Vampire: Die Maskerade

Ein langgezogener, fast schmerzhafter Ton durchriss die einlullende Stille. Man konnte seinen schweren Kopf nach der langen Nacht erneut in den Kissen begraben, aber bereits eine Minute später wurde das Vorhaben erneut im Reich der Träume zu versinken, wie ein zerschellendes Glas vernichtet. Die Türglocke riss Hector erneut in die Höhe.
Einzelne Sonnenstrahlen stahlen sich durch die Lamellen der Jalousien und ließen feinste Staubkörnchen wie Schneeflocken durch das Zimmer schweben. Hector konnte seinen Wecker irgendwo aus dem Augenwinkel ausmachen. 11.23h am Morgen.

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"Alea iacta est." oder "Die Würfel sind gefallen." - Lateinisches Sprichwort

„Shit.“ Hector setzte sich und rieb sich die Augen, bevor er sich widerwillig aus dem Bett schwang. Aus den Augenwinkeln konnte er sehen, wie sein Vertrauter, der Vielfraß Hannibal, die Chance nutze, um es sich in der warmen Kuhle gemütlich zu machen, die der Ekstatiker gerade hinterlassen hatte. Damit löste sich die Idee, sich nach dem unangemeldeten Besuch noch einmal ins Bett zu legen, komplett in Luft auf, dachte sich Hector schmunzelnd. Mit einigen Schritten war der Geweckte schließlich an der Tür angekommen, schaute, ob jemand direkt davorstand und würde ansonsten die Sprechanlage der Tür zur Straße überprüfen.

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- Do not go gentle into that good night. Rage, rage against the dying of the light. -

Durch den Türspion konnte Hector das verzogene Bild einer blonden Frau ausmachen, die anscheinend gut gelaunt vor seinem Eingang im Flur wartete. Als spürte sie seinen Blick oder vielleicht auch nur aufs Geratewohl hin, hielt sie eine braune Papiertüte aus der Nougatcroissants herauslugten, sowie eine Packung teuer aussehenden Kaffees in die Höhe. Unter den Arm hatte sie eine Flasche Milch geklemmt.




"Frühstück?"

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"Alea iacta est." oder "Die Würfel sind gefallen." - Lateinisches Sprichwort

Hector öffnete sogleich die Tür, um Apollonia hereinzulassen. Er freute sich die Hermetikerin zu sehen und war dennoch ein wenig über den spontanen Besuch überrascht. Clea schneite zu den günstigsten und ungünstigsten Zeitpunkten herein, aber Apollonia kündigte sich meist vorher an. Sein allererster Impuls war Sorge und Anspannung, dass etwas passiert war, aber die gute Laune seiner Besucherin und das mitgebrachte Frühstück, zerstoben diese Bedenken zu Hectors Erleichterung sofort. Mit einem enthusiastischen Lächeln und knurrendem Magen bat er Apollonia herein. „Gerne! Womit habe ich das denn verdient?“
Bevor die Angesprochene antworten konnte, gestikulierte Hector in den Küchenbereich und ging selbst zu den Fenstern des Lofts, um ein wenig mehr Licht in die Wohnung zu lassen. „Schnapp dir einen Stuhl, ich bin gleich bei dir.“ Auf dem Weg zu den Jalousien nutze Hector die Gelegenheit sich schnell ein T-Shirt und eine Hose überzuziehen. Es wurde gleich heller und Apollonia sah, dass die Wohnung von Hector aussah wie immer. Kreatives Chaos herrschte vor und überall standen Bilder und Malerequipment, die dem Loft den Eindruck einer Künstlerwerkstatt verliehen, in der gelegentlich jemand schlief. Die einzige Ausnahme von der Unordnung war die Küche, zu der Hector schließlich auch seinen Weg zurückfand. „Gib mir noch zwei Minuten im Bad, dann bin ich ganz bei dir und falls du schon mal Lust hast Kaffee zu machen, wärst du die Heldin meines Tages!“

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Apollonia lachte: „Kaffee? Wenn es nur immer so einfach wäre zur ‚Heldin des Tages‘ zu avancieren… Ich hoffe, ich habe dich nicht geweckt. Ich denke mir, deine Nacht im Club war sicher lang…“ Sie sah sich in den Räumlichkeiten um und Anerkennung erschien auf ihren Zügen. „Du malst? Das wusste ich gar nicht.“ Der leichtbekleidete Mann bemerkte einen etwas zu langen verstohlenen Blick der jungen Frau auf seinen Körper während er sich ankleidete bevor diese rasch den Kopf abwand und wieder die Kunstwerke betrachtete. Während Hector sich auf den Weg ins Bad machte, riss sich die Hermetikerin mit einem Ruck von den Gemälden fort und trat in die Küche um sich an die Zubereitung des Frühstücks zu machen.
Wenige Minuten später, als Hector fertig war, erwartete ihn der Duft von frischem Kaffee und Croissants. Apollonia hatte den Tisch auf der Terrasse gedeckt (3 Erfolge ) und warmes Sonnenlicht flutete über die Terrakottakacheln des Bodens um von einem breiten Sonnenschirm abgefangen zu werden.

Sie deutete mit der Hand in den Innenbereich. „Wie ist es für dich zu malen?“

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"Alea iacta est." oder "Die Würfel sind gefallen." - Lateinisches Sprichwort

„Im Grunde war ich eigentlich schon wach, mach dir also keine Sorgen.“ Hector lachte, denn er mochte Apollonia und er freute sich tatsächlich über die Überraschung. Der Ekstatiker verschwand kurz im Badezimmer und fühlte sich nach einer kurzen Morgentoilette schon sehr viel mehr wie ein Mensch. Danach ging er auf den kleinen Balkon zu seinem Gast, um den schönen Morgen – oder besser gesagt Mittag – zu genießen. Überrascht über gastronomischen Fertigkeiten der Hermetikerin, schaute er verwundert auf das einladende Frühstück. „Wow. Hast du schon mal überlegt, bei mir im Club anzufangen? Ich habe zwar keine Ahnung wie, aber du würdest sicherlich auch ein schnödes Bier zu einem Erlebnis machen!“ Hector schmunzelte anerkennend, während er sich setzte und einen Schluck von dem wohlschmeckenden Kaffee nahm. Erst als Apollonia ihre letzte Frage stellte, verdüsterte sich die bisher so gute Laune von Hector etwas. Da er die Stimmung nicht versauen wollte, nahm er einen weiteren Schluck Kaffee, um nicht sofort etwas sagen zu müssen und antworte mit einem gespielt-breiten Lächeln. „Ich wünschte, ich hätte solches Talent…aber nein…Mein Freund hat die Bilder gemalt.“ Hector schaute in Richtung der Wohnung und ließ seinen Blick durch die offene Balkontür, über ein paar der abstrakt-modernen Gemälde gleiten.

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Apollonias Miene verdüsterte sich und ihre Lippen verzogen sich kurz zu einem dünnen Strich als sie merkte, dass sie bereits mit ihrem ersten Satz ein unangenehmes Thema angeschnitten hatte. Sie nahm ebenso einen langen Schluck von ihrem Milchkaffee bevor sie die Tasse wieder absetzte und mit einem Lächeln erwiderte. „Abe? Ich hatte keine Ahnung, dass er gemalt hat und mit welchem Talent.“ Erneut folgte das anerkennende Nicken, wie um ihre Worte zu bekräftigen. „Warum hast du dein Apartment mit all seinen Bildern dekoriert?“

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"Alea iacta est." oder "Die Würfel sind gefallen." - Lateinisches Sprichwort

Apollonia konnte nicht das Gefühl bekommen, Hector zu nahe getreten zu sein. Er antwortete bereitwillig auf die ihm gestellte Frage. „Hmm…naja…um ehrlich zu sein, habe ich nichts dekoriert. Abraham hat die Wohnung, ja das ganze Haus gehört. Wir haben hier zusammen gelebt und er hat hier gearbeitet. Manchmal auch auf dem Dach oder im Keller, wo sich jetzt Matej’s Werkstatt befindet.“ Hector seufzte kurz. „Aber hier konnte und wollte ich seine Sachen noch nicht wegräumen. Alleine der Gedanke fühlt sich irgendwie falsch an. Also habe ich alles so gelassen, wie es ist…“
Sie nickte zustimmend. „Verstehe ich… Sowas braucht seine Zeit. Danke, dass wir die Möglichkeit erhalten haben hier zu wohnen.“ Sie senkte den Blick. „Wie lange ist das eigentlich alles her?“
Hector zuckte mit den Schultern. „Naja, es ist nicht so, dass ich, was euch angeht eine echte Wahl hatte. Versteh mich nicht falsch, ich bereue trotz Clea’s gelegentlichem Chaos und Vaclav’s schlechter Laune zu meiner Überraschung keine Sekunde, aber Dominik wollte das so und normalerweise bekommt er auch was er will.“ Hectors Blick glitt einmal mehr über die Gemälde im Inneren der Wohnung. „Bram ist vor drei Jahren gestorben.“ Hector schwieg einen Moment und wirkte überraschenderweise etwas unsicher. „Du musst das alles für ein wenig befremdlich halten…“
Sie griff nach der Kaffeetasse. „Die ganze Situation mag befremdlich sein, ja. ‚Zufälligerweise‘ leben wir alle in dem Haus, dass ihr gemeinsam bewohnt habt, der sich zufälligerweise als ‚Kraftort‘ entpuppt. Aber die Gegebenheit, dass du eure Wohnung noch nicht verändern wolltest, finde ich nicht befremdlich.“




Apollonia zog einen kleinen silbernen Gegenstand aus der Tasche. Das grelle Sonnenlicht brach sich für einen Sekundenbruchteil auf ihm und blendete Hector wie ein Lichtblitz. Dann konnte er ihn erkennen: Es handelte sich um die eine Hälfte eines alten, angelaufenen Schlüssels. Apollonia reichte den Gegenstand an den Ekstatiker weiter. Er schien handgemacht und musste wahrscheinlich bereits mehrere Jahrhunderte alt sein. In den Hals waren die Buchstaben ‚CEH‘ eingeritzt. Apollonia deutete auf das Wort. „Tschechisch für ‚Gilde‘. Die andere Hälfte fehlt leider.“
Hector mochte diese positive und energetische Seite von Apollonia sehr. Er wusste, dass manche seiner Bekannten und Freunde die blonde Frau als bieder, einfarbig und vielleicht sogar langweilig beschreiben würden, aber das entsprach einfach nicht der Wahrheit. Apollonia war klug, hatte einen feinen Sinn für Humor und versprühte manchmal ein Selbstbewusstsein, dass ihr das Charisma einer erfolgreichen Schauspielerin oder eines Models verlieh, insbesondere, solange sie sich in ihrer Komfortzone befand. Seit Paris fühlte er eine Verbindung zu der Hermetikern, die er mit den anderen Mitgliedern der Kabale so nicht teilte, aber wahrscheinlich lag es am Alter, welches die beiden beinahe miteinander teilten. Wie sehr ein paar Lebensjahre manche Dinge doch in Perspektive rücken konnte, sinnierte Hector. Seine Gedanken wieder ordnend, bestaunte der Ekstatiker den funkelnden Gegenstand, den er langsam in seinen Händen hin und her drehte. „Was ist das? Das ist schön.“

„Hm“, sie strich sich nachdenklich die Haare nach hinten. „Ich weiß nicht recht, wo ich anfangen soll… Kommt dir das hier bekannt vor? Hast du jemals etwas ähnliches gesehen?“
„Hmm…“ Hector überlegte. „irgendwie meine ich mich an was zu erinnern, aber es fällt mir einfach nicht ein…“ er betrachtet den Schlüssel weiter. Er erinnerte sich, dass er etwas Ähnliches einst bei seinem verstorbenen Freund gesehen hatte. Er hatte es eine Zeit lang als Kette um den Hals
„Moment mal…“ ohne Vorwarnung schnellte Hector auf und verschwand in der Wohnung. Nach einigen Minuten kam er mit einem Bild in einem Rahmen zurück und hielt es Apollonia hin. „Siehst du das die Kette…“ auf dem Bild war ein junger Mann zu sehen, der einen Teil eines Schlüssels um den Hals trug, ähnlich dem den Apollonia gerade aus ihrer Tasche gezogen hatte.

Apollonia nickte. „Das dachte ich mir. Er hatte den Schlüssel…“ Sie bemerkte plötzlich etwas und deutete auf den Rest des Schlüssels, der auf diesem Bild wie eine modische Kette wirkten. „Da erkennt man den Rest der Schrift. ‚ROT‘.“ Sie überlegte. „Tschechisch für verrottend… Die verrottete Gilde?“
„Ich weiß nicht, wieviel Bram dir erzählt hat und ich bin absolut nicht die Richtige um überhaupt solche Fragen zu stellen, da ich wahrscheinlich noch viel, viel weniger weiß als du… Bram stand in Kontakt mit meiner Familie. Er ist der Sohn meiner Großtante.“ Sie zögerte einen Moment, sah über die Dächer der Stadt, biss dann ein Stück von dem Croissant ab. „Er wuchs überwiegend bei seinem Vater Dominik auf. Als er älter war, trat meine Großtante wieder häufiger in sein Leben. Sie wollte ihn der Familie vorstellen, vielleicht sogar in diese integrieren. Soweit ich weiß, leistete er dabei exzellente Arbeit, galt als fast so etwas wie ein Wunderkind, stand direkt vor deren Karriereleiter.“ Sie hob den kleinen Schlüssel in die Höhe. „… bis eines Tages dieses kleine Ding hier daherkam. Oder er irgendetwas erfuhr, dass seine Motivation geändert hat. Er ist in das Haus von einer der Ältesten eingestiegen und hat versucht diesen Schlüssel zu stehlen. Dabei wurde er entdeckt, floh aus dem Gebäude. Er ist bei einer morschen Treppe gestürzt und der Schlüssel beim Aufprall auseinandergebrochen. Diesen Teil hier hat man dort noch gefunden, der andere war verschwunden.“ Sie legte die Finger um die Hälfte des Schlüssels, wie um ihn verschwinden zu lassen. „Abraham hat es raus geschafft, aber er war danach für die Familie gestorben. Meine Großtante muss alle Hebel in Bewegung gesetzt haben um zu verhindern, dass man Bram verfolgt hat. Ich will nicht wissen, welchen Trumpf gegen wen sie noch in ihrer Tasche hatte.“ Ihre Mundwinkel hoben sich leicht nach oben. „Meine Großtante war eine ziemlich gute und sehr gerissene Magierin.“

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Hector hörte den Ausführungen in verblüffter Sprachlosigkeit zu. Bram hatte nur selten über seine Familie gesprochen. Das Thema war schwierig für ihn gewesen und Hector hatte diese Entscheidung seines Partners akzeptiert und respektiert. Trotzdem war die Offenbarung, dass Bram und Apollonia aus derselben Familie stammten, etwas, was er erst einmal verarbeiten musste. Er schluckte. „Deine…deine Großtante?“ Was bedeutete das? Was hatte Bram ihm sonst nicht erzählt und wieso war Apollonia hier? Das konnte doch kein Zufall? Hector musste seine Gedanken ordnen und hörte erst einmal weiter zu und wartete bis Apollonia verstummt war. Er seufzte hörbar. „Davon wusste ich nichts. Bram hat mir nur erzählt, dass seine Mutter…deine Großtante… in ihren späteren Jahren eine Art Unfall gehabt haben muss, der ihr mental sehr geschadet hat…aber ich hatte keine Ahnung, dass er etwas von deiner, oder besser gesagt eurer Familie gestohlen hat.“ Hector grübelte und seine Gedanken schienen sich zu überschlagen. „Was genau bedeutet das alles Apollonia? Bist du…bist du deswegen hergekommen? Nach Prag meine ich? Wegen dieses Schlüssels?“

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Apollonia drehte den halben Schlüssel in ihren Fingern hin und her, betrachtete ihn aus der Nähe als würde sie versuchen sein verborgenes Geheimnis heraus zu lesen. Dann wanderten die blau-grauen Augen wieder zu Hector. „Nein, ich bin nicht wegen diesem Schlüssel hier in Prag. Ich schätze, die Familie Waldstein hat entschieden, dass dieses kleine zerbrochene Stückchen Silber ,das für nichts mehr zu gebrauchen ist, den ganzen Aufwand nicht wert ist.“ Sie strich sanft über das kalte Metall. „Obwohl man noch ein wenig von der Magie darin spüren kann…“ Wieder sah sie ihn an. „Man würde mir keine wertvollen Artefakte anvertrauen, da kannst du dir sicher sein. Außerdem, soweit ich ermittelt habe, hat niemand in den letzten 400 Jahren herausgefunden, wofür der Schlüssel geschaffen wurde. Außer vielleicht Abraham… und der ist nun tot.“ Fragend musterte sie ihn als würde sie auf eine Erklärung seinerseits warten. Dann fuhr sie fort. „Ein Onkel von mir hat mir von Bram erzählt, de rebenfalls in Prag lebt, und ich dachte mir, es wäre schön, jemanden in Prag kennen zu lernen mit dem man irgendwie, wenn auch nur ein klein wenig, verbunden ist. Leider habe ich ihn nie getroffen. Als ich diesen Onkel vor einiger Zeit traf, habe ich mich nach Bram erkundigt und er erzählte mir all das. Er hat auch den Rest des Schlüssels besorgt. Was denkst du, wo könnte die andere Hälfte hingekommen sein?“

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