Leif beobachtete den blonden Mann und lächelte ihm kurz zu. “Freut mich auch deine Bekanntschaft zu machen. Erik nehme ich an. Du hast eine schöne Stimme, gefällt mir. Thyra scheint wirklich deine Schwester zu sein. Sie ist genauso misstrauisch wie du.” Und einem ähnlichen Drang zur Melodramatik dachte sich der Salubri amüsiert im Stillen, während er in einem leichten Plauderton mit dem jungen Mann sprach. “Also Erik - warum auch immer wir verschwinden sollen...ihr solltet eure Schwester besser kennen. Sie ist euch bis hierher gefolgt, sie wird jetzt nicht einfach wieder gehen, zumindest denke ich das meine Menschenkenntnis für diese Schlussfolgerung ausreicht.” Er lächelte breit und ging einen Schritt weiter in den Raum hinein. “Und ja, ich bin ein Freund eurer Mut...von Brunhild. Ich bin hier um ihr und damit euch zu helfen. Also, je schneller du erzählst was los ist und warum wir gehen sollen, desto eher können wir uns dem eigentlichen Problem widmen.”
Erik sah den braunhaarigen Mann etwas ungläubig an als würde ihm das Gespräch zu genau diesem Moment absolut unpassend erscheinen. Er schloss kurz die Augen und Leif bemerkte, dass er versuchte sich zu sammeln. „Es tut mir leid, dass ich euch nicht angemessen begrüß habe, Fre… ddie.“ Er versuchte sich an dem Namen, aber etwas schien ihm dabei nicht zu passen.
Thyra ging wieder einen Schritt auf ihren Bruder zu, doch Erik wich zurück, was ihr zu missfallen schien. „Freddie hat Recht! Ich gehe erst dann, wenn du mir eine Frage beantwortet hast! Und meinem Begleiter, falls er es wünscht, denn er ist in Brunhilds Namen hier.“
Der Junge sah in Richtung Tür, schien auf etwas zu lauschen. Seine Haltung war angespannt. Er sprach schnell „Ich habe euer Wort? Eine einzige kurze Frage und dann macht ihr, dass ihr so schnell ihr könnt abhaut?“
Thyra wollte etwas erwidern, doch sie musterte ihren Bruder und nickte dann nur.
Leif zuckte nur mit den Schultern und nickte ebenfalls. Er wollte nichts Unüberlegtes tun und wenn er so vehement weggeschickt wurde, dann würde er sich erst einmal zurückziehen. Er würde wenigstens Brunhild auf den neusten Stand bringen können.
„Ich will wissen, warum du gegangen bist.“
Er sah sie fest an. „Das weißt du doch. Thyra? Du bist meine Schwester und verstehst meine Beweggründe ganz genau. Du willst die Ehre unserer Familie retten, einen uralten Schwur einlösen, unseren Vater stolz machen? Und dafür verleugnest du dich und deine Wünsche? Du wirst dabei unter gehen und ich würde es ebenso.“ Kurz blickte er zu dem Heiler, der neben Thyra stand.
„Ist dir bewusst, Schwester, was man von uns verlangt? Was unsere Familie von uns verlangt? Natürlich weißt du es: Um die Kräfte, die in unserem Blut liegen nicht zu verlieren wollen sie, dass wir uns wie Mann und Frau vereinen um Kinder zu zeugen, die wiederum ihrem Zweck dienen um den Kampf weiter zu führen!“ Seine Stimme war laut geworden und Wut schwang darin mit. „Schau dir Rungald an! Willst du das deinen Kindern oder den meinigen antun? Du bist meine Schwester. Weder begehrst du mich, noch ich dich auf diese Weise. Sie zwingen uns dazu Dinge zu tun, die wider unserer Natur sind. Sie wollen, dass wir uns selbst verleugnen. Wir sind Nordmänner! Solche Abartigkeiten sind wider unserer Tradition, wider unserer Ehre. Und Thor würde seinen Hammer auf uns niedersausen lassen, wenn es ihn tatsächlich scheren würde, was wir hier auf der Erde tun, für solchen Frevel. Lieber verleugne ich unsere Familie, die für den Kampf an einem Dämon bereit ist das zu opfern aus dem sie besteht, nämlich uns selbst, als die Tradition unserer Vorväter, unsere Ehre, dich oder mich.“ Erik streckte die Schultern durch und atmete tief ein.
Leif kannte die Geschichten, die Erik gerade erzählte natürlich, allerdings war es interessant zu sehen welche Sichtweise der junge Mann auf das Leben der Kinder von Vidarr hatte. Er rebelliert gegen die ihm auferlegten Pflichten und im Zuge dieser Überlegung hatte es ihn nach Brügge verschlagen. Wahrscheinlich zu der einzigen Person, von der er dachte, das sie ihm helfen und verstehen würde. Brunhild - seine entfremdete Mutter. Leif konnte schließlich nicht anders und meldete sich zu Wort. "Brunhild würde dich niemals abweisen Erik. Das weiß ich ganz genau."
Der junge Mann nickte schwach. „Ja, das dachte ich auch. Aber nun ist es gleich.“
Erik sah wieder ängstlich Richtung Tür. „Ihr müsst verschwinden. Schnell. Er wird bald hier sein. Ich kann ihn spüren… Es gibt einen Hinterausgang… oder zur Not den Keller. Der hat einen Schacht nach draußen.“
"Wer wird hier sein Erik? Der Schatten?" Sprich!
Erik nickte. „Ja. Der Schatten. Er ist auf dem Weg hierher und er ist schnell.“
Die junge Frau ging auf ihren Bruder zu und legte ihm die Hand auf den Oberarm. „Erik, ich gehe nicht ohne dich!“
Er schob sie von sich. „Bei allen Göttern! Verschwinde, Thyra.“ Er sah zu Leif. „Bring sie hier raus! Schnell!“ Er konnte erkennen, dass seine Schwester sich weigern würde. „Am Rand des Waldes im Westen gibt es eine kleine Kapelle. Trefft mich dort eine halbe Stunde vor Sonnenaufgang, aber keine Minute früher. Wenn es denn sein muss!“
Thyra fixierte ihn und ihre hellen Pupillen weiteten sich, als sie etwas im Gesicht ihres Bruders lesen konnte, das sie entsetzte. „Was hast du getan, Erik?“
Das Gesicht des Jungen wurde zu einer steinernen Maske. Seine Stimme war absolut tonlos. „Das was ich tun musste um diesen Spuk ein für alle Mal zu beenden.“
Leif sah ihn an. "Hör mir zu Erik. Hör mir ganz genau zu. Ich weiß der Schatten hat bereits getötet und entweder sagst du mir, warum du gedenkst, dass er nicht das gleiche mit dir vorhat oder ich werde hier nicht weggehen." Die Leichtigkeit war aus Leifs Stimme verschwunden, denn es war ihm bitter ernst. "Geh du mit deiner Schwester zur Kapelle. Ich fürchte weder Geister, Dämonen noch andere Kreaturen der Finsternis. Ich kann euch Zeit verschaffen."
Der junge Mann sah völlig verzweifelt aus und schrie Leif an. „Bring sie raus, sonst seid ihr beide des Todes. Er ist so verdammt nah. Ich spüre seine Kälte.“ Dann war seine Stimme plötzlich ein kaum hörbares Flüstern „Er wird mir nichts tun, weil ich mich mit ihm verbündet habe.“
Leif konnte hören wie in etwa 10 Metern Entfernung die Tür zum Innenhof geöffnet wurde.
"Dummer Junge. Unüberlegte Schwüre und Taten wie diese sind es die eure Familie seit so langer Zeit in den Untergang führen!" Leif gab ihm eine schallende Ohrfeige und war selbst über seinen emotionalen Ausbruch überrascht.
"Thyra, wir gehen und treffen deinen Bruder in besagter Kapelle." Er würde sie schließlich greifen und notfalls mit sanfter Gewalt aus der kleinen Kammer ziehen. "Ich verspreche dir, wir geben ihn nicht auf, aber ein taktischer Rückzug ist manchmal besser als ein aussichtloser Kampf. Ich vermute aber das hast du in deiner Ausbildung als Schildmaid bereits gelernt."
Leif konnte den Hass erkennen, der ihm mit einem Mal aus den Augen des jungen Mannes entgegen schlug und spürte eine Präsenz, die genau auf sein Innerstes zielte und erst im letzten Moment abgelenkt wurde.
Erik rührte sich keinen Zoll, doch der Blick allein sagte alles aus. Seine Worte kamen mit solcher Wut, dass Thyra einen Schritt nach hinten tat. „Du unwissender Idiot! Du wagst es, dich in unsere Angelegenheiten einzumischen? Du hast keine Ahnung von gar nichts und schimpfst mich einen dummen Jungen?“ Er wandte sich widerwillig ab und fixierte erneut seine Schwester. „Hau ab, Thyra. Verschwinde durch den Keller. Schnell!“
In diesem Moment begann das Mädchen zu rennen.
Leif blieb stehen, von der Wut und dem Hass Eriks ebenso überrascht wie zuvor von seinem eigenen Ausfall. "Ich mag kein Recht haben, was eure Familie angeht, das ist wahr." Nein dieses Privileg hatte er vor langer Zeit verspielt, dachte sich der Salubri und das war schon zu einer Zeit geschehen bevor er seine Familie auf so grausame Art und Weise abgeschlachtet hatte. "Aber ich weiß mehr als du vielleicht ahnst! Mit welcher Macht wolltest du mir schaden? Wolltest du mein Herz stoppen oder mich in Flammen aufgehen lassen wie deine Mutter es in der Lage ist zu tun? Ich fürchte dich nicht Erik." Leifs Stimme war inzwischen lauter geworden. "Ich fürchte auch nicht meinen Tod, aber ich fürchte mich davor, dass du deine Mutter mit in den Abgrund reißt für den DU! hier verantwortlich bist! Der Abgrund, der all das hier in Gang gesetzt hat. Das werde ich nicht zulassen, denn ein solches Schicksal hat sie nicht verdient, nicht nachdem sie es endlich geschafft hatte sich von all dem zu befreien." Leif wusste, er konnte stur wie ein Esel, weshalb ihm auch klar war, dass er sich hier nicht wegbewegen würde. "Ich bleibe hier. Nicht für dich, nicht für deine Schwester, sondern für Brunhild." Er verschränkte demonstrativ die Arme vor der Brust.
Björn schloss für mehrere Sekunden schicksalsergeben die Augen. „Dann bleib… Ich wünschte, du würdest gehen. Um Brunhilds Willen.“ Er sah Richtung Türrahmen und für einen kurzen Moment glomm Entsetzen in seinem Blick auf. „Nein!“
Leif erkannte Frau Hansen als er sich umwandte. Die alte Wirtin stand direkt vor ihm und fixierte ihn mit glasigen schwarzen Augen. Für einen winzigen Moment spürte er eine Kraft, die sich in seinen Geist zu bohren begann, die unter seiner Haut mit einer unvorstellbaren Eiseskälte brannte. Was auch immer es war, es verlangte Einlass und nur mit Mühe gelang es ihm die Präsenz aus seinem Bewusstsein zu verdrängen.
Die Wirtin stapfte mit festem Schritt auf ihn zu und auf ihren Zügen lag ein verheißungsvolles Lächeln. In ihrer Rechten hielt sie ein unterarmlanges Fleischermesser. Mit einer Geschwindigkeit, die man der alten Frau nie zugetraut hätte, ging sie auf Leif los.
Leif griff in seine Stiefel und zog zwei Dolche daraus hervor um sich zu bewaffnen, noch bevor der Schatten durch die Tür getreten war. "Was willst du Schatten? Was bist du für ein Wesen?" Leif wurde in diesem Moment von Erinnerungen eingeholt. Lektionen die er einst von Achmet erhalten hatte kurz nachdem er von diesem in die Welt der Dunkelheit geholt wurde. Sein Clan war damals nicht nur eine Linie der Heiler gewesen, sondern auch eine, die sich zusammen mit den Kriegern übernatürlicher Korruption und Dämonen in den Weg stellten. Das Wissen, die Fähigkeiten und Kräfte sich mit solchen Wesen zu messen war leider mit so vielen seines Clans verloren gegangen und ihm blieb nichts als Geschichte und Legende, Angst machte ihm das Wesen trotz allem nicht. Er würde sich diesem Ding stellen welches die Wirtsfrau wohl nur besessen hatte. Leif bereitete sich innerlich auf einen Kampf vor, auch wenn er nicht den ersten Schlag machen würde. “Was willst du von uns?”
Die einzige Antwort, die Leif erhielt war das breite verzerrte Grinsen auf dem Gesicht der Wirtin. Sie begann mit dem Messer auf ihn einzuhacken und traf ihn beim Arm.
Leif spürte den Schnitt nicht einmal. "Hört auf mit dem Wahnsinn, Frau Hanssen! Ihr wollt diese Dinge nicht!" Leif benutze nun die stumpfe Seite seines Dolches und würde die Frau bei der nächsten Gelegenheit versuchen zu entwaffnen.
Durch das Kampfgetümmel konnte Leif die verzweifelte Stimme des Jungen hören. „Freddie. Du kannst den Dämon nicht besiegen. Verschwinde.“
Wieder bemerkte Leif kurz wie etwas nach seinem Verstand zu greifen begann, sich aber sofort wieder zurückzog. Aus der Ferne war eine tiefe Stimme zu hören. „Frau Hansen? Geht es Euch gut.“
Leif hatte all sein Geschick in die Entwaffnung der Wirtin gelegt, die ihm aber nicht gelang. Wieder zielte die alte rundliche Frau nach ihm, fixierte seine Augäpfel, ohne ihn zu verletzen.
Leif hatte ein ungutes Gefühl bei dem was hier gerade geschah. Dieses Monster hatte sicherlich eine ganze Reihe Tricks auf Lager. Etwas verwunderte den Salubri. Die Kreatur fixierte ihn und seine Augen wie ein Kainit es bei der Disziplin Beherrschung tat und die Augen der Frau Hansen die allem Anschein nach besessen war, waren tiefschwarz wie feinste Tinte. Er kniff die Augen zusammen und würde blind kämpfen. Noch während er seine Lieder schloss, aktivierte er aber seine geschärften Sinne des Auspex um zumindest einen Teil der Schwierigkeit zu umgehen, die das geraubte Augenlicht verursachte. In seinem neuen Zustand zielte er einmal mehr auf das Messer um die alte Frau zu entwaffnen, denn er wollte sie nach wie vor nicht verletzten. Das hatte sie nicht verdient.
Leif spürte die Präsenz der Wirtin durch seine feinen Sinne trotz der Blindheit. Die Bewegungen der Luft, der saure Geruch ihres Schweißes und die Sohle der Lederschuhe auf dem Boden. Mit der Knauf des Dolches traf er schließlich auch ihre Hand, aber er merkte das nicht genügend Kraft hinter dem Schlag lag um sie dazu zu bringen das Messer fallen zu lassen.
Wieder war die tiefe Stimme zu hören. Diesmal näher. „Oh mein Gott. Ein Kampf? Frau Hansen? Wo seid ihr?“
Leif konnte mit geschlossenen Augen nicht sehen, aber sehr wohl hören, dass Erik sich mit einer schnellen Bewegung näherte und die alte Frau umstieß. Er packte den Nordmann eindringlich an der rechten Schultern und seiner linken Hand und berührte dabei für einen kurzen Sekundenbruchteil die Haut des Salubri.
Leif kannte das Gefühl von Brunhild, wenn sie über die bloße Berührung einen Kontakt suchte oder aufrechterhielt, den einfache Sterbliche nie verstehen konnten. Das elektrisierende Gefühl breitete sich warm auf seiner Haut aus, suchte das, was Leif wirklich ausmachte, sein innerstes Wesen, um genau diesen Punkt zu erreichen. Die Empfindung war von völlig anderer Art als das dunkle, kalte Besitzergreifen des schattenhaften Dämons.
Plötzlich riss Erik die Hand weg als hätte er sich verbrannt. Er sah auf seine eigenen Finger, dann auf Leif und blickte ihn irritiert an. Er bemerkte wie Frau Hansen erneut nach dem Messer griff und sich aufzurappeln begann. Er fixierte Leif so fest es ihm möglich war. „Freddie, oder wer immer ihr seid: Begreift ihr nicht, dass eure bloße Anwesenheit es nur schlimmer macht? Der Dämon will nicht mich. Er will euch!“
Das vom Rennen gerötete Gesicht des breitschultrigen Wirts erschien in der Tür. „Frau Hansen? Was…“ Ein schwarzer Schatten legte sich auf seine Augen und er zog den Dolch an seiner Seite. Dann trat er auf den Heiler zu.
Leif presste ein paar Worte in der altern nordischen Sprache hervor. "Erik das Monster wird weiter töten! Das kann ich nicht zulassen. Es geht hier nicht um dich oder um mich, aber ich kann nicht zulassen, dass das Ding weiter mordet. Ich kann mich wenigstens verteidigen." Dann wandte er sich in Flandrisch an den anderen Mann. "Legt den Dolch weg wenn euch euer Leben lieb ist und holt einen Priester wenn ihr das Leben von Frau Hansen retten wollt!" Leif richtete seine Wort mit allem Nachdruck an den breitschultrigen Mann. "Der Teufel hat Besitz von ihr ergriffen. Rennt und sagt dem heiligen Mann er soll geweihtes Wasser mitbringen!"
Erik schüttelte nur den Kopf. Er sah die Wirtin an, die mühsam begann sich die Augen zu reiben und irritiert auf das Messer in ihrer Hand starrte und den Mann, der auf Leif zuschritt um ihn anzugreifen. Er riss Frau Hansen hoch und zog sie mit sich Richtung Flur gen Ausgang. Aus dem Augenwinkel vermochte Leif nachdem der Junge aus seinem Blickfeld verschwunden war, eine Tür im Flur auszumachen, die, so erkannte er an der gähnenden Schwärze in den Keller führen musste. Diesen Weg musste Thyra bei ihrer Flucht genommen haben.
Wieder erschien das boshafte Grinsen, diesmal auf den Zügen des Wirtes.
Leif machte einen kleinen Sprung rollte sich in Richtung der Kisten um ein großes Stück Holz aus einer solchen zu brechen, welches ihm als behelfsmäßiges Schild dienen sollte. Es war weniger zur Ablenkung von Schlägen gedacht, als dazu sich vor dem Blick des grobschlächtigen Mannes zu schützen. Er rezitierte schließlich zu seiner Überraschung laut einen Satz, den er gemeinsam mit Knut immer vor großen Schlachten aufgesagt hatte. Er wusste nicht, warum er sich genau jetzt daran erinnerte, aber wahrscheinlich lag es einfach daran das er Angst hatte. Angst vor dem was Einzug nach Brügge gehalten hatte und einmal mehr jenen verfluchten Spuren zu folgen schien, die er bereits in der Geschichte hinterlassen hatte.
"Oak and Iron guard me well,
or else I’m dead and doomed to Hell"
Dann machte er sich bereit. “Verschwinde du Monster. Du oder deine Art sind hier nicht willkommen!”
Den Wirt schienen seine Sätze nicht zu erreichen.
Er hieb einfach nach Leif als hätte er nie etwas anderes getan. Der Dolch in seiner Faust fuhr auf Leif nieder, der sich gerade nach der Kiste bückte. Er traf ihn in der empfindlichen Stelle unter dem rechten Arm im Bereich der Achselhöhle. Wieder versuchte die Präsenz in ihn einzudringen. Diesmal mit mehr Willenskraft, aber Leifs Geist widerstand erneut.
Die Klinge ritzte seine Haut ein und Leif spürte den Schmerz.
Während er noch das passende Stück Holz als Schild wählte, ging erneut das Messer auf ihn nieder.
Leif spürte die starken Schmerzen und biss die Zähne aufeinander. Mit Glück und Anstrengung dirigierte er seine untote Vitae in Wunde um den Schnitt soweit zu heilen wie es ging. “Balder, Herr des Lichts steh mir bei!” Er betete selten zu seinen Göttern, insbesondere dem der ihm als Vampir widersrpüchlicherweise am wichtigsten war. Balder der Gott der Sonne. Dann griff er den Mann mit der stumpfen Seite des Schwertes an und versuchte ihn aus dem Kampf zu nehmen.
Der Wirt sah ihn mit seinen verschatteten Augen und dem bösartigen Lächeln an und hieb wie eine schnelle tödliche Marionette nach ihm. Wieder traf ihn das Messer, diesmal am Hals.
Leif hörte in einiger Entfernung eine laute befehlsgewohnte Stimme. „Hier ist die Stadtwache von Brügge. Beendet sofort den Kampf und legt eure Waffen nieder. Wir kommen herein und jeder, der dann noch eine Waffe in der Hand hält wird automatisch festgenommen. Egal ob schuldig oder unschuldig. Widerstand wird mit Waffengewalt beendet“
Leif ließ seine zwei Dolche fallen. Vielleicht konnte die Stadtwache den Wahnsinn beenden. Er wollte den Mann vor ihm genauso wenig verletzen wie zuvor die Wirtin.
Wieder folgte einer der Hiebe. Der Mann, das bemerkte Leif, schwitzte nicht ein Mal. Er hörte schwere metallene Stiefel, die sich näherten. Anscheinend handelte es sich um zwei Männer.
"Wache! Nehmt den Mann fest." Leif nahm sich fest vor später zu dessen Gunsten zu sprechen. Er fühlte sich inzwischen erschöpft. "Er ist betrunken und denkt nicht klar."
Leif erkannte zwei Männer in Rüstung, die er bereits zusammen mit Jean und Lucien gesehen hatte. Zwei gut ausgebildete, fähige Wachleute, an deren Namen er sich nur vage erinnerte. Leon, der mit den Locken? Rupert der andere? Beide hielten Schwerter in den Händen.
Sie sahen die beiden Männer an, die zuvor noch gekämpft hatten. Der kurzhaarige brummte wütend: „Was geht hier vor?“
Der Wirt ließ sich mit einem Mal auf den Boden fallen und rührte sich nicht. Derjenige, den er für Leon hielt, beugte sich hinunter. „Guter Wirt? Alles in Ordnung?“
Leif erkannte eine kurze Bewegung, ein winziges Zucken um die Mundwinkel des kurzhaarigen Kämpfers, das ihm verdächtig vorkam. Dann war er sich sicher. Es war genau das gleiche Lächeln, das er bereits in den Gesichtern der alten Frau und des Wirts gesehen hatte. Dann holte der Wachmann zum Schlag gegen Leif aus.
Leif fluchte in seiner alten Sprachen. "Was soll dieser ganze Wahnsinn? Was für ein Dämon bist du?" Schließlich sprang er mit einem mächtigen Satz in Richtung des Ausgangs und würde so schnell er irgendwie könnte von der Szenerie fliehen.
Während er sich durch die Tür zwängte traf ihn die scharfe Klinge von Rupert in der Seite. Im Gegensatz zu dem alten Kämpfer ‚Joachim‘ verfügten diese beiden bestens ausgebildeten Krieger über scharfe Schwerter.
Während Leif die Flucht ergriff konnte er hinter sich ein wütendes Gebrüll hören, das nach einem kurzen Augenblick schlagartig verebbte. Offensichtlich brüllte die Bestie ihre Frustration heraus, dass ihr dieses Mal die Beute versagt worden war.
Leif fand sich nach wenigen Minuten auf der Straße wieder. Von Norden schlenderten Passanten in seine Richtung, wohl auf dem Heimweg von einem ausführlichen Wirthausbesuch. Er hörte die Glocke der größten Kirche der Stadt. Es war halb drei.
Leif lauschte den Glockenschlägen und begab sich zum ausgemachten Treffpunkt für um drei. Brunhild, Thyra und auch Karl verdienten zu wissen, was gerade passiert war. Er wusste nicht, ob das junge blonde Mädchen auftauchen würde, aber er hoffte sie würde sich an den Treffpunkt erinnern. Leif wusste nicht, was aus Erik geworden war, aber er hoffte dass es dem Jungen gut ging. Er biss sich auf die Lippen und sorgte sich. Irgendetwas war wieder einmal wahnsinnig schief gelaufen und er war dafür irgendwie verantwortlich.
Leif kannte die Gassen von Brügge in und auswendig. Selbst blind hätte er zum Haus von Brunhild, zu ihrer gemeinsamen Zuflucht, zurück gefunden. Drinnen brannte Licht und als Leif durch die Tür in die Küche trat, erkannte er neben Karl und Thyra am Tisch Brunhild, die sich sofort erhob, auf ihn zueilte und ihn fest in die Arme schloss. Leif spürte den warmen Luftzug als sie erleichtert ausatmete.
Leif erwiderte die Umarmung und genoss für einen Moment die Wärme die Brunhild ausstrahlte. Schließlich schaute er zur Gruppe auf. "Es...es gibt ein Monster in der Stadt, welches Besitz von anderen Menschen ergreift. Ein dunkler Schatten unbekannter Herkunft" Er schwieg einen Moment um die Nachricht einwirken zu lassen. "Ich glaube, Erik geht es gut, er ist geflohen." Den Kommentar fügte er eher für Brunhild hinzu, die er beim Sprechen direkt ansprach. Er seufzte. "Ich weiß nicht, was wir tun können. Vielleicht weiß Erik mehr, er wollte sich eine halbe Stunde vor Sonnenaufgang mit mir und Thyra in einer kleinen Kapelle treffen. Vielleicht wird er dort sein." Leif spürte inzwischen wie schwach er war. Er brauchte Blut und zwar sehr bald. Den Teil bezüglich Eriks 'Verbundenheit' mit der Kreatur erwähnte er im Moment nicht. Sollte Thyra aber darüber sprechen würde er sie nicht daran hindern.
Thyra sah Leif erleichtert an. Sie schwieg jedoch und senkte den Blick. Er konnte erkennen, dass ihr tausend Gedanken durch den Kopf schossen.
Brunhild schob Leif Richtung Tisch. „Willst du dich nicht setzen? Dann können wir dir erzählen, wie es uns am Hafen ergangen ist…“
Leif setzt sich in der Tat auf einen der hölzernen Stühle. Seine Erschöpfung war zwar nicht körperlich, dafür aber seelisch. "Was habt ihr herausgefunden?"
Sie nahm neben ihm auf einem Stuhl Platz und ergriff einen Becher mit einem warmen weißen Getränk. „Wir waren im Hafen als ich in einer üblen Kaschemme plötzlich durch einen betrunkenen Schläger angefallen wurde. Er zielte auf mich, hieb mit seinen bloßen Fäusten auf mich ein. Karl schlug ihn nieder und wenige Sekunden später setzte der Saufkumpan des Bewusstlosen den Kampf fort. Immer und immer wieder folgte ein Mann dem nächsten. Karl hat wohl bei meiner Verteidigung mehr blaue Flecken eingeheimst als in den Trainingseinheiten eines ganzen Jahres zusammen. Schließlich flohen wir. Euch ist es ähnlich ergangen, nicht wahr?“
Leifs Augen weiteten sich für eine kurze Sekunde. Wie viele dieser Monster mochte es wohl geben? "Wir müssen uns mit Erik treffen! Herausfinden was er weiß...und...wenn wir die Situation nicht unter Kontrolle bekommen, dann müssen wir die offiziellen Kanäle der Stadt einschalten." Aus seinem Tonfall war zu erkennen, dass Leif einen solchen Umstand gerne vermeiden würde, ihn aber bedachte. Der Nordmann erhob sich. "Ich muss mich einen Moment um mich selber kümmern. Ich fühle mich schwach." Er fasste sich an die Seite. Mehr als Schauspiel für Thyra als alles andere. "Wenn ich es schaffe, dann treffe ich euch an der Kapelle. Aber ihr solltet auf jeden Fall hingehen."
Karl sah das blonde Mädchen lange an und schien zu überlegen. Während Leif zur Tür schritt konnte er die Stimme des braunhaarigen Mannes hören.
„Thyra. Ich will dir eine Geschichte erzählen, die mir einst erzählt wurde.“ Er ließ seinen Blick zu Brunhild schweifen und es war klar, wer der eigentliche Geschichtenerzähler gewesen sein mochte.
Leif ging hinaus und hörte dennoch die Worte seines Zöglings. „Vor langer Zeit gab es im hohen Norden einen Krieger. Er kämpfte mit allen Mitteln für das, was ihm wichtig erschien. Er war kein guter Mensch, in dem Sinne in dem wir das verstehen mögen, denn sein Handeln fügte denjenigen in seiner Umgebung Schaden zu, kein guter Vater, kein guter Mann, denn er liebte die Frau, mit der er das Bett teilte nicht. Er kämpfte bis zum Äußersten, gewann manchen Kampf und begriff erst als er fast alles verloren hatte, worauf es ihm wirklich ankam.
Er suchte diejenigen, die zu ihm gehörten auf, diejenigen, die er lieben sollte, die ihn lieben sollten. Manch einer von seiner Familie wollte ihm vergeben, ihn wieder in die Arme schließen, mit ihm am Tisch speisen. Manch anderer lehnte das ab, wollte ihm eine zweite Chance verweigern damit er so litte, wie sie selbst durch sein Tun gelitten hatten.
Der Sohn dieses Kriegers schließlich nahm ihn bei sich auf, teilte Brot und Bett mit ihm wie es zwischen Vater und Sohn üblich ist. Eines Nachts jedoch kochten die Gefühle der Familienmitglieder hoch, ein böses Wort folgte dem nächsten und schließlich geschah das, was wohl keiner hatte kommen sehen. Unser Krieger, der dem Geschlecht der Berserker angehörte, verlor die Kontrolle. Er raste, er kämpft, er wütete. Einer nach dem nächsten fiel unter den mächtigen Hieben. Er kam erst zu Bewusstsein als nur noch wenige Mitglieder seiner Familie übrig waren. Er weinte, bereute, aber es war zu spät. Das Tote ersteht in den seltensten Fällen wieder zum Leben.
Man verwies ihn der Tür, verbannte ihn und schwor ihm ewige Rache für den Frevel. Der Krieger starb wenige Zeit später an Gram und Kummer. Doch das Traurige an dieser Geschichte ist, dass die Familie sich vornahm für den Rest aller Zeiten einen Geist zu jagen, einen, der schon vor Jahrhunderten vergangen war und nie gefunden werden könnte.“
Die leise Stimme von Thyra war zu vernehmen „Ich weiß, was du mir sagen möchtest, Karl. Dass es keinen Sinn macht einem Geist hinterher zu jagen. Und manch anderes…“ Sie seufzte