Vampire: Die Maskerade


Eine Welt der Dunkelheit
Aktuelle Zeit: Sa 27. Apr 2024, 15:01

Alle Zeiten sind UTC + 1 Stunde





Ein neues Thema erstellen Auf das Thema antworten  [ 143 Beiträge ]  Gehe zu Seite Vorherige  1 ... 9, 10, 11, 12, 13, 14, 15  Nächste
Autor Nachricht
 Betreff des Beitrags: Re: Deliver us from Evil
BeitragVerfasst: So 3. Sep 2017, 18:42 
Offline
Benutzeravatar
 Profil

Registriert: Fr 24. Jul 2009, 01:13
Beiträge: 1416
Leif war plötzlich viel ernster als noch einen Moment zuvor. Er nahm das eigenartige Seil mit beiden Händen und begann, wenn auch langsam die Schlinge zu schnüren. Der Heiler räusperte sich. „Meister Eugen ich werde euch gewiss nicht betrügen. Ich bin kein Elf, sondern in der Tat ein Mensch. Wir haben euch für eure Hilfe im Gegenzug die meine Versprochen und an diese Abmachung werde ich mich halten.“ Der Salubri schaute auf das kleine Männchen. „Darf ich euch aber noch eine Frage stellen? Warum wollt ihr euer Leben beenden?“

_________________
- Do not go gentle into that good night. Rage, rage against the dying of the light. -


Nach oben
 Profil  
Mit Zitat antworten  

 Betreff des Beitrags:
Verfasst: So 3. Sep 2017, 18:42 


Nach oben
  
 

 Betreff des Beitrags: Re: Deliver us from Evil
BeitragVerfasst: Mi 13. Sep 2017, 10:29 
Offline
Benutzeravatar
 Profil

Registriert: So 21. Jun 2009, 20:25
Beiträge: 1398
Der etwas dickliche, nackte Zwerg sah nach wie vor argwöhnisch hinab zu dem Salubri und seiner blonden Begleitung. Als Leif dann aber langsam begann das dicke, ungewöhnliche Seil zu einer festen Galgenschlinge zu knoten, wirkte das seltsame Männchen mit einem Mal äußerst zufrieden und erleichtert. Der Heiler hatte Wort gehalten, so schien es. Etwas überrascht kniff der Zwerg dann misstrauisch die Augen zusammen und unterzog beide Brügger einer erneuten, einschätzenden Betrachtung. Wie als müsse er dabei ganz sicher, dass er keiner Illusion aufgesessen wäre. „Ihr… seid gar kein Elf? Und die da?“ Er deutete mit den kleinen Stummelfingern auf Alida. „Die sieht trotzdem irgendwie so aus, als würde sie im Mondlicht bei Harfenklängen tanzen und gackern wie ein verrücktes Hühnchen, nur um einen danach wie ein Aasgeier bei lebendigem Leibe die Augen auszureißen.“ Grummelnd schnaubte der Zwerg vor sich hin. „Aber gut, was soll’s? Ob ihr Elfen seid oder nicht, spielt bald keinerlei Rolle mehr für mich. Und wenn ihr tatsächlich Menschen seid, dann solltet ihr euch gleich nach mir aufhängen. Die Würgeranken lassen sich sicher ein zweites Mal verwenden.“ Eugen kratzte sich am stoppeligen Kinn und hob dann recht egalitär die Schultern.

„Ich komme eigentlich aus einer Stadt mit Namen Antwerpen, was euch wahrscheinlich überhaupt nichts sagen wird. Meine Reisegesellschaft und ich haben uns vor einer halben Ewigkeit bei Nacht in den umliegenden Bergen und Schluchten um Gent verirrt und schlussendlich fand ich diesen merkwürdigen, dunklen Turm und ein Steinlabyrinth. Stimmen riefen mich ihnen zu folgen und da ich Durst hatte und am Ende meiner Kräfte angelangt war, folgte ich ihnen.“ Seufzend schüttelte der Zwerg den Kopf. „Ich hätte es besser wissen müssen, allein die Kälte die von diesem bedrohlichen Turm ausging hätte mir eine Warnung sein müssen.“ Er lächelte schief und grimmig. „Dumm und hilfesuchend aber wie ich nun einmal war, betrat ich das Labyrinth und fand sogar einen Ausgang, der mich direkt in diese Welt voller Bosheit und Irrsinn führte.“ Eugen hob gemahnend einen Zeigefinger. „Wohlgemerkt, ich fand den „Ausgang“ in diesen Alptraum aber der Weg zurück blieb mir stets versperrt. So irrte ich also durch diese Welt, hungrig und allein umgeben von den wirrsten und widerlichsten Geschöpfen, die nur dem Geiste eines Wahnsinnigen entsprungen sein können. Zu anfangs verdingte ich mich als Geschichtenerzähler und musste für verschiedene Nymphen und Kobolde auf ihren Festen tanzen, immerhin brauchte ich etwas zu essen und ein Dach über den Kopf. Damals begann ich noch die Tage und Wochen zu zählen, die ich in dieser Hölle verbrachte und ritzte die Stunden in die Rinde eines Baumes.“ Er seufzte. „Aber ich weiß nicht mehr wo dieser Baum jetzt steht oder wie lange ich hier bin, es können Jahre oder vielleicht schon Jahrzehnte sein.“

Der dickliche Zwerg verlagerte sein Gewicht und rutsche etwas auf dem Geäst nach vorne, um Leif noch genauer bei seiner Tätigkeit beobachten zu können. „Irgendwann habe ich dann gestohlen um zu überleben, weil die Gehässigkeit der Elfen und Monster hier mich in den Wahnsinn trieben. Ich musste die entwürdigensten Dinge tun, nur zur Unterhaltung dieser zwielichtigen Gesellschaft und aufgrund ihres boshaften Bedarf nach Erheiterung. Dann flickte ich die Dächer von windschiefen Häusern oder aber hielt die Felder von Feuerameisen frei. Wisst ihr wie groß die hier werden?“ Er deutete mit den Händen eine Höhe an, die gut und gerne seiner eigenen Körpergröße entsprach. „Auf jeden Fall habe ich Früchte und derlei gestohlen; wurde aber von einer der Hochadeligen dieser Welt dabei ertappt. Sie hat mir ein zweifelhaftes Geschenk gemacht: Unsterblichkeit. Könnt ihr euch das vorstellen? Unsterblich in dieser verdammten Hölle?“ Eugen schüttelte verbittert den Kopf und der geschulte Beobachter würde erkennen, wie sich langsam ein paar Tränen in seinen Augenwinkeln sammelten. Hastig strich er seine Verzweiflung hinfort und räusperte sich.

„Ich suche seit ich hier bin nach einem Ausweg in meine Welt aber konnte bislang keinen finden. Alle Ratschläge und Geschäfte, die ich hier bisweilen angenommen oder getätigt habe, gingen schlussendlich stets nur auf meine Kosten, also versuchte ich mir mehrfach das Leben zu nehmen. Ich wurde gefressen, habe mich ersäuft und bin verbrannt, verhungert und verdurstet, wurde von Wagenrädern überrollt und bin Klippen hinabgestürzt, zertrampelt und zertreten, zerkaut und zernagt. Es hilft alles nichts – was immer ich auch tue, ich bin dazu verdammt und verflucht die Ewigkeit hier drin zu verbringen. Verdammt dazu den Späßen der Elfen ausgeliefert zu sein, bis ans Ende aller Tage. Wie oft habe ich irgendwelche Artefakte, Gifte, Schwerter und derlei Dinge zu Wucherpreisen oder unwürdigsten Gegenleistungen erstanden und verwendet. Was immer man mir auch verkauft oder versprochen hatte, am Ende dieser niemals endenden Tage, war ich noch am Leben.“ Rasch hob er den Finger und deutete auf sich, seine Stimme war rau und anklagend, wohl weniger gegen die Brügger als an seine aussichtslose Lage gerichtet.

„Glaubt ihr ich war immer so klein? War ich nicht! Ich war stämmig und ein Bild von einem Mann. Dann kamen die Elfen. Ich hatte schon blaue Haut oder die Haare fielen mir aus, ein andermal wuchs mir ein buschiger Schwanz oder meine Zähne wurden zu Hauern; die Finger zu Krallen. Das machen die Elfen und diese Welt! Ich kostete Wurzeln und Früchte, einmal war es nur ein Stück Brot. Viele zwangen mich dazu diese verzauberten Dinge zu kosten, manchmal wusste ich mir nicht mehr zu helfen und aß alles, was diese verrückte Natur mir zur Verfügung stellte. Die Gestalt die ihr jetzt seht, habe ich mir mühsam erarbeitet, durch Scham, Erniedrigung, harte und gefährliche Arbeit. Doch es hilft alles nichts.“ Sein Blick fiel auf die dicke Ranke, die in Leifs Händen mehr und mehr zu einem Richtwerkzeug der Henker wurde.

„Dieses Seil das ihr soeben knotet, ist meine bisher größte Hoffnung. Es besteht aus dem Flachs der Würgeranken von Düsterspeer, weit weg im Osten. Dieser Landstrich ist die Inkarnation von Tod und Verderbnis, buchstäblich alles dort kann euch in Windeseile töten. Die Ranken saugen ihren Opfern die reine Essenz des Lebens aus dem Leib und ihre Ernte ist dementsprechend… kompliziert. Zu Seilen geknüpft sind sie beinahe unzerreißbar und es heißt man könne damit sogar Elfen erwürgen und die Unsterblichen vor ihren Schöpfer treten lassen. Was ich alles dafür tun musste, um an ein paar Meter Seil zu kommen, könnt ihr euch nicht im Entferntesten vorstellen.“ Eugen der Zwerg, hob tief einatmend den Kopf, als ob er während des Erzählens seiner merkwürdigen Geschichte, sukzessive Abschied von seinem, für ihn nicht lebenswerten, Dasein genommen hätte. Bereit dazu den letzten Schritt zu tun.

„Jetzt wisst ihr warum hier ein dicker, nackter Zwerg mit einem paar Wanderstiefel als einzige Habe auf einem Baum sitzt, und begierig darauf wartet diese niemals endende Qual zu beenden. Ich komme hier nie mehr weg und ich kann auch nicht mehr sterben. Zumindest nicht im herkömmlichen Sinne. Was immer die Pfaffen über die Hölle geschrieben haben, kann nicht einmal annähernd beschreiben wie es sich tatsächlich anfühlt darin existieren zu müssen. Tut mir also einen Gefallen und beeilt euch mit dem Seil, dann könnt ihr euch gleich beide daneben hängen.“

Eugen lachte knapp auf.

„Oder ihr folgt dem Pfad weiter zu Güldenglanz, ganz wie es euch beliebt. Ich würde ja den Strick wählen.“

_________________
"Alea iacta est." oder "Die Würfel sind gefallen." - Lateinisches Sprichwort


Nach oben
 Profil  
Mit Zitat antworten  

 Betreff des Beitrags: Re: Deliver us from Evil
BeitragVerfasst: Do 14. Sep 2017, 13:28 
Offline
Benutzeravatar
 Profil

Registriert: Fr 24. Jul 2009, 01:13
Beiträge: 1416
Leif hörte der Geschichte des nackten Zwerges mit zunehmender Aufmerksamkeit, aber auch Horror zu. Eugen hatte so viel Grausamkeit in dieser Welt erlebt und der Salubri hatte echtes Mitgefühl mit ihm. Unsterblichkeit konnte ein wahrer Fluch sein, insbesondere wenn sie so endgültig war wie in diesem speziellen Fall. Leif schaute mit unsicherem Blick auf das magische Seil, welches er inzwischen zu einer Schlinge gebunden hatte. Der Heiler seufzte und suchte den Blick des Zwergs. „Ich kann mir nicht einmal vorstellen welche Qualen ihr durchleiden musstet in all dieser Zeit Meister Eugen. Ich verstehe euren Wunsch nur zu gut und akzeptiere eure Entscheidung sterben zu wollen. Trotzdem frage ich euch gibt es keinen anderen Weg? Ich und meine Begleitung sind aus Brügge, wir sind also Landsleute und ich für meinen Teil würde euch sehr gerne helfen.“ Leif hielt die Schlinge nach oben und zeigte sie Eugen. „Das hier ist immer noch ein Ausweg, einer der euch nicht mehr genommen werden kann. Aber vielleicht gibt es auch noch einen anderen. Kommt mit uns zu Güldenglanz. Auch wenn er ein Schwein ist, vielleicht weiß er einen Antwort. Sollte all das zu nichts führen, dann könnt ihr euch immer noch diese Schlinge um den Hals legen. Wir Leute aus Flandern sollten zusammenhalten, insbesondere an einem so seltsamen Ort wie hier. Ein letzter Versuch würde keinen Unterschied mehr machen.“

_________________
- Do not go gentle into that good night. Rage, rage against the dying of the light. -


Nach oben
 Profil  
Mit Zitat antworten  

 Betreff des Beitrags: Re: Deliver us from Evil
BeitragVerfasst: Do 14. Sep 2017, 17:01 
Offline
Benutzeravatar
 Profil

Registriert: Mi 17. Jun 2009, 20:52
Beiträge: 1371
Auch Alida war entsetzt von den Schilderungen des kleinen Mannes und war zuvor noch Schamgefühl das Gefühl, das sie zu unterdrücken versuchte, war es nun Mitleid. Der Mann hatte für den Mut, den er aufbrachte und das Schicksal, gegen das er sich auflehnte Achtung verdient. Was musste man jemandem antun damit dieser sich nichts sehnlicher als den Tod wünschte? Zugleich lief ihr ein eisiger Schauer über den Rücken: Was würde man ihr uns Leif noch antun wollen? Würde es ihnen je gelingen hier wieder hinaus zu kommen?
Alida straffte die Schultern und riss sich zusammen. Dann trat sie einen Schritt vor, zog sich den Mantel von den Schultern und reichte ihn dem Zwerg. Sie deutete mit einer Verbeugung den Respekt an, dem sie ihm entgegenbrachte. „Nehmt, Meister Eugen. Ihr könnt ihn derzeit besser gebrauchen als ich.“
Alida nickte zustimmend bei Leifs Worten. „Wir haben uns in diese Gefilde begeben um eine Möglichkeit zu finden den Ausbruch einer Seuche in Gent, Brügge und eure Heimat, Antwerpen, aufzuhalten. Es gibt nicht viel, was wir tun können, aber wir müssen es versuchen bevor Tod, Elend und Hunger die Herrschaft in unserer Heimat übernehmen. Mein Freund hier hat recht: Ihr habt nicht viel zu verlieren. Der Strick wartet auf euch, sollte das nach wie vor euer Wunsch sein, aber vielleicht öffnet sich irgendwann auch in dieser von euch so verfluchten Hölle ein Ausweg…?!“


Dateianhänge:
taylor-swift-in-sun-rise.jpg
taylor-swift-in-sun-rise.jpg [ 61.7 KiB | 54-mal betrachtet ]

_________________
Der Weg zum Ziel beginnt an dem Tag, an dem du die hundertprozentige Verantwortung für dein Tun übernimms.
Dante Alighieri
Nach oben
 Profil  
Mit Zitat antworten  

 Betreff des Beitrags: Re: Deliver us from Evil
BeitragVerfasst: Fr 15. Sep 2017, 08:14 
Offline
Benutzeravatar
 Profil

Registriert: So 21. Jun 2009, 20:25
Beiträge: 1398
Der kleine Mann auf dem dicken Ast verharrte einige, schweigsame Momente völlig regungslos, während er die freundlich auffordernden Worte der Brügger in sich aufnahm, und kritisch mit dem abglich was er bisher von den beiden Kainiten zu hören und zu sehen bekommen hatte. Die Elfen mussten ihm fürwahr übel mitgespielt haben, wenn er es tatsächlich in Erwägung zog sich lieber gleich an Ort und Stelle aufzuhängen, als auch nur einen einzigen weiteren Tag in dieser Welt verbringen zu müssen. Und selbst der selige Tod schien einem nicht so einfach vergönnt zu sein. Eugen kaute angespannt auf seiner Antwort herum wie auf einem zähen Stück Leder, ganz so als wolle sie ihm partout nicht über die Lippen gehen. Schlussendlich schlug er aber mit einem lauten Ausruf auf den Ast vor sich, sodass sogar ein paar kleinere Äste kurzweilig raschelten. „Verdammte Höllenpest! Ich weiß zwar nicht warum ich euch überhaupt Glauben schenken sollte aber der Himmel steh mir bei – ich tu’s.“ Etwas weniger enthusiastisch und vorfreudig machte sich der nackte Mann daran den hohen Baum herabzusteigen. Ast für Ast fand er allmählich den Weg nach unten während seine nackten Gesäßbacken sich prominent in den Vordergrund drängten. Diese und ganz generell die Tatsache, dass er gerade völlig nackt vor zwei fremden Landsleuten stand schien ihm erst jetzt so richtig bewusst zu werden. Zuvor war die Ausgangslage wohl eine völlig andere gewesen. Schamvoll färbten sich seine kleinen Wangen rot, als er dankbar den Mantel von Alida entgegennahm.

„Nun äh... also, ich danke euch“, meinte er verlegen, als er das viel zu lange und weite Stück Stoff umlegte, mit dem von Leif entgegengenommenen Seil eine Art Gürtel formte und sich räuspernd die abgetragenen Wanderstiefel anzog. „Ich habe keine Ahnung wie ihr den Weg hierher gefunden habt aber sowohl die Wege des Herrn, als auch die des Teufels sind scheinbar unergründlich. Ihr habt recht: Meinen Ausweg aus dieser Pein habe ich bereits bei mir und ich bin bereits dermaßen lange hier, das es auf ein paar Stunden wohl auch nicht mehr ankommt.“ Zufrieden klopfte er demonstrativ auf seinen neuen Gürtel. „Ich kann euch nicht versprechen, dass ich euch von großem Nutzen sein werde aber da mir mittlerweile ohnehin sehr vieles egal geworden ist, bin ich geneigt noch einen letzten, gemeinsamen Versuch zu unternehmen. Immerhin sind wir jetzt zu dritt.“ Mit einer knappen Verbeugung, setzte sich Eugen in Bewegung und schritt die ausladende Straße entlang; deutete mit einer Hand nach vorne. „Es ist nicht mehr weit. Güldenglanz Kuriositätenladen ist weithin bekannt aber er hat nur wenig Kundschaft, da man sich seine Waren kaum leisten kann. Folgt mir einfach und verlasst den Weg nicht.“

Der Zwerg schritt mit kleinen, ungelenken Bewegungen voran und die Brügger hatten keinerlei Probleme mit ihm Schritt zu halten. Links und rechts des Weges, wucherte das altbekannte, farbenprächtige Dickicht und in regelmäßigen Abständen vernahm man seltsame Schreie, merkwürdige Vogelrufe und das Zirpen von Insekten. Nachdem sie ein gutes Stück des Weges entlanggegangen waren, schlängelte sich zu ihrer Linken ein schmaler Bach durch die Wildnis der an blumengesäumten Ufern entlang zog und eine trügerische Idylle suggerierte. Einige Augenblicke später, erreichten sie auch schon ein kleines, spitzes Häuschen am Waldesrand, das aus solidem Stein mit Schichten aus braunem Mörtel überzogen war. Der Verputz war an manchen Stellen schon abgebröckelt oder ausgebleicht; dennoch hatte der Besitzer wohl dafür Sorge getragen das kontinuierlich nachgebessert wurde, wie an den wirren Mustern aus alten und neuen Dachschindeln klar zu erkennen war. Nur wenige Meter weiter führte die breite Straße über eine wuchtige Steinbrücke aus hellem Fels, und verlor sich alsbald in der Entfernung zwischen hohen Fichten und Tannen. Aus einem leicht schiefen Schornstein, quoll dicker Rauch der in nicht nachvollziehbaren Abständen seine Farbe änderte. An der hohen, grün gestrichenen Eingangspforte, hing ein schmuckloses Holzschild mit der vollmundigen Inschrift: „Meister Gorgel Güldenglanz - Weltliche und magische Kuriositäten von überragender Seltenheit und Qualität. Bitte läuten!“ Daneben hing an einem dünnen Seil ein bronzenes Glöckchen.

Bild

Eugen stieß einen tiefen Seufzer aus und drehte sich zu den Brüggern um. „Wir sind da. Wenn ihr wollt begleite ich euch hinein, obgleich es mir wie ihr euch vorstellen könnt großes Unbehagen bereitet. Mit eurer Erlaubnis, würde ich gerne noch ein kleines Stück weitergehen und beim nächsten Dorf versuchen etwas Kleidung zu bekommen. Ich denke der eine oder andere Elf dort schuldet mir sogar noch etwas. Es ist nicht weit und da Geschäfte mit Güldenglanz erfahrungsgemäß länger dauern, wäre ich sicher bald zurück. Vielleicht ist es auch ganz gut, wenn er nicht gleich als erstes mich zu Gesicht bekommt.“

_________________
"Alea iacta est." oder "Die Würfel sind gefallen." - Lateinisches Sprichwort


Nach oben
 Profil  
Mit Zitat antworten  

 Betreff des Beitrags: Re: Deliver us from Evil
BeitragVerfasst: Fr 15. Sep 2017, 10:47 
Offline
Benutzeravatar
 Profil

Registriert: Fr 24. Jul 2009, 01:13
Beiträge: 1416
Leif lächelte dem kleinen Mann aufrichtig zu und stellte sich und Alida noch einmal kurz vor, dieses Mal unter etwas besseren Bedingungen. Kurz vor Güldenglanz‘ Kuriositätenladen blieben sie stehen um sich zu unterhalten. „Meister Eugen ihr braucht weder meine Erlaubnis noch die von meiner Begleiterin um zu tun was ihr müsst, aber ich gebe euch in jedem Falle recht. Wir sollten zuerst alleine zu Güldenglanz gehen. Ich kenne eure Geschichte nun und kann vielleicht etwas heraus handeln, aber wenn dieser euch sieht wird er wahrscheinlich einfach nur den Preis in die Höhe treiben wollen. Brecht also ruhig ins Dorf auf und trefft uns dann später wieder hier. Wir werden in dieser Zeit unser möglichstes tun sowohl für Flandern, aber auch um euch zu helfen. Darauf habt ihr mein Wort.“ Nachdem sich Eugen auf den Weg gemacht hatte schaute Leif zu Alida und seufzte tief. Er schaute auf die Glock und umfasste das dünne Seil. „Bist du bereit den Handel deines Lebens zu tätigen Alida?“

_________________
- Do not go gentle into that good night. Rage, rage against the dying of the light. -


Nach oben
 Profil  
Mit Zitat antworten  

 Betreff des Beitrags: Re: Deliver us from Evil
BeitragVerfasst: Fr 15. Sep 2017, 17:09 
Offline
Benutzeravatar
 Profil

Registriert: Mi 17. Jun 2009, 20:52
Beiträge: 1371
Auch Alida ließ den Zwerg ziehen, doch ihre Miene verdunkelte sich kurz als er Richtung Wald dahin schritt. Nur für Leif hörbar flüsterte sie: „Ich hoffe, das bereuen wir nicht… Nicht, dass er die Chance nutzt seine Position hier in diesem vermaledeiten Feenreich zu verbessern und uns dafür ans Messer liefert… Wenn er tatsächlich noch Elfen hat, die ihm einen Gefallen schulden?“ Sie schluckte kurz, dann verschwand der skeptische Augenblick von ihrem Gesicht. Erst als Leif nach der Glocke fassen wollte, griff sie nach seiner Hand. „Warte kurz…“ Sie besah sich die Konstruktion der Glocke genau und ließ all ihre Sinne kurzzeitig auf der Suche nach jeglicher Art von Gefahr verschärfen. Die Schilderungen des Antwerpeners hatten sie mehr als nur davon überzeugt, dass keinem Elf ohne weiteres zu trauen sei. (int+ Handwerk gg 6: 2 Erf)
Sie sah Leif fest an. „Das wird wohl der schwierigste Handel meines Lebens… Ohne jeglichen Zweifel. Magst du mir einen Gefallen tun? Ich werde versuchen mein Bestes zu geben.“ Sie suchte nach irgendetwas in seinen hellgrauen Augen. „Eine der erfolgreichsten Taktiken um einen Preis in beschaubaren Bahnen zu halten, ist wenig Interesse daran zu haben. Wenn du jedoch etwas wirklich brauchst, ist der Preis dafür unbezahlbar. Wir werden gut schauspielern müssen, denn wir beide wissen, was auf dem Spiel steht.“

_________________
Der Weg zum Ziel beginnt an dem Tag, an dem du die hundertprozentige Verantwortung für dein Tun übernimms.
Dante Alighieri


Nach oben
 Profil  
Mit Zitat antworten  

 Betreff des Beitrags: Re: Deliver us from Evil
BeitragVerfasst: Di 19. Sep 2017, 18:18 
Offline
Benutzeravatar
 Profil

Registriert: Fr 24. Jul 2009, 01:13
Beiträge: 1416
Leifs Hand erstarrte als hätte sie sich plötzlich in Stein verwandelt und ballte sie dann zu einer Faust. "Ich glaube nicht das Eugen uns betrügen will. Es wäre ein wahrlich aufwendiges und dramatisches Theater von ihm nur um uns zu betrügen. Außerdem glaube ich wirklich nicht, dass er sich sehr viel länger hier aufhalten will als unbedingt nötig." Der Salubri schaute einmal über seine Schulter, nur um dann seinen Blick dann auf Alida zu richten. Er nickte ihr zu. "Ich danke dir für die Warnung. Ich werde mich daran, wenn wir Güldenglanz gegenübertreten."

_________________
- Do not go gentle into that good night. Rage, rage against the dying of the light. -


Nach oben
 Profil  
Mit Zitat antworten  

 Betreff des Beitrags: Re: Deliver us from Evil
BeitragVerfasst: Do 21. Sep 2017, 16:44 
Offline
Benutzeravatar
 Profil

Registriert: Mi 17. Jun 2009, 20:52
Beiträge: 1371
Eugen in seiner merkwürdig improvisierten Tracht aus Würgeranken-Gürtel und flandrischer Winterwolle in Form eines ihm viel zu langen und weiten Mantels, vollführte eine knappe Verbeugung vor den beiden Kainiten. Zumindest in Ansätzen konnte man nach diesem eigentümlichen Schauspiel in gewisser Weise verstehen, warum die Elfen dieses Landstrichs sich so köstlich über den Zwerg amüsierten. Es war durchaus witzig mitanzusehen, obgleich es mehr als unangebracht gewesen wäre gerade in dieser Situation in schallendes Gelächter auszubrechen. Das verzauberte und von den Elfen gequälte Männchen, stellte sich ebenfalls noch einmal knapp als Eugen Jonker vor, seines Zeichens Gerber und Lederhandwerker, und nutze die kurze Wanderung zu Güldenglanz‘ Wohn- und Arbeitsstatt, um ein wenig über seine meisterlich gefertigten Schuhe zu berichten. Früher, so meinte er, habe er teilweise die Soldaten des Königs mit den besten Schaftstiefeln des Landes versorgt. Warum er so plötzlich über seine Profession und die Qualität seiner Produkte sprechen wollte, wurde den Brüggern im ersten Moment nicht völlig klar, mochte aber durchaus damit zu tun zu haben, dass Eugen damit seine geringe Körpergröße zu kompensieren suchte. Wahre Größe, kam ja bekanntlich ohnehin von innen. Auf die abschließenden Worte Leifs hin, machte Eugen, dessen Gesichtsausdruck mittlerweile um einiges freundlicher wirkte, noch vor der Schwelle des spitzen Häuschens kehrt und lenkte seine kurzen Schritte weiter die Straße entlang, wo er die ausladende Steinbrücke überquerte. „Ich beeile mich. Viel Glück bis dahin!“, rief er den Sphärenreisenden noch auf halbem Wege zu, ehe der umliegende Wald den Zwerg bereits wieder mit seinen hochgewachsenen Fichten und Tannen verschluckte.

Ob dem Zwerg und seiner Geschichte so ohne weiteres zu trauen war, blieb vorerst ein genauso unlösbares Rätsel, wie die Frage ob man bei jemandem wie Güldenglanz so einfach die Türglocke betätigen sollte. Gewiss waren Elfen und Kobolde, zumindest den gängigen Geschichten nach zu urteilen ein verschlagenes und boshaft-verspieltes kleines Völkchen. Hier nun aber konnte Alida auf den ersten, prüfenden Blick hin keine klar erkennbare Falle oder einen versteckten Mechanismus erkennen und auch Leif, dessen Faust das kleine Seil noch fest umschlossen hielt, bekam nicht den Eindruck man würde sie demnächst in Asche verwandeln. Vorsichtig zog der Salubri an dem Seil und zu ihrer beiden Erleichterung, passierte tatsächlich nichts, das irgendwie gefährlich oder atypisch gewirkt hätte. Das Seil versetzte über Scharniere und Schwungarme das bronzene Glöckchen in leichte Bewegung und augenblicklich erfüllte ein heller, angenehmer Ton die frische, saftig-duftende Waldluft. Eine ganze Zeit lang passierte daraufhin überhaupt nichts, sodass Leif bereits daran dachte erneut an dem Seil zu ziehen, als er plötzlich glaubte langsame Schritte hinter dem dicken Holz vernommen zu haben. Diese näherten sich langsam der Tür nur wenige Augenblicke später, wurde diese vor ihm geöffnet. Dahinter kam eine kleine, breitschultrige Gestalt mit großen Ohren, einer dicken Nase und einem müde-verschlagenen Lächeln zum Vorschein. Auffallend war die ganz und gar grüne, ledrige Haut, die lediglich mit leichten Stoffüberwürfen und einigen Lederrüstteilen verhüllt wurde. Eine zerfranste Gugel schmückte den offenbar haarlosen Kopf und wenn die Erinnerung an die alten Legenden aus Kindermärchen und anderen Schriften sie nicht völlig täuschten, so handelte es sich bei dem Wesen um etwas, das allgemein als ‚Goblin‘ bezeichnet wurde.

Bild

Das Wesen, das nun auch Alida bei genauerer Betrachtung als Goblin identifiziert hatte, machte eine einladende Geste und bedeutete den beiden einzutreten. „Willkommen, willkommen. Immer nur hereinspaziert werte Reisende. Ich bin Styx, der persönliche Assistent von Meister Güldenglanz und habe das große Privileg euch durch dieses fantastische Verkaufsatelier zu führen.“ Die Stimme des Goblins war rau und dunkel, hatte einen leicht heiseren Unterton und klang auch wenn man sich noch so bemühte darin etwas Freundliches erkennen zu wollen, nicht besonders angenehm. Zudem umspielte den Assistenten des Händlers ein schwerer Duft aus sonderbar erdigen Gerüchen wie Moos, Tannenzapfen und brackigem Schlamm. Kaum hatten die beiden Kainiten das Haus betreten, wurde hinter ihnen die Tür auch schon wieder zugemacht und ein kurzer Blick über die Räumlichkeiten bestätigte ihnen mit einem Mal, das Güldenglanz tatsächlich kein gewöhnlicher Händler war. Vor ihnen zog sich eine fast endlose Halle mit ungeahnt großen Ausmaßen dahin. Gewiss mochte sie zweimal die Größe des Anwesens der van de Burse einnehmen und warum man von außen nur ein kleines, spitzes Häuschen gesehen hatte, war somit auch nur noch mit Magie zu erklären. An den Wänden standen riesenhaft hohe, mit üppigen Schnitzereien verzierte Regale in denen ein vollkommen unüberschaubares Sammelsurium an Gegenständen, Waffen, Schriften, Büchern, Töpfen und Tuben, Werkzeugen und Stoffen, leuchtenden Steinen und Gefäßen, Knochen und Pulvern, Pflanzen und eingesperrten Tieren gelagert wurde. Gewundene Treppen führten in den nächsten Stock, wo sich die chaotische Ansammlung des Fundus nur fortzusetzen schien. Zwischendrin gab es längliche Tische an denen eine große Festtafel hätte errichtet werden können und überall standen verschiedenförmige Lampen, Laternen und Fackeln die mal heller, mal dunkler in unterschiedlichen Farben ein kunterbuntes Lichtspektakel über die Masse an verschiedenartigem Gerümpel warfen. Dutzende Dinge in Güldenglanz Verkaufshalle wirkten seltsam gewöhnlich, manche schienen ohnehin bereits kaputt und unbrauchbar zu sein, wieder andere waren ganz eindeutig nicht von dieser Welt. Der Meister der Kuriositäten, hatte seinen Titel wohl offenbar tatsächlich nicht umsonst bekommen. Styx hingegen, zog die kaum vorhandenen Lippen nach oben und offenbarte gelbliche, spitze Zähne, während eine regelrechte Armee von noch kleineren, seltsamen Männchen über Leitern aus Seilen, kleinen Aufzügen aus Flechtkörben und steinernen Stufen huschte und wie in einem großen Ameisenhaufen über die Utensilien wuselte, um diese zu sortieren, zu stapeln oder an einen anderen Ort zu bringen.

Bild

Der Goblin wandte sich einem üppig beladenen Eichentisch zu, auf dem unzählige Bücher und lose Blätter verstreut lagen und öffnete ein mit zahlreichen Lesezeichen versehenes Manifest, das rein nach dem Äußeren zu urteilen, noch nicht einmal von einer Person allein getragen werden konnte. Hart und schwer schlug der geöffnete Ledereinband auf dem Tisch auf, während Styx langsam ein paar Seiten durchblätterte. „Also meine lieben Reisenden, womit können wir euch heute dienlich sein? Ich rieche da ein wenig Tod an euch, was ja so nichts Seltenes ist. Allerdings habt ihr darüber hinaus noch eine leicht blutige Note mitgebracht. Blutsauger haben wir hier selten, wahrlich selten. Umso mehr freut es mich wenn ihr uns mit eurer ehrenvollen Anwesenheit beehrt. Nur wenige von euch verirren sich an diesen Ort liebe Reisende.“ Der Goblin kicherte. „Dennoch seid ihr hier bei uns absolut richtig, wenn es um die größte, mächtigste und schrecklichste Auswahl an allerlei großartigen Dingen geht. Ihr werdet nicht enttäuscht sein, dafür stehen wir mit unserem guten Namen!“
Mit Verwunderung, Interesse und Vorsicht betrachtete Leif die verschiedenen Waren und kleinen Arbeiter die überall herum wuselten. Es war wie in den alten Geschichten, die sein Onkel und Vater am Feuer erzählt hatten. Legenden über die Ljosalfar und ihre dunkeln Brüder, über Zwerge, Götter und die neun Welten. Der Salubri musste sich ein erfreutes Lächeln unterdrücken. Nach all den Jahren als Kainit, nach all den Abenteuern, Artefakten und mystischen Feinden, die sie bekämpft hatten, freute sich der Heiler an diesem seltsamen Ort noch einmal eine neue Welt zu entdecken. Eine Welt der Wunder und des Kuriosen. Es war wie ein Traum und manchmal war sich Leif gar nicht so sicher, ob dies wirklich keiner war. Er wusste, er durfte sich nicht ablenken lassen, denn die Situation war ernst, auch wenn ihm das gar nicht so einfach fiel. Er schaute schließlich zu Alida und dann zu dem Goblin namens Styx. Der Salubri verbeugte sich leicht bevor er mit freundlicher Stimme sprach. „Guten Tag, Meister Styx. Wir sind in der Tat weit gereist. Es wundert mich also wenig, dass es hier nicht mehr Kainiten gibt.“ Er lächelte breit und deutete dann auf die Tzimisce neben sich. „Das ist Alida van de Burse.“ Leif wollte der blonden Händlerin die Möglichkeit geben sich vorzustellen und im Zweifel auch die nächsten Schritte vorzugeben. Goblin oder nicht, Leif war überzeugt, dass Alida wusste was jetzt am Besten zu tun war.“
Sie war Leif dankbar dafür, dass er die ersten Worte gesprochen hatte. Alida hatte die Schultern gestrafft, den Kopf hoch erhoben. Der Kobold hatte durchaus recht als er verkündete, dass sie weit gereist waren um diesen Ort auszusuchen… oh ja. Aber das musste er ja nicht wissen. Vielleicht war es von Vorteil für sie, wenn man in diesen Landen wenig über Kainiten wusste. „Meister Styx, Grenzer zwischen Leben und Tod, wir sind hier um euren Meister aufzusuchen. Sagt an, ist er zu sprechen?“
Der Goblin lächelte ein schneidendes Lächeln und nickte wohlwollend zunächst in Richtung Leif, dann der blonden Händlerin zu. „Oh Meister bin ich keiner, zu viel der Ehre. Styx genügt vollauf liebe Reisende.“ Er vollführte eine bescheiden-abwehrende Geste mit seinen Händen, die zwar ein wenig grob aber dafür auch äußerst kräftig wirkten. Wahrscheinlich durfte er genau wie die kleinen Wesen rings herum auch sehr oft selbst mitanfassen. Nur einen Moment später sauste eines der Koboldwesen an einem quer über den Raum gespannten Seil in einem großen Korb vorbei, in dem sich wieder allerlei Trödel ausmachen ließ. Das kichernde Geschöpf gluckste dabei vor Freude. Styx‘ Augen begannen interessiert zu leuchten, als Alida die Sprache auf den Eigentümer des Ladens lenkte. „Oh das ist er ganz gewiss, das heißt…“, der Goblin machte eine dramatische Pause, „… er wäre es schon liebe Reisende aber da ihr uns heute wohl zum Ersten Mal die Aufwartung macht, möchte ich erwähnen das Herr Güldenglanz bisweilen nur ganz ausgewählter Kundschaft zur Verfügung steht. Der Handel, An- und Verkauft der eher gewöhnlichen Güter obliegt im Grunde mir. Wenn ihr mir also sagt worum es geht, könnte ich im Zweifelsfall nachsehen, ob der Meister Zeit für euch findet.“ Mit seinen dicken, grünen Fingern deutete auf das aufgeschlagene Buch vor sich. „Der Hauptteil unserer Waren lässt sich nämlich bequem mit diesem Karteibüchlein wiederfinden. Also: Wonach verlangt es die Untoten?“
Verdammt. Das Wort hallte ungewöhnlich laut in Leifs Kopf, nachdem er dem Goblin zu gehört hatte. Er schaute zu Alida. Die Magierin hatte ihnen aufgetragen Güldenglanz zu finden und irgendwie vermutete er, dass sie das nicht einfach nur so gesagt hatte. Er wusste nicht was jetzt der richtige Schritt war, also überließ er seiner Mitstreiterin das Wort. Immerhin hatte sie ihm ja gesagt, dass man das was man wirklich sucht nie einfach so offenbaren sollte.
Die Andeutung eines Lächelns erschien auf Alidas Zügen, als sie sich zu dem Goblin hinunter beugte. „Wie ausgesprochen bedauerlich. Da sind wir auf den Rat eines guten Freundes den weiten Weg bis zum Haus von Meister Güldenglanz gewandert und dann so ein bedauerlicher Zustand. Wie ihr schon richtig bemerkt habt: immerhin ist unsere kainitische Zeit in der Regel zu kostbar um uns solche Vergnügungen zu leisten, aber bei allem, was wir von den Waren und dem Meister gehört haben, dachten wir, die Reise könnte es wert sein. Wie bedauerlich.“ Sie seufzte mit einem Hauch Theatralik. „Wie schade. Dann werden wir wohl ein ander Mal wieder kommen müssen. Wir Kainiten haben eines im Überfluss: viel, viel Zeit. Was denkt ihr, Leif? In zweihundert Jahren bestünde wieder eine Möglichkeit, nicht wahr? Ich vergesse unsere Termine immer…“ Sie lächelte charmant.
Der Goblin blickte zu der blonden Händlerin hoch und lächelte ein besonders spitzes, grimmiges Lächeln. „Ihr versucht es ein wenig zu hart, Bluttrinker. Meister Güldenglanz verhandelt nur mit ausgewählter Kundschaft und diese zeichnet sich dadurch aus, dass sie dem Meister der Kuriositäten auch tatsächlich ein angemessenes und vor allem interessantes Geschäft vorschlagen kann.“ Styx vollführte eine Bewegung, welche die ganze Halle miteinschloss und hob dann recht egalitär die Schultern. „Wie ihr seht, schwimmt der Meister in Waren von erlesener Handwerkskunst und Pflanzen ausgesuchter Seltenheit. Ich behaupte einfach einmal salopp, es gäbe nichts, dass ihr ihm anbieten könntet um sein Interesse zu wecken…“ Sein Grinsen wurde beinahe diabolisch. „Allerdings will ich nicht derjenige sein, der dem Meister ein profitables Geschäft vorenthält. Allein die Tatsache dass ihr Bluttrinker seid, hebt euren Marktwert beträchtlich. Ich werde für euch fragen, wartet einen Augenblick.“ Mit einer flinken Drehung, entfernte er sich von dem Tisch und verschwand mit raschen Schritten in einem glitzernden Sammelsurium an undefinierbaren Kostbarkeiten, während nach wie vor die Koboldbrigaden wie kleine Handelskarawanen durch die Halle flitzten. Es dauerte vielleicht fünf Minuten, da erschien Styx erneut und lächelte breit. „Euer Glückstag Sauger, der Meister hat ein wenig seiner äußerst kostbaren, und knapp bemessenen Zeit zu verschenken. Ich würde euch ja den Tipp geben, sie möglichst nicht zu vertrödeln.“ Mit einer leichten Verbeugung, drehte sich Styx erneut um und schritt zwischen aufgetürmten Helmen und Panzerplatten, Schwertern und adeliger Abendgarderobe hindurch. „Wir gehen in die Schreibstube“, meine er knapp und setzte seinen Weg unbeirrt fort. Ein einziger Blick der beiden Brügger genügte um festzustellen, dass es auch mit ausreichender Beleuchtung gar nicht so einfach wäre sich durch all diese Warenberge zu kämpfen und dabei auch noch den rechten Weg einzuschlagen. Styx hingegen hatte damit natürlich weniger Probleme. Mit einem leicht federnden Gang, glitt er zwischen all dem Chaos hindurch und kam an einen Raum, der vom Rest der Halle getrennt war. Er öffnete die Tür und ließ die beiden Kainiten eintreten, bevor er selbst eintrat. In dem kleinen, spärlich beleuchteten Raum saßen ungefähr zehn weitere der merkwürdigen Kobolde an kleinen, fast winzigen Tischen und mühten sich mit Tintenfass und Gänsekiel ab, seltsame Worte auf schwarzes Papier zu schreiben. Wenn man es nicht besser wüsste, hätte man annehmen können, es handle sich hierbei um die Buchhaltung von Güldenglanz‘ Kuriositätenimperium. Der Goblin mit der zerfransten Gugel ließ sich durch das konstante Schaben von Kielen auf schwarzem Pergament jedoch weder irritieren noch aufhalten und hielt geradewegs zwischen den Tischen auf eine große, doppelflügelige Tür zu in der zwei Buntglasfenster eingelassen waren. An einem Schild konnte man die Worte: „Direktion“ lesen. Styx klopfte kräftig an die Tür und rief dann: „Die zwei Blutsauger, Chef. Ich geh wieder an den Tresen wenn’s recht ist.“ Von innen kam keine Antwort und dennoch machte der Goblin eine verschlagen-freudige Einladung. „Immer nur voran liebe Reisende, Meister Güldenglanz ist bereit euch zu empfangen. Fast euch bitte kurz.“ Dann machte er mit einer weiteren, knappen Verbeugung kehrt.
Elfen und Kobolde, ein eigenartiges Völkchen. Leif folgte Styx und murmelte nur irgendwann so leise, dass es hoffentlich nur Alida hören konnte: „Dieser Güldenglanz mag es offenbar gebeten zu werden.“ Dann waren sie nur einen Schritt von ihrem eigentlichen Ziel entfernt. Leif war gespannt mit wem, oder besser gesagt was er es gleich zu tun bekommen würde.
Sie antwortete ebenso leise. „Das habe ich befürchtet…“ Dann trat sie ein.
Sobald die Tür wieder hinter ihnen geschlossen war, verstummten die Geräusche der emsigen Schreiber-Kobolde. Beinahe so, als ob sie überhaupt nie existiert hätten, was darauf schließen ließ, dass Meister Güldenglanz die persönliche Ruhe ganz besonders schätzte und sich deshalb wohl auch eine ganz besondere wertvolle und einzigartige Tür in seine Privatgemächer hatte einbauen lassen. Der Raum, in welchem sich die Brügger nunmehr befanden, mochte vielleicht gerade einmal doppelt so groß wie Alidas eigene Amtsstube gewesen sein und wirkte im Gegenteil zum Chaos in der Halle sehr sauber und aufgeräumt. Lampen mit verschnörkelten Verzierungen warfen ein sehr angenehmes, warmes Licht auf das umliegende Mobiliar, dass jemand nach eher praktischen und funktionellen, als ästhetischen Gesichtspunkten ausgewählt hatte. Bücher und Schriftrollen lagen ordentlich sortiert in goldgeschmückten Bücherregalen und in kleinen Glasphiolen glühten leuchtende Käfer und gelegentlich sogar das, was man im Allgemeinen tatsächlich unter dem Begriff „Fee“ verstand. Hie und da gab es süßlich duftende Pflanzen, die in verschiedenen Höhen von einer Blumenampel herabhingen und ein eiserner Käfig beherbergte einen wunderschönen, farbenprächtigen Vogel der die beiden Besucher mit wachen Augen beobachtete. Am Ende des Raumes gab es einen ausladenden Schreibtisch und im Anschluss eine kleine Sitzecke. Alles in dem Raum hatte weiche und mit wirren Mustern verzierte Teppiche unterlegt bekommen. Dann sahen sie ihn. Er war groß und breit, überragte nicht nur Styx sondern auch Alida und Leif um mindestens einen Kopf und hatte eine bräunliche, sehr faltige Haut, die perfekt zu seinen abweisenden, griesgrämigen Mundwinkeln zu passen schien. Der dicke, untersetzte Bauch spannte unter der eher einfachen Kleidung und vor sich hatte der schweigsame Riese eine fantastisch gearbeitete Glaskaraffe stehen, die mit roter Flüssigkeit gefüllt war. Daneben standen bereits zwei Gläser und zwei Stühle vor dem Schreibtisch. Aus tiefliegenden Augen verfolgte die ehrfurchtgebietende Erscheinung jeden Schritt der Brügger, sagte aber noch kein Wort und forderte auch niemanden auf sich hinzusetzen. Das breitschultrige, kolossale Wesen wirkte nicht nur abweisend, sondern schien zunehmend ungeduldiger. Vielleicht wäre es gut den Rat von Styx zu beherzigen und schnell zur Sache zu kommen? Aber war es nicht irgendwie doch unhöflich, sich einfach so ungefragt zu setzen? Diese Entscheidung und noch viele mehr würden nunmehr die beiden Ratsmitglieder treffen müssen, denn der faltige Riese vor ihnen machte keinerlei Anstalten sie zu begrüßen.

Bild

Bild

Zwei Kelche und eine rote Flüssigkeit? Leif sah dies als Einladung, ebenso wie die beiden bereitstehenden Stühle. Er verbeugte sich leicht. „Meister Güldenglanz. Leif Thorson mein Name. Meine Begleiterin heißt Alida van de Burse.“ Dann, mit einem letzten Blick zu der blonden Händlerin ging Leif in Richtung beider Stühle um sich zu setzten.
Alida war etwas vorsichtiger als Leif, verbeugte sich ebenfalls, ging jedoch nicht in die Richtung der Stühle. „Verzeiht, Meister Güldenglanz, dass wir euch eure kostbare Zeit stehlen. Wir sind auf reichliche Empfehlung weit hierher gereist und sind es nicht gewohnt Geschäfte mit der Dienerschaft zu tätigen.“
Der faltige Riese beobachtete zunächst Leif, der es sich vor ihm auf einem der Stühle bequem gemacht hatte und im Anschluss Alida, die gerade eine Verbeugung andeutete. Langsam schob sich eine massige Hand nach vor um einen der filigranen Kelche vor Leif zu positionieren und vorsichtig aus der Karaffe einzuschenken. Die rote Flüssigkeit entpuppte sich als dick, undurchsichtig und sowohl Leif als auch Alida, hätten den Geruch noch auf hundert Meilen Entfernung gerochen: Blut. Obgleich irgendetwas damit nicht ganz zu stimmen schien; das verriet ihnen bereits jetzt eine kleine Duftnuance die irgendwie deplatziert wirkte. Güldenglanz stellte den Kelch vor Leif ab und machte eine sehr knappe und getragene Bewegung Richtung Alida, die ihr bedeutete sich hinzusetzen. Es wirkte als habe er im Gegensatz zu Styx Aussage jede Menge Zeit zur Verfügung – vielleicht zog er aber auch einfach nur jede Art der Verzögerung dieser Unterhaltung von Alidas und Leifs zur Verfügung stehenden, bisher noch unbekannten Zeitkontingent ab und hüllte sich in Schweigen? Räuspernd schenkte er auch Alida vorsichtig ein und begann noch während dieser Tätigkeit zu sprechen. „Meine Zeit ist sehr knapp bemessen. Es gibt nichts was ich nicht schon besitzen würde, wie ihr euch bereits vorstellen könnt. Die meisten meiner Kunden langweilen mich zu Tode und versuchen mir irgendwelchen Unsinn anzudrehen. Deshalb kümmert sich jetzt Styx um derlei Angelegenheiten.“ Er hob kurz den Kopf und fixierte aus tiefliegenden Augen Alida. „Ihr aber seid eine Seltenheit und allein aus diesem Grund gebe ich euch beiden heute und hier die Möglichkeit mich mit einem überraschenden Angebot in Erstaunen zu versetzen.“ Gemächlich setzte er die Karaffe ab. „Aber bitte verschont mich mit Lobpreisungen auf eure angebotenen Waren, wenn wir doch genau wissen das ihr nichts Besonderes anzubieten habt. Hier in meinem Haus habe ich die seltsamsten und wertvollsten Dinge die es überhaupt nur gibt erworben, gesammelt und katalogisiert. Bedenkt dies, bevor ihr mir einen Vorschlag unterbreitet.“ Abwartend sah er nacheinander beide Besucher an.

_________________
Der Weg zum Ziel beginnt an dem Tag, an dem du die hundertprozentige Verantwortung für dein Tun übernimms.
Dante Alighieri


Nach oben
 Profil  
Mit Zitat antworten  

 Betreff des Beitrags: Re: Deliver us from Evil
BeitragVerfasst: Fr 22. Sep 2017, 10:25 
Offline
Benutzeravatar
 Profil

Registriert: Fr 24. Jul 2009, 01:13
Beiträge: 1416
Leif ärgerte sich ein wenig über seine eigene Dummheit. Sie waren zu Güldenglanz gegangen und hatten gehofft, oder besser gesagt einfach angenommen das er ihnen ein Angebot machen würde. Über das komplette Gegenteil hatten sie nie gesprochen, ja es nicht einmal in Erwägung gezogen. Viel schlimmer war aber, dass sie nichts hatten um ihren Bluff zu untermauern. Keine besonderen Artefakte oder Kostbarkeiten. Der Heiler dachte angestrengt nach an was Güldenglanz interessiert sein könnte, aber abgesehen von einer ewig sturen Tzimisce und einem suizidal veranlagten, nackten Zwerg hatte er nicht viel anzubieten. Plötzlich kam ihm eine Idee. „Wir wollen eure Zeit nicht verschwenden, aber wir wissen das Kainiten nur selten in diesen Ländern wandeln.“ Das hatten sie bereits von Styx gehört und der Gehilfe hatte wenig Grund sie anzulügen. „Daher dachten wir ihr seid vielleicht an einigen Kuriositäten interessiert, die wir zu bieten haben. Vitae, Vampirfänge, untotes Fleisch oder vielleicht sogar Unsterblichkeit selbst?“ Leif hatte das erst Angebot gemacht. Ein Vorschlag lag auf dem Tisch und damit würde man arbeiten können. Immerhin hatte Alida immer noch die Möglichkeit ihr Gespräch in die eine oder andere Richtung zu lenken.

_________________
- Do not go gentle into that good night. Rage, rage against the dying of the light. -


Nach oben
 Profil  
Mit Zitat antworten  

Beiträge der letzten Zeit anzeigen:  Sortiere nach  
Ein neues Thema erstellen Auf das Thema antworten  [ 143 Beiträge ]  Gehe zu Seite Vorherige  1 ... 9, 10, 11, 12, 13, 14, 15  Nächste

Alle Zeiten sind UTC + 1 Stunde



Wer ist online?

0 Mitglieder


Du darfst keine neuen Themen in diesem Forum erstellen.
Du darfst keine Antworten zu Themen in diesem Forum erstellen.
Du darfst deine Beiträge in diesem Forum nicht ändern.
Du darfst deine Beiträge in diesem Forum nicht löschen.
Du darfst keine Dateianhänge in diesem Forum erstellen.

Suche nach:
Gehe zu:  
cron



Bei iphpbb3.com bekommen Sie ein kostenloses Forum mit vielen tollen Extras
Forum kostenlos einrichten - Hot Topics - Tags
Beliebteste Themen: Chat, Erde, NES, Essen, USA

Impressum | Datenschutz