Vampire: Die Maskerade


Eine Welt der Dunkelheit
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 Betreff des Beitrags: Re: Apostel, Feste und Feiertage
BeitragVerfasst: Fr 26. Apr 2019, 12:36 
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Die Sammlerin schien überrascht und neugierig. Ihr Kopf wippte hin und her wie der eines Vogels, als sie auszumachen versuchte, ob Alida sich die Details ihrer Antwort selbst zusammengereimt, oder von jemand anderem erfahren hatte. Es schien aber keine Rolle zu spielen. „Was in jener Nacht mit dem Mädchen Alyssa geschah, war tatsächlich auf eine Art meine Schuld. Ich hatte keine Absicht sie in eine solche Position zu bringen, aber manchmal können wir die Konsequenzen unseres Handelns erst sehen, wenn es schon zu spät ist. Lasst mich aber bitte von Anfang an beginnen.“ Ein harter Zug legte sich über die wilde Mimik der Tzimisce und sie sprach mit bitterer Ablehnung und Hass. „Vor etwas über 20 Jahren drang ein impertinenter und überheblicher Salubri namens Leif Thorson in meine Domäne und später Zuflucht ein. Er floh mit einer Reihe von Begleitern aus den Ruinen Konstantinopels und arbeitete danach einige Zeit für unseren Clan als Söldner gegen die immer weiter expandierenden Usurpatoren. Er verdingte sich aber nicht nur gegen die Hexer, sondern auch als einfacher Dieb und Meuchelmörder solange die Bezahlung stimmte. Eines Nachts war ich leider nicht zugegen und während er mein Heiligtum für seinen Auftraggeber durchsuchte, stellte sich ihm ein Diener und mein Kind entgegen. Er tötete beide bei dem entstehenden Konflikt und floh schließlich unverrichteter Dinge.“

„Als ich erfahren habe was passiert ist, begann ich die Spur dieses verdammten Mörders aufzunehmen und als ich ihn schließlich gefunden habe, fiel ich über ihn her wie eine Furie. Ich riss ihn beinahe in Stücke, pflockte ihn und steckte ihn schließlich in einen Käfig. Er sollte dort erst einmal verrotten, nicht aber bevor ich ihm die Erinnerung an seinen liebsten Sohn raubte. Er nahm mir mein Kind, ich nahm ihm das seine. Das einzige das er je bedingungslos geliebt hatte.“ Die kalte Wut mit der die Sammlerin ihre Geschichte erzählte, gaben ihr eine furchteinflößende Aura. „Die Zeit verging und manchmal durchforstete ich seinen Kopf, bis ich schließlich etwas entdeckte was mich erschütterte. Dieser verfluchte Emporkömmling kam aus Brügge und brachte mit seinen Erinnerungen Nachricht über das Ende Andomars und das Verschwinden oder die mögliche Vernichtung von Valerius.“ Die Sammlerin suchte Alidas Blick. „War es wirklich möglich, dass unser Zusammentreffen Zufall war? Ich wusste es nicht und auch Wochen später hatte ich noch nicht entschieden, was ich mit diesem Wissen machen sollte. Ich habe um meine alten Weggefährten getrauert und plötzlich eine Last auf meinen Schultern gespürt, die ich nicht hatte haben wollte. Vielleicht hätte ich mich nie zu einer Entscheidung durchgerungen, wenn nicht einige Zeit später ein weitere Kainit aus Brügge un unseren alten Stammlanden aufgetaucht wäre. Draga Nefedov suchte Verbündete für einen Sturm auf ihre Heimatstadt um sie zu einem offiziellen Voivodat zu machen. Sie sprach vom Reichtum der Stadt und seinen vielen Menschen, von ein paar unwürdigen Neugeborenen, die diese Domäne beherrschten. Eine vollreife Frucht, die nur darauf wartete gepflückt zu werden. Aber das war nicht alles. Draga Nefedov kam noch mit einem weiteren Versprechen in den Osten. Sie kam mit der Verheißung einer Waffe die den Omenkrieg zu unseren Gunsten entscheiden würde. Sie berichtete, dass sie den Tremere der Stadt vernichtet hatte um ein Exempel an seinem verfluchten Clan zu statuieren und dabei seine okkulten Bücher und Schriften an sich genommen hatte. Diese berichteten von einer Waffe, die in der Lage war Magie aufzusaugen und die Kräfte der Hexer um sich dämpfen könnte. Ein Artefakt das irgendwo unter oder in Brügge zu finden war.“ Die Sammlerin leckte sich über ihre bleichen Lippen. „Nefedov wurde von den meisten Tzimisce ausgelacht und nicht ernst genommen, ich allerdings war wie vom Schlag getroffen. Mit dem Verlust von Andomar und Valerius lag es an mir den Stein zu beschützen, also habe ich eine Entscheidung getroffen. Eine Entscheidung, die fast zu spät kam, da Draga am Ende doch mit Volgars Horde die Unterstützung gewinnen konnte, die sie so verzweifelt gesucht hatte.“

„Die Fäden des Schicksals verknüpften sich immer mehr und ich beschloss Leif Thorson frei zu lassen. Natürlich nicht einfach so, denn seine Schuld war noch immer nicht zu Gänze beglichen. Ein Kind für ein Kind und einen Diener für einen Diener. Ich suchte also seine Begleiter auf, die aus welchen Gründen auch immer ihrem Meister noch immer die Treue hielten und ausharrten, mit der irren Hoffnung ihn irgendwann zu befreien.“ Das Lächeln einer jagenden Katze umspielte die Mundwinkel der alten Tzimisce. „Der Salubri hätten jeden von ihnen ohne mit der Wimper zu zucken für seine Freiheit geopfert und doch gaben sie ihn nicht auf. Er hatte so viel Hingabe nicht verdient und auch nicht das Opfer was sie schließlich für ihn brachten. Ich forderte, dass der junge Karl-Christian, ein Kind aus Leifs sterblicher Linie mit einer Aura wie ich sie so noch nie gesehen hatte, mir zu gegebener Zeit 7 Jahre und 7 Tage dienen sollte. Der Vater des Jungen weigerte sich und bot sich selbst für diesen Dienst an. Ich akzeptierte das Angebot schließlich und spielte der Gruppe danach die Information zu, das eine Invasion aus Söldnern und Tzimiscekreaktionen auf den Weg nach Brügge sei um die Stadt zu erobern. Alle reagierten so wie ich gehofft und geahnt hatte und aus Angst um ihre Heimat brachen sie ebenfalls aus dem Osten auf.“

„Den weiteren Verlauf um den Krieg muss ich nicht weiter ausführen. Ich selbst schloss mich Draga Nefedov an, indem ich vorgab eine interessierte Beobachterin ihres Feldzugs zu sein. Ich schmeichelte ihrem Ego und spielte ihr vor von ihrem starken Handelswillen und ihrer Klugheit beeindruckt zu sein. Diese Position, wenn auch nur am Rand des Heeres gab mir die eine oder Information, die ich weiterleiten konnte, wie zum Beispiel die Tatsache das ein fleischgeformter Doppelgänger des gefangenen Lucien Sabatier als Falle für die Verteidiger von Brügge dienen sollte. “Die Sammlerin holte unnötigerweise einmal tief Luft. „Nach dem Krieg um Brügge beschloss ich erst einmal abzuwarten, um zu sehen wie sich alles entwickeln würde. Der Stein war erst einmal sicher und ich hatte Zeit mich neu zu ordnen. Ihr selbst habt Brügge ja kurz danach für einige Zeit Rücken gekehrt. Als ich erfuhr, dass ihr bald aus Italien zurückkehren würdet, wollte ich endlich mehr über euch erfahren und so beschloss ich die mir noch immer ausstehende Schuld einzufordern und ging zu Balduin van de Burse um ihn als meinen Diener zu verpflichten. Glück oder Zufall sorgten dafür, dass ihr beide derselben Familie angehört habt. Er war allerdings widerspenstig und weigerte sich schlichtweg mir zu gehorchen, als ich begann ihn über euch auszufragen. Er meinte, er würde nie wieder seine Familie verraten und das er lieber sterben würde. Er hatte sein Versprechen gebrochen.“ Die Sammlerin zuckte entschuldigend mit den Schultern. „Euer Verwandter war mutig und hatte Charakter, dass muss ich ihm lassen. Dennoch kommt jetzt der Teil, der sicherlich euer Missfallen erregen wird. Ich konnte seinen Wortbruch nicht unbestraft lassen und schaute deshalb in seinen Geist und suchte sein dunkelstes Geheimnis. Ich wurde schnell fündig, denn ich fand heraus, dass er dachte er hätte ein Kind mit seiner Schwester gezeugt - euren kleinen Wiedergänger. Balduin hat dieses Wissen tief in sich vergraben und nie mit jemandem darüber gesprochen. Er zweifelte ob er überhaupt Kinder haben konnte und doch war die bloße Möglichkeit genug um ihn mit Schuld und Scham zu zerfressen. Für mich war es die perfekte Waffe.“

„Ich schrieb die Nachricht, um Balduin zu erpressen, was ich aber nicht habe kommen sehen ist, dass Alyssa davon erfahren würde. Um ehrlich zu sein, hatte ich nie an die Frau gedacht und durch eine Kette von unglücklichen Umständen erfuhren erst Karl und dann euer damaliger Ghul von dieser Nachricht.“ Die bleiche Tzimisce schien nicht auf Alidas Wut warten zu wollen, denn sie erzählte direkt weiter. „Für was es wert ist, ich hatte nie vor, dieses Gerücht in die Welt zu setzten. Es war lediglich als Bestrafung für ein gebrochenes Wort gedacht. Außerdem war die Erinnerung die beide an besagte Nacht hatten sowieso nicht echt. Jemand hat den Geschwistern diese grausame Erinnerung gegeben und ich würde eine ganze Menge darauf wetten, dass der eigentliche Vater von Hendrik oder sein Meister dabei seine Finger im Spiel hatten. Die echte Erinnerung wurde durch Beherrschung gelöscht und durch diesen neuen, erfundene Ablauf der Ereignisse ersetzt.“

„Es waren auch diese künstlichen Erinnerungen die Alyssa so sehr geschadet haben. Sie waren wie ein Gift, das sich durch ihren Geist fraß. Eine schwere Dunkelheit die Quelle von Irrationlität und Verzweiflung wurde. Es verursachte eine Krankheit, eine Art Wahnsinn und im Grunde ist es ein Wunder, dass das Mädchen nicht früher daran zerbrochen ist. Ihr Geist hat wahrscheinlich versucht sich zu wehren, hat sie Dinge vergessen oder ausblenden lassen. Am Ende hat die Verzweiflung sie aber übermannt und als ich gespürt hatte, dass sie ihrem Leben ein Ende setzten, wollte beschloss ich einzuschreiten. Ich hatte ein schlechtes Gewissen und fand sie schließlich in jener verhängnisvollen Nacht auf dem Turm. Ihr selbst habt euch in einer Schockstarre befunden und ich beschloss zu handeln. Ich nahm Alyssa all die verseuchten und kranken Erinnerungen, die Quellen ihrer Schuld, Scham und Verzweiflung, jener Emotionen die sie zu dieser Tat zu treiben schienen. Es war keine Heilung. Es war im Grunde mehr die Amputation einer von Wundbrand zerfressenen Gliedmaße. Sie würde den Verlust immer spüren, aber die Last auf ihren Schultern würde ein bisschen leichter werden und sie würde leben.“

„Ich habe Fehler gemacht, die ich bedauere und um die ich um Verzeihung bitte, auch wenn ich eure Vergebung nicht erwarte. Ich wollte nie Zwist mit euch Drache des Westens, aber sowohl Arroganz als auch Hochmut und Ignoranz bezüglich eurer Person haben mich euch den Respekt versagen lassen der euch zugestanden hätte – ungeachtet unseres Altersunterschieds.“ Die Sammlerin verstummte schließlich.

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Verfasst: Fr 26. Apr 2019, 12:36 


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 Betreff des Beitrags: Re: Apostel, Feste und Feiertage
BeitragVerfasst: Do 2. Mai 2019, 12:59 
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Auch nachdem die Sammlerin geendet hatte, spürte Alida noch lange die eiskalte Wut in ihren Adern pochen. Es war ein Gefühl, das einen durchdrang und von innen heraus lähmte. Wahrscheinlich war dies auch am besten, da sie sich sonst zu Handlungen oder Bemerkungen hätte hinreißen lassen, die sie hinterher bereut hätte. Auch wenn die Sammlerin ihr in Fleisch und Blut gegenüberstand wusste Alida mit welcher Art von uraltem Kainit sie es hier zu tun hatte und was unüberlegtes handeln bewirken konnte. Ihre Stimme ließ jegliche Regung vermissen als sie schließlich antwortete. „Ich danke euch für eure Geschichte. Ich bin jetzt in der Lage klarer zu sehen und eure Beweggründe zu verstehen. Ich kann euer Handeln in vielerlei Hinsicht nachvollziehen und hätte mitunter sicher bei vielem ähnlich gehandelt. Allerdings vermag ich nicht euch zu vergeben. Ihr habt in einer fremden Domäne ohne Anmeldung mit dem Leben und Schicksal von Sterblichen gespielt um euch an einem Kainiten zu rächen, den ihr hasst. Dabei habt ihr willentlich in Kauf genommen mit einer Clansschwester, meiner Wenigkeit, in deren eigener Domäne in Zwist zu geraten, denn allein anhand der Namensgleichheit ‚van de Burse‘ hättet ihr wissen müssen, dass…“ Sie überlegte nach Worten die eine Tzimiske aus dem Osten verstehen würde. „… ich Anspruch auf Balduin und Alyssa anmelden könnte. Vor allem ein Drache müsste das verstehen. Ihr hättet euch an Leif direkt, an den Rat von Brügge, an mich wenden können, wenn ihr es gewollt hättet. Oder Karl mitnehmen, so wie es ursprünglich vereinbart war. Dieser Art von Erpressung…“ Ihre Worte hatten einen schneidenden Ton angenommen. „… hätte Balduin mit Sicherheit nichts entgegen zu setzen gehabt.“ Sie schloss für einen Moment die Augen und seufzte tief. Dann sah sie wieder zu der Sammlerin. Sie spürte dem letzten Nachhall der Wut nach, die langsam verebbte. „Es ehrt euch, wenn es tatsächlich Uneigennutz war, der euch die Gedanken meiner Ghulin, heilen lassen wollte. Allerdings war euer Handeln ohne jegliche Art von Kommunikation, weder mit Alyssa noch mit mir, ausgesprochen vorschnell und ihr versteht sicherlich, dass ich damals mehr als irritiert darüber war?“

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 Betreff des Beitrags: Re: Apostel, Feste und Feiertage
BeitragVerfasst: Do 2. Mai 2019, 16:55 
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Die Sammlerin kicherte, ja sie schien sich beinahe diebisch über die Worte von Alida zu freuen. „Ich hatte beinahe vermutet, dass ihr so reagieren würdet. Ihr macht eurem Namen als eine vom Blute der Rustovichs alle Ehre: Vergiss niemals! Vergib niemals! Ha!“ Die bleiche Frau neigte ihren Kopf und spielte an einem ihrer verfilzten Zöpfe. „Aber das ist euer gutes Recht. Dennoch werde ich bevor sich unsere Wege trennen gerne noch zwei, nein drei Dinge klarstellen. Ich versichere euch, ich kann mit den Konsequenzen meines Handels leben, aber ich werde ungern Verbrechen bezichtigt, die ich nicht begangen habe. Ganz besonders nicht für solche bei denen ich selbst auf die peinlichst genau Einhaltung der Regeln achte.“

„Zum einen möchte ich klarstellen, dass ich nie in eure Domäne eingedrungen, ja Brügge bis zum heutigen Tag noch nicht einmal betreten habe. Ich achte die Integrität fremder Domänen, insbesondere wenn ich explizit nicht erwünscht bin. Das gilt solange das gelegentliche einholen von Information, sowie die Beschäftigung von Boten zur Überbringung von Nachrichten nicht plötzlich als Verbrechen gilt. Zweitens: Balduin van de Burse ist freiwillig einen Handel mit mir eingegangen, um den Platz seines Sohnes einzunehmen und hat sich dann dazu entschlossen seine Schuld – aus welchen Gründen auch immer – nicht einzulösen. Der ehemalige Ghul war mit unseren Sitten vertraut und ist einen Pakt mit mir eingegangen lange, bevor ich auch nur geahnt habe, wer ihr eigentlich seid. Verzeiht mir, aber jene die mich hintergehen werden bestraft, egal welchen Namen sie tragen. Ich respektiere euch Alida van de Burse, aber auch ihr solltet wissen, welchen Stellenwert Gefallen und Gegengefallen in unserer Gesellschaft einnehmen. Niemand hat ihn zu etwas gezwungen, aber auf Aktion folgt Konsequenz, egal für wie archaisch ihr mich bei der Wahl meiner Mittel haltet. Wir alle haben unsere Art und Weise Probleme zu lösen.“

Die Sammlerin erhob sich bevor sie weitersprach. Sie ging zu einer alten Holztruhe und hob den schweren, mit rostigem Eisen beschlagenen Deckel. Sofort wurde der Raum von einer Myriade an bunten Lichtern erfüllt. Das Licht war so hell, dass Alida für einen Moment die Augen zusammenkneifen musste. In der Kiste mussten hunderte, vielleicht sogar tausende von Erinnerungen gelagert sein. Die alte Tzimisce zog zielsicher eine dünne Phiole mit ihren spindeldürren Händen hervor, deren Inhalt giftig grün schimmerte. Sie schloss die Truhe und war nun von einer einzelnen, smaragdfarbenen Aura umgeben, die sie aussehen ließ wie ein Geschöpf der Hölle. „Drittens habe ich eure Ghulin vorher natürlich gefragt, bevor ich ihre Erinnerungen genommen habe. Sie wusste worauf sie sich einließ und es war mir wichtig, dass sie das tut. Ich sehe im Gegensatz zu vielen anderen Tzimisce im freien Willen eine Stärke und keine Schwäche oder Gefahr, die es mit Brutalität und Schmerz auszumerzen gilt.“ Die Sammlerin legte die Phiole in Alidas Radius auf den Tisch. „Dies sind die Erinnerungen, die ich Alyssa entnommen habe. Sie würde untermauern was ich euch gerade gesagt habe. Sie gehören euch.“ Die Sammlerin setzte sich wieder und schaute mit einer gewissen Geschäftigkeit zu ihrer Clansschwester. „Vorschnell mag es gewesen sein, eurem Ghul ohne eure explizite Erlaubnis zu helfen, aber auch in der Gefahr euren Zorn erneut zu entfachen kann ich nur sagen: ich würde es wieder tun. Die Alternative war einer jungen Frau nicht zu helfen, obwohl ich es gekonnt hätte. Eine Frau die schon sehr lange seelisch verwundet war und an diesem Abend ihrem Leben ein Ende setzten wollte."

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 Betreff des Beitrags: Re: Apostel, Feste und Feiertage
BeitragVerfasst: Sa 4. Mai 2019, 12:55 
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Alida ließ die Worte der Sammlerin langsam im Raum verebben und sah auf die grün leuchtenden Phiolen. Sie schwieg und dachte über deren Bedeutung nach. War das Blut der Familie Rustovich mittlerweile in ihren Adern angelangt und beanspruchte seinen Tribut? Wie würde ein Andrei, Vladimir, Victor oder Emilian handeln? Der Unterschied wurde ihr noch im gleichen Augenblick bewusst und sie schüttelte fast unmerklich den Kopf: Rache. Jeder in der Familie Rustovich würde auf seine Art seine Rache einfordern. Vladimir laut, wahrscheinlich mit dem Fehdehandschuh im Bewusstsein jeden Kampf sowieso zu gewinnen, Andrei lautlos mit Verbündeten und Mittelsmännern, Emilian mit klingendem Geldbeutel und bestochenen Attentätern.
Alida trat näher an die Sammlerin heran. „Mag es so geschehen sein, wie es geschah. Und mag eure Handlungsweise so altruistisch sein, wie ihr selbst vorgebt. Für euer und mein eigenes Wohl. Lasst euch aber doch gesagt sein, dass ihr die ungewöhnlichste Kainitin des Clans der Drachen seid, die mir je begegnet ist. Ihr weißt kein Attribut auf, das man uns Drachen für gewöhnlich nachsagt…“ Sie versuchte ein leicht verzerrtes Lächeln, streckte ihre Hand nach der Phiole aus und zog die Finger dann wieder zurück. „Diese Erinnerung ist, soweit ich das verstehe, nicht von Wert für mich. Zum einen, so habt ihr bereits erklärt, ist die Erinnerung an das, was damals wirklich geschah, gefälscht und zum anderen ist die Erinnerung, die ihr selbst in diese Form gebannt habt, für mich ebenso viel wert wie euer Wort.“

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 Betreff des Beitrags: Re: Apostel, Feste und Feiertage
BeitragVerfasst: So 5. Mai 2019, 16:08 
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„Danke für euer Kompliment.“ Die Sammlerin beugte scheu ihren Kopf und lächelte stolz, vielleicht auch glücklich. In jedem Falle wirkte ihre Gemütsregung irgendwie unpassend. „Es ist interessant, wie sehr das Rad der Zeit sich dreht Alida van de Burse.“ Die Gesprächspartnerin der jüngeren Tzimisce schloss für einen Moment die Augen. Als sie diese wieder öffnete, schien sie Alida direkt in die Seele zu schauen, auch wenn sie nicht den Eindruck erweckte dafür irgendeine übernatürliche Disziplin zu bemühen. „Als Draga Nefedov in den Osten kam, hat sie euch mit beinahe den gleichen Worten beschrieben wie ihr jetzt mich. Sie beschrieb euch als einen Drachen im Westen, der keine Eigenschaften aufweist die einen Former für gewöhnlich ausmachen und deshalb auch Gnade für sein Handeln vom Stammclan erwarten sollte.“ Sie lächelte. „Zugegeben sie hat auch noch ein paar andere, weniger schmeichelnde Wörter verwendet. Dennoch ist die Ironie irgendwie erheitert, auch wenn es am Ende wie so vieles immer eine Frage der Perspektive ist.“

„Natürlich verrät uns dieser Gedanke auch, dass die Wahrheit subjektiv ist. Dennoch solltet ihr zu dem Schluss kommen, egal wie ihr es dreht und wendet, dass ich keinen Grund habe euch betrügen zu wollen. Wenn ich euch belügen wollte, hätte ich in den letzten Minuten viele Gelegenheiten dazu gehabt, indem ich euch zum Beispiel meinen Handel mit Balduin verschwiegen hätte.“ Die bleiche Frau streckte ihre dürren Finger aus und berührte die Phiole auf dem Tisch beinahe zärtlich. „Abgesehen davon ist es im Grunde unmöglich eine extrahierte Erinnerung zu fälschen. Die Emotionen, die damit verbunden sind würden euch immer die Wahrheit verraten, denn diese kann niemand verändern. Es ist so, als wäre die Erinnerung eine Flasche und die Emotion ihr Inhalt. Wenn wir diesen Vergleich bemühen ist es, als ob ihr Apfelmost auf den Behälter schreibt, sich aber Wein darin befindet und sobald ihr die Erinnerung kostet, schmeckt ihr sofort, dass euch jemand in die Irre führen wollte.“ Die alte Tzimisce lehnte sich zurück und schaute interessiert zwischen Alida und dem Fläschchen hin und her. „Einen Weg gäbe es übrigens die ursprüngliche Erinnerung wiederherzustellen. Ich sagte nur, dass ich die Erinnerung nicht habe, nichts aber davon das wir sie nicht wiederfinden könnten.“ Die Sammlerin grinste schelmisch und schien sich zu freuen wie ein Kind. „Aber der Prozess würde euch bestimmt nicht gefallen.“

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 Betreff des Beitrags: Re: Apostel, Feste und Feiertage
BeitragVerfasst: So 5. Mai 2019, 20:47 
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Alidas Augen verengten sich skeptisch. Die Freigiebigkeit mit der die Sammlerin ihr Wissen mit ihr teilte überraschte sie nach wie vor. „Ich weiß nicht, wie ihr eure Kunst ausübt… wie ihr vorgeht um die Erinnerungen an euch zu nehmen, oder auch nur warum. Wenn ihr mir dabei helfen wollt, wäre ich euch dankbar.“ Fragend sah sie zu der dürren Gestalt, wartete auf eine Erläuterung.

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 Betreff des Beitrags: Re: Apostel, Feste und Feiertage
BeitragVerfasst: Mi 8. Mai 2019, 10:29 
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„Die Künste, die ich ausübe sind nicht geheim, lediglich etwas kompliziert und kräftezehrend, was viele Kainiten die begabt genug wären von mir zu lernen abschreckt.“ Die Sammlerin lehnte sich auf ihrem Stuhl zurück und machte es sich bequem. „Als ich mein erstes Jahrhundert als Tzimisce hinter mir hatte, begann ich wie so viele unseres Blutes vor mir mit meiner Menschlichkeit zu ringen. Das Tier gewann mehr und mehr Macht über mich und hinterließ seine Spuren auf meiner Seele. Ich begann in dieser Zeit viele Dinge aus meinem sterblichen Leben zu vergessen und als es mir nicht einmal mehr gelingen wollte das Gesicht meiner Mutter vor meinem inneren Auge heraufzubeschwören, begann ich nach Wegen zu suchen um das wenige, was von meinen sterblichen Tagen übrig war zu konservieren.“ Die bleiche Tzimisce schien in Plauderstimmung zu sein und wirkte abwesend als sie ihre Geschichte erzählte. „Ich lernte in Rom von einer Ventrue die Kräfte der Beherrschung und dachte, damit mein Ziel erreichen zu können. Das war allerdings nur ein Anfang, denn ich verstand irgendwann, dass eine Erinnerung alleine nicht reicht.“
„Es waren die Emotionen dahinter, die den großen Unterschied machten. Die Erinnerung an einen Sonnenaufgang ist nichts anderes, als ein Bild davon oder ein Gedicht was jemand über dieses Ereignis geschrieben hat. Schön, aber am Ende ohne echte Bedeutung. Aber stellt euch vor, ihr könntet noch einmal das Kribbeln der Wärme auf eurer Haut spüren, sobald die goldenen Strahlen euch berühren und in ihr warmes Licht tauchen.“ Die Sammlerin lächelte selig. „Ganz so als wäre es erst gestern gewesen. Irgendwann hatte ich diesen Durchbruch mit Hilfe von Auspex und Fleischformen erzielt. Unsere übernatürliche Wahrnehmung hilft mir die Gefühle zu identifizieren, die ich suche und die Macht der Beherrschung schafft ein Gefäß für diese, um sie greifbar zu machen. Erst mit der Gabe des Formens ist es mir am Ende aber möglich diesem Amalgam aus Wille und Traum eine physische Form zu geben um sie für immer bewahren zu können, wenn ich das möchte.“
Wie um ihre Worte beweisen zu wollen, griff sich die Sammlerin an die Schläfe und zog einen im tiefen zinnoberrot gefärbten Strahl aus ihrem Kopf. Er war halb flüssig, halb gasförmig und wie aus dem nichts zauberte sie ein leeres Fläschchen von irgendwo hervor, um die Erinnerung darin aufzufangen. Sie verkorkte die Phiole vorsichtig und stellte sie neben das giftig-grün schimmernde Gefäß. „Rückblicke wie diese hier sind es die mir in den letzten Jahrhunderten geholfen haben geistig gesund und überhaupt vital zu bleiben.“ Sie zeigte auf rötlich schimmernde Flasche. „Nehmt sie an euch. Sie mag euch einmal eine Stütze nach einer besonders dunklen Nacht sein.“ Die alte Tzimisce schien schließlich wieder das den Faden ihres eigentlichen Themas aufzunehmen. „Für die Wiederherstellung von Alyssa‘s wahrer Erinnerung müssen wir allerdings gar nicht so weit gehen. Jeder, der ein bisschen was von Beherrschung versteht ist in der Lage dies zu tun. Diese verfluchte Nacht war der Kern von Alyssas Wahn und ich habe ihn wie bereits gesagt entfernt. Das erlaubt uns auf diese Erinnerung zuzugreifen, auch wenn das Mädchen selbst leider schon ihr Ende gefunden hat. Wir könnten versuchen hinter den Schleier zu schauen, aber das geht, nur wenn diese Erinnerung ein Teil von euch wird und ihr mich in euren Geist lasst. Ich kann die Kräfte für den Erfolg meiner Idee nötig sind, nämlich nicht an mir selbst anwenden. Die Disziplin der Beherrschung ist mächtig, aber sie hat auch ihre Einschränkungen.“
Alida wich einen Schritt zurück. Misstrauisch sah sie zu den Phiolen, dann zu der Sammlerin. Sie hasste es, wenn jemand versuchte in ihren Geist einzudringen. Emilian hatte es mehr als einem Jahrhundert des öfteren ohne ihre Zustimmung getan um die Wahrheiten ans Licht zu fördern, die sie vor ihm zu verbergen suchte. Sie hielt sich selbst mittlerweile für jemanden, der es verstand eine ganze Weile seine Gedanken für sich zu behalten, aber einer uralten mächtigen Kainitin wie der Sammlerin würde auch sie nicht lang widerstehen können. Sie zögerte, nickte dann aber.
„Wenn dies euer Wille ist, dann helfe ich euch gerne.“ Alidas Gegenüber nickte. „Ihr müsst das Fläschchen mit Alyssas Erinnerung zu euch nehmen und nein ihr geht damit keinen Bluteid zu mir ein, das schwöre ich euch.“ Die Sammlerin hielt Alida eine ihrer bleichen Hände hin, damit diese sie ergreifen könnte. „Im ersten Moment werdet ihr sozusagen zu eurer ehemaligen Verwandten selbst. Danach ist die Erinnerung ein Teil von euch und mag dann nach und nach verblassen, bis ihr sie vielleicht irgendwann vergesst, oder sie wieder entfernt wird. Aber bevor ihr diese Entscheidung trefft, werden wir erst einmal der Wahrheit auf die Spur kommen.“
Alida sah sie fragend an. „Ich werde davon ausgehen, dass ich diese Erinnerung tatsächlich erlebt habe obwohl ihr mir dies alles erzählt habt?“
Die Sammlerin nickte. „Zuerst werdet die Ereignisse durch Alyssas Augen sehen und spüren was sie gespürt hat. Danach werden sich die Erinnerung anfühlen als hättet ihr sie selbst erlebt, auch wenn ihr immer noch wisst, dass es nicht die euren sind. Es ist wie gelesene Worte die dann zu einem Teil von euch werden. Bevor es aber dazu kommt, werde ich euch in eurem Geist aufsuchen um die echte Erinnerung zu finden.“
Wie die fremdartige Tzimiske bereits angekündigt hatte, behagte Alida der Gedanke an eine fremde Erinnerung ganz und gar nicht. Sie fragte sich, das Gespräch mit Leif noch immer im Kopf, was wohl schlimmer war: einer Erinnerung beraubt zu werden oder eine in den Geist eingepflanzt zu bekommen? „Warum entfernt ihr die Erinnerung, wenn ihr euer Werk getan habt nicht gleich?“
"Wenn ihr das wünscht, dann kann ich das in eurem Fall tun. Ich vermeide es nur manchmal bei schönen Erinnerungen, da die Extraktion einer Erinnerung viel Blut und Willen kostet."
„Nach allem, was ihr erzählt habt, handelt es sich bei Alyssas Erinnerung nicht um etwas Schönes… Ich verzichte dankend.“ Ihr Lächeln nahm etwas raubtierhaftes an.
"Dann seid ihr also bereit?"
Die Händlerin sog tief und lang die Luft ein, nickte dann.
Die Sammlerin nickte ebenfalls. „Gut. Macht euch auf eine Vielzahl von Bildern und Gefühlen gefasst. Dieser Erinnerung ist nicht konstant, sondern ein Amalgam vieler Momente und Gegebenheiten. Konzentriert euch, haltet nach mir Ausschau und führt mich zu euch, sobald ihr meine Präsenz spüren könnt.“
Alida versteifte sich und nickte erneut.
Die dürre Hand der Sammlerin ergriff schließlich die von Alida. In den kleinen Händen stecke eine ungewöhnliche Kraft, das konnte Alida spüren. Mit der anderen Hand hielt ihr die alte Tzimisce das giftgrüne Fläschchen hin. „Trinkt.“
Die Händlerin stellte sich darauf ein einen widerwärtigen Geschmack auf den Lippen zu spüren. Sie entkorkte den Flakon und führte das giftgrüne Etwas an die Lippen.
Der Inhalt des Fläschchens schmeckte nach nichts. Es kribbelte nur ein bisschen in ihrem Rachen. Danach dauerte es allerdings nur Sekunden, bis sich Alidas komplette Wahrnehmung und Welt völlig veränderten. Ihr Geruchs- und Geschmackssinn schien plötzlich ganz andere Dinge wahrzunehmen, sie spürte ihr Herz schlagen und die die letzten Strahlen einer untergehenden Sonne auf ihrer Haut. Alida, nein Alyssa ging im schnellen Schritt auf den van de Burse Kontor zu. Sie hatte Fehler bei einer Abrechnung gemacht und schämte sich dafür.
Das Bild änderte sich sofort wieder. Alyssa und damit Alida selbst kam sich nutzlos vor. So viele Cousinen und andere Frauen in ihrem Alter hatten eigene Familien und Kinder. War etwas mit ihr nicht in Ordnung, weil sie diese nicht hatte?
Eine neue Situation formte sich in Alidas Geist und wieder waren die neuen Erinnerungen gefüllt mit einer Reihe von Zweifeln, Scham und Gelegenheiten, die Alida, nein Alyssa so gerne vergessen hätte. Alida hatte plötzlich Angst als ihr eigener Ghul zu versagen, den Anforderungen nicht gerecht werden zu können. Die ganze Situation schien paradox.

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All diese kleinen Momente bereiteten Alida aber nicht auf das vor was kam. Ein kleiner, düsterer Raum erschien. Es roch nach Branntwein und billigem Bier. Alida saß nackt auf dem Rand eines Bettes und hatte Schmerzen. Sie konnte nicht neben sich blicken, wo ein Mann, nein nicht irgendein Mann, ihr Bruder seinen Rausch ausschlief. Sie wollte sich übergeben, war verzweifelt und wusste nicht wie sie in diese Situation gekommen war. Gab es einen Ausweg? Sie wusste keinen und Verzweiflung stieg in ihr auf und schnürte ihre die Luft zum Atmen ab. Alyssa oder war es doch Alida brach auf dem dreckigen Dielenboden zusammen.
Alida wurde speiübel. Die Unmenge an schlechten Erinnerungen war viel und es war nicht leicht sie zu ertragen. Sie zwang sich immer wieder daran zu denken, dass dies alles nicht real sei, aber es fiel ihr merklich schwer.
Alida, nein Alyssa hatte sich übergeben und gerade als sich eine neue Erinnerung in ihrem Kopf formen wollte, spürte die blonde Tzimisce eine neue Präsenz an ihrer Seite. Die Fremdartigkeit und Wildheit der Sammlerin stach aus dem Brei von Gedanken und Gefühlen heraus wie eine Insel im Wasser, aber irgendwie hatte ihre Anwesenheit etwas ordnendes, etwas, dass es Alida ermöglichte wieder die Herrin ihrer eigenen Sinne zu werden und so konnte sie das erste Mal von der Erinnerung zurücktreten und sie als Beobachterin und nicht Protagonistin erleben. Die Zeit schien stillzustehen, Alyssa lag zusammengekauert auf dem Boden und Alida stand über ihr. Sie waren nicht mehr verbunden. Die Sammlerin schritt auf sie zu. „Eure Kontrolle ist beeindruckend. Nicht viele können sich dem Strom der Erinnerung entziehen. Schon gar nicht beim ersten Mal.“ Die Sammlerin war nicht genau die alte Tzimsice, die Alida vor wenigen Sekunden in den alten Gewölben von Flussfall zurückgelassen hatte. Hier handelte es sich um ein idealisiertes Abbild bleichen Frau. Irgendwie anmutiger und schöner.

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Die Händlerin trat einen Schritt zurück um mehr Abstand zwischen sich und die beeindruckende Erinnerung zu gewinnen, was selbstverständlich nicht hilfreich war. Vor manchen Dingen konnte man nicht fliehen und Erinnerungen gehörten in den meisten Fällen dazu. „Alyssas Erinnerungen sind eindrücklich. Ich wünschte ich hätte vorher davon gewusst. Ich bedauere, dass ich ihr nicht helfen konnte.“

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 Betreff des Beitrags: Re: Apostel, Feste und Feiertage
BeitragVerfasst: Do 9. Mai 2019, 10:17 
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„Es ist nicht eure Schuld.“ Die Sammlerin schüttelte nur leicht den Kopf. „Einmal mehr ist jemandes größte Stärke zu seiner größten Schwäche geworden. Alyssa war fähig, unabhängig und klug. Leider haben diese Stärken es ihr auch unmöglich gemacht, um Hilfe zu bitten und so ist sie an den Bürden, die ihr auferlegt wurden zerbrochen.“ Die alte Tzimisce begann sich umzusehen und die ätherische Umgebung, in der sich beide Kainitinnen befanden untersuchen. Sie atmete tief ein. „Spürt ihr das? Könnt ihr fühlen, was hier nicht stimmt?“
Alida konnte tatsächlich spüren, dass etwas nicht gänzlich zusammenzupassen schien. Die Verzweiflung von Alyssa war real und intensiv, aber irgendetwas wirkte...fehlerhaft, je mehr sie sich umsah. Der Geruch des schalen Bieres in ihrer Nase hatte keine offensichtliche Quelle und obwohl Alyssa nackt war, konnte man nirgendwo ihre abgelegte Kleidung sehen. Auch nicht die von Balduin, wenn man genau hinschaute. Am offensichtlichsten waren aber die Schmerzen die Alyssa an ihrem Kopf verspürte, ohne eine Wunde preiszugeben.
Alida nickte der Sammlerin bestätigend zu. „Ja, das Bild wirkt nicht komplett durchdacht… Keine Kleidung, kein Bier obwohl man es überall riechen kann. Und wo kommen die Kopfschmerzen her?“ Sie versuchte näher über die Ursache der Schmerzen nachzudenken.
„Sehr richtig.“ Die bleiche Tzimisce schloss die Augen und konzentrierte sich. „Ich hoffe, ihr seid bereit. Plötzlich veränderte sich der kleine Raum in welchem sie sich befanden. Wände schmolzen, ebenso das Bett und gab den Blick auf einen Lagerraum frei. Wahrscheinlich irgendwo in einem Keller. Überall standen Fässer, die offenbar die Quelle des Biergeruchs darstellten. Alyssa war wieder hier, dieses mal bekleidet und mit einer hässlichen Wunde am Kopf. Balduin lag immer noch neben ihr, schien aber mehr verschleppt worden zu sein als alles andere. Über der Szenerie stand ein Mann, den Alida nicht kannte. Er war schon etwas älter und hatte einen grausamen, wenn auch zufriedenen Zug auf seinen Zügen. Er war gerade dabei Alyssas Kopfwunde kosmetisch mit Fleischformen verschwinden zu lassen, als er mit der verzweifelten Ghulin sprach. Noch immer färbten Verzweiflung, Ekel und Schmerz die Szenerie in ihren dunklen Farben. „Wir werden sehen wie unser kleines Experiment ausgeht, meine Liebe.“ Er strich Alyssa eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Diese spuckte ihm in einer letzten Welle des Trotzes ins Gesicht. Die Sammlerin trat einen Schritt näher an Alida heran. „Wisst ihr, wer das ist?“ Ihr Tonfall verriet, dass sie es wusste und offenbar tatsächlich neugierig war, ob Alida schon Kontakt mit diesem Tzimisce hatte.

Bild

Alida versuchte sich das Gesicht des Mannes einzuprägen, versuchte nach Vertrautem Ausschau zu halten. Schließlich verneinte sie. „Ich habe das Gefühl das Gesicht irgendwann einmal gesehen zu haben, aber ich kenne diesen Mann definitiv nicht.“
„Das ist Treomar, der Schänder.“ Eine nicht zu überhörende Ablehnung lag in der Stimme der Sammlerin. „Er ist ein Tzimisce der alten Schule, aber selbst unter den konservativen Mitgliedern unseres Clans aufgrund seiner Methoden nicht unumstritten.“ Der Mann mit der grausamen Mimik schien irgendetwas mit Alyssa anzustellen und schließlich brach sie einfach kraftlos zusammen. Damit endete die Erinnerung von Alyssa und um die beiden Frauen wurde erst alles weiß und kurze Zeit später befand sich Alida wieder in den Kerkern von Flussfall. Es war als wäre sie nie weg gewesen, auch wenn der Nachhall von Alyssas Erinnerung Alida noch immer zusetzten. Die Sammlerin ließ Alidas Hand los und sprach danach weiter. „Treomar war einer der ersten, der die Tremere als die Bedrohung wahrnahmen, die sie sind. In seinen Mitteln war er aber nie zimperlich. Am schlimmsten war vielleicht, dass er ebenso wie die Hexer ihre Gargylen, Kriegsmaschinen aus nichtsahnenden Kainiten formte. Treomar nutzte unglücklichen Nosferatu, Gangrel und manche sagen sogar seinen eigenen Kinder um sie so gegen die Usurpatoren ins Feld zu führen. Dieses Vorgehen war höchst kontrovers, wurde am Ende aber ob seiner Effektivität geduldet, auch wenn es Grunde das gleiche Tabu war, was die Tremere mit ihrer faulen Magie brachen.“ Die Sammlerin fügte noch eine letzte Kleinigkeit hinzu. „Achja, Treomar ist, oder besser gesagt war, auch der Großerzeuger von Draga Nefedov.“
„Der Erzeuger von Draga Nefedov?“ Alida schluckte. Sie hatte gehofft diesen Namen nie wieder hören zu müssen, hatte geglaubt das Kapitel ein für alle Mal hinter sich lassen zu können. Den Kampf um Brügge, das Zerwürfnis mit einer ehemaligen Verbündeten. „Solche Verfahren sind widerwärtig.“ Die Bemerkung kam ihr spontan von den Lippen und wurde noch während sie es aussprach leiser, so dass die letzten Silben fast geflüstert waren. Der eine Kainit formte Sterbliche zu Voydz, der andere seinesgleichen. Wer war sie sich anzumaßen diesbezüglich einen Unterschied zu machen? Hatte nicht ihr eigener Erzeuger im Auftrag Höherer ebenso gearbeitet? Sie war sich fast sicher, dass er ebenso verfahren wäre wie Treomar. Wahrscheinlich mit zum Tode abgeurteilten Kainiten, aber zu guter Letzt lief es fast auf das gleiche hinaus. Sie ballte die Hände zu Fäusten. „Dieser Treomar hat sich wohl einen kleinen ‚Spaß‘ mit meiner Ghulin machen wollen…“ Ihr Blick wanderte zu der Sammlerin. „Wie schätzt ihr die Lage ein?“
Die Sammlerin zuckte mit den Schultern. „Ich weiß nicht was aus Treomar geworden ist. Dazu bin ich zu wenig mit der aktuellen Politik unseres Clans vertraut. Andrej Rustovich mag euch mehr Informationen über ihn geben, als ich es im Moment kann.“ Alidas Gegenüber überlegte. „Aber die Tatsache, dass er sich schon vor Jahren an eurer Ghulin vergriffen hat und aus seinen Experimenten ein Wiedergänger erschaffen wurde, ist besorgniserregend. Manche von uns Kainiten planen nicht in einem Zeitraum von Monaten und Jahren, sondern noch länger. Gibt es einen besonderen Grund wieso er einen Groll gegen euch hegen könnte?“
Ein Schulterzucken von Alida folgte. „Einen besonderen Grund mit Ausnahme der Tatsache, dass meine Gefährten und ich für den Tod seines Kindes verantwortlich sind? Nein, da fällt mir keiner ein.“ Sie schüttelte den Kopf. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass er Experimente mit Alyssa durchgeführt hat um Widergänger zu schaffen. Das ist der Segen und oftmals einzige Wunsch vieler, vieler Tzimiske, der ihnen meist verwehrt bleibt. Trotz geplanter ‚Züchtungen‘ entstehen Widergänger nicht auf Anhieb. Aus der Sicht der meisten ‚Drachen‘ würde er mir damit einen Gefallen tun.“
Die Sammlerin überlegte lange. Schließlich sprach sie langsam und überlegt. „Vielleicht. Eine Sache möchte ich aber zu bedenken geben. Treomar hat gezeigt, dass er in der Lage ist, die Erinnerungen zu verändern. Das bedeutet, er ist in der Lage die Disziplin der Beherrschung einzusetzen. Die Macht die er damit über euren kleinen Wiedergänger erlangen könnte, dürft ihr nicht unterschätzen und vor allem nicht ignorieren.“ Die alte Tzimisce verstummte. „Hat das Kind je ungewöhnliches Verhalten an den Tag gelegt? Etwas das über die Besonderheiten einer Kreatur seiner Herkunft hinausgeht meine ich.“
Alida sah die Sammlerin fragend an. Es war ihr anzusehen, dass sie nicht recht verstand, worauf die fremde Tzimiske hinaus wollte. „Ich denke nicht. Wenn man es so bezeichnen mag, ist er ein Widergänger durch und durch. Aber ansonsten ist nie etwas Ungewöhnliches vorgefallen. Beherrschung allein würde bereits den Willen fast jedes Ghuls und Sterblichen brechen. Da bedürfte es keiner ‚Experimente‘, oder?“
„Die Kräfte der Beherrschung können genauso überwältigend sein wie sie subtil sind. Es ist aber nicht mein Wunsch euch zu verunsichern, dennoch scheinen die Antworten auf eure Fragen leider in der Zukunft zu liegen. Haltet einfach die Augen offen.“
Erneut schüttelte Alida den Kopf. „Ich hatte gehofft, das Thema hinter mir lassen zu können… Gibt es noch irgendetwas, dass ihr über diesen Kainiten wisst?“
"Nein. Treomar ist ein Monster, wenn auch ein sehr intelligentes und besonders fähiges. Aber welchen Tzimisce hat man nicht schon einmal so beschrieben?" Die Sammlerin suchte Alidas Blick mit ihren smaragdgrünen Augen. "Sollte Treomar aber wirklich gegen die vorgehen, die er für das Ableben seines Kindes verantwortlich macht, dann sollten auch die anderen Ratsmitglieder sich vorsehen und ihr solltet sie warnen."
Das muss ich wohl tun…“ Alida überlegte. Sie begann Argumente durchzudenken, die sie ihren Verbündeten mitteilen konnte. Auf der anderen Seite wollte sie niemanden beunruhigen. Bisher hatte niemand auch nur ein einziges Problem geäußert, dass man mit diesem Drachen in Verbindung hätte bringen können.“
„Ihr hegt aus verständlichen Gründen keine Liebe für mich, Alida van de Burse, was nur zu verständlich ist. Dennoch nehmt diesen Rat von mir an...“ Die Tzimisce verstummte um ihren Worten zusätzliches Gewicht zu verleihen. „...seid ehrlich zu euren Verbündeten und vertraut auf ihren gesunden Menschenverstand. Das mag euch einmal das Leben retten. Denkt an Alyssa.“

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"Alea iacta est." oder "Die Würfel sind gefallen." - Lateinisches Sprichwort


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 Betreff des Beitrags: Re: Apostel, Feste und Feiertage
BeitragVerfasst: Fr 10. Mai 2019, 20:07 
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Alida dachte an Draga, die Schlachten, die Horden von Soldaten sterblicher und kainitischer Natur, Volgar. „Draga hat sich überschätzt. Wer einen Krieg beginnt, riskiert, dass es ihn sein Leben kostet. Keiner von uns, weder ich, noch meine Verbündeten in Brügge, haben etwas mit ihrer Vernichtung zu tun. Es war ihr eigener angeheuerter, assamitischer Attentäter, der sie meuchelte, weil sie ihm nicht genug bezahlt hat.“ Alida verschwieg, dass sie ganz genau wusste, wer ihm mehr gezahlt hatte um Draga endgültig aus dem Weg zu räumen. „Es erscheint mir fast etwas unwahrscheinlich, dass Treomar in der Art und Weise handelt um Rache für sein Kind fordert. Draga hatte gewusst, worauf sie sich eingelassen hatte.“ Alida strich sich nachdenklich mit den Fingern über Mund und Kinn. Es machte wenig Sinn der Sache jetzt und hier auf den Grund gehen zu wollen. Sie würde Erkundigungen einholen müssen. Emilian, dessen Onkel Andrei, vielleicht den ein oder anderen Drachen, den man im Osten befragen konnte… irgendjemand musste es geben, der mehr wusste. Danach würde sie sich entscheiden, wie sie weiter vorgehen würde.

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Der Weg zum Ziel beginnt an dem Tag, an dem du die hundertprozentige Verantwortung für dein Tun übernimms.
Dante Alighieri


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 Betreff des Beitrags: Re: Apostel, Feste und Feiertage
BeitragVerfasst: Mo 13. Mai 2019, 17:27 
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„Andomar hat einmal zu mir gesagt, es ist eine ganz eigene Form von Wahnsinn, wenn man alles mit Logik und Vernunft zu erklären versucht und bewusst die Augen vor dem Chaos der Welt verschließt. Treomar wird seine Gründe haben, ob sie sinnvoll oder nachvollziehbar sind, mag noch auf einem ganz anderen Blatt stehen.“ Die Sammlerin erhob sich und ging auf Alida zu. Ihre Bewegungen wirkte wild und selbstbewusst. „Seid ihr bereit? Kann ich euch Alyssas Erinnerungen entfernen?“ Die Erwähnung bezüglich ihrer ehemaligen Ghulin löste wieder einen Sturm der Gefühle und Bilder in Alida aus. Die Erinnerungen waren nicht mehr so intensiv und überwältigend wie zuvor, machten sich aber nach wie vor im Kopf der Händlerin bemerkbar.

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- Do not go gentle into that good night. Rage, rage against the dying of the light. -


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