Vampire: Die Maskerade


Eine Welt der Dunkelheit
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BeitragVerfasst: So 19. Apr 2015, 13:33 
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"Die zwei Türme"

Krieg.

Krieg ist immer gleich.

In einigen Jahrhunderten, würden Gelehrte und Interessierte die Bücher der Geschichte aufschlagen und die Begebnisse ferner Länder und Städte, längst vergessener Königreiche und Territorien darin wiederfinden. Darin geschrieben, würden Intrigen, Verrat und Bündnisse verzeichnet sein als auch die Gräuel der Schlachten, die über Europa fegten. Keiner jedoch und mochte er noch so viel Wissen angesammelt haben, könnte sich im Entferntesten ausmalen, was es heißt dabei gewesen zu sein. Einigen jedoch, würde diese Bürde auferlegt sein; einige würden sich an jede noch so unbedeutende Einzelheit in all ihrer schrecklichen Pracht erinnern. Einige waren, aufgrund eines seit Anbeginn der Zeit bestehenden Fluches, dazu verdammt die Bilder und Stimmen, das Blitzen der Schwerter und das kalte Klirren von Metall, immer wieder vor Augen zu haben und sich zu erinnern. Selbst dann noch, wenn diese Dinge längt im Strudel der Zeit versanken und aus dem Bewusstsein der Menschen getilgt wurden…

Der Krieg der zwei Türme, Drachenfeste im Osten und der Belfried im Westen, die stellvertretend für die aneinander grenzenden Domänen Brügge und Ostbrügge standen, war ein kurzer aber dafür umso blutigerer gewesen. Viel zu lange hatte man mit sich gehadert, hier und da dem Feind wirtschaftlich oder politisch Steine in den Weg gelegt, Spione und Saboteure entsandt, um jeweils den anderen möglichst empfindlich in seinen Bemühungen zu behindern. Doch im Jahre 1204, sollte sich ein Wandel in den Köpfen der Kinder Kains vollziehen, ein Wandel den die florierende Stadt Brügge als erste zu spüren bekam. Obgleich die Stille des Blutes weiterhin hochgehalten wurde, waren Prinzen und Fürsten in ganz Europa nunmehr auch mehr als bereit, ihre Kriege offen und auf den Schlachtfeldern zu führen. Blutvergießen war bei den Kindern Seths als auch denen Kains, kein Kavaliersdelikt mehr, es war eine brachiale und aggressive Strategie, die als durchaus legitime Methode, den Feind in die Knie zu zwingen betrachtet wurde. Und so kam es, dass auch Draga Nefedov, die sich dereinst von Brügge losgesagt hatte um ein Tzimisce-Voivodat im Stile der großen Reiche im Osten zu errichten und darüber uneingeschränkt zu herrschen, diesen letzten Schritt tat. Jahrzehnte lang hatte sie hoffnungslos versucht Brügge politisch zu denunzieren, wirtschaftlich zu ruinieren oder wenigstens zu bremsen. Sie versuchte Verbündete gegeneinander auszuspielen, den Hass von bereits bestehenden Feinden weiter zu schüren und durch taktische Spionage, dem Rat der Stadt das Unleben schwer zu machen. Doch wie sehr sie sich auch bemühte, ihre Bemühungen waren nie von Erfolg gekrönt; konnten höchstens als kurzweilige Hindernisse betrachtet werden. Mit dem Versuch, Verbündete und Unterstützer in den Reihen ihres eigenen Clans zu gewinnen, entsandte sie Schreiben in die Lande der Unholde, in denen nach wie vor der hasserfüllteste Krieg, der je in den Annalen der Kainiten verzeichnet wurde, tobte. Viele taten ihre Vorstellung als lächerlich ab und gemahnten sie, sich wieder auf das Wesentliche, die Vernichtung der Tremere zu konzentrieren – Europa und selbst das reiche, gut gefütterte Brügge, wären den Aufwand nicht wert. Doch es gab auch einige, mit genug Macht und Einfluss, die zumindest den Versuch sich eine der größten Goldkammern jener Zeit gefügig zu machen, als lohnenswert befanden. Gold war wertlos aber die Ressource Gold, war das Schmiermittel in den scharf mahlenden Getrieben der Kriegsmaschinerie. Draga erhielt die Unterstützung, die sie sich erhofft hatte, allerdings nicht in der Form, in der man sie sich gewünscht hätte. Als der „Gesandte“, den man ihr für die Lösung dieses lästigen Problems geschickt hatte schlussendlich eintraf, war selbst Nefedov nicht mehr allzu überzeugt von ihrer Idee. Wie ein weiser Mann einst sagte: Sei vorsichtig mit dem was du dir wünscht – es könnte in Erfüllung gehen. Ihres als auch das Schicksal Brügges war besiegelt und wenn auch noch niemand die leiseste Spur eines Verdachtes schöpfte, bahnten sich die ersten Zeichen der finalen Auseinandersetzung langsam schleichend, wie ein bedrohlicher Schatten, der sich zwischen den nächtlichen Häuserzeilen herumdrückte an.

Dann brach die Hölle über die Stadt herein…

Es begann fast heimlich und so unvermittelt, dass man den warnenden Signalen nicht recht glauben schenken konnte. Der Hauptmann der Stadtwache verschwand spurlos auf einem seiner Streifzüge, der Auskunft über die Lage und den aktuellen Status Quo des Feindes erbringen sollte, während das Ebenbild Lilliana von Erzhausen, ihre getreue Ghulin und mittlerweile, anerkanntes Kind selbiger, die Höfe der Liebe scheinbar völlig grundlos verlassen hatte und gepflockt und reglos in einer der Gassen der Stadt aufgefunden wurde. Die noch unsichtbare Bedrohung, welche auf die blühende Stadt zurollte wurde immer greifbarer und dehnte sich sogar bis zur Domäne Brüssel aus. Erschlagene, verbrannte Getreue, die Waffen von Verbündeten, missgestaltete Hundebestien und die systematische und gezielte Vernichtung des ehrwürdigen Klosters, welches über der Stadt thronte, säten Misstrauen und Angst; pflanzten den Samen der schieren Panik in die Herzen ihrer Bewohner. Die grässlichen, missgestalteten Monster, die sich offen in der Domäne regten waren nur ein Vorgeschmack auf das, was noch kommen sollte denn selbst die zu diesem Zeitpunkt noch unsichere, neutrale Kontaktaufnahme, mit dem östlichen Voivodat, endete mit dem Tode eines allzu bekannten Vertrauten: Joachim ohne Schwert, der für die Unentschlossenheit des Rates, mit dem Leben bezahlte. Sein abgetrennter Kopf, war die deutliche Antwort des Ostens auf Verhandlungen. Wer konnte auch ahnen, dass Draga selbst die Führung ihrer Domäne längst abgeben musste.
Auf der Suche nach dem verschwundenen Hauptmann, offenbarte sich nach und nach das volle Ausmaß der Katastrophe, die Brügge völlig unvorbereitet, in wenigen Augenblicken mit voller Wucht und Schrecken treffen würde. Das verhasste und gefürchtete Monster Hieronymus Volgar, in den Landen der Unholde auch „Der Schädelsammler“ genannt, hatte zahlreiche Söldnertruppen unter seinem Banner in der alten Festungsruine Blenheim gesammelt und dirigierte die Hunde des Krieges, mitsamt ihrer zerstörerischen Maschinerie gen Westen. Draga hatte offenbar ihre restlichen Mittel dafür aufgewandt, ein schlagkräftiges Heer für allein diesen Moment vorzubereiten. Dem Moment, in dem alle anderen Mittel kläglich versagt hatten. Selbst Kainiten anderer Clans, hatten sich mit Volgar gegen Brügge verschworen und versuchten den Rat in einen Hinterhalt zu locken, indem man eines der schrecklichsten Geschöpfe, das die Fleischformer zu diesen Zeiten aufbieten konnten, in eine perfide Falle verwandelte: Einen grotesken Voihzd. Systematisch wurde der Rückweg durch Feuergeschosse und sorgfältig abgestimmte, vorausschauende Planung erschwert. Und obgleich das fleischgeformte Ungetüm vernichtet und die erste Welle an Belagerungswaffen zerstört werden konnte, brannte ein gutes Stück des Waldes während der Feind weiter vorrückte. Zu diesem Zeitpunkt war es auch, da Leif „der Verräter“ Thorson sich dem Rat erneut offenbarte und ihm seine Unterstützung zusicherte. Mochte vorgefallen sein, was da wollte, hier ging es um das Überleben Brügges und all jenes, woran er einst geglaubt und wofür er gekämpft hatte.

Die völlig überrumpelten Truppen in der Stadt wurden aus ihren Betten geholt, die Wachposten verstärkt, die Tore geschlossen. Ganz Brügge wurde abgeriegelt und wappnete sich für eine unvermeidbare Konfrontation, die mit dem vorhandenen Gerät und Truppenstärke kaum zu gewinnen war. Das Krankenhaus wurde in Alarmbereitschaft gesetzt, der Marktplatz hastig in ein Feldlazarett verwandelt, das schon bald die ersten Opfer würde versorgen müssen. Alles was in der Lage war ein Schwert zu halten, stand an der Mauer, der Rest verschanzte sich wimmernd und panisch in den Häusern, Kellern und Gotteshäusern der Stadt. Der Rat tat sein Möglichstes die Moral der Truppe selbst, als auch durch Mittelmänner zu stärken und sie daran zu erinnern wofür sie kämpften. Der Terror den man schon zuvor gesehen und sogleich erneut hereinbrechen sollte, durfte sich nicht wie ein eiterndes Geschwür in den Köpfen der Bürger und Soldaten festsetzen, denn genau das war es, was der General des Teufels, wie ihn die sterbliche Bevölkerung nannte, beabsichtigte. Andere Parteien, die sich ebenfalls dazu genötigt fühlten, in den Konflikt einzugreifen boten überraschenderweise, gerade im rechten Moment verlockende Hilfsangebote in Form von berittenen Soldaten und Truppenkörpern. Die kainitische Politik schien auch in Zeiten wie diesen unaufhörlich weiterzuarbeiten und sich wie schleichender Schimmel über allem auszubreiten. Doch nach einiger Beratschlagung und Abwägen, entschied man sich gegen die dennoch dringend benötigte Hilfe, da man die darauf folgenden politischen Konsequenzen nicht tragen wollte oder konnte. Immerhin blieb die Hoffnung aufrecht, das Verteidigungsbündnis mit Gent und Antwerpen käme als Retter in der Not aber die Zeit war knapp bemessen und auch diese Hoffnung schien dahin zu schmelzen, wie Schnee an einem sonnigen Frühlingstag. Man würde Kämpfen und siegreich sein oder vernichtet werden, dass machte der General, dessen Gesicht im Grunde alles über diesen Konflikt aussagte, noch bevor die ersten Hörner zum Angriff erschallten schnell klar. Draga mochte Brügge unversehrt wissen, damit sie es sich einverleiben und davon profitieren könnte – Volgar existierte nur zu einem Zweck.

Die Schlacht wurde zu einem blutigen Gemetzel, als Pfeile und Geschosse einschlugen, Häuser und Menschen zertrümmert oder verstümmelt wurden, und die gepflasterten Gassen und Straßen von Brügge sich schnell mit den Schreien der Verwundeten und Sterbenden füllten. Der Rat bot alle Unterstützung und jeden noch so vielversprechenden Trick auf um der Belagerung standzuhalten, trieb die Männer und Frauen von Brügge zurück an die Wälle wenn diese sich in Panik abwandten, versperrte die Sicht der Feinde mit Rauchbomben und übergoss die Söldner mit kochendem Teer. Leitern wurden umgestoßen, Schilde gegen Köpfe gerammt, Schwerter und Beile schlugen aufeinander und in Rüstungen gehüllte Leiber ein.
Damit aber nicht genug, sah man sich zusätzlich auch mit den unmenschlichen Gefahren der Monstrositäten des Generals konfrontiert, der fliegende und kriechende mit scharfen Klauen und Zähnen bestückte Scheußlichkeiten auf die Stadt niederließ und selbst vor den Verletzten nicht Halt machte. Die lang ersehnte Rettung kam für die tapferen Verteidiger der Stadt keine Sekunde zu früh und war dennoch völlig unerwartet. Während Leif Thorson die vermutlich gefährlichste und abscheulichste Kreatur aus dem Arsenal des Unholds, einem gigantischen, gepanzerten und mit rasiermesserscharfen Zähnen und Widerhaken übersäten, monströsen Wurm, in einem Kampf auf Leben und Tod verwickelte der mühelos meterhohe Tunnel unter die bereits angeschlagenen Festungsmauern von Brügge gegraben hätte, erschallten Nordöstlich der Mauer die Fanfaren der Genter Renegatenkompanie. Gent war gekommen um Brügge wie vertraglich vereinbart und besiegelt in der Stunde höchster Not beizustehen auch wenn ihr Eintreffen ob der Distanz innerhalb dieser kurzen Zeit beinahe an ein Wunder grenzte. Ebenso ein Wunder, war der ergiebige Regen, der den Boden rings um Brügge in eine breiige Matschlandschaft verwandelte, welche den Feinden das Vorankommen erschwerte und den brennenden Wald in eine Rauchsäule voller totem Holz verwandelte.

Das Blatt schien sich nunmehr doch endgültig zugunsten der Verteidiger zu wenden, als eine kleine aber gut ausgebildete Abteilung französischer Ritter auch ohne zuvor von einer politischen Entscheidung angetrieben worden zu sein, die Söldner im Westen bekämpfte. Mit Gent im Osten an der Hauptstreitmacht des Feindes, den Franzosen im Westen und dem offenbar nicht angegriffenem Norden der Stadt, galt es nur noch den Süden um jeden Preis zu halten. Griselda und ihr Gefährte Victor, ebenfalls eine entflohene, den Fängen der Tremere entkommene Gargyle, ließen unterdessen schwere Trümmerfelsen und ausgebrochene Steine auf die Belagerungswaffen der mittlerweile unterlegenen Söldner regnen. Aber selbst als es den verzweifelten Wachleuten der Stadt, zusammen mit Alida van de Burse und Lilliana von Erzhausen gelang, den verstärkten Rammbock, der die Tore des Wachhauses aufzubrechen drohte, in Flammen zu hüllen und schlussendlich mit der geballten Kraft Gerrits, dem in diesem Krieg als Sir Aldur dem Held von Portiers gehuldigt wurde, zu zerstören, gelang dem Feind der finale Durchbruch. Volgar brach mit den Überresten seiner bezahlten Horden durch das Südtor und schlachtete sich durch die Reihen der menschlichen Soldaten und Zivilisten, die niemals auch nur den Hauch einer Chance gegen das Ungetüm des Ostens gehabt hätten. Der Kampf gegen den General schien aussichtslos und ließ Lilliana in Starre und mit einem Hieb in zwei Hälften geteilt sowie Alida, schwer verwundet zurück.
Gerrit, bewaffnet mit einer Hellebarde als Lanze eilte den beiden auf Jeans Nachricht hin zu Hilfe, wurde aber von einem Luchs von der Größe eines ausgewachsenen Löwen aufgehalten. Vanya, die Gangrel über die so gut wie nichts bekannt war, stellt sich ihm in den Weg. Der Kampf war kurz und schnell vorüber, mehr eine spontan erwogene Taktik dem General ausreichend Zeit zu verschaffen, denn ein ernsthafter Zweikampf. Die Wildkatze zog sich fürs Erste geschlagen zurück und überließ Gerrit das Feld, der erst am Südtor eintreffen konnte, als der Feind bereits in Richtung Stadtzentrum marschierte. Gleichzeitig fand sich dort wieder Alida ein, die sich an den zahlreichen Leichen und Sterbenden vor Ort gelabt und gestärkt hatte. Selbst Leif gelang es aus dem Bauch des Wurmes zu entkommen, aus dessen Inneren er sich buchstäblich herausschneiden musste, als dieser ihn verschlungen hatte. Von den ätzenden Magensäuren der Bestie halb zerfressen und geschunden, hatte er sich förmlich aus dem erdige Boden gewühlt und war nunmehr wie der Rest des Rates, schockiert und betroffen als Lillianas Überreste in die abgebrochene, dreckverkrustete Fahne, welche das Brügger Stadtwappen zierte gewickelt und auf dem Rücken eines Pferdes in Sicherheit gebracht wurde.

Gemeinsam folgte man der Spur der Verwüstung aus zerstückelten Soldaten und unschuldigen Zivilisten, bis man den General kurz vor dem Marktplatz einholte. Volgar und seine Armee, waren eingekreist und geschlagen, das Osttor bereits in fester Hand des Rates und der Westen kurz davor von den Franzosen befreit zu werden. Jean traf beinahe zeitgleich mit einem Trupp Wachmänner, der als Unterstützung für die berittene Kavallerie auf der anderen Seite der Stadt dienen sollte, ein. Unwillig seine Niederlage einzugestehen aber auf seine verdrehte, wohl nur für ein Monster wie Volgar verständliche „Kriegerehre“ bestehend, forderte er Gerrit, den er für seinen alten Freund Aldur hielt, als besten Kämpfer aus den Reihen des Rates zu einem Zweikampf heraus, nachdem ihm ein letztes Angebot zum Rückzug gemacht worden war. Gerrit offenbarte seine wahre Identität und duellierte sich in einem brachialen Zweikampf der rohen, eisernen körperlichen Gewalt mit dem General und ging als Sieger hervor. Verbittert aber seine Niederlage akzeptierend, verließ der General die Stadt, nicht aber ohne zuvor darauf hinzuweisen, dass Draga die Stadt erhalten wollte, während er sie gewiss dem Erdboden gleich gemacht hätte. Sie hätte schon längst nicht mehr den Oberbefehl über diese Armee, geschweige denn das Voivodat gehabt und befände sich auf ihrem Schiff in der Bucht von Brügge, wo sie die Schlacht aus der Entfernung mitverfolgte. Dem Unhold schien es lieber in einer anderen Nacht weiter morden zu können als vorzeitig den endgültigen Tod zu finden. Für Alida und Leif war in jenem Moment klar, dass eine solche Bedrohung und Gefahr wie Volgar sie darstellte, nicht mehr existieren durfte. Auch auf die Gefahr hin einen oder mehrere Unholde im Osten zu verärgern, entschloss man sich in diesem Falle für die Zukunft vorzusorgen: Volgar musste sterben bevor er ein weiteres Mal Brügge in einen blutigen Alptraum verwandeln konnte. Auf den blutgetränkten und mit Leichen übersäten Feldern im Osten von Brügge, wurde der General der Hölle mit den vereinten Kräften von Alida van de Burse und Leif Thorson sowie einem Trupp Bogenschützen der Stadtwache endgültig enthauptet und vernichtet. Seine letzten Worte, waren erwartungsgemäß eine verächtliche Schmähung und der Schwur, dass sein Tod nichts ändern würde. Frankreich und England würden bereits wie die Aasgeier an den Grenzen der Domäne warten.

Die letzte Etappe dieses wahnsinnigen Infernos, bildete die Überfahrt auf einem kleinen dafür aber umso wendigerem Fischerboot, hinaus zur Brügger Bucht, wo man bereits Dragas noch recht neu wirkendes Schiff auf der spiegelnden Oberfläche, einer mondbeschienen See, erkennen konnte. Gewiss war sie schon über die Lage der Schlacht im Bilde und würde keinen Moment verstreichen lassen entsprechende Handlungen zu setzen. Entweder man konfrontierte sie hier und jetzt oder man würde vielleicht keine zweite Chance mehr dazu bekommen. An Bord schien es sehr ruhig zuzugehen; die vereinzelten Wachen versuchten ihre Nervosität mit Kartenspielen und dem gelegentlichen, unsicheren Blick Richtung Festland zu bekämpfen. Dann plötzlich erschien Draga an Deck und wandte sich mürrisch und herrisch an ihre Mannschaft, schien aber den in den Schutzmantel der Versammelten gehüllten Rat, vorerst nicht zu bemerken. Erst am Ruder angekommen lachte sie spöttisch und sprach die Eindringlinge offen an, woraufhin die Tarnung für alle Personen an Bord mit einen Mal abfiel. Ein letztes Mal, versuchte der Rat Draga dazu zu bewegen einzulenken und sich zu ergeben. Man würde, wohl um der alten Zeiten Willen, eine faire Verhandlung und Verurteilung ermöglichen. Die Unholdin hatte allerdings noch ein Ass im Ärmel und stemmte den in schweren Kampfstiefeln steckenden Fuß, auf einen massiven, aus solidem Eisen gearbeiteten Eisensarg. Sie würde den sich darin befindlichen Lucien im Meer versenken und auch wenn er daran nicht den endgültigen Tod erleiden würde, so würde die Wassertiefe und Finsternis des Meeres dafür sorgen das ihn niemals jemand bergen könnte. Waffen wurden gezogen und die Situation erhielt eine gänzlich andere Richtung, obgleich man immer noch ruhig versuchte ein Blutvergießen zu verhindern. Zu viele waren in dieser Nacht schon auf barbarische Art und Weise gestorben.

Der Rat wollte den endgültigen Tod Dragas nicht forcieren, sondern zügelte sich lieber und lenkte ein so gut es möglich war – ganz anders sah dies allerdings der Assasine, der wie aus dem nichts aufgetaucht war, der Tzimisce seinen frisch geschliffenen Krummsäbel, knackend durch die Brust rammte und anschließend in einer fließenden Bewegung enthauptete. Draga Nefedov, einstiges Mitglied des Rates und der Koterie, Herrscherin über Ostbrügge und Fürstin des Voivodats, das sich in all dieser Zeit als fester Bestandteil von zahlreichen, neidvollen Auseinandersetzungen positioniert hatte, war nicht mehr. Ermordet von einem Assasinen, der weder seinen Namen nannte noch den seines Auftraggebers bekannt geben wollte. Er verriet jedoch, dass er von Draga beauftragt worden war Lilliana von Erzhausen in Brüssel zu ermorden, leider jedoch die Umstände es ihm nicht ermöglichten den Auftrag durchzuführen – Volgars allzu gierender Blutdurst, hätten dies verhindert. Seine Entlohnung für die Beseitigung Dragas, wäre aber exorbitant höher ausgefallen, weswegen er und auch in Anbetracht der Lage der Schlacht, eine andere Entscheidung getroffen hatte.
Zu müde und ausgelaugt um noch groß Informationen in Erfahrung zu bringen, lenkte man das Schiff zurück Richtung Hafen wo man die verbliebenen Wertgegenstände Dragas, welche sie sich für eine eventuelle Flucht mit an Bord geholt hatte, in Verwahrung nahm und den gepflockten und verkrüppelten Lucien zunächst ins Krankenhaus brachte. Seine Gliedmaßen waren vorsorglich abgetrennt und mit einem speziellen Gift bestrichen worden, das eine Regeneration erschwerte oder gar gänzlich verhinderte; nichts was Leif nicht wieder in den Griff bekommen würde.

Es würde allerdings Zeit brauchen, bis sowohl seine, als auch die Wunden Lillianas wieder vollständig verheilt wären. Gleiches galt für die Stadt, die als lebende und blühende Metropole zu einer der wichtigsten und bedeutendsten Domänen Europas aufgestiegen war und in welche man nunmehr eine tiefe, blutende Wunde geschlagen hatte. Der Feind war besiegt, seine Armeen zerstreut und die Anführer vernichtet. Ganz Brügge, mitsamt der Lande die einst unter Dragas Einflussgebiet fielen, waren wieder frei, vereint und sicher in der Hand des kainitischen Rates. Doch zu welchem Preis?

Krieg.

Krieg ist immer gleich.

Es gibt keine Gewinner.

_________________
"Alea iacta est." oder "Die Würfel sind gefallen." - Lateinisches Sprichwort


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Verfasst: So 19. Apr 2015, 13:33 


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Epilog


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Menschliches Leid und Wiederaufbau

Der Krieg war vorbei und Volgar sowie auch nicht zuletzt Draga hatten das geerntet was sie gesät hatten. Brügge konnte sich mit vereinten Kräften gegen den Aggressor aus dem Osten behaupten und war wieder so sicher, wie man es nun einmal sein konnte, in Zeiten wie diesen. Dennoch war die Stadt noch lange Wochen und Monate erfüllt von schwermütiger Trauer und Gram ob der vielen Opfer, welcher dieser Krieg gefordert hatte. Kaum gab es eine Familie, die nicht einen geliebten Menschen verloren hatte. Da gab es die Frauen von Handwerkern und Stadtgardisten, die bittere Tränen vergossen und kleine Kinder, die sich verstört in die sichere Umarmung ihrer Großmütter pressten und nach ihrem Papa fragten, unfähig zu verstehen was in jener Nacht geschehen war. Junge Männer, viel zu jung für ihr Alter die ihren Onkel neben sich hatten fallen sehen und nun oftmals nicht nur physisch sondern auch psychisch gezeichnet waren und bleiben würden. Aber auch völlig unsinnig ermordete zivile Opfer gab es zu beklagen. Frauen die mutig zu Küchenmessern und Fleischerbeilen hatten greifen wollen als der General der Hölle ihnen auf dem Weg zum Stadtzentrum begegnet war und Säuglinge, die zu den wenigen, meistens selbst mit der Situation völlig überforderten Verwandten oder Bekannten gegeben worden waren.

Nicht nur die vielen Gefallenen und die allgemeine Verbitterung, machten der Stadt zu schaffen sondern auch die vielen Versehrten. Denn diejenigen, welche nicht in den zahlreichen Massengräbern am Totenacker beigesetzt wurden, hatten häufig verkrüppelnde Wunden und Verletzungen davon getragen, die es ihnen beinahe unmöglich machten weiter ihrem Handwerk nachzugehen. Da war ein Schmied, der die rechte Hand verloren hatte und gerade noch so das Fieber des Wundbrands überstanden hatte – mühsam und ungeschickt versuchte er als Ersatz die Linke zu verwenden, was ihm nur schwerlich glückte. Da war der Müllersbursche, ein kerniger, stattlicher Mann der ohne große Anstrengung schwere Mehlsäcke durch die engen Gassen geschleppt hatte und ob des Beines, das man ihm hatte abnehmen müssen, sich nur noch mit einer wackeligen Krücke durch die gepflasterten Gassen kämpfte. Selbst die fachkundige Medizin und liebevolle Fürsorge von Leif, Will und den Nonnen konnten in den Tagen und Wochen darauf, nicht jeden retten. Allzu oft hatten sich das Fieber und die Entzündungen durch den geschundenen Leib gefressen und jeden Lebenswillen getilgt. Leif war ein unsterblicher Kainit aber selbst er wusste, dass Gevatter Tod auf Dauer niemand überlisten konnte. Viele wanden angewidert und furchtsam den Blick ab, kämpften mit ihrem eigenen Leid und konnten oder wollten es einfach nicht mehr sehen. Und trotz allem…

Trotz all diesem schwerem Leid, den Spuren der Verwüstung und dem Geruch des allgegenwärtigen Todes, sah man die alten Mütterchen die zusammen mit ihren Enkelkindern die blutgetränkten Pflastersteine an den Orten der schrecklichsten Auseinandersetzungen mit dicken, drahtigen Bürsten schrubben und reinigen, bis unter der Blut- und Dreckkruste die einstigen blanken Steine der Straßen wieder sichtbar wurden. Männer wie Frauen schleppten angebrannte, abgebrochene und quer verstreute Balken und Trümmer durch die Gegend, luden sie auf von Ochsen gezogene Karren, die alles Verwertbare zu den Handwerkern der verschiedenen Zünfte brachten. Alles was nur irgendwie gebraucht werden konnte, wurde abgesägt, neu eingelassen, geschliffen, behauen und diente dem großen Wiederaufbau der sich unbeugsam und trotzig, der düsteren Schwermut entgegenstellte. Überall sah man Menschen, die sich gegenseitig unterstützten, Nahrungsmittel miteinander teilten und gemeinsam an ihrem Brügge arbeiteten. Die Weigerung der gewöhnlichen, sterblichen Brügger Bevölkerung ihre Stadt aufzugeben und die Energie und der Überlebenswillen der in den Monaten und Jahren nach der Belagerung, mit hämmerndem Werkzeug, knarrenden Sägen und geschäftigen Treiben zur Schau gestellt wurde, versetzte sogar den unmenschlichsten Kainiten in stummes, bewundernde Staunen. Menschen lebten keine Jahrhunderte und Jahrtausende lang, sie fochten keine unsterblichen Kriege und schlugen sich nicht mit den blutigen Intrigen der Clans herum. Menschen hatten nur dieses eine Leben und dafür kämpfte man auch in Brügge mit einem todesverachtenden Aufbäumen das seinesgleichen suchte. Niemand würde bei dem was man für dieses eine Leben, für diese eine Stadt geopfert hatte, aufgeben. Nicht umsonst hatte man sich vom Adel und den Ständen losgesagt, nicht umsonst blühte der Handel und machte Brügge zu einem der reichsten und wohlhabendsten Orte der Welt. Nicht zuletzt, galt es etwas anderes als nur goldene Münzen und edles Geschmeide zu verteidigen – man kämpfte und ertrug dies alles für seine Kinder und Kindeskinder; die Menschen die man liebte. Für ein Europa im Wandel.

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Zitat:
In Flanders fields the poppies blow
Between the crosses, row on row,
That mark our place; and in the sky
The larks, still bravely singing, fly
Scarce heard amid the swords below.

We are the dead. Short days ago
We lived, felt dawn, saw sunset glow,
Loved, and were loved, and now we lie
In Flanders fields.

Take up our quarrel with the foe:
To you from failing hands we throw
The torch; be yours to hold it high.
If ye break faith with us who die
We shall not sleep, though poppies grow
In Flanders fields.


Sterbliche Politik und die Landkarte der Macht

Der König ist tot – lang lebe der König. Balduin VI., der mit seinem Gefolge und Familie, als auch mit seinem rechtmäßigen, nunmehr aber als Bastard deklarierten Sohne, gleichen Namens in den 4. Kreuzzug gegen die Heiden gezogen war, fand sein Ende auf den Schlachtfeldern der Religionskriege anno 1205. Er war nicht nur der Anführer besagten Kreuzzuges gewesen sondern galt bis zu seinem Tode als der Begründer und Regent des Lateinischen Kaiserreiches. 1206 würde dieses Vermächtnis, an seinen Bruder Heinrich weitergegeben werden, nachdem Papst Innozenz III. dessen Vorgänger für tot erklärt hatte. Flandern war nunmehr zweitgeteilt – in einen französischen und einen flandrischen Teil. Die Regentschaft über das zerstrittene Reich übernahm in Folge Phillip I. von Namur, der versuchte zwischen den verfeindeten Parteien zu vermitteln aber schlussendlich erfolglos anno 1212 verstarb. Die Töchter von Balduin VI., Margarete und Johanna, waren damals noch minderjährig und somit unfähig die Geschicke des Landes zu leiten, übernahmen aber nach Phillips Tod, als Markgräfinnen der jeweiligen Teile die Herrschaft über Flandern. Ein blutiger und über Jahrzehnte andauernder flandrischer Erbfolgekrieg, waren die Folge.
Die Schlacht um das östliche Voivodat, sollte in die sterbliche Geschichte als einer der Versuche Frankreichs eingehen, das im Chaos der Kreuzzüge entstandene, kurzfristige Machtvakuum zu füllen und die Herrschaftsansprüche, direkt und ohne lange Umschweife, deutlich geltend zu machen ohne dabei aber direkt Flagge zu zeigen und das politische Gefüge zum Überkochen zu bringen. Dragas Drachenturm und der Angriff der Söldnerarmee, waren nunmehr teil eines kurzfristig unternommenen Eroberungsversuches, seitens des französischen Teils Flanderns geworden. Die Unterstützung der kleinen aber schlagkräftigen Rittertruppe, die somit eigentlich auf Seiten des Feindes gestanden hätte, ging in den Wirrungen der Geschichtsschreibung beinahe gänzlich verloren. Diejenigen, die sich noch erinnern konnten, sprachen von politischen Winkelzügen am französischen Hof während andere behaupteten, die Söldner hatten insgeheim Verrat begangen und vorgehabt zu plündern und zu brandschatzen, dementsprechend nicht zu erobern, was eine empfindliche Wertminderung für Frankreich dargestellt hätte. Eine zerstörte Stadt kann sich nicht verteidigen und würde mehr Unkosten verschlingen, als was das ganze Unterfangen eigentlich wert wäre.
Berichte vom General des Teufels und der schrecklichen Monster, die auf Brügger herabgeregnet waren konnten weder von den sterblichen Autoritäten Brügges, als von der kleinen direkt aus Rom entsandten päpstlichen Sonderkommission belegt werden. Die kleine Schar von Priestern, hatte lange mit der verängstigten Bevölkerung gesprochen und war aufgrund mangelnder Beweise, zu dem Entschluss gekommen, das die unsagbaren Gräuel und Monster, allesamt Hirngespinste gewesen sein mussten, die der Krieg in die verstörten und teilweise gebrochenen Geister der Menschen gepeitscht haben musste. Das Blutbad und die Söldner, als auch ihr General wurden scheinbar bis zur Unmenschlichkeit dämonisiert und Aussagen ob seines Aussehens wiedersprachen sich teilweise. Einmal war er ein monströser Koloss mit riesigem Schwert, dann wiederum war er von fliegenden Dämonen umgeben gewesen und anschließend mit den vier Reitern der Apokalypse durch das Südtor gebrochen. Da sich keine stichhaltigen Ansatzpunkte dafür finden ließen, keine Überreste oder Leichen gefunden werden konnten und nur der gepeinigte Geist einer malträtierten Bevölkerung übrig blieb, zog man ohne Ergebnisse wieder nach Rom. Papst Innonzenz III. nutze allerdings die Aussage, es hätten sich auch östliche, heidnische Truppen unter den Söldnerheeren des Feindes befunden, um den 4. Kreuzzug weiter zu legitimieren und die Krieger Gottes zu neuen Höhenflügen aufzupeitschen. Aus den Berichten seiner Priester formte er das Resümee, die gottlosen Ostlinge wären mit dem Teufel im Bunde gewesen und hätten nicht umsonst das ehrwürdige Nonnenkloster im Umkreis von Brügge in einen entweihten, blutbesudelten Ort verwandelt. Der Wahrung der Stille des Blutes, kamen also ironischerweise die Mahlwerke der Politik und Religion zu Hilfe, denn es war einfacher den nicht-französischen Söldnern dämonische, blasphemische Eigenschaften zuzusprechen und sie somit zu von Gott abgefallenen Monstern zu verdammen, als tatsächlich die Möglichkeit der Existenz eines Volgar einzugestehen. Zudem war die aktuelle politische Situation mit dem Tod von Balduin VI. einfach zu logisch nachvollzieh- und erklärbar.
Einzig und allein die Schriften und skizzenartigen Zeichnungen eines Gelehrten aus Brügge, mit dem Namen Hans Richard Geiger, ließen auf groteske Art und Weise erahnen, was hinter dem Schleier aus Lügen und Halbwahrheiten, wirklich vorgefallen sein musste. Das blasphemische Werk mit dem Titel „Der General des Teufels“, wurde von der Kirche konfisziert und in die Archive von Rom gebracht, wo man dem Mann schnell jede geistige Gesundheit absprach und ihn zu den prominentesten Opfern, wahnsinniger Umnachtung zählte. Erkundigungen ergaben, dass seine Frau als auch sein Sohn, in der Schlacht vom Feind vor seinen Augen, in Stücke gerissen worden sein mussten. Geiger wurde für wahnsinnig erklärt und durfte bis zu seinem Tode, in den tiefen Gewölben eines unbedeutenden Klosters sein Dasein fristen. Noch als er in den letzten Zügen lag, behauptete er sein Buch würde die reine Wahrheit enthalten. Lange Zeit jedoch, würde dieses Werk keinerlei Beachtung finden, denn erst 300 Jahre später, würde Dominik Kramer in Speyr, auch unter Zuhilfenahme von Geigers Schriften, das Malleus Maleficarum, den gefürchteten Hexenhammer verfassen.

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Wirtschaft und Handel

Krieg kurbelt die Wirtschaft an heißt es, unter der selbstverständlichen Prämisse, ein Land würde aufrüsten. Zu dieser Gelegenheit kam es für Brügge allerdings nie. Der Wiederaufbau, verschlang Unsummen und bedurfte großer handwerklicher Bemühungen und fachkundigen Händen, die entweder abgeschlagen oder einfach nicht vorhanden waren. Dennoch bekam Brügge auch von außerhalb tatkräftige als auch finanzielle Unterstützung. Die Markgräfin des flandrischen Teils, wandte große Summen auf um das Voranschreiten der Reparaturen zu beschleunigen und auch Gent und Antwerpen entsandte kundige Fachleute. Nicht zuletzt waren die teilweise entvölkerten Stadteile und leer stehenden Geschäfte und Betriebe ein Anreiz für viele, sich schlussendlich in Brügge niederzulassen und ihr Glück zu versuchen. Fleißige Hände und Wissen wurden überall in der Stadt gebraucht und viele Witwen heirateten auch einfach nur erneut, aus dem banalen Grund, ihre hungrigen Kinder versorgen zu können. In Brügge herrschte ein weiteres Mal Aufbruchsstimmung. Die unbekannten, neuen Gesichter in der Stadt mehrten sich denn in allen möglichen Bereichen, gab es mehr Arbeit als man ohne weiteres bewältigen konnte. Selbst der Handel, der zunächst bedrohlich eingeknickt war, da kaum Waren produziert und somit verschifft werden konnten, erholte sich stetig. Frische Arbeitskraft und neuer Tatendrang, füllten die Arbeitsplätze auf den Feldern und Schmieden, den Töpfereien und in den Handwerkszünften. Ganz selbstverständlich entwickelten sich mit neuen Menschen auch neue, kreative und vielversprechende Ideen und mancherorts wurden Abläufe und die Qualität von Produkten sogar weiter verbessert. Zwar musste man noch monatelang jede Münze zweimal umdrehen und konnte sich nur mühsam vom wässrigen Gemüsebrei am Mittagstisch ernähren aber es ging zunehmend bergauf. Die Kaufkraft und Innovation stieg und nicht zuletzt, weil der Handel in Brügge beinahe obligatorisch forciert wurde, konnte man bald schon an die vorrangegangen Erfolge anknüpfen. Brügge lebte vom steten, gewinnbringenden Handel sowie der sorgfältig geplanten Wirtschaft und als diese sich allmählich erholten, war beinahe ein allgemeines Aufatmen in den erneut geschäftigen Gassen und Straßen der Metropole zu vernehmen.

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Kainitische Politik

Fernab der alltäglichen Kriegs- und auch Friedenspolitik der Sterblichen, war die Schlacht um Brügge im Grunde einzig und allein ein kainitisches Unterfangen, welches aber trotz der Bereitschaft vieler unsterblicher Höfe der Nacht nunmehr auch offen gegen ihre Kontrahenten anzutreten, wohlweislich mit den Belangen der sterblichen vermischt wurde. Die schreckliche, schändliche Wahrheit warum Brügge derart leiden musste, blieb hinter dem eisernen Schweigen der Stille des Blutes verborgen und begraben; einzig den Unsterblichen in ihrer niemals endenden Existenz offenbar.

Nachdem Geoffrey du Temple, Prinz von Paris im Stillen seine Ränkespiele und politischen Einflüsse genutzt hatte, den Einfluss Dragas weiter überwachen und verfolgen zu lassen, kann davon ausgegangen werden, dass er bestens im Bilde über die drohende Katastrophe gewesen war. Nur dadurch erklärt sich, warum seine Armeen, die er den verzweifelten Brüggern, im Eintausch für einen Sitz im Rat der Madame Lavalle zur Seite stellen wollte, mehr als rechtzeitig zur Stelle waren als die Horden des Feindes an die Tore klopften. Es scheint demnach, dass die Höfe der Liebe durchaus ihre Augen und Ohren in und um Brügge aufgestellt hatten. Wie tief die Infiltration bereits vorangeschritten war, kann im Nachhinein niemand sagen aber es ist anzunehmen, dass sämtliche Kundschafter kurz vor der Schlacht flohen um das zu retten, was ihnen noch bedeutend mehr wert war als klingende Münzen - ihr Leben. Du Temple schien es lieber vorzuziehen aus der misslichen Lage der Stadt noch einen vermeintlichen Vorteil zu ziehen als hunderte Unschuldige rechtzeitig zu warnen. Es ging das Gerücht um, nachdem Brügge den Vorschlag von Paris abgelehnt hatte und dennoch rechtzeitig von Gent und einem Teil des französischen Heeres siegreich in der Schlacht unterstütz wurde, habe sich Geoffrey du Temple für über einen Monat lang in seinen Privatgemächern eingeschlossen und sämtliche Audienzen und Veranstaltungen abgesagt. Offensichtlich hatte er gehofft, das Brügge zerstört werden würde, wenn er es schon nicht besitzen konnte.

Kainiten und Höflinge, die dem Prinzen nahe standen sprachen im Flüsterton über zahlreiche Wutausbrüche und Schuldzuweisungen seitens des französischen Herrschers. Selbst Madame Lavalle war in dieser Zeit nicht beim Prinzen erwünscht; inwiefern sie in all diese politischen Strategien und Machenschaften verwickelt war, kann aber niemand mit Gewissheit sagen. Die gutaussehende, kühle Dame zog es vor sich wie üblich in eisernes Schweigen zu hüllen und war mittlerweile so hoch in der Gunst des nächtlichen Adels gestiegen, dass sie einen Teil der administrativen Tätigkeiten des Prinzen zusammen mit dem Seneschall notgedrungen übernahm. Besonders verbittert war der Regent über Etienne de Poitou, der zusammen mit ihm und anderen Fürsten, Baronen und Vasallen, das hilfreiche Heer gegen den Feind aufgestellt hatte und seinen Teil der abgesandten Truppen, in den Kampf schickte, obwohl der Oberbefehl bei Ablehnung des Vertrages, einen sofortigem Abzug vorsah. Die französische, nächtliche Innenpolitik blieb lange geprägt von diesen übergreifenden Spannungen und Anfeindungen, bis – so sagt man – Salianna persönlich die beiden Prinzen zur Ordnung gemahnte. Aber wie es bei den Kindern der Nacht so typisch ist: Eine solche Demütigung und Sabotage eines ausgeklügelten Plans mit weitreichenden Konsequenzen, bleibt niemals vergessen oder vergeben. Der vom Pariser Hof geächtete Etienne, ließ dem Rat von Brügge in einem offenen Brief, sein höchstes Bedauern und Mitgefühl ob der Situation übermitteln; gab aber auch zu verstehen dass er von den näheren Umständen vermutlich absichtlich in Unkenntnis gehalten wurde. Er selbst hätte von der Invasion erst erfahren, als Geoffrey bereits die Banner sammeln ließ. Des Weiteren erkundigte er sich höflich nach dem Zustand von Jaques de Camargue, den er ja vor so vielen Jahren dem Schutz und der Fürsorge Brügges überantwortet hatte. De Poitou wünschte seinen treuen Gefolgsmann, nach dieser langen Zeit und auch ob der noch anhaltenden, angespannten Situation in Flandern, wieder bei sich zu wissen und kündigte an, den Körper des Versehrten innerhalb eines Jahres wieder zurück in seine Domäne überführen zu wollen. Ob und wie gut der Franzose über die Lage in Ostflandern Bescheid gewusst hatte, wusste man nicht zu sagen aber böse Zungen behaupteten, er hätte noch eine Lebensschuld bei Jaques de Camargue offen gehabt, die er nunmehr getilgt und abgegolten sah. Sollte dies der Wahrheit entsprechen, dann wäre der modernde Leichnam, den Leif Thorson, tief in den Kellern des Krankenhauses für Jahre behütet und versorgt hatte, ohne das jemals jemand es ahnen hätte können, indirekt für die Rettung der Stadt verantwortlich.

Weiter nördlich, auf der anderen Seite des Kanals waren kaum Nachrichten oder Meldungen vorgedrungen. Es schien tatsächlich so, als habe sich England völlig aus den aktuellen Geschehnissen herausgehalten und es lieber vorgezogen, einen Drei-Fronten-Krieg zu vermeiden. Allein die Distanz und der logistische Aufwand, hätten es der Domäne ohnehin schwer gemacht aufs Festland zu übersetzen. Weder Glückwünsche noch Bedauern erreichten Brügge aus dem entfernten Norden aber ob diese Entwicklungen sich in Zukunft als günstig oder erschwerend, gar gefährlich herausstellen sollten, blieb hinter in den leise dahinkriechenden Nebelschwaden des Ärmelkanals verborgen. Zudem gestaltete sich eine kainitische Intervention von Seiten Englands, aufgrund der sterblichen, politischen Entwicklung in Flandern als äußert heikel. Vorerst konnte man sich also ein wenig sicherer vor dem zweiten, großen Kontrahenten der Domäne fühlen.

Das Städtebündnis, zwischen Gent und Antwerpen wurde eingehalten obgleich niemand damit gerechnet hätte, dass die verbündeten Truppen rechtzeitig erscheinen würden, geschah in jener Nacht ein kleines Wunder. Ein Wunder, das sich weder Margaretha Borluut von Gent, noch Cornelis Eisenarm, der die erst einen Tag später eintreffenden Antwerpener Truppen befehligte, sich recht erklären konnten. Für viele Menschen war dies, als auch der anhaltende Dauerregen der dem Feind den Vormarsch erschwerte und Brandherde löschte, ein Zeichen der Gnade Gottes- für die Kainiten der Stadt eine offensichtliche Intervention von außen, die nichts mit gar göttlichem Wirken zu tun hatte. Der oder die unbekannten Helfer, blieben im Verborgenen und gaben sich auch nicht zu erkennen, noch legten sie in irgendeiner Form, die Gründe für ihr Handeln dar. Gent und Antwerpen, halfen jedoch nicht nur mit reiner Truppenstärke sondern bemühten sich auch, die Ordnung innerhalb der Stadt aufrecht zu erhalten. Wenn ein Beutetier verletzt ist, kommt es nicht selten vor das die Aasgeier auch noch ein Stück abhaben wollen. Fast drei Monate, halfen die Soldaten des Städtebündnisses beim Wideraufbau und der Aufrechterhaltung der Sicherheit in Brügge, bevor sie wieder den langen Heimmarsch in ihre Domänen antraten. Margaretha und Cornelis hingegen blieben noch für einige Zeit länger in der näheren Umgebung der Stadt und dirigierten Hilfsgütertransporte, sowie andere wertvolle menschliche Ressourcen, die in diesen Zeiten der Not mehr als willkommen waren. Obgleich es ein Bündnis war, das vertraglich geregelt und als abgesichert galt, wusste Brügge, dass es tief in der Schuld von Gent, als auch Antwerpen stand. Blieb nur zu hoffen, dass die Gegenleistung die man eines Tages würde erbringen müssen, nicht bedeutende höher ausfallen würde.

Ostflandern wurde wieder in die Domäne Brügge eingegliedert und obgleich Draga nicht ungeschickt in ihrem Reich gewirtschaftet hatte, konnte sie naturgemäß nicht an die Erfolge von Brügge anknüpfen. Weitere Erkenntnisse, die aus den gefundenen Büchern und Aufzeichnungen gerettet werden konnten, bevor noch die euphorisch-siegreichen als auch wütenden Bürger und Soldaten die Drachenfeste niederbrannten, plünderten und schliffen, legten klar dar, das das Voivodat offensichtlich im Abstieg begriffen war. Draga war auf Dauer wohl tatsächlich keine andere Möglichkeit als eine direkte, unmittelbare Konfrontation geblieben. Umso mehr freuten sich die wiedervereinten Bauern und Leibeigenen, da sie in ihrer Niederlage, gleichzeitig auch einen wirtschaftlichen Neuanfang witterten, der vielversprechend klang. Brügge war eben immer noch eine der wohlhabendsten Städte jener Zeit.
Der Wald, die Felder und die ländliche, direkte Umgebung innerhalb Dragas Einflussgebiet, blieben jedoch weiter auf Jahre hin, dunkle, wenig einladende Orte, an denen sich schemenhaften Geistererscheinungen tummelten und trostlose, knorrigen Bäume ihre dünnen Äste in den wolkenverhangenen Himmel streckten. Die dort ansässigen Bauern, mussten doppelt so hart arbeiten um dem verfluchten Landstrich auch nur das kleinste bisschen Ernte abzuringen. Der Geist der Unholde, der sich tief in die Wurzeln und die Erde gegraben hatte, biss sich offenbar noch energisch an seinem einstigen Territorium fest und nur langsam versickerte die unheilige, böse Präsenz, die Ostflandern so lange dominiert hatte. Kaum jemand wagte sich in die Nähe des zerstörten Drachenturms, denn auch wenn man Volgar und seine Monster für den Rest der Welt als Hirngespinste abgetan hatte – für die Brügger, wohnten in den Ruinen des Voivodats, nach wie vor der Teufel und seine Lakaien. Die alte Festung Blenheim hingegen, wurden neu befestigt und diente forthin als Truppenübungsplatz und vorgeschobenes Lager der Brügger Freiwilligenheere. Dort übten die Wachen und Soldaten den Umgang mit Schwert und Schild, lernten den Pfeil ordentlich auf die Sehne zu legen und erprobten Schlachtformationen. Brügge würde nie ein stehendes Heer besitzen aber nichtsdestotrotz, würde man dafür Sorge tragen, das es der Feind das nächste Mal noch um einiges schwerer haben würde.

Der eigentliche Osten, die Lande der Unholde und wahrhaftigen Voivoden, äußersten sich kein einziges Mal zur gescheiterten Belagerung als auch zum endgültigen Tode Hieronymus Volgars. Weder gab es zerknirschte, inbrünstige Racheschwüre noch konnten man je den Hauch einer allzu Tzimisce gefärbten, politischen Präsenz in den nachfolgenden Jahren verspüren. Es schien so als würden gerade die Ursurpartoren, die als die erklärten Feinde des Rats von Brügge galten, ein vortreffliches Schutzschild gegen die vermeintlichen Tyrannen des Ostens darstellen. Volgar als auch Brügge im Westen, waren offenkundig viel zu belanglos als das man den Blick noch eine Minute länger vom eigentlichen Feind in seinen eigenen Heimatlanden abwenden wollte. Der Drache hatte scheinbar bei Weitem wertvollere Beute erspäht, die es zu jagen galt.

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Was noch gesagt werden musste…

Griselda, die einst ihren Peinigern vom Clan Tremere entkommen war und fortan bei Gerrit in der sicheren Finsternis der Katakomben gelebt hatte, war zu dem Entschluss gekommen, die Brügger Kainiten zu verlassen. Dies hatte sie dem Rat unmittelbar nach dem Ender der Schlacht mitgeteilt. Ihre Gründe mochten vielschichtig und nachvollziehbar sein, nicht zuletzt aber war sie wohl aufgrund der Gesellschaft der Ihren, in andere Gefilde aufgebrochen. Victor, der etwas einsilbige, eindrucksvoll erscheinende Gargoyle, den sie auf ihren Erkundungsflügen nahe den Grenzen von Frankreich kennengelernt hatte, war ihr mit den Jahren ein vertrauter Gefährte geworden. Gemeinsam wollten sie nunmehr aus ihrer Zuflucht in den französischen Alpen, dem Gerüchten zufolge neu gegründeten Gildehaus in St. Germaine, das Leben schwer machen; womöglich noch mehr Sklaven der Tremere, die Flucht in die lange ersehnte Freiheit ermöglichen. Die Befreiung ihrer Brüder und Schwestern war Griselda im Grunde immer schon ein großes Anliegen gewesen und auch wenn sie den Rat als auch die Stadt selber, mit der Zeit kennen und schätzen gelernt hatte, bot sich hier eine direktere Möglichkeit auf die Geschicke ihrer Blutlinie Einfluss zu nehmen, zumal Victor angeblich weitere Gargylen kannte, die sie bei diesem Vorhaben unterstützen würden. Einige Wochen stand Griselda dem Rat noch als Kundschafterin und beflissene Helferin zur Seite, räumte Trümmer und Felsbrocken von beschädigten Straßen wenn die Nacht hereinbrach und versetzte fliehende Söldner, zusammen mit Victor, in Angst und Schrecken. Sie würde, so versprach sie, die Stadt regelmäßig besuchen wann immer sie die Zeit dafür aufbringen konnte und dankte allen Anwesenden für die bedingungslose Anerkennung und den wertschätzenden Respekt, welchen man ihr in Brügge zu Teil werden ließ.

Zur Beerdigung Joachim ohne Schwerts, eines der ersten Opfer dieses blutigen Krieges, waren zahlreiche Überlebende, Freunde sowie die Familie des Mannes erschienen. Auf der steinernen Grabplatte, hatte Josef das frisch geschliffene, polierte Schwert des Kameraden eingelassen. Eben jenes Schwert, das der Verblichene so häufig vergessen hatte und aufgrund dessen ihm die zweifelhafte Ehre seines Titels zu Teil wurde. Gerüchten zufolge, war der schwere, kunstvoll gearbeitete Eichensarg vom Hauptmann der Nachtwache, in zweiwöchiger Feinarbeit höchstpersönlich angefertigt worden. Der Hauptmann soll am Grab Joachims, die folgenden Worte gesprochen haben: „Er war vermutlich der schlechteste Wachmann, den Brügge jemals gesehen hat aber zugleich einer der großartigsten und mutigsten Menschen, die ich jemals kennenlernten durfte. Was ist wohl am Ender einer Nacht das, woran man sich erinnern wird? Ich habe für mich eine Antwort gefunden.“

Die verbliebene Wolfsbrigade, ganze drei Mann, hatte in einem von Gerrit initiierten Ritual der „Ritter der blauen Flamme“, von dessen Blut gekostet und somit den Status von vollwertigen Ghulen erlangt. Mit dem Eintreffen vieler neuer Menschen, Handwerker, Geschäftsleute und Familien in Brügge, würden sich alsbald neue geeignete Kandidaten für die Ehre einer Mitgliedschaft, der Hand aus dem Verborgenen ergeben. Vorläufig würde man sich erneut um die Kernkompetenzen, wenngleich auch in verminderter Stärke bemühen: Die Sicherheit und den Schutz der Stadt. Der Wolf ist ein schlaues Tier und lernt aus seinen Fehlern. Sir Aldur, dem Helden der mutigen Herzen, wurde eine steinerne, lebensgroße Statue gestiftet, die vom Stadtrat in Auftrag gegeben und vom berühmt gewordenen Bildhauer Alfred Bilderberg geschaffen wurde. Sie schmückt nach wie vor den Marktplatz von Brügge.

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Caminus der Ventrue aus dem Heiligen römischen Reich, zog aus den Vorfällen rund um der Schlacht von Brügge seine Konsequenzen und quittierte seinen Dienst als Sheriff der Stadt; wollte aber nach wie vor als Vermittler, Berater, Botschafter und guter Freund der Domäne, mit seinem Kind in der Stadt verweilen. Das Amt des Sheriffs, ist ein politisches und gerade dieser Krieg hatte ihm klar gemacht, dass er als Sheriff im Grunde handlungsunfähig gewesen war. Er konnte nicht die Interessen der Lehen Deutschlands, als auch Flandern vertreten und würde nur ungern den Feinden der Stadt einen politischen Vorwand liefern um sein Heimatland in weitere Ränkespiele zu verstricken. Als möglichen Nachfolger, schlug er sein Kind Jan van Hauten vor, der bislang zwar offiziell als Kainit anerkannt war aber noch keinem nächtlichen Lehen die Treue geschworen hatte. Caminus war überzeugt davon, dass sein Kind zum Wohle aller handeln und einen exzellenten, auch politisch tragbaren, Sheriff abgeben würde.

Die Asche von Lillianas Doppelgängerin, die zu einem vollwertigen Kainit herangereift und von Lilliana von Erzhausen den Kuss erhalten hatte, wurde auf offener See verstreut. Man hatte sämtliche Asche, die man aus dem halb verbrannten Gebälk der Wachstube sammeln konnte, fein säuberlich in einer Urne verwahrt und für diese Zeremonie aufgehoben. Gewiss war es etwas unbefriedigend aber ein anständigeres Begräbnis konnte man ihr nicht angedeihen lassen, da sich wohl die Asche ihres Körpers mit dem der verbrannten Einrichtung vermischt hatte. Eine kleine bronzene Gedenktafel am Nordtor, das mittlerweile das „Erzhausenertor“ genannt wird, erinnert an die einstige Frau die Schild und Tarnung für ihre Erzeugerin darstellte, bevor sie schon nach kurzer Zeit ihres selbstständigen, eigenbestimmten Unlebens, ein Opfer des ewig währenden Dschihads wurde. Nachforschungen betreffend ihres plötzlichen Aufbruchs nach Brügge, verliefen bedauerlicherweise ins Leere aber es war offenkundig, dass man die noch junge Toreador von den Höfen der Liebe weggelockt und irgendwo zwischen Paris und der flandrischen Stadt gepflockt hatte. Die genauen Umständen blieben in beiden Domänen rätselhaft aber ein leiser, trauriger Verdacht nagte an den Gemütern des Rates: Was wenn der Assamit, der eigentlich den Auftrag hatte die wirkliche Lilliane zu ermorden, von Seiten seiner Auftraggeber nicht ausreichend informiert wurde und erst im Nachhinein feststellte, dass er nur das rein äußerlich idente Kind vor sich liegen hatte? Vielleicht hatte die Doppelgängerin ein letztes Mal, erfolgreich als Ablenkung und Schild ihrer unsterblichen Herrin gedient. Die Wahrheit würde man wohl nie erfahren.

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Die zärtliche Zuneigung und Sympathie, die Jean und Marlene sich mit den Jahren immer entgegen gebracht hatten, war gewachsen und zu etwas noch viel Schönerem erblüht: Wahre Liebe. Marlene liebte den sturen, idealistischen und mutigen Mann, der Lucien äußerlich so aufs Haar glich und innerlich doch so verschieden war. Jean hingegen konnte nicht mehr ohne die teils forsche, teils rebellische aber auch kluge und entdeckerische Art von Marlene auskommen. Sie brauchten, sehnten und liebten sich mehr als sie je bereit gewesen waren, vor anderen oder sich selbst einzugestehen. Der Krieg hatte beiden in deutlicher Nachdrücklichkeit vermittelt, dass es nur dieses eine Leben zu leben gibt und dass jeder Moment darin kostbar ist. Ein Leben das sie nie wieder getrennt voneinander verbringen, sondern gemeinsam als Mann und Frau begehen wollten. Die eigentliche Hochzeitszeremonie musste allerdings noch warten, denn die Stadt und deren Wideraufbau hatten selbstverständlich Vorrang. Und so verging beinahe noch ein halbes Jahr, bis sie endlich gemeinsam vor den Altar traten und sich gegenseitig, im Beisein ihrer Freunde, Familien, Verwandten, Kameraden und Bekannten das Ja-Wort gaben. Es wurde ein ausgelassenes, berauschendes Fest und auch wenn die Tafel sich vielleicht nicht mehr ganz so unter der Last der köstlichen Speisen und Getränke bog, waren alle Hochzeitsgäste glücklich und zufrieden; ließen das Brautpaar hochleben und beglückwünschten die junge Liebe, die sich trotz aller Widrigkeiten, selbst durch den Krieg hindurch ihren Weg gebahnt hatte. Alidas Familie, die van de Burse, ließen im Zuge der Arbeiten in der Stadt ein Haus für die jungen Eheleute errichten, das genau den Wünschen und Bedürfnissen der beiden angepasst wurde. Groß, geräumig und mit genug Platz für den einen oder anderen Nachwuchs, der sich, so hoffte man ja, auch bald einstellen würde. Auch ganz nach den Wünschen der Familie, befand sich besagtes Gebäude direkt gegenüber Luciens Haus in der Stadt. Es war Alida die sich aus Sicherheitsgründen dafür eingesetzt hatte.

Zur Hochzeitsfeier am Tage in der restaurierten Kirche der Stadt, gesellte sich eine anschließende kleinere, nächtliche Feier, welche das Brautpaar für den Rat ausrichtete. Eingeladen waren selbstredend nur Kainiten und solche, die zu tief hinter den Schleier des Untodes geblickt hatten um noch als unwissend zu gelten. Es hatte einen ironischen Anstrich, zusammen mit Toten das Leben zu Feiern aber Gerrit trug einige uralte Glückwünsche zur Hochzeit auf Griechisch vor, während Lucien ein paar schiefe französische Wanderlieder sang. Leif und Brunhild erzählten abwechselnd von nordischen Mythen und Legenden während Lilliana den gesanglichen Teil des Abends, nach Luciens Einlage, doch noch zu retten vermochte. Alida las zum Abschluss einige Verse aus einem alten in Leder gebundenen Buch und zumindest die Ghule des Rates, konnten sich die aufgetragenen Leckereien schmecken lassen, wenngleich auch Lucien erneut erfolglos versuchte einen Humpen Bier zu leeren und mit Leif über die Vor- und Nachteile des Mets debattierte. Natürlich war es ein merkwürdiger, vielleicht sogar kurioser Abend aber er gehörte den lebenden und den toten Bewohnern Brügges gleichermaßen. Ein neues, noch leeres Kapitel in einem spannenden Buch, wurde aufgeschlagen.

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Vittorio Giovanis sterbliche Überreste wurden nie gefunden. Als man mit den Aufräumarbeiten in Blenheim begann, fand man zwischen den aufgetürmten Mauerteilen nur bröckelnden Verputz und Schutt. Niemand sah den Kappadozianer und ehemaligen Kardinal jemals wieder, noch hatte man in den umliegenden Domänen je wieder etwas über seinen Verbleib in Erfahrung bringen können. So schnell der beinahe unbekannte Mann aus Brüssel erschienen war, so schnell hatte er sich selbst als auch die Erinnerung an ihn, buchstäblich in Staub aufgelöst. Die Antwort auf die Frage, ob man ihn dereinst noch einmal wiedersehen würde, blieb der Zeit und dem Schicksal vorbehalten.

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Der Assamit, den Lucien bald als den Mann, der einst Balduin und Jean im Namen der englischen Krone entführt hatte identifizierte, galt selbst unter seinesgleichen als Meister seines Faches und wäre, hätte man es darauf ankommen lassen einen mehr als formidablen Gegner abgegeben. Doch seine Spur, soweit man es sagen konnte, verlor sich irgendwo in Zypern und man konnte daher getrost annehmen, dass der rätselhafte Mann die lang ersehnte Heimreise angetreten hatte. Mit ein wenig Glück, würde man ihn auch nicht allzu bald mehr zu Gesicht bekommen.

Was Vanya, die wilde, eigenwillige Gangrel betrifft die sich wohl aus rein persönlichen Gründen dem Feldzug des Generals angeschlossen hatte, nun… um es mit den Worten des Hauptmanns zu sagen: „Wo soll sie schon sein? Irgendwo da draußen… so wie immer.“ Kein Anzeichen verriet allerdings, dass sie sich in absehbarer Zeit Brügge genähert hatte oder auch nur nähern wollte. Doch die Unsterblichen wissen nur zu gut, dass die Nächte oft finster und voller unliebsamer Schrecken sind.

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Willkommen in Brügge im Jahre 1214 unseres Herrn!


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ENDE



Theme:


Zitat:
Do you hear the people sing?
Singing a song of angry men?
It is the music of a people
Who will not be slaves again!
When the beating of your heart
Echoes the beating of the drums
There is a life about to start
When tomorrow comes!

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"Alea iacta est." oder "Die Würfel sind gefallen." - Lateinisches Sprichwort


Zuletzt geändert von Spielleiter am Do 23. Apr 2015, 21:28, insgesamt 9-mal geändert.

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BeitragVerfasst: Di 21. Apr 2015, 22:05 
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Alida betrat das Hospital und durchschritt die Räume des Krankenhauses. Überall roch sie noch dem Geruch der Verwesung, entzündete Gliedmaßen, die man hatte abtrenne müssen um den noch dazu gehörigen Körper zu retten, das Blut, grauenhaft und so verführerisch, den scharfen Duft von hochprozentigem Alkohol zum Desinfizieren von Wunden, die bittere Süße von Erbrochenem. Die Nonnen hatten Weihrauch verbrannt um Gottes Segen auch in diesen unseligen Räumen wirken zu lassen, zum anderen um die Gerüche und mit ihnen die Erinnerungen zu vertreiben. Bisher so schien es Alida, war es ihnen noch nicht gelungen.
Sie hatte sich nach dem Kampf mehrere Tage in den düstersten Tiefen der Brügger Kanalisation vergraben, dort wo Gerrits Schöpfungsgeist, Ordnungsliebe und sein Wille auch im schlimmsten Ort auf Erden noch ein Zuhause schaffen zu können nicht hingereicht hatten. Sie hatte zugelassen, dass das Tier die Kontrolle über sie übernahm, sie hatte sich von dem, düsteren Getier der Abwässer genährt um nicht an die Oberfläche treten zu müssen, um nicht sehen zu müssen, was ihre Augen zwar sehen konnten, ihr Verstand aber nicht in gleichem Maße erfassen vermochte. Manchmal lief sterbliches Blut über Abwasserschächte in die Tiefe, färbte das schwarze Wasser dunkelrot, holte sie selbst in diesem Versteck ein.
Sie dachte an andere Nächte vor allzu langer Zeit in der sie ebenfalls versagt hatte. Auch damals hatten so viele Menschen für ihr Versagen bluten müssen, damals für ihre Überheblichkeit, diesmal für ihren Stolz und ihre mangelnde Entscheidungsfähigkeit…
Damals war sie nicht allein gewesen. Sie erinnerte sich an die dünne Stimme, die versucht hatte sie zu beruhigen, die kindlichen Finger, die nach ihren gegriffen hatten um in diesem Grauen irgendeinen Halt zu geben. Vertauschte Rollen… Ihr Bruder Christian hatte sie damals gefunden und aus dem Abwasserschacht geführt, zurück auf das Schiff, zurück in die Heimat. Die Heimat, das Zuhause, das jetzt in Trümmern lag, die Häuser durch Katapulte vernichtet, die Strohdächer entzündet, die Bewohner ermordet, geflohen oder in Trauer um die geliebten Verlorenen erstarrt. Die Ernten vernichtet, die Geschäfte geplündert, das Wasser der Kanäle, das sich rot färbte, die grünen einst mit kleinen Blumen übersäten Wiesen inmitten der Stadt, die man in Massengräber verwandelt hatte da die Friedhöfe die Menge an Toten nicht mehr zu fassen vermochten.
Wie sollte sie je wieder daran vorbei gehen ohne an die Bilder zu denken, die sich über ihre Augen in ihr Gedächtnis eingebrannt hatten? Nach vier Tagen war sie aus dem Dunkel hervorgekrochen und irgendwie nach Hause gewankt. Die meisten Mitglieder ihrer Familie waren noch am Leben doch auch bei den van de Burse hatte der Krieg seine Opfer gekostet: Frederiks Mutter war gemeinsam mit zwei seiner jüngeren Brüder und ihrer Köchin, der alten Annie, in einem der Massengräber beigesetzt worden. Ein Grab ohne Namen irgendwo in Brügge. Frederik war ebenfalls verschwunden und der Gedanke beunruhigte sie. Marlene half im Krankenhaus und unterstützte Jean so gut sie konnte und war schon seit Tagen nicht mehr zu Hause gesehen worden. Die Kontore waren abgebrannt oder geplündert doch irgendwie war das Alida egal…
Es dauerte eine weitere Nacht bis sie wieder in der Lage war halbwegs klar zu handeln. Sie wusste, was sie tun wollte und ging mit langsamen Schritten durch die Straßen der Stadt. Obwohl sie ihren Hund, das Ungetüm Cato mehr als einmal verjagt hatte, schlich er hinter ihr her, den Kopf misstrauisch gesenkt, zum Angriff auf einen nicht vorhandenen Gegner. Ab und zu streifte Alidas Blick den von Bürgern, die mit hängenden Schultern nach Hause oder ins Krankenhaus oder zum Friedhof eilten. Obwohl niemand sie beachtete hatte sie das Gefühl, den Vorwurf, die Trauer und Hilflosigkeit zu spüren und ihr wurde so schlecht davon, dass sie sich in einer Seitengasse übergeben musste.
Schließlich überquerte sie die steinerne Brücke zum Hospital, lief unter einer Statue der heiligen Mutter Maria vorbei, die sie mit den weichen Zügen und dem warmen menschlichen Antlitz immer an Liliana denken ließ und erreichte ihr Ziel.
Alida holte sich die nötigen Informationen bei einer der heilkundig bewanderten Schwestern und durchschritt die Räume. Sie sah sich nach Leif um aber erblickte den Heiler nirgendwo. Sie schluckte bei dem Gedanken an den Salubri. Die blonde Händlerin hatte geglaubt zu wissen, wie oder wer er war weil sie einige Jahrzehnte lang gemeinsam mit ihm für die Freiheit von Brügge, für ihre Freiheit gestritten hatte, hatte dann einsehen müssen, dass alles, was sie geglaubt hatte nichts als seltsame Hirngespinste gewesen waren, die einen bitteren giftigen Nachgeschmack hinterlassen hatten. Nun war er wieder da, hatte wieder an ihrer Seite gekämpft als wäre nichts gewesen und Alida verdammte sich selbst und ihn dafür. Er hatte zugesagt ihnen Rede und Antwort zu stehen, aber Alida zweifelte daran, dass Worte je das abschwächen konnten, was Taten ausgelöst hatten. Ja, Leif war Heiler und Giftmischer und bei ihr hatte sein Gift sehr effizient gewirkt.
Sie betrat ein kleines, warm eingerichtetes Zimmer im Keller des Gebäudes. Eine Kerze, die man zum Schutz hinter Glas aufgestellt hatte schenkte rötliches Licht. Alida erkannte die Toreador, oder so schoss es ihr schmerzhaft durch den Kopf, die verbliebene Hälfte als sie die abgeschlagenen Gliedmaßen erkannte. Wieder wurde ihr übel und nur der Anblick des jungen Ravnos an der Seite der blonden Adeligen verhinderte, dass sie sich erneut übergab. Alida nickte dem englischen Heiler zu. „Hallo, Will a Dale. Wie geht es ihr?“ Der dunkelblonde Mann erhob sich von seinem Schemel auf dem er gesessen hatte und befestigte den Verband, den er gerade an ihrem Arm angebracht hatte. „Sie erholt sich. Ich finde es immer wieder erstaunlich zu was das kainitische Blut im Stande ist.“ Er strich ihr behutsam eine Haarsträhne aus der Stirn. „Ich habe bisher schon viele Verletzungen gesehen, aber niemals eine solche… es hat nicht viel gefehlt und sie wäre…“ Will verstummte. Alida nickte vorsichtig und trat näher. Sie stellte einen Strauß Akelei, den sie mitgebracht hatte auf das kleine Tischchen neben Lilianas Bett.

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Will nickte ihr zu. „Zum Glück haben wir Leif hier. Ich bin froh, dass ich ihn endlich mal kennen lernen durfte.“ Er erhob sich und öffnete die Zimmertür um hinaus zu treten. “ Ich geh draußen mal nach den anderen Kranken sehen.“ Dann waren sie allein. Alida griff nach der verbliebenen Hand, die von Stoffbinden umwickelt war und nahm auf dem Schemel von Will Platz. Sie war sich nicht sicher, ob die blonde Toreador sie hören konnte, aber ihre Worte waren zu wichtig, als dass sie sie aufschieben wollte. „Liliana? Danke für deine Unterstützung, für deine Hilfe. Ich weiß genauso gut wie du, dass der Kampf Mann gegen Mann nicht zu deinen primären Stärken gehört und umso mehr rechne ich es dir an, dass du dein Leben riskiert hast um mir zur Seite zu stehen. Mehr als ein Mal. Danke. Ich weiß, es gibt nichts, was ich tun kann um das hier wieder gut zu machen…“ Ihr Blick glitt an Liliana zerhackten Leib hinab und sie wusste, dass eigentlich sie hier liegen müsste statt dieser tapferen leichtsinnigen Frau. Wieder schluckte sie. Dann erhob sie sich, goss noch einmal Wasser an die Blumen und verließ wieder das Zimmer. Sie wusste der junge Engländer würde sie nicht allzu lang allein lassen und es würde eine andere Nacht kommen. Eine, in der sie mit ihr reden und nicht nur zu ihr sprechen würde.
Sie ging weiter. Zum letzten Zimmer am Ende des Ganges. Sie klopfte vorsichtig an und als sie keine Antwort erhielt betrat sie das Zimmer, in dem man Lucien untergebracht hatte
(Fortsetzung folgt :) )

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Der Weg zum Ziel beginnt an dem Tag, an dem du die hundertprozentige Verantwortung für dein Tun übernimms.
Dante Alighieri


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BeitragVerfasst: Mi 22. Apr 2015, 16:25 
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In den Tagen nach der großen Schlacht um Brügge wurde nicht mehr gekämpft aber das bedeute nicht, dass keine Menschen mehr starben oder auf einer anderen Art und Weise litten. Die Schneise der Verwüstung die Volgar und sein Gefolge in die Stadt geschlagen hatten war wie eine eiternde Wunde die nur langsam und mit viel Pflege verheilen würde. Aber auch so gab es genügend zu tun und Leif wünschte sich im Moment nichts mehr als Zeit denn die Nächte waren viel zu kurz. Die wichtigste Arbeit die vor ihnen lag war es die Toten zu beerdigen. Die wenigen unverletzten Männer, aber auch Alte, Frauen und Kinder hoben Tag und Nacht Massengräber in geweihter Erde aus um dieses Unterfangen zu bewerkstelligen. Das Ganze war deshalb von so enormer Wichtigkeit, weil sonst Seuchen ausbrechen könnten, die einer Stadt in solch geschwächten Zustand den Todesstoß versetzen würde. Die Freiwilligen gingen dieser Aufgabe mit grimmer Entschlossenheit nach und auf den Totenfeldern die in der aufgeweichten Erde ausgehoben wurden, gab es weder Geschwätz noch Gelächter, lediglich das scharren der Werkzeuge im Boden und die leise Klage um die Verloren war zu hören. In den Jahren die da kamen wurden diese Gräber schließlich als "Tränenfelder" in die Geschichte der Stadt eingehen, da hier so viele Tränen für die Gefallenen der Stadt vergossen wurde von denen fast jede Familie jemandem wie einen Zehnt an den Tod selbst beigesteuert hatte. Das Gebiet wurde zu etwas wie einem ungeweihten Heiligtum in der Stadt indem Ruhe und Melancholie vorherrschten, was ganz und gar ungewöhnlich für die sonst so geschäftige Stadt war. Die größte Ehre die einem Brügger Bürger später zu Teil werden konnte war es hier nach dem Tode seine letzte Ruhe zu finden, den lediglich die größten Helden der Stadt wurden mit denen bestattet die ihr Leben in der großen Schlacht um Brügge für die Stadt gaben.

Aber die Situation kurz nach der Schlacht blieb konstant kritisch. Heilkräuter, Verbände, Salben und Tinkturen waren nach kurzer Zeit aufgebraucht und Leif hatte manchmal das Gefühl lediglich mit Stöcken und Steinen gegen ein Monster kämpfen zu müssen. Dieser Gedanke ließ in an den Wurm denken und gleichzeitig erzittern. Denn er hätte in dem Ungetüm fast selbst sein Ende gefunden. Etwa drei Tage nachdem die Belagerung ihr Ende gefunden hatte wurde es noch einmal kritisch, denn eine Krankheit brach aus, ausgelöst von den fleischgeformten Abscheulichkeiten des Generals - oder zumindest Teilen von diesen die ihr Weg wohl ins Wasser der Stadt gefunden hatten. Zum Glück halfen die mystischen Kräfte der Salubri die Krankheit einzudämmen und niemandem war eigentlich klar wie viel Glück sie hatten dass sich gerade 4 Mitglieder von seinem verstreuten Clan des Einhorns in der Stadt aufhielten und so dem Problem Herr werden konnte.

Aber es gab auch noch eine ganze Reihe anderer Dinge zu tun. Leif war vorrangig ein Heiler, denn er hatte sich vor Langer Zeit für diese Rolle entschieden. Aber er war auch als Soldat ausgebildet worden und hatte in dieser Profession sowohl in sterblichen als auch unsterblichen Kriegen gekämpft. Daher wusste er auch wie wichtig es war die Stadt in ihrem verwundbaren Zustand abzusichern. Die durchbrochenen Wälle mussten notdürftig mit Palisaden geflickt werden, die Umlande von desertierten Söldnern gereinigt und Plünderungen verhindert werden. Leif arbeitete in dieser Zeit eng mit Jean zusammen und auch wenn dieser sm Anfang ehr wiederwillig war, blieb ihm am Ende doch keine andere Chance. Von ihm erfuhr er auch von seinem neuen Spitznamen. Leif "Der Verräter" aber niemand der Eingeweihten hatte den Mut ihn mit diesem Namen direkt anzusprechen und aus Leif "Dem Verräter" wurde bald Leif "Der Gefallene". Welcher dieser Namen besser war darüber könnte man sich sicherlich streiten - worüber man sich sicherlich nicht streiten konnte war die Tatsache das er sich beide Namen auf die eine oder andere Art und Weise verdient hatte.

Der Moment für ihn Rede und Antwort zu stehen würde kommen, aber jetzt war keine Zeit dafür. Davon abgesehen waren die Mitglieder des Rates mit ihren eigenen Dämonen beschäftigt. Lucien und Liliana waren noch immer in ihrem verletzen Zustand und es würde auch noch eine Weile dauern bis sie wieder geheilt waren. Gerrit half zwar auch beim Wiederaufbau der Stadt aber tat dieser aus der Schwärze seines unterirdischen Reiches und zog sich noch tiefer zurück als zuvor. Alida als letzte im Bunde war dagegen nach der Schlacht für einige Tage verschwunden. Er ahnte auch warum, denn er hatte ihre Augen gesehen aus denen jeder Funke von Leben der ihren untoten Körper antrieb erloschen war als sie die Folgen des Krieges betrachtete. Es gab mehr Opfer im Krieg als jene die durch Bogen und Schwert fielen und diese Opfer waren auch sehr viel schwerer zu behandeln, da ihre Wunden unsichtbar waren und oft auch einfach nur verschwiegen wurde. Dazu kam das Alida mit dieser Stadt verbunden war wie es wohl nur ein Tzimisce würde verstehen können und dieser Effekt ließ die Wunden der Stadt wohl auch auf ihrer Seele erschienen. Alida würde Heilung benötigen wenn die Zeit gekommen war ob ihr das bewusst war oder nicht.

Mit dem zeitweise eingetreten Waffenstillstand zwischen Leif und Jean hatte sich auch noch eine andere Tradition eingebürgert. Im informellen Rahmen trafen sie sich jede Nacht nach Leif's erwachen und berieten sich wo man die verbliebenen Ressourcen übernatürliche wie natürliche am sinnvollsten einsetzte. Dabei halfen Jean Einsicht als stellvertretende Nachtwache und Leif's Erfahrung als Beauftragter für innere Angelegenheiten von Brügge als er noch ein Mitglied des Rates war. Sie hatten dabei einige gute Strategien entwickelt wie die Gründung einer Bürgerwehr aus Jugendlichen und Frauen die Ordnung in den Straßen aufrecht erhielt und dafür sorgte, dass es nicht zu Ausschreitungen kam sowie effiziente Wege zur Versorgung der Stadt mit sauberem Wasser und Lebensmitteln. Leif hatte auch vorgeschlagen das Jan van Häuten, Carminus und sein Kind Charlotte ihre Fähigkeiten zum verändern von Gedanken nutzten um die schlimmsten Brüche der Stille des Blutes zu heilen um Komplikationen für die Zukunft zu vermeiden. Ihre Bemühungen trugen schließlich Früchte und irgendwann hatte Leif das Gefühl die Stadt sei über den Berg und aus dem Wahnsinn der Zerstörung schien sich auch noch etwas anderes zu entwickeln. Nämlich Hoffnung. Die Menschen halfen sich gegenseitig so gut sie könnten, spendeten sich Trost über den Verlust ihrer Lieben und teilten ihr Brot mit hungernden Fremden. So viel Solidarität gab es in der geschäftigen Stadt Brügge an der die meisten Leute nur an den nächsten Sack voll Gold dachten, schon lange nicht mehr. Die Leute wurden wieder daran erinnert was wirklich wichtig war.

Nachdem die meisten Verwundeten schließlich versorgt waren und das Leben wieder einigermaßen in geordneten Bahnen lief hatte er endlich die Zeit sich mit den beiden kainitischen Opfern der Schlacht auseinanderzusetzen. Liliana wurde buchstäblich zerhackt und Lucien war bereits zuvor als erstes Opfer des Krieges in die Hände des Assamiten gefallen. Die Heilung beider würde Zelt brauchen und viel Blut was auch einer der Gründe war wieso beide noch in ihrem Zustand waren. Blut war eine rare Ressource trotz oder vielleicht auch gerade wegen all der Toten. Manchmal ging es um Entscheidungen und jeder Pint Blut den Leif durch einen Aderlass erhielt könnte man entweder zum heilen deren benutzen die einem nahestanden oder seine Disziplin Valeren befeuern um das Bein oder den Arm eines Mannes zu retten und ihn damit nicht zum Krüppel für den Rest seines Lebens zu machen. Wie man es drehte oder wendete manchmal waren es einfacher die Wahl zwischen Pest und Cholera.

Schließlich kehrte eines Nachts auch Alida aus ihrer selbstgewählten Isolation zurück und besuchte das Krankenhaus sicherlich um nach Liliana und Lucien zu sehen. Er verbarg sich vor ihr und wusste am Anfang gar nicht warum. War es Scham? Vielleicht. Aber er wollte es auch vermeiden im Moment die Ablehnung, Vorwürfe und Enttäuschung in Alidas Augen zu sehen. Er selbst wusste er hatte die Brügger Kainiten nicht verraten aber er hatte sich entschieden sie im Stich zu lassen und er währe fast zu spät gewesen um seinen Teil bei der Verteidigung der Stadt zu leisten die auch seine Heimat war. Es war komisch und Auch wenn sie sich nie sonderlich nahe standen war Leif inzwischen davon überzeugt, dass die Nornen sein und Alidas Schicksal irgendwie verbunden hatten wie man an Balduin und Catherina sowie ihrem jungen Sohn sehen konnte. Aus welchen Gründen auch immer aber das würde die Zeit vielleicht noch zeigen. Der Nordmann wartete bis Alida den Raum in dem Liliana untergebracht war verlassen hatte und ging dann selbst hinein um vom Duft von Akelei erwartete zu werden sowie dem geschundenen und verstümmelten Körper seiner ältesten Bekannten und der vielleicht einzigen Person der Leif aus welchen Gründen auch immer wirklich vertraute.

(Fortsetzung folgt ;) )

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- Do not go gentle into that good night. Rage, rage against the dying of the light. -


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BeitragVerfasst: Fr 24. Apr 2015, 15:30 
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Sie ging weiter. Zum letzten Zimmer am Ende des Ganges. Sie klopfte vorsichtig an und als sie keine Antwort erhielt betrat sie den Raum, in dem man Lucien untergebracht hatte.
Der Anblick, der sie erwartete ließ sie zurück taumeln. Sie hielt sich am Türrahmen fest und wäre am liebsten rückwärts hinaus gestolpert, aber ihr war klar, dass das keine Option für sie war. Alida schloss die Augen, atmete tief ein und betrat den spärlich erhellten Raum. Lucien lag flach auf dem Rücken. Außer seinem Torso und Kopf war nichts mehr von dem einst so stattlichen Hauptmann übrig. Das Gift, das konnte sie erkennen, war von Leif entfernt worden und die Haut an den Stümpfen wo dereinst seine Arme und Beine gewesen waren begann bereits zu heilen. Man hatte ihm eine Decke übergelegt und um seine Augen war eine Binde angebracht, die den Besuchern und Heilern den Anblick der ausgestochenen Höhlen ersparen sollte aber die blonde Händlerin hatte das Bild, das sie auf dem Schiff vor Brügge gesehen hatte nach wie im Gedächtnis und wusste welches Grauen der Anblick des roten verkohlten Fleisch darunter auslöste. Der Pflock, den man ihm ins Herz gerammt hatte, war nach wie vor in seiner Position. Wahrscheinlich wollte Leif zunächst sicher gehen, dass die Heilung begann bevor er ihn der Raserei aussetzte.
Sie trat näher, verharrte neben seinem Bett und realisierte erst nach einiger Zeit, dass er sie ja gar nicht bemerken konnte. Ihre Stimme war dünn.
„Hallo Lucien. Ich dachte mir, du freust dich vielleicht über ein wenig Besuch. Ist ein wenig langweilig hier so allein die ganze Nacht, oder? …“ Sie biss sich auf die Zunge. Unpassende Scherze waren in einer solchen Situation wahrlich nicht angebracht. Wahrscheinlich hörte er sie eh nicht. Aber so wie bei Liliana maß sie dieser Tatsache im Moment keine Bedeutung bei. Sie fuhr ihm mit der Hand kurz als Willkommensgruß über die Schulter, eine der wenigen Hautareale an denen man ihn noch berühren mochte. Dann zog sie einen einfachen Holzschemel herbei und setzte sich. Sie suchte nach aufmunternden Worten. „Draußen sieht es schon gar nicht mehr so wüst aus. Wenn du das hier alles überstanden hast fällt dir vielleicht gar nicht mehr auf, dass draußen mal Krieg war, so fleißig sind die Leute…“ Sie verstummte. Wem wollte sie etwas vormachen? Lucien? Sich selbst? Sie kannte beide und wusste, dass das ein närrisches Unterfangen war. Sie seufzte. „Nein, draußen sieht es nicht gut aus… ich wünschte, ich könnte für immer verschwinden, weglaufen. Du hast immer von deiner Freiheit geredet, dass es nichts für dich gibt, wofür es sich eher zu sterben lohnt. Aber es ist hart für die Freiheit zu sterben, und noch härter, so erscheint es mir, ist es für diejenigen, die überleben. Der Preis ist so verdammt hoch, weißt du?“ Sie blickte sich in dem kahlen Raum um. „Ich glaube, ich bin kein guter Gesprächspartner, Lucien. Ich hab dir was mitgebracht.“

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Sie griff in ihre Tasche, legte einen Zweig Flieder, Apfelblüten und eine Hundsrose auf das kleine Tischchen und holte dann ein schweres, in Leder gebundenes Buch hervor. „Ich wollte dir eigentlich von einem großen Krieg vorlesen, einem der vor vielen tausend Jahren stattgefunden hat. Ein Krieg indem tapfere mutige Männer für eine Stadt fielen, ihre Lieben verloren, Ehre und Ruhm gewannen oder verloren doch ich habe mich gegen die Schlacht um Troia entschieden. Der Autor von diesem Werk hat noch einen anderen Mythos geschrieben. In dem anderen Buch geht es um einen Überlebenden dieses Krieges, den Fürst einer kleinen Insel namens Ithaka, der auf dem Weg nach Hause viele Jahre mit seinen Gefährten umherirrt und nach vielen Abenteuern schließlich als Bettler unerkannt heim kehrt. Dort findet er sein Haus voller Fremder vor, die sein Eigentum aufzehren, seiner Frau Penelope einreden, er sei tot, und sie zwingen wollen, einen der ihren zu heiraten. In einem letzten Versuch nimmt Odysseus schließlich mit seinem eigenen Sohn, der nicht weiß um wen es sich bei dem Bettler handelt, den Kampf gegen diese Männer auf.“
Sie blickte ihm in das Gesicht, das sich nicht rührte: leblos und blass wie eine Marmorstatue. Sie dachte an ihrer Vater, der ihren Geschwistern und Alida immer vorgelesen hatte wenn sie krank waren, holte Luft und begann:

Erzähl mir, Muse, von den Taten dieses vielgewanderten Mannes,
der so weit geirrt ist nach der Zerstörung des heiligen Troja,
Vieler Menschen Städte gesehn, und Sitte gelernt hat,
Und auf dem Meere so viele unnennbare Leiden erduldete,
um seine Seele zu retten und die Heimkehr seiner Freunde zu ermöglichen.
Aber die Freunde rettete er nicht so sehr er auch danach strebte;
Denn sie bereiteten sich selbst durch Missetaten ihr Verderben…

Sie las und las, von einäugigen Zyklopen, gefährlichen Monstern namens Skylla und Karyptis, verführerischen Sirenen, die mit ihrem lieblichen Gesang alles ins Verderben rissen, gewaltigen Stürmen, den Kämpfen des tapferen Mannes gegen die schier unbesiegbaren Mächte, die er mit listenreichem Verstand, Mut und seinen treuen Gefährten ausfocht.

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Alida bemerkte nicht, wie die Stunden verstrichen und erkannte erst am Flackern der beinahe erlöschenden Kerze, dass es Zeit wurde zu gehen. Sie erhob sich und verstaute das Buch wieder in ihrer Tasche. Lange sah sie die vertrauten Züge des Gangrel an. „Lucien, weißt du… ich habe es dir nie gesagt, aber von allen Kainiten die die Nächte unsicher machen bist du mein bester Freund. Du bist immer da, wenn man dich braucht, auch in den Momenten in denen man nie wagen würde irgendjemand um Hilfe zu bitten. Du forderst nichts, keine Güter, keine Gefallen und dabei wärst du wohl der einzige, dem ich ohne nachzudenken alles gewähren würde.“ Sie schmunzelte. „Na ja, im Moment hab ich nicht leider nicht wirklich was anzubieten. Ist nicht mehr so viel übrig…“ Sie beugte sich zu ihm hinunter und drückte ihm einen Kuss auf die Stirn. „Bis bald, mein Freund. Werd‘ wieder gesund.“
Dann verließ sie das Krankenhaus. Es wurde Zeit nach Frederik zu suchen und Jean und Marlene würden sicher auch eine unterstützende Hand gebrauchen können. Und im Gegensatz zu manch anderem hatte sie sogar noch zwei davon…

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Der Weg zum Ziel beginnt an dem Tag, an dem du die hundertprozentige Verantwortung für dein Tun übernimms.
Dante Alighieri


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BeitragVerfasst: Fr 24. Apr 2015, 18:27 
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Es war dunkel vor ihren Augen geworden. Das letzte woran Lilliana sich erinnern konnte war der Schmerz gewesen, als sein Schwert mit voller Wucht und ohne Mühe ihre Rüstung und dann ihre Haut durchbrach. Das Tier in ihr hatte keine Zeit mehr aufzuschreien und sich dagegen zu erheben, da brach sie auch schon zusammen und das letzte was ihre Augen sahen waren hinter ihm zwei Männer, einer aus Brügge und ein anderer ein Söldner. Ihre Schwerter hatten sich ineinander gekreuzt und steckten fest. Ein letztes Bild für die unendliche Ewigkeit…

Liliana spürte das Kribbeln in ihren Fingerspitzen. Nicht nur die gesunde linke Hand, sondern auch das seltsame Gefühl in der Rechten. Sie spürte die Decke, die ihr jemand umgelegt hat und roch die Blumen, die jemand irgendwo in der Nähe des Bettes aufgestellt hatte.
Jemand streichelte behutsam ihre Hand, flüsterte leise auf sie ein. Sie kannte die Stimme, doch wusste sie im ersten Moment nicht zu wem sie gehörte. Sie hatte eine scheinbare Unendlichkeit in diesem unwirklichen Zustand verbracht. Dann öffnete sie vorsichtig die Augen, war geblendet vom Licht der einzelnen Kerze. Langsam gewöhnten sich ihre empfindlichen Pupillen an das Licht und dann sah sie ihn.
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Wie eine Erinnerung aus einem längst vergessenen Traum
Die Finger der gesunden linken Hand bewegten sich minimal nach oben wie nach unten, während die an der rechten es versuchten nachzumachen, was jedoch bei einem komischen Gefühl blieb. Lilliana sagte zunächst keinen Ton, sondern versuchte die Augen weiter zu öffnen und sich an das einzelne, schwache Licht der Kerze zu gewöhnen. "Wo bin ich? Bin ich zum zweiten Mal gestorben? Ist Brügge gefallen? Wie geht es den anderen?" viele offene Fragen entkamen leise ihren Mund, während Lilliana damit begann den Kopf hin zu der Person zu drehen "Ihr seid erwacht?"
Er schenkte ihr ein sanftes Lächeln. „Ja, das bin ich. Eine Heilerin namens Charlotte pflegte mich gesund. Sie kennt mich nicht aber das alte kluge Weibsbild hat mich mit dem versorgt, was ich in all den Jahren wahrlich gebraucht habe. Ihr muss klar gewesen sein, was wir sind, der Guten.
Brügge ist nicht gefallen, hat man mir berichtet. Es soll ein kleines Scharmützel gegeben haben aber die Aufräumarbeiten sind fast beendet. Das einzige, was zählt ist, dass ihr erwacht seid! Ihr ward so habe ich gehört ein Leuchtfeuer in dieser finsteren Minute der Brügger Geschichte. Ihr werdet helfen den Bürgern neuen Mut zu verleihen.“
Lilliana hörte ihn in seinen Ausführungen zu und drehte sich gegen Ende hin wieder von ihm weg. "Ich war kein Leuchtfeuer, nur eine kleine Kerze die die guten Menschen in den Tod für Brügge geschickt hat. Wie viele mag dieser General nach meiner Niederlage zerteilt haben." Sie drehte sich von ihm weg, so langsam es notwendig war. "Dieses Ende der Schlacht, diese Schlacht selbst. Wir haben es zugelassen Jaques. Wir haben zugelassen, dass die Menschen für unsere Entscheidung sterben mussten. Wir waren die Henker." Die linke gesunde Hand ging an ihren Mund "Wir...sind...Mörder" die Finger umschlossen den Mund und hielten ihn zu, während sie ihre Augen feste schloss.
„In einer Schlacht kämpft man um das zu schützen, was einem schützenswert erscheint. Wenn euch die Menschen am Herzen liegen, dann seid euch bewusst, dass viel mehr Bürger dem Unhold aus dem Osten anheimgefallen wären, hättet ihr ihm großzügig die Tore geöffnet.“ Er erhob sich und trat näher an sie heran um sie aufzurichten. „Ihr solltet dieses Krankenhaus verlassen. Dieser Ort ist nichts für jemanden wie euch. Ihr solltet euch erst ein wenig in eurem eigenen Anwesen ausruhen, Kräfte sammeln um die Schlachten zu schlagen, die demnächst kommen mögen.“ Er lächelte
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Lilliana blieb noch einen Moment noch so in der Haltung, aber Jaques konnte sicher sein, dass sie seine Worte wohl vernommen hatte. Langsam und konzentriert ließ sie die linke Hand sinken. Sie erwiederte sein Lächeln nicht, aber öffnete zumindest wieder ihre Augen. "Dieses Krankenhaus wurde wohl nicht umsonst gewählt von demjenigen gewählt, der mich in Starre liegend weg vom Schlachtfeld geschleppt hat." Dann drehte sich ihr Kopf erneut "Und auch ihr wart eine zeitlang Gast dieses Hauses bevor ich euch habe überführen lassen. Ich denke der nächste Brief an euren Prinzen Etienne de Poirtou dürfte um einiges länger und erfreulicher für ihn ausfallen, als all die Jahre zuvor." Sie versuchte sich etwas aufzurichten, merkte aber schnell, dass etwas mit ihrer rechten Körperseite nicht stimmte und legte sich wieder zurück. "Wie schlimm ist es?"
„Ihr seid geheilt. Vielleicht in den nächsten Nächten etwas langsamer, ihr müsst euren neuen Körper erst wie ein neues Gewand anprobieren, wenn ihr den Vergleich gestattet. Vielleicht werdet ihr mehr Blut benötigen. Der Heiler…“ ein Schatten legte sich auf sein Gesicht. „…war sparsam mit seinen Gaben.“ Er nickte ihr zu und half ihr sich an die Bettkante zu setzen. „Morgen soll ein Treffen sein. Jedoch scheint der ein oder andere der kainitischen Bevölkerung unauffindbar.“ Er kam ihrer Frage zuvor. „Fragt mich nicht um wen es sich handelt. Mir sind die Namen nicht vertraut. Wenn ihr gestattet werde ich dafür Sorge tragen, dass ihr heil zu Hause ankommen werdet. Darf ich, Mylady?“ Er reichte ihr den Arm
Ihr entging nicht der Schatten der über sein Gesicht huschte und in ihrem Inneren atmete sie einmal für sich aus. Es war jetzt nicht an der Zeit und definitiv wollte sie dieses Gespräch nicht im Beisein von Jaques führen. Ihr Kopf drehte sich zu ihrer neuen rechten Seite, spürten die neue Hand nach und ließ die einzelnen Finger nach oben und unten bewegen. Es fühlte sich immer noch etwas...merkwürdig an. "War es nur ein Heiler?" die linke gesunde Hand von Lilliana griff nach dem angebotenen Arm von Jaques, so ganz traute sie dem Frieden noch nicht "Ich würde mich gerne verabschieden." als sie stand huschten ihre Augen über ihr Lager, blieben an der Blumenvase mit den Akelei hängen und führte ihre Schritte hin zum Strauß. "Wunderschöne Farben haben diese Blumen." sie roch einen Moment daran, ehe sie Jaques kurz losließ und vorsichtig mit beiden Händen den Strauß aus der Vase holte und ihn vorsichtig in die rechte Armbeuge legte.
Er nickte ihr zu. „Ganz hübsche Wald- und Wiesenblumen. Ich hätte Euch Rosen, entsprechend eures Clans mitgebracht: Die Königin der Blumen. Aber bis auf die gemeine Hundsrose blüht noch keine dieser herrlichen Blüten.“ Wieder war der missmutige Gesichtsausdruck zu erkennen. „ich weiß nicht wo dieser Kappadozianer Thorsson ist. Und ich will es auch nicht wissen, wenn ihr meinen Gefühlsausdruck verzeihen mögt. Er hat mich vor so vielen Jahren vergiftet, mir Jahre meines Unlebens an Eurer Seite gestohlen und mich auch nach so langer Zeit nicht geheilt. Erst die Gaben der alten Heilerin haben mich von den wahren Toten zurückgeholt. Aber ich wäre bereit ihn zu suchen, so ihr denn wollt.“
Lilliana stand für die kurze Zeit mit dem Rücken zu ihm, so würde ihm der wissende Gesichtsausdruck entgehen, den sie hatte. Als sie sich wieder zu ihm umdrehte, lag auf ihrer Miene immer noch eine neutrale Maske. "Jaques..." Lilliana schüttelte sachte den Kopf " Es war nicht Leif gewesen, ihm wurde es nur zugeschoben. Der Giftmischer wurde von uns gestellt und verurteilt. Ihr könnt dies gerne euren Prinzen fragen, es wird es euch bestätigen. Leif trägt keine Schuld in dieser Sicht und auch nicht was die Dauer eurer Starre anbelangt. Weder wir noch die Mitglieder euerer Heimatdomäne wussten jahrelang nicht welches Gift euch niederstreckte." dann verstummte sie abermals als ihr ein Gedanke kam "Doch ist mir der Name Charlotte nicht bekannt für die Stadt Brügge, aber ihr habt ihr wie ihr selbst sagtet einiges zu verdanken." Sie schritt an seinem Arm weiter vorwärts "Ich bitte darum, wenn ihr einen der anwesenden des Krankenhauses findet. Ich gehe nicht gerne ohne ein Wort der Dankbarkeit." Lilliana würde ihn zurücklassen und ihre Augen wanderten umher, sie hielt sich mehr als nötig etwas am Türrahmen ihrer Schlafstätte fest und am Ende blieben die Augen wieder bei den Akalei hängen. "Wo seit ihr nur? Will? Alida? Lucien? Gerrit?" und nach einer Pause "Leif?"
Liliana fand keinen der ihr bekannten Kainiten in den Hallen in denen die Kranken gepflegt wurden. Die Schwestern wussten zwar zu berichten, dass sich Adale und Thorson noch vor einiger Zeit hier aufgehalten hatten, aber keiner wusste um den derzeitigen Aufenthaltsort. Jaques folgte ihr schweigend.
Mit ruhiger Miene und ohne ein Lächeln bat Lilliana die Schwestern darum den beiden ihren Dank auszurichten und das sie zu gegebener Zeit wieder zurückkehren würde, speziell an Will sollten sie bitte ausrichten, dass sie die Pfirsische noch immer liebe, aber sie müsse sich nun zunächst einmal ein Bild von den Schäden der Stadt machen und nachsehen wie die Verluste in ihrem Zuhause sind.
Jaques bestand darauf, dass sie in den Hallen des Hospitals wartete währen der eine Kutsche organisierte. Obwohl die Straßen voller Bürger waren, die mit gesenktem Kopf dahinwanderten gelang es ihm ein einigermaßen prachtvolles Fuhrwerk zu mieten und sie nachdem er die Tür geöffnet hatte, hinten einsteigen zu lassen. „Ihr seid noch ein wenig schwach, Mylady. Ich bin mir sicher, der Aufbau eurer Stadt wird euer Herz erfreuen.“ Der Kutscher fuhr an und die Pferde liefen durch die prächtigsten Straßen der Stadt. Ab und an sah Liliana traurige Gesichter aber hier ging das alltägliche Leben schon fast wieder seinen gewohnten Gang. Er sah sie mit seinen hellen Augen an. „Es tut gut euch wieder unter den Lebenden zu wissen. Eure Stadt braucht euch. Auch wenn es etwas voreilig erscheinen mag: Ich habe mich dazu bereit erklärt morgen Abend ein kleines Banquett für die mächtigsten adeligen Herren der Stadt und ihre Gemahlinnen auszurichten. Eure Stadt benötigt fähige Anführer um zu seinem alten Glanz zurück zu finden und es soll ein Wohltätigkeitsessen werden. Jeder der Teilnehmenden hat sich bereit erklärt einen großen Betrag für den Aufbau zu spenden. Ich wüsste euch gern an meiner Seite. Auch wenn ich verstehen kann, dass ihr nach allem sehr erschöpft sein müsst. Dieser Abend wird wichtig für Brügge, euer Brügge.“
Lilliana versuchte ihn noch am Anfang aktiv davon abzuhalten, ließ es aber dann sein. Obwohl körperlich hergestellt fühlte sie nur noch ein großes, schwarzes Loch. Auf der Fahrt fühlte sie sich immer elender. Die traurigen Augen waren ein weiteres Kreuz, dass nun in geweihter Erde ruhte und dessen Todesurteil ihre Handschrift mittrug. Nur wegen der Entscheidungen des Rates, die sie mitzutragen hatte...nur deswegen. Etwas entfernt drangen die Worte von Jaques an ihr Ohr und holten sie wieder in die Realität zurück. Sie hörte nur die Worte adlig und Banquett und unwillkürlich kamen Erinnerungen an ihren Traum hoch und ihre Mimik verriet, dass ihre Freude über seine voreilige Entscheidung sich in Grenzen hielt. "Die adligen sollten nicht immer daran erinnert werden müssen, dass sie mit ihrem Titel auch eine Pflicht eingegangen sind ihr Volk zu führen und es in Krisenzeiten zu versorgen." Ihr Blick traf den von Jaques "Dann müsst ihr mir versprechen niemanden halb tot prügeln zu wollen, bloß weil er eine Unterhaltung beim Tanzen mit mir anfängt Jaques. Viele Verträge sind schon auf diese Weise auf den Weg gebracht worden, fernab aller offiziellen Konversationen."
Jaques zog eine Augenbraue nach oben und verzog seinen Mund zu einem amüsierten Lächeln. „Wir Adeligen erhielten unsere Titel durch das Wohlwollen Gottes oder unsere Taten für unsere Herren. Mit unserer Macht kommt die Verantwortung unsere Untergebenen zu führen und unseren Herren zu dienen. Denkt ihr nicht, Liliana, dass auch ein Fürst ab und an jemanden braucht, der ihn an sein Bündnis mit Gott, an seine Pflichten erinnert?“
Bei ihrer Ausführung, er könne jemanden schlagen lachte er laut auf. „Mylady? Wie kommt ihr zu solchen Ideen. Ihr seid mir ausgesprochen wichtig. Wir beide sind nicht vor Gott zu Mann und Frau getraut und es obliegt mir nicht eure Ehre zu verteidigen, auch wenn ich immer gewillt sein möge, eine Jungfrau in Nöten zur Seite zu stehen.“ Er lehnte seinen Kopf an den Fensterrahmen und ließ sich den Fahrtwind durch die Haare wehen. „Es freut mich, dass ihr dabei sein werdet.“
Die Kutsche fuhr in den großen Vorhof des weißen strahlenden Anwesens ein. Alles war sauber und geputzt. Liliana erkannte, dass man die Eingangstür herausgebrochen hatte. Offensichtlich war auch hier geplündert und geraubt worden, aber das meiste war heil geblieben.
Kaum war die Kutsche eingefahren als ein kleines braunhaariges Mädchen in einer einfachen Kittelschürze angerannt kam und in ihrem Übermut fast unter die Hufe der Pferde geriet. Sie trippelte nervös von einem Bein aufs andere und wartete geduldig, dass Jaques die Tür öffnete und Liliana die Hand zum Aussteigen reichte.
Lilliana antwortete ihm nicht mehr auf seine Ausführungen zu den Adligen, ihre Augen hatten ihr einstiges Zuhause in Brügge gestreift, sie hatte Anweisungen an Michel den Obersten ihrer Soldaten und den Nachfolger ihres verstorbenen Kindes und ehemaligen Ghules hinterlassen, dass dieser den Notleidenden, egal ob Bürger oder Obdachloser Schutz vor den Söldnern gewähren sollte. Lilliana gedachte ihn bald zu suchen und sich über die Situation im Hause zu informieren und danach ihren zweiten Ghul aufzusuchen. Die größte Sorge was aber ihre eigene Familie betraf, wurde ihre genommen, als ein kleines Mädchen den Pferdehufen gefährlich nahe kam und ein spitzes "Marie" gefolgt von einem hastigen aufspringen Lilliana's. Die Hand zum Aussteigen brauchte Jaques ihr nicht reichen, Lilliana bemühte sich so schnell es geht die Kutsche zu verlassen. Dann beugte sie sich herunter und ihre beiden offenen Hände luden die Kleine ein in ihre Arme zu laufen und sich hochheben zu lassen. Die pure Erleichterung war auf Lilliana's Gesicht zu erkennen und zum ersten Mal lächelte sie in all der Trauer, die sie verspürte. Dieser Moment gehörte ihnen beiden, alles war ausgeblendet. Dann erst ließ sie das Mädchen los und wieder nach unten gleiten, ehe sie die Kleine richtig in Augenschein nahm. "Ich bin mir sehr sicher, dass bereits Schlafenszeit für dich besteht. Auf, auf ins Bett meine Kleine, du hast mich wieder."
Marie drückte Liliana fest an sich. „Du bist doch grad erst wieder gekommen und du warst sooooo lange weg. Ich kann später immer noch ins Bett gehen. Da drin ist ein Mann, der wartet auf dich und er hat einen Hund mitgebracht, der ist sooooo groß.“ Sie deutete auf ihre Schulter. „Den kenn ich. Der heißt Cato. Aber der kennt mich noch nicht. Und wie der Mann heißt weiß ich nicht.“ Sie sah ungläubig in ihre Richtung. „Und du bist wieder ganz gesund?“
Jaques stand an die Kutschentür gelehnt und verschränkte die Arme vor der Brust. Interessiert betrachtete er das Pärchen und schloss dann die Tür wieder.
(Fortsetzung folgt…)


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BeitragVerfasst: So 26. Apr 2015, 20:49 
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Lilliana leistete keinen Widerstand und ließ es geschehen. Es war wirklich eine lange Zeit vergangen und wie sehr musste die Kleine sich gefürchtet haben. Doch so schnell der Moment der Ruhe gekommen war, so war er auch schon wieder verflogen, als sich Lilliana stirnrunzelnd so drehte, das Jaques in ihr Gesicht sehen konnte. "Besuch? Mit Hund?" Sie ließ die Kleine ab und versteifte sich. "Ich rede morgen mit dir. Lass dich jetzt auf dein Zimmer führen, Marie." Ihre Worte hatten etwas abschließendes im Unterton und Lilliana suchte den Blick von einem der Männer ihres Hauses. "Welchen Namen nannte derjenige, der Einlass erbat?"
Ein Wachmann nickte.
„Der Mann stellte sich als Frederik van de Burse vor. Ein ortsansässiger Händler, wenn mich nicht alles täuscht, Mylady. Er wartet in der Empfangshalle. Allerdings haben wir das Riesenvieh, das er dabei hatte im Hof festgebunden. Bevor es noch jemanden anfällt!“
Marie widersprach heftig: „Das ist kein Vieh. Das ist ein Hund. Und er heißt Cato. Du bist ganz schön dumm wenn du das nicht siehst.“
Der Wachmann zog eine Augenbraue hinauf, widersprach aber aus Respekt zu seiner Herrin nicht dem Mädchen.
Liliannas Augen huschten vom Wachmann zu Marie, nahmen den Kontakt auf und die ihre nachfolgenden Worte waren von Strenge untersetzt. "Marie, geh sofort in dein Zimmer und lege dich zur Nachtruhe. Teile mir morgen Abend mit, was an deinem Verhalten soeben völlig unangebracht gewesen ist und was du zu tun gedenkst, dies wieder gut zu machen." Die Finger ihrer linken Hand deuteten zur Untermalung hin zum Tor ihrer Behausung und dieses Mal wartete Lilliana ab, bis Marie wirklich verschwunden war. Erst dann entspannte sie sich ein wenig. "Frederik van de Burse?" fragte sie nochmal nach, aber man hörte aus der Frage, dass sie keine Antwort haben wollte, sondern sich bei seinem Namen nur an die Vergangenheit erinnerte. Ihre Augen suchten kurz die von Jaques. "Entschuldigt mich bitte einen Augenblick. Es scheint wichtig zu sein. Fühlt euch weiterhin als mein Gast in diesem Haus."
Jaques verbeugte sich galant. „Mylady. Es ist bereits spät. In nicht allzu langer Zeit wird die Sonne aufgehen. Ich habe mich in einem derzeit leer stehenden Palast eingemietet. Im Palast Oost Blankeberg. Es wäre mir eine Ehre euch dort morgen zur 7. Abendstunde gemeinsam mit unseren Gästen empfangen zu dürfen. Ein Großteil der Adeligen wird extra erscheinen um Euch heil und unversehrt sehen zu können. Um Mitternacht ist das Treffen der kainitischen Bewohner angedacht, zu dem ihr sicher zu erscheinen wünscht.“ Er schwang sich wieder in die Kutsche und warf ihr einen Handkuss zu. „Gehabt euch wohl, meine Liebe“
Das Mädchen zog einen Schmollmund, rannte aber bei Lilianas harschen Worten rasch ins Innere des Gebäudes.

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Lilliana blickte Jaques noch für einen Moment nach, ehe sie hinein in ihr eigenes Gebäude ging. Vorbei an den verbliebenden Angestellten und sie könnte förmlich spüren, dass auch hier der Verlust vorhanden gewesen war. Viele hatten Verwundungen davongetragen, manch einer war in den Tagen ihrer Abwesenheit an den Folgen gestorben. Michel, ihr Ghul kam ihr auf halbem Wege entgegen und während beide in Richtung Empfangshalle schritten, erklang sein Bericht trocken und nüchtern über die letzten Tage. Man kann nicht immer alle retten, aber man kann den Versuch unternehmen. Es bedarf keiner weiteren Worte von ihm, Lilliana hatte verstanden. Sie legte ihm zur Bestätigung eine Hand auf seine linke Schulter und nickte ihm abschließend zu. Sie merkte ihm seinen Dank, ob ihrer nonverbalen Kommunikation an und er entfernte sich, es war Zeit eine Runde durch das Anwesen zu drehen, während Lilliana die Türen zur Eingangshalle geöffnet bekam und ruhigen Schrittes und mit einer neutralen Miene eintrat.
Frederik van de Burse saß auf einer der Bänke im Eingangsbereich. Er studierte eine Schriftrolle, die er beim Anblick der dunkelblonden Toreador jedoch wieder in einer Tasche verschwinden ließ. Er erhob sich und verbeugte sich leicht vor der schönen Frau. „Liliana von Erzhausen?? Danke, dass ihr mich empfangt. Ich war bereits im Krankenhaus um dort nach euch zu sehen, aber als ich dort ankam hattet ihr euch bereits auf den Weg zu eurem Anwesen gemacht. Ich bin euch gefolgt und wie es scheint etwas früher als ihr hier eingetroffen.“
Lilliana lächelte leicht als er sich aus seiner Verbeugung wieder erhob. "Frederik van de Burse. Es tut gut einen Teil der Familie van de Burse gesund zu erblicken. Habt ihr von Alida van de Burse etwas gehört? Geht es ihr den Umständen entsprechend gut?" ihre Worte waren getränkt von ehrlicher Sorge.
Frederik biss wie von einer schmerzlichen Erinnerung gequält die Lippen aufeinander. „Ja, es geht ihr soweit gut. So wie den meisten unserer kainitischen Verbündeten. Lucien benötigt noch ein wenig Zeit zum Heilen aber der Sturkopf will davon natürlich nichts hören und marschiert schon wieder durch die Stadt als wäre nie etwas gewesen. Ich möchte euch im Namen aller Kainiten zu einem Treffen morgen Abend im Belfried einladen. Um Mitternacht.“
Lilliana trat einen Schritt näher an einen der neueren Bewohner der kainitischen Welt und nahm den Augenkontakt zu ihm auf. "Wenn ich euch einen Rat geben darf Frederik van de Burse, dann beißt nicht euren Schmerz weg, sondern sucht euch echte Freunde in eurer neuen Welt, denen ihr eure Gedanken anvertrauen könnt." sie ließ für einen Moment die Stille sich ausbreiten, ehe sie weiter redet "Ich bin bereits über das Treffen informiert worden und werde sehen, dass ich es wahrnehmen kann, aber ich danke euch für euer Kommen und das Überbringen der Nachricht." sie seufzte "Cato...Cato, ein etwas ausgefallenerer Name für einen Hund, dessen Erscheinung meine Angestellten in Schrecken versetzt hat..." sie entließ die Worte in den Raum, anscheinend ohne Zusammenhang. "Ist er denn so gefährlich?"
Frederik schmunzelte. „Ja, ein ausgefallener Name. Er ist nach einem sehr ausgefallenen Kainiten benannt. Cato ist der geghulte Hund von Alida. Sie bekam ihn einst als Welpe geschenkt. Eine gar seltsame Rasse, wenn ihr mich fragt. Der Hund ist intelligent und hat nie jemanden, der es nicht verdient hätte, verletzt. Aber ich möchte nicht zu denjenigen gehören, die er als gefährlich einstuft. Alida hat mich gebeten ihn mitzunehmen. Es erscheint ich zu solchen Zeiten sicherer nicht allein durch die nächtlichen Straßen zu wandeln“
Lilliana nickte leicht, aber ein leichtes Stirnrunzeln verriet ihm, dass sie nicht alles davon gut heißt. "In diesem Haus seid ihr mein Gast und sicher, daher würde ich es begrüßen, wenn ihr oder Alida bei euren Besuchen euren Begleiter nicht mitnehmen würdet. Das Wohl meiner Leute ist mir sehr wichtig." sie schloss kurz die Augen und sah ihn dann wieder an. "Habt ihr sonst noch ein Anliegen, dass ihr gerne mit mir alleine besprechen möchtet?"
Frederik schüttelte den Kopf und dann vernahm Liliana das heftige wütende Bellen und den hellen Schrei eines Kindes. Der junge Toreador fuhr herum, blickte in Richtung Hof.
und dann rannte Lilliana los hin zur Quelle des Geräusches und puschte Blut. (1 BP auf GE)

Frederik folgte ihr fast in gleichem Tempo. Liliana traute ihren Augen nicht als sie den Hof betrat. Ein gigantischer abgrundtief hässlicher Hund, dessen Schulter wohl an ihre Hüfte heranreichte knurrte ein letztes Mal drohend und hechelte dann. Das kleine Mädchen, in dem Liliana augenblicklich Marie erkannte hielt sich den blutenden Arm und schimpfte voller Wut auf das Ungetüm ein. „Du bist so ein blöder Kerl, Cato. Wenn du sowas noch einmal machst beiß ich dir das Ohr ab, das versprech ich dir! Das ist sowieso so hässlich dass du es nicht mehr brauchst.“ Sie griff nach einem Taschentuch und tupfte sich das Blut vom Arm an dem Liliana sofort die Bissspuren erkannte.
Ihre Augen erfasst die Situation und in ihr arbeitete es hart, nicht das erstbeste Schwert zu ergreifen und den Hund auf der Stelle umzubringen. Sei er Alidas Ghul hin oder her. Stattdessen übernahmen der Wille Marie zu beschützen die Oberhand und sie ging zwischen Marie und Cato, um für weitere Angriffe des Hundes auf das Mädchen als Schutzschild her zu halten. Dann meldete ihre Nase den Geruch des Blutes, dessen Bissspuren, sie schon gesehen hatte und sie unterstützte Marie beim Stoppen der blutenden Bisswunde. Sie zwang sich einmal bewusst ein und aus zu atmen, damit die frische Luft ihre Gedanken zu klären vermochten. Erst dann richtete sie ihr Wort zunächst mit beruhigendem Tonfall an Marie "Du wolltest ihn unbedingt sehen und ihn streicheln nicht wahr, Marie?"
Marie trat wieder näher an den Hund heran und baute sich bedrohlich vor ihm auf. „Nein ich wollte ihn nicht streicheln. Das hab ich die ganze Zeit gemacht, aber er hat einfach so getan als würde er mich nicht kennen, der blöde Kerl. Hat nur da rumgelegen und sich nicht gerührt. Für wen hält der sich? Dann hab ich ihn immer und immer wieder am Schwanz gezogen aber auch da hat er sich nicht gemeldet sondern nur geknurrte. Dann hab ich ihn mit dem spitzen Stock gepiekt bis er geblutet hat und dann hat er mich gebissen.“ Wieder trat sie näher heran. „Pah! Das kann er aber nicht mit mir machen. Ich hab mich auf ihn gestürzt und ihn ins Ohr gebissen. Ich hab mal gesehen, dass seine Geschwister das auch so mit ihm machen. Jetzt ist er brav.“ Die Stimme des Mädchens hatte einen sarkastischen Tonfall, den man ihrem Alter gar nicht zugetraut hätte: „Hallo Cato. Freut mich deine Bekanntschaft zu machen. So… Und nachdem wir das jetzt geklärt haben können wir wieder beste Freunde sein, okay?“ Sie trat näher an das Ungetüm heran, legte ihm die Hand auf den Kopf und das Vieh streckte tatsächlich die Zunge heraus und leckte über ihre unversehrte Hand. Der Toreador kam näher. Unglaube machte sich auf seinem Gesicht breit. „Du hast den Hund gebissen? Kind? Bist du von allen guten Geistern verlassen? Du könntest tot sein!“ Er stand neben Liliana und flüsterte ihr zu. „Cato hat keine Geschwister. Zumindest nicht in Flandern. Was ist mit dem Mädchen los, Liliana?“
Lilliana war zu verblüfft, als sie sah, was Marie da gerade vor ihren Augen trieb und als der Hund dann wirklich ihre unversehrte Hand leckte, war es nicht der Unglaube wie bei Frederik, aber sie musste sich dennoch mit der Hand zwischen die Augen fassen. "Marie, Marie." Lilliana schüttelte den Kopf und langsam zupfte sogar ein Lächeln an ihrem Gesicht, auch wenn ihre Muskeln noch immer angespannt waren. "Ich könnte so einiges zu dir sagen. Aber ich verstehe dich nun voll und ganz, auch wenn mir dein neuer Freund nicht das ist, was ich mir wünsche. Aber was geschehen wird, wird geschehen, soviel wusste ich noch von früher. Und jetzt sag gute Nacht zu deinem neuen Freund, ich möchte das sich jemand Heilkundiger sobald wie möglich deine Wunde ansieht und dorthin wo ich denke, dass ich einen Heilkundigen finde, sind Hunde nicht gestattet." Lilliana richtete sich wieder richtig auf und sah zwischen Frederik und Cato hin und her. "Mit meinem Mündel ist alles in Ordnung und wie ihr gesehen habt, ist sie mir sehr wichtig. Ich bitte euch dies zunächst für euch zu behalten.“
Nach wie vor schüttelte der Toreador den Kopf. Marlene fuhr dem Hund noch ein letztes Mal über den klobigen Schädel. „Gute Nacht, Cato. Bis morgen.“ Ein geruhsames Hecheln war die Antwort. Dann verschwand das Kind im Haus und sie waren wieder allein. Frederik sah Liliana an und atmete tief ein. „Mir war das Tsimiske Vieh noch nie so ganz geheuer aber bisher war Cato wirklich friedlich. Ist das Mädchen immer so forsch? Dann bezweifle ich, dass es je die Frauenjahre erreichen wird, wenn ihr mir diese Bemerkung erstattet.“ Ein schwaches Grinsen legte sich auf seine Züge.
Lilliana rief noch kurz "Marie" hinterher, aber bei der Kleinen, war es manchmal sinnlos und irgendwie hatte das Mädchen wohl wegen dieses Hundes und Lilliana drehte noch einmal den Kopf hin zu diesem Ungetüm die weiteren Worte nicht verstanden. Nun gut, aber sie würde definitiv ins Krankenhaus gebracht, wenn nicht von ihr, dann von Michel oder Bruder Levikus. Ihr zweiter Ghul könnte sich auch zumindest die Wunde ansehen und mit seinem kleinen angesammelten Wissen über Kräuter vielleicht einen guten Umschlag legen. Wobei Bruder Levikus...Lilliana riss sich raus, als Frederik geendet hatte und ein Schatten legte sich über ihre Züge und ihr Lächeln verschwand, während sie ihn mit einem strengen Blick maß und es hinter ihren Augen leicht funkelte. Dann verschwand dieser Moment, wie er gekommen war und ließ eine wieder beruhigte Lilliana zurück. "Wenn das alles ist, dann wünsche ich euch eine noch angenehme Nachtruhe. Richtet bitte Alida van de Burse meine Grüße aus und das ich sie in wenigen Nächten, sofern sie Zeit für mich erübrigen kann, gerne unter vier Augen sprechen möchte."
Frederik zog interessiert eine Augenbraue hoch und schmunzelte. Da hatte er sie doch scheinbar tatsächlich auf dem falschen Fuß erwischt. Er zuckte leicht mit den Schultern und verbeugte sich dann erneut. „Es war mir eine Ehre, Liliana. Ich freue mich euch morgen wieder zu sehen. Gehabt euch wohl. Wenn Alida die Zeit erübrigen kann und ich bin mir sicher, das wird sie, wird sie einem Gespräch unter vier Augen sicher recht zugetan sein. Komm Cato.“ Er tat einige Schritte, doch der Hund folgte nicht auf Anhieb sondern blickte nach wie vor zur Tür in der das Mädchen verschwunden war. „Cato. Los! Alida wartet.“ Die Worte verfehlten nicht ihre Wirkung. Der Koloss setzte sich in Bewegung und verschwand schon nach wenigen Schritten in der Nacht. Dann konnte Liliana auch die Silhouette des jungen Van de Burse nicht mehr erkennen.
Lilliana nickte ihm noch abschließend und auch der Hundeblick war ihr nicht entgangen. Wie zuvor auch bei Jaques wartete sie bis er nicht mehr zu erkennen war, dann warf sie einen Blick nach draußen um abzuschätzen wie weit der Tag fortgeschritten war, ehe sie ihre Schritte in Richtung des Zimmers von Marie führte. Sie klopfte an und trat erst dann ein. "Marie." Lilliana setzte sich zu dem Mädchen auf das Bett und ihr Blick ging auf die Bisswunde. "Das muss gesäubert und versorgt werden. (INT+Med gg6: 2 Erfolge) Ich habe zwar leichtes Wissen, aber ich möchte kein Risiko bei solch einem Biss eingehen. Ich werde Bruder Levikus wecken und morgen Abend wirst du gleich mit Michel ins Hospital gehen, damit sich ein Heiler um die Wunde kümmern kann. Ein guter Heiler Marie." Lilliana wechselte nochmal das Taschentuch und sah dabei Marie wieder an "der Hund hat dich nicht vergessen und musste erst wieder daran erinnert werden, wer sein Frauchen ist. Du hast Eindruck hinterlassen, das steht fest." sie schmunzelte wurde dann aber wieder ernst. "Aber eines muss jetzt nochmal mit dir besprechen. Sei vorsichtig, in wessen Gegenwart du über Sachen, die gesehen hast redest. Die Leute hier halten dich noch für mein Mündel, aber wenn sie merken was du bist und was für eine Gabe uns das Schicksal gegeben hat, dann wirst du nicht mehr sicher sein meine kleine Marie. Gott hat uns mit der Vorhersicht gesegnet, aber wir müssen damit vorsichtig sein." die Worte waren im Unterton untermalt mir ihrer Wichtigkeit. Lilliana legte eine Hand auf die Wange von Marie und sie lächelte liebevoll "Du bist mein Leuchtfeuer Marie, mein Blut. Darum vertraue mir und höre auf meinen Rat."
Liliana erkannte dass die Wunde nicht ernsthaft gefährlich werden konnte. Marie schien nicht so recht zu verstehen, was Liliana sagen wollte. „Ich hab doch gar nichts gesagt. Ich hab mich nur über den doofen Cato aufgeregt.“ Die Toreador sah die Entrüstung im Blick des Mädchens. „Ich hab gar nichts Böses gesagt“
"Du hast nichts Böses gesagt Marie, aber Cato begegnete dir schon wie ich in einem deiner Träume nicht wahr?" Lilliana lächelte verschmitzt. "Du wusstest, dass du seine Freundin werden würdest, nur nicht auf welche Art es geschehen würde und du hast ihn als Welpen gesehen mit seinen Geschwistern und wie sie sich gegenseitig ins Ohr gebissen haben. Deswegen wusstest du, was du machen musst, damit er dich respektiert und ihr eure Bekanntschaft machen könnt." Lilliana nahm vorsichtig den anderen Arm von Marie in ihre andere noch freie Hand. "Das alles ist nicht Böse. Gott hat dir gezeigt, dass er dein Freund werden wird, aber Frederik hat dies alles nicht geträumt, genauso wie ich die Hinweise zunächst nicht wahrgenommen habe." Lilliana küsste die unversehrte Hand von Marie "deswegen war Frederik so verwundert und entsetzt Marie. Verstehst du jetzt, was ich dir sagen möchte?"
Sie presste die Lippen aufeinander. „Ich glaube schon…?“ Liliana begriff, dass es etwas viel war von einem achtjährigen Mädchen zu erwarten, zu verstehen was sie meinte, was zu erzählen in Ordnung, was verdächtig werden mochte. Die Kleine ließ sich zurück in die Kissen sinken. „Schlaf gut Liliana. Bald wird’s hell. Ich bin müde.“
Lilliana küsste sie noch einmal auf die Stirn und sagte "Schlaf gut Marie", ehe sie daraufhin das Zimmer verließ und abschloss. Dann suchte sie einen der noch wachen Angestellten und ließ ihn bei Bruder Levikus ausrichten, dass dieser sich nach seinem Erwachen bei ihrem Mündel die von einem Hund zugefügte Bisswunde ansehen und nach seinem Wissen behandeln möge. Sie würde ihn dann bei Einbruch der Dunkelheit aufsuchen. Erst dann machte sich Lilliana auf zu ihrem Tageslager im Keller hinter einer Steinfassade und grübelte dort bis sie merkte, dass müde wurde an einem Plan, für den kommenden Abend mit Jaques und dem anschließenden Treffen mit den anderen Kainiten der Stadt Brügge.

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"Alea iacta est." oder "Die Würfel sind gefallen." - Lateinisches Sprichwort


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BeitragVerfasst: Mi 13. Mai 2015, 16:58 
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Der nächste Abend brach an. Kurz nach Sonnenuntergang erwachte Liliana. Draußen war es noch hell und sie erkannte das letzte Sonnenlicht, das sie in den Augen schmerzte in den hohen, langsam ziehenden Zirruswolken

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Ihre Dienerin half ihr beim Ankleiden, berichtete ihr, dass es den Tag über wenig Neues gegeben hätte, dass Marie den Tag über fleißig gelernt hätte und bereits wie ihr aufgetragen, früh zu Bett gegangen war. Seit einer halben Stunde wartete draußen eine Kutsche auf die ehrenwerte Dame, die Liliana zum Anwesen des Grafen de Camarque zu bringen gedenke. Der Beginn des geplanten Festes war bereits in einer Stunde angesetzt.

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Lilliana nickte nur äußerst schweigsam und ließ sich die Haare zu einer geflochtenen Frisur flechten, in der kunstvoll ein paar der wenigen gerade wieder erblühten Blumen eingearbeitet wurden. Der Duft den die Blüten ihrem Haar verliehen, schmeichelte ihrer Nase und ließ sie an saftige Wiesen denken. Sie zog ein passendes dem Anlass entsprechendes grünes Gewand an und stattete Marie noch einen Besuch ab. In ihren Augen lag Freundlichkeit und Liebe, als sie das Zimmer ihrer Nachfahrin betrat. "Ich freue mich über deinen Eifer, Marie. Wenn sich die Lage beruhigt, dann können wir zwei ja mal Cato besuchen und ich stelle dich jemandem vor. Was hältst du davon?"
Marie war sofort hellwach als Liliana das Zimmer betrat. Sie setzte sich im Bett auf. Ihre Augen blitzen beim Anblick der blonden Frau. „Du bist total schön, Liliana. Wen besuchen wir denn dann bei Cato?“
Lilliana lachte leise auf und lächelte Marie an. "Danke meine Kleine." sie beugte vorsichtig ihren Kopf in Richtung der Nase von Marie "Kannst du es riechen? Ich rieche die Wiesen, wie sie in voller Pracht erblühen." sie wartete ab, bis Marie auch daran gerochen hatte, erst dann hob sie wieder ihren Kopf. "Die Besitzerin von Cato. Alida van de Burse. Wenn wir beide an dem Abend uns gut benehmen und höflich sind, dann erlaubt sie dir, dass du dich mit Cato öfter treffen kannst.“
„In Ordnung. Aber ich benehm‘ mich immer gut. Außerdem weiß ich wo Cato wohnt. Bei dem Mann von gestern. Kann ich mitkommen dahin, wo du jetzt hingehst? Ich bin auch ganz brav…“
Lilliana sah sie nur einen kurzen Augenblick an und schüttelte dann den Kopf. "Es ist nur eine kurze Veranstaltung und es werden keine Kinder anwesend sein mit denen du spielen kannst. Außerdem möchte ich dich langsam an ein paar Leute hier gewöhnen, die mir wichtig sind." es klang alles fest und abschließend, ehe sie ihren Kopf leicht schief legte und der Ton fragend wurde "Hast du wieder von Cato geträumt?"
„Nein, ich hab nix geträumt. Aber ich hab viel gelernt heute. Muss ich dann morgen auch noch lernen?“ Sie sprang aus dem Bett. „Aber wenn’s nur ganz kurz geht, dann bin ich doch bald schon wieder im Bett und niemand merkt‘s?“
In dem Moment, wo Marie begann aus dem Bett zu wollen, wurde sie sanft aber sehr bestimmt von Lilliana abgehalten und ihre Augen sahen sie eindringlich an. "Nein Marie, ich sagte nicht heute Abend. Wenn du brav dich wieder hinlegst und mir erzählst was du gelernt hast, dann erzähl ich dir im Gegenzug eine Geschichte zum Einschlafen und ich schreibe Alida van de Burse, das wir beide sie baldmöglichst treffen möchten."
Die Kleine legte sich wieder hin und begann ausführlich über den Unterricht zu berichten. Nur zwei Minuten später steckte ein Diener den Kopf ins Zimmer. „Verzeiht, Herrin, aber die Kutsche wartet.“
Lilliana hörte aufmerksam zu und ließ mit einem kurzen Geste und einem verständnisvollen Blick dem Angestellten wissen, dass sie ihn verstanden hatte. Trotzdem hielt sie ihr Wort und erzählte Marie noch den ersten Teil einer kurzen Geschichte über eine Prinzessin, die von einem Drachen gefangen worden war. Dabei beobachtete sie wie der Atem von Marie, dessen Augen geschlossen waren immer ruhiger und gleichmäßiger wurde. Sie behielt dieses Bild für einen Moment bei sich, ehe sie sich vom Bett erhob und ihre Schritte in Richtung der bereitstehenden Kutsche setzte.
Der Diener stand ungeduldig von einem Bein aufs andere wippend da und wartete. Als Liliana auch nach fünf Minuten noch nicht beabsichtigte sich zu erheben, verließ er das Zimmer und schloss die Tür hinter sich. Es war abzusehen, dass sie zu spät kommen würde, aber er hatte seinen Soll erfüllt.
Lilliana ließ sich hinein helfen und begann während der Fahrt zum gemieteten Anwesen von Jaques zu überlegen wie sie ihre Worte dem Gastgeber wählen könnte, damit er ihre leichte Verspätung nicht als Affront missdeutete.
Die Kutsche fuhr durch die sauberen Prachtstraßen der Stadt bei denen kaum noch Zeichen des Krieges zu erkennen waren und hielt schließlich vor einem prächtigen weißen Anwesen mit hohen mächtigen Bäumen im Eingangsbereich. Eine weiße ausladende Treppe führte zu einem großen Portal. Liliana erkannte links und rechts an der Treppe aufgestellt die wichtigsten und höchstrangigen Adeligen Brügges, die auf ihre Ankunft warteten. Oben am Ende der Treppe erblickte sie Jaque de Camarque in einem seidenweißen Anzug aus edlem Tuch.
Lilliana ließ sich wiederum aus der Kutsche aushelfen und hatte ein neutral entwaffnendes Lächeln für alle Anwesenden aufgesetzt, wobei sie zuerst den Augenkontakt zu Jaques aufnahm und ihren Kopf leicht senkte.
Man erkannte an den Blicken der männlichen Adeligen, dass sie nicht begeistert darüber waren länger als nötig draußen in der kalten Dunkelheit der Nacht warten zu dürfen. Die Frauen sahen Alida jedoch wohlwollend an und knicksten leicht als die blonde Adelige an ihnen vorüber schritt. Oben angekommen wartete Jaques, der ihr galant den Arm reichte.
Er wandte sich an seine Gäste.
„Meine Freunde, unser Ehrengast hat schließlich noch zu uns gefunden.“ Er verbeugte sich und drückte Liliana einen formvollendeten Handkuss auf den Handschuh. „Auf die Schönheit sind wir doch alle bereit zu warten, nicht wahr?“ Einige der Frauen kicherten. Es handelte sich wohl um die 20- 30 Gäste, 10- 15 Paare.
„So folgt mir nun, so wie auch vor wenigen Nächten nach drinnen auf das das Fest beginnen möge.“ Die Flügeltüren wurden geöffnet und er schritt mit ihr hinein. Drinnen war alles ein Meer aus Rosen und Kerzen. Er ging durch die Halle und betrat einen Saal mit einer festlichen Tafel. Er führte sie zu den Ehrenplätzen und die Gäste nahmen ebenfalls Platz.

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Er sah Liliana erwartungsvoll an bevor er nach seinem Becher griff und diesen erhob.
„Es ist mir eine Ehre dieses Festbankett abhalten zu können. Jedem von euch, meine Freunde ist es gestattet eine wohltätige Spende für den Wiederaufbau der Stadt zu tätigen. Jeder von uns besitzt ein Schmuckstück, das er seit Jahren nicht getragen hat, einen Beutel Goldmünzen, auf dem sein Kopf ruht, den er nicht vermissen würde. Dort draußen…“ Er deutete gen Stadt. „… wird jede Münze benötigt um das Elend zu lindern. Um unserer Stadt und damit auch uns selbst zu neuem Ruhm zu verhelfen. Um die Ehre Gottes zu mehren und euch allen den Platz im Himmelreich zur Rechten Gottes zu sichern. So hebt mit mir nun euren Becher und stoßt gemeinsam mit mir auf uns an: auf uns, den Adel, und auf Brügge, unsere Stadt!“
Er nahm einen tiefen Schluck aus seinem Pokal und die Adeligen folgten seinem Beispiel. Den Männern hatte man schweren Rotwein, den Frauen frischen Rose eingeschenkt.
Lilliana war auf Jaques zugeschritten und ließ die Förmlichkeiten über sich ergehen, ohne ein weiteres Wort darüber zu verlieren. Er erfüllte genau wie sie eine Rolle und wenn dadurch das Leid der Menschen in Brügge ein wenig mehr gelindert würde, so war sie mehr als zufrieden. Bei seiner Rede hatte sie ihm den Kopf zugewandt und zeigte ihm somit ihre Aufmerksamkeit. Die Reaktion der anwesenden Paare interessierten sie ebenso, wie das, was er sagte und das Lächeln von ihr fror dabei leicht ein. Als er endete, tat sie es ihm gleich und hob den Becher an ihre Lippen, ließ diese aber geschlossen und schloss die Augen, während sie spürte, wie die Flüssigkeit um Einlass begehrte.
Die Männer und Frauen prosteten Jaques zu, tranken begeistert und förderten dann voller Begeisterung kleiner und größere Säcke und Schmuckstücke zu Tage, die ein Diener entgegen nahm. Jaques deutete mit einer Geste zu einem Tisch auf dem die gesammelten Gegenstände aufgestellt wurden um jedem zu zeigen, wie viel man bereits gesammelt hatte.
Er wandte sich zu Liliana und flüsterte ihr zu: „Schmeckt euch das Blut nicht? Es ist dasjenige des jungen hübschen Erstgeborenen dort drüben.“ Er deutete auf einen gutaussehenden Fürstensohn, wohl um die 18 Jahre alt. „Ich dachte, es würde euch munden?“
Auch Lilliana hatte als der Diener vorbeikam eine Geldbörse gezogen. Sie war Ehrengast und gerade deswegen sollte sie mit gutem Vorbild voran gehen. Es klirrte leicht von den darin enthaltenen Münzen. Ein kleines Pflaster für all die Verwundeten. Überrascht sah sie ihn an und flüsterte. "Ihr seid ein zu guter Gastgeber, Jaques de Camarque." damit nahm sie den Becher wieder an den Mund und erlaubte dieses Mal der roten Flüssigkeit durch ihre leicht geöffneten Lippen sich einen Weg in ihren Körper zu bahnen, während sie dabei den Gesundheitszustand des jungen Fürstensohnes musterte.
Der junge Mann war bester Gesundheit. Immer wieder warf er einen begeisterten Blick zu Jaques. Man sah eindeutig: Der blonde Franzose war sein großes Vorbild. Man schritt zu weiteren Gepflogenheiten, die sich bei einem Festbankett gehörten: dem Reigentanz, weiteren Ansprachen, Lobeshymnen auf diejenigen, die sich durch Tapferkeit beim Kampf um Brügge ausgezeichnet und diejenigen, die im Kampf ihr Leben gelassen hatten. Immer wieder wandten sich die Frauen an Liliana, wollten einige freundliche Worte von ihr hören, einen guten Ratschlag oder auch den Segen für ein ungeborenes Kind. Eine junge Frau bat Liliana die Hand auf ihren Bauch zu legen auf das das Kind gesund zur Welt käme. Liliana hatte für Brügge gekämpft und wurde für ihren Mut bewundert.
Die Männer scharrten sich derweil um den blonden Franzosen, beratschlagten die weitere Zukunft der Stadt, organisierten im Kopf imaginäre Heere, überlegten wie man die Bauern und Bürger am ehesten für die eigenen Pläne im Sinne des Wiederaufbaus einspannen konnte, wie man weitere einflussreiche Adelige nach Brügge holen konnte und mit welchen Höfen in Zukunft Bündnisverträge ausgetauscht werden sollten.
Viele Adelige waren ein wenig empört darüber, dass Balduin, der Bastardbruder der Königin, der sich jedoch im Heiligen Land durch Tapferkeit und Treue ein Recht auf einen Titel erworben hatte und die Region Zeebrügge und damit auch Brügge als sein Lehen verwaltete nun schon zum zweiten Mal nicht zugegen war.
Lilliana blieb im Verlauf des Abends ihrer Rolle treu und freute sich ehrlich für die anwesenden Damen, unter deren Herzen sie so manches Mal schnellere Herztöne vernehmen konnte. Das Leben begann sich wieder zu vermehren und Lilliana gab gerne ihren Segen oder legte ihre warme Hand auf den gewölbten Bauch der Frau und sprach dazu ein kurzes Gebet. Bei allem aber blieb sie wachsam und konzentriert und da die Männer nicht mit Jaques im Flüsterton sprachen, fielen die Worte deutlich und vernehmlich und Lilliana wandte sich an die anwesenden Damen. "Meine Damen, wie ich hörte, habe ich bereits einen Abend der geselligen Zusammenkunft verpasst. Dies ist sehr bedauerlich, wo doch dieser Abend durch das Geschick unseres Gastgebers ein großer Erfolg wird. Erzählen sie mir doch bitte davon."
Die Damen sahen sie erfreut über ihre Aufmerksamkeit an und berichteten, dass sich der Abend vor drei Tagen fast genauso wie der diesige abgespielt hatte und dass alle in besonderem Maße erfreut waren, da in vier Tagen ein weiteres Fest geplant war, bei dem wiederum alle eingeladen waren. Nach einem besonders langen und ausgiebigen Reigentanz ließ sich Jaques in die weichen Kissen seines erhöhten Sessels fallen. Er betrachtete sein Fest mit wohlwollender Miene, schüttelte kurz gedankenverloren den Kopf als hätte er etwas vergessen und klatschte dann in die Hände. Ein junger Mann erschien mit einem Krug aus dem er dem Franzosen einschenkte. Liliana sah ein zweites Mal hin und erkannte den einfach gekleideten Will Adale.

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