlich, mich hierher zu geleiten" sagte sie mit einem Nicken in Hendriks Richtung. "Wir sprachen gerade über die Abenteuer, welche ihn künftig erwarten mögen." Ganz von allein, ohne dass sie etwas bewusstes dazu tun musste, schätzte sie die andere ein. Wie teuer war sie gekleidet, geschmückt, besaßen ihre Züge ein ansprechendes Ebenmaß, zeugten ihre Bewegungen von Eleganz, Selbstbewusstsein, lag darin gar jene raubtierhaft-laszive Lockung, wie sie so manchem Kainiten zu eigen war? Kurz: War diese Frau Ihresgleichen, eine Konkurrenz?

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