Vampire: Die Maskerade

Die Brujah erwiderte Kobalts Verbeugung mit einem nicht sehr tiefen, aber dennoch höflichen Knicks, wie ihn eine Dame vor einem Gleichrangigen machen würde. Dabei neigte sie ihr Haupt. "Dessen bin auch ich mir sicher, Kobalt. Auch Euch gutes Gelingen Eurer Vorhaben und ein Schicksal, das Euch interessante Zeiten erleben lässt, ohne dass Ihr zu tief in ihre Wirren verstrickt werdet", wünschte sie dem Nosferatu, der so viel lieber die Rolle eines stillen Beobachters innehatte als die eines Kainitin im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Nachdem er sie allein gelassen hatte, wandte sie ihre Schritte recht bald in Richtung ihrer Behausung und achtete darauf, ihre auffälligen honigblonden Haare bedeckt zu halten, damit sie nicht mehr so sehr auffiel. Es war nun offenbar an der Zeit, sich der zweiten Kandidatin für das Amt zuzuwenden, das zu vergeben war. Und dies gedachte sie mit voller Hingabe zu tun.

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~ Begehren ist die Triebfeder allen Handelns ~

Mit ihrer Gestalt angemessen verhüllt, gelang die Brujah ohne weitere Überraschungen oder Zwischenfälle nach Hause. Jetzt konnte sie sich in aller Ruhe der zweiten Kandidatin widmen.

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- Do not go gentle into that good night. Rage, rage against the dying of the light. -

Nachdem sie Kobalts Zusage nicht erhalten hatte – was ihren Plänen keinen merklichen Abbruch tat – machte sich die Brujah daran, um Theresa Kymena zu werben. Hierfür fasste sie zunächst ein Schreiben ab, auf das sie größte Sorgfalt verwendete. Es enthielt nicht nur die Einladung, oder vielmehr die Bitte, im Interesse der Domäne als ganzes, aber auch ihres Clans mit Louisa zu reden, sondern auch eine sehr persönliche Entschuldigung, in der der Blondschopf als einziges Argument zu seiner Verteidigung aufführte, dass sie der Leidenschaft ihres Bluterbes erlegen und von Theresa betört gewesen sei, dieses jedoch zutiefst bedauere und auf die Chance hoffe, zu beweisen, dass sie beileibe nicht so oberflächlich sei, wie Theresa gewiss glaube. "Werdet Ihr, eine Kainitin, einer Kainitin nicht den Fehler eines Augenblicks verzeihen können, obgleich wir beide ausersehen, vielleicht jedoch auch verdammt sind, durch die Jahrhunderte zu gehen?" fasste sie ihren Appell in eigener Sache zuletzt in Worte.

"Wohl wissend, wie tief ich Euch verletzt haben muss", fügte sie nach kurzem Zögern wild entschlossen an, "werde ich mich Eurem Entschluss beugen, mir einen neuen Anfang zu gewähren, die Hoffnung, geschlagene Wunden zu heilen - oder auch nicht. Sollte mir dieser Wunsch versagt bleiben, kann ich nur noch an Euch appellieren, mich zum Nutzen und Frommen aller Kainskinder in der Domäne als Dienerin des neuen Elysiums zu akzeptieren und Euch nicht meiner Person wegen von diesem abzuwenden, wenn Ihr mich schon Eurer Freundschaft nicht mehr für würdig erachtet." Nachdem sie diese Worte noch einmal durchgelesen hatte, befestigte sie darunter mit Wachs eine Strähne ihres honigfarbenen Haars, wie es eine Dame bei einem Ritter getan haben würde, der ihr in keuscher Anbetung zugetan wahr – wiewohl sie selbst weit von diesem ritterlichen Ideal entfernt war. Unter die Locke schrieb sie schließlich einen kurzen Vers aus dem Buch der Richter, in dem die Dame bei ihrer Bildung ohne Zweifel den Bezug auf den biblischen Simson erkennen würde.

Das Schreiben vertraute sie niemandem als ihrem getreuen Ghul Odric an, dem sie einschärfte, dafür zu sorgen, dass einzig die Adressatin der Zeilen diese zu Gesicht bekommen würde.

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Odric war wie immer in letzter Zeit mehr als eifrig, sich zu beweisen und überbrachte die Nachricht seiner Herrin geschwind. Zwar konnte er die Nachricht nicht sofort und direkt zustellen, aber ihr Ghul berichtete schließlich, dass eine ‘wahrlich hässliche’ Dienerin unter Aufbringung all seines Charmes davon überzeugen, ihn zu der Tremere vorzulassen. Auf die erhoffte Antwort musste Louisa allerdings einige Tage warten, dafür fiel diese den Umständen entsprechend positiv aus.

An die verehrte Louisa van de Voort,

Eure Worte haben mich überrascht und vor allem bewegt. Wahrscheinlich wäre es heuchlerisch von mir, Euch oder andere nur wegen eines Missverständnisses zu verurteilen. Immerhin bin auch ich nicht frei von falschen Entscheidungen oder Reaktionen auf die Herausforderungen, die unsere Existenz mit sich bringt. Die Götter alleine wissen, dass wir in dieser dunklen Welt alle unsere Schlachten zu schlagen haben.

Ich begrüße den Vorschlag Vergangenes hinter uns zu lassen und von Neuem zu beginnen, indem wir unseren Blick in die Zukunft richten und über die Pläne bezüglich des Elysiums sprechen. Teilt mir gerne Ort und Zeit einer Zusammenkunft mit und ich werde mich mit Freuden dort einfinden.

Hochachtungsvoll und in Verbundenheit
Theresa Kymena

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Hoheitsvoll und mit einem kleinen Lob nahm die Brujah Odrics Meldung entgegen. Im Laufe der kommenden Nächte allerdings stürzte sie sich in verschiedenste Aktivitäten, blieb aber bei keiner sehr lange. Louisa wirkte gereizt, unruhig, ja, besorgt. Erst beim Eintreffen des Schreibens änderte sich das. Nachdem sie das Siegel erbrochen und die Zeilen überflogen hatte, hob sich ihr Busen unter einem tiefen, wenngleich unnötigen Atemzug, und in ihrem blassen Gesicht wurde ein kaum wahrnehmbarer rosiger Hauch sichtbar, auf Wangen und Stirn. Indem sie auf und ab wanderte, las sie den Brief, als wollte sie die Lettern Stück für Stück verschlingen.

Dann presste sie den dünnen Bogen an die Brust und schloss die Augen. Ein Lächeln ging über ihre Züge. Eifrig machte sie sich an das Verfassen einer Antwort:

An die verehrte Dame Kymena,

ich versuche nicht, Euch meine Dankbarkeit und Erleichterung in Worten zu schildern, denn es wäre vergebens. Zu schwach sind diese Krücken des Geistes, der seinerseits dem Herzen nicht zu seinem vollen Recht zu verhelfen vermag. So lasst mich Euch nur mitteilen, dass mich nun diese Eure Größe so betört, wie es zuvor Eure Schönheit tat.

Diesen Worten ließ sie eine Einladung folgen, sich an einem der folgenden Abende am Rande des Minnewater zu treffen, wo man in der Nacht wohl ungestört lustwandeln und Dinge von einiger Wichtigkeit besprechen könnte. Nachdem sie das Schreiben wie beim ersten Mal auf den Weg gesandt hatte, fanden ihre Vertrauten sie wieder vergnügt und tatendurstig, so dass sie eher an ein junges Mädchen erinnern mochte.

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Die Nächte verstrichen, langsam, manchmal quälend und doch fügte sich alles langsam, aber sicher so, wie Louisa es sich gewünscht hatte. Schließlich kam der Abend ihres Treffens mit Theresa und die Brujah hatte alle Möglichkeiten, sich bereitzumachen, denn die Zeit aufzubrechen rückte näher, sollte sich Louisa pünktlich zu ihrer Unterredung einfinden wollen.

Das Minnewater war tatsächlich keine schlechte Wahl gewesen. Der kleine Stausee, der zu Brügges Wassersicherheit beitrug, war eine recht neue Installation am Rande der Stadt, die dazu beitrug, den immer größer werdenden Bedarf seiner Bewohner nach Frischwasser zu decken. Neben dem Gewässer selbst gab es aber auch eine ganze Reihe von Bäumen und Pfaden, die Privatsphäre zum Besprechen der anliegenden, ‘nächtlichen’ Geschäfte.

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An dem betreffenden Abend war die Brujah unruhig. Aufgekratzt, nervös, manisch und zögerlich im Wechsel. Sie ließ schon lange vor dem Treffen Ida in ihre Kammer kommen und verbrachte wohl an die zwei Stunden damit, sich mit Hilfe ihrer Bediensteten zu frisieren, zu kleiden und mit Schmuck zu versehen, als gelte es, bei einem königlichen Hoftag aufzutreten. Mit nichts war sie zufrieden, stürzte sich im einen Moment begeistert auf ein Kleid, um im nächsten ihr Spiegelbild zu mustern und enttäuscht ein anderes Kleid zu verlangen.

Als sie endlich wie eine Prinzessin strahlte, hieß sie Ida, die Pracht behutsam mit einem unauffälligen Kapuzenmantel zu verhüllen, und begab sich endlich zu dem Treffen am Rande des Stausees. Wäre sie eine Sterbliche gewesen, das Herz hätte ihr wohl wild geklopft. So aber spürte sie nur die heiße Vitae ihrer Blutlinie durch die toten Glieder ihres Leibes rinnen und deren Kälte für den Moment vergessen machen. Louisa musste sich zur Ruhe zwingen, als sie den Treffpunkt erreicht hatte, wohl eine halbe Stunde vor der vereinbarten Zeit, und auf den schattigen Pfaden einher zu wandern begann wie eine, die die Stille des Sees genießt.

Gelegentlich fuhr eine Hand hinauf, wo sie geborgen an ihrem Busen ein Geschenk für Theresa trug: ein kleines Tuch aus heller Seide, als Brust- oder Ziertuch zu gebrauchen, auf das sie in zierlichen Stichen eigenhändig eine blutrote Rose gestickt hatte – in der Hoffnung, Theresa würde erkennen, welche Anstrengung der leidenschaftlichen, ungeduldigen Brujah diese feine, beinahe meditative Arbeit abverlangt hatte. Immer wieder drehte die Kainitin suchend ihren Kopf, wobei sie jeweils kurz die Kapuze abstreifte und ihr goldblonder Schopf im schwachen Licht unter den Bäumen aufschimmerte.

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Das Mondlicht spiegelte sich im ruhigen Wasser und erhellte die Umgebung genug, dass Louisa sich auch ohne die durch Auspex geschärften Sinne am Minnewater zurechtfand. Während sie nach einer Position suchte, fiel ihr ein großer Stein am Ufer des Sees ins Auge, der wie eine Grenze zwischen der nächtlichen Stadt mit ihren dicken Mauern und dem Umland aussah. Um diesen Stein rankte sich eine lokale Legende, eine um unglückliche Liebe, wie ihr in diesem Moment wieder einfiel.

Die Geschichte begann mit einem Seemann, der sich in Brügge niederließ, um für seine Tochter Minna einen Bräutigam auszuwählen. Minna liebte jedoch Stromberg, einen Krieger eines benachbarten Stammes, den ihr Vater nicht schätzte. Um eine Meinungsverschiedenheit zu vermeiden, versteckt Minna Stromberg vor ihrem Vater. Als die Römer schließlich das Land eroberten, zogen alle Stämme in den Krieg, einschließlich Stromberg. Minna verschiebt die Hochzeit mit Horneck, ihrem vom Vater ausgewählten Bräutigam, immer wieder. Vor dem dritten Sonnenaufgang flieht sie schließlich in den Wald, um der Hochzeit zu entkommen. Nach dem Krieg kehrt Stromberg zurück, sucht nach Minna und findet sie erschöpft am Ufer eines Baches. Minna stirbt schließlich in seinen Armen. Stromberg entschied sich darauf, Minnas Todesort zu ehren und baute eine Hütte, in der er bis zu seinem Tod lebte. Er legte auch ein Grab an und markierte den Ort mit einem Felsbrocken, damit seiner verlorenen Liebe gedacht wurde, wenn er nicht mehr da sein würde, um dies zu tun.

Schließlich wurden ihre Gedanken jäh von der Ankunft der Person unterbrochen, auf die Louisa schon den ganzen Abend gewartet hatte. „Guten Abend, Frau van de Voort.“ Theresa nickte ihr freundlich zu. Die Tremere trug ebenfalls einen unauffälligen Kapuzenmantel unter jenem, die Brujah allerdings, die vertrauten scharlachroten Roben blitzen sah. „Ich sehe, Ihr interessiert Euch für die lokalen Legenden?“

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Louisa versank in Gedanken, als ihr die Geschichte um den Steinblock ins Gedächtnis kam. Und in der Stimmung, in der sie sich gerade befand, waren die Worte der Legende und die Kraft ihrer Vorstellung genug, um sie tief zu bewegen. Liebe, wahre, tiefe Liebe, grausam beendet von der Macht des Sensenmannes... eine Sache, über die sie im Grunde hochmütig hätte lachen sollen, hatte doch der eisige Kuss des Hidalgo sie jeder Sorge um Alter und Gebrechen enthoben, den Tod für sie zu einem unwahrscheinlichen, fernen Ereignis gemacht. Und doch, und doch... diese Minna, so kurz und tragisch ihre Leidenschaft gewesen war: Hatte sie womöglich eine Frucht gekostet, die sich den toten Lippen der Brujah für alle Ewigkeit entziehen würde?

Sie fuhr auf, als Theresas Stimme unvermittelt vor ihr erklang. Ihre glatten Züge zeugten von den heftigen Gefühlen, die sie soeben noch bewegt hatten, als sie es der Tremere gleichtat, nickte und die Kapuze zurückschlug. "Ich grüße Euch, Mevrouw Kymena." Ihr Blick folgte dem ihres Gegenübers. "Ich erinnerte mich an die tragische Geschichte, die man mit diesem Ort verbindet, ja. Wenngleich mein Interesse daran weniger das einer Gelehrten ist, wie ich zugeben muss." Sie trat einen Schritt auf Theresa zu, und das Lächeln um ihre Lippen hatte so wenig von dem raubtierhaft-lasziven Element, das sie sonst einer zweiten Haut gleich umgab, wie man es selten an ihr sah. "Ich hoffe, es ist Euch wohl ergangen, seit... unserem letzten Treffen", fügte sie mit einer kaum merklichen Pause hinzu.

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Theresa wirkte tatsächlich erfreut, Louisa zu sehen, schien allerdings dennoch ihre typische Reserviertheit nicht zur Gänze ablegen zu können. „Mir ist es nicht schlecht ergangen, ich…war in meine Forschungen und Studien vertieft.“ Die Tremere wirkte ausweichend, beinahe entschuldigend und zog ihren Mantel etwas enger um sich, ganz so, als würde sie frösteln - ein Reiz oder besser gesagt wohl eine Erinnerung aus sterblichen Tagen, der sie sich wahrscheinlich selbst nicht einmal bewusst war. „Ich freue mich, dass wir uns wiedersehen und…“ Auch Theresa machte eine Pause, ganz so als würde sie nach den richtigen Worten suchen. “...und hoffe wir können das Vergangene, einfach Vergangenes sein lassen. Insbesondere, wenn wir wirklich zusammen arbeiten sollten.” Sie unterstrich die Worte mit einem Lächeln.

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