Sa 27. Jan 2024, 22:25
Dr. Schneider nickte Henri bekräftigend zu und besah sich ein letztes Mal die Krankenakte von Apollonia. Dann klopfte er dem Hermetiker knapp auf die Schulter und meinte kurz: „Also wie gesagt, es wurde alles wie besprochen erledigt. Die Akte sollte jetzt mit dem Polizeibericht übereinstimmen. Ich sage es nur ungern aber in diesem Fall waren unsere Technokraten Freunde tatsächlich sehr hilfreich. Sogar verdächtig hilfreich.“ Anschließend verließ er das Zimmer und ließ die beiden Hermetiker allein. Henri seuftze kurz und besah sich Apollonia noch einmal gründlich. So als wollte er definitv sicher gehen, dass die „Wunder der modernen Medizin“ auch wahrlich gewirkt hatten. „Bitte nenn mich, Henri. Wir müssen uns nicht mit einstudierten Förmlichkeiten aufhalten und in Anbetracht der Situation, erscheint mir dies ohnehin nicht angebracht findest du nicht?“ Er räusperte sich etwas und seuftze erneut. „Nun, wir haben dich nur wenige Augenblicke nach dem Eingreiftrupp der Polizei gefunden und es war beileibe nicht leicht das Sondereinsatzkommando von unserem mitgebrachtem ‚Notarzt‘ zu überzeugen. Immerhin wussten wir aufgrund deines Anrufs bereits, dass irgendeine Art von Toxin mit im Spiel war und ich konnte mich in aller Eile ein wenig auf diesen Umstand vorbereiten. Du warst in einem sehr kritischem Zustand und ja, dein Freund, der Wachmann, verdankt sein Leben weder Medizin, noch Magie sondern tatsächlich einem Wunder. Dennoch konnten wir euch beide abgeschirmt vom Rest der Welt auf der Fahrt ins Krankenhaus stabilisieren. Dr. Schneider, der ein guter Bekannter von mir ist, hat mir dann geholfen... sagen wir.. dafür zu sorgen das du regelmäßig deine richtige Medizin erhälst, während deine Krankenakte sich mit unserem leicht abgewandelten Polizeibericht deckt. Die Technokratie hat sich, wie zu erwarten ebbenfalls eingeschalten. Es waren alles gewöhnliche Menschen im Spiel. Und gewöhnliche Menschen, brauchen eine gewöhnliche, rationale Erklärung für all dies. Niemand findet mehr Gefallen daran sich an der Ratio abzuarbeiten als die Technokratie.“ Martin schmunzelte und tätschelte ihr leicht die Hand. „Du hast in etwa zwei Tage geschlafen Apollonia. Wir waren allesamt sehr in Sorge und obgleich mir mein Bruder und auch andere großes Können in Fragen der Heilung zusprechen, war auch ich bis jetzt nicht ganz davon überzeugt ob meine Künste ausreichen würden. Doch den Sieben Siegeln des Hermes sei Dank: Sie taten es ganz offensichtlich.“
Apollonia sah einen Moment unschlüssig auf ihre Hände. „Ich…“ Sie ließ einige Augenblicke vergehen. Man konnte sehen, dass ihr die Worte nicht leicht über die Lippen kamen. „Danke. Ich verdanke dir mein Leben.“
Henri machte eine abwehrende Bewegung. „Das ist eine Selbstverständlichkeit. Du vergisst, dass du und deine Koterie mir ebenfalls schon geholfen haben und es mir ermöglicht haben, hier in Prag ein neues Zuhause für mich und meine Arbeit zu finden. Dafür bin ich euch nach wie vor unendlich dankbar.“ Er sah sie etwas ernster an. „Und da Prag jetzt meine neue Heimat ist, bin ich nicht nur den Mitgliedern unseres Hauses, sondern auch dieser Stadt verpflichtet. Es gab ja schon zuvor einige, sagen wir mal Unruhen in diesen Gefilden. Und wenn eine Hermetikerin an einem Ort attackiert wird, der zudem noch einige Überreste an Geheimnissen des Hauses verbirgt, ist dies wahrlich bedenklich. Wir sind alle nur froh, dass du Wohlauf bist, Apollonia.“
„Danke. Aber das war keine Selbstverständlichkeit…“ Wieder vergingen einige lange Sekunden. „Hat man irgendetwas über die Einbrecherin heraus finden können? War sie noch im Museum?“ Sie schüttelte den Kopf als würde sie das als sehr unwahrscheinlich einschätzen. „Ich hätte vermutet, dass sie für die Technokraten arbeitet, so perfekt ausgerüstet, wie sie war.“
Henri Martin schüttelte leicht den Kopf und wirkte dabei etwas zurückhaltend. „Nein. Sie hat es tatsächlich noch aus dem Museum hinausgeschafft. Sie muss unmittelbar geflohen sein als die Polizei das Gebäude betrat. Ihr großes Glück war, das wir in der Kürze der Zeit und der gebotenen Eile keine Möglichkeit hatten uns entsprechend vorzubereiten; das Gebäude wurde großräumig abgeriegelt und der Verkehr örtlich umgeleitet. Wir haben uns mit unseren virtuellen Adepten zusammengesetzt und auch den Rest der Traditionsmagier in die Untersuchungen mit eingebunden. Sie waren tatsächlich gleich bereit uns zu unterstützen, da ja wie bereits angemerkt, Angriffe auf Prag in diesen Zeiten keine Seltenheit sind. Es deutet jedoch nichts darauf hin, dass es sich um dieselbe Gruppierung handelt, welche die Kraftorte vor einiger Zeit zum Versiegen bringen wollte.“ Er pausierte kurz und schien gedankenverloren. „Deine Angreiferin hat ein äußerst bösartiges Gift verwendet, das sie wohl unter Zuhilfenahme von Magie selbst hergestellt haben muss. Es ist mehr eine Art Giftcocktail, alles in höchstem Maße synthetisch und vermutlich nicht einmal mehr auf dem Periodensystem einordenbar. Zudem hat sie, wie du bereits angemerkt hast, offenbar nicht nur auf diesem Gebiet weitreichende Kenntnisse. Wie uns die äh.. nun Technikabteilung mitgeteilt hat, hat sie so etwas wie einen elektromagnetischen Impuls benutzt um den größten Teil der Schaltkreise und Spannungsversorgung des Museums lahmzulegen. Kameras und die Türsteuerung waren aus, du hast es ja selbst bemerkt - am Ende gab es nur noch den Notstromgenerator im Keller. Was die Technokratie angeht....“ Martin legte eine längere Pause ein in der er sich besorgt über den Bart strich. Immer wieder zu Apollonia sah und offenbar mit sich rang ihr zu berichten. Schließlich aber atmete er noch einmal tief ein. „Die Technokratie, mit der ja nach wie vor ein Bündnis besteht sah sich natürlich aufgrund der Involviertheit von unbeteiligten, gewöhnlichen Menschen sofort dazu berufen uns bei der Schadensbegrenzung vor Ort als auch jetzt bei der Rekonstruktion der Vorfälle zu unterstützen. Eine eventuelle Beteiligung an den Vorfällen haben sie natürlich vehement dementiert und sie versuchen auch nicht irgendjemandem den Schwarzen Peter in die Schuhe zu schieben. Es gibt da... eine Kamera. Die nicht vom Impuls betroffen war, weil sie zur Zeit der Detonation im Keller montiert war und über eine unabhängige Stromversorgung lief. Nachforschungen haben ergeben, dass man mit dem derzeitigen Bild in den unteren Lagerräumen nicht zufrieden war, aber eine Aufrüstung baulich nicht in Frage käme ohne das gesamte System tauschen zu müssen. Also hat irgendjemand mal dort eine Wi-Fi Cam angeschlossen. Die hat sowohl eure Auseinandersetzung, als auch alles danach festgehalten.“
„Ich war leider nicht erfolgreich in meinem Versuch sie aufzuhalten.“ Apollonia knirschte für einen Augenblick mit den Zähnen. „Ich wünschte, ich hätte mich geschickter angestellt. Hat jemand heraus finden können, was sie im Museum tatsächlich wollte?“
„Ja“, meinte Martin mit einem besorgten Gesichtsausdruck. „Ja ich glaube wir wissen was sie gesucht hat. Sie hat es nämlich auch dort gefunden, selbst wenn es gerade noch keinen allzu großen Sinn ergibt. Noch nicht. Die Aufzeichnung wurde nämlich auch an die Technokraten weitergegeben und die haben sich bisher noch gar nicht dazu geäußert. Also... überhaupt nicht. Nun wäre es ja nicht so, das die Mühlen dieser ganz besonders bürokratischen Bürokratie besonders schnell mahlen würden; weit gefehlt. Aber wenn ich mir vorstelle das diejenigen das Material zu Gesicht bekommen, die den ganzen Tag wohl nichts anderes machen als... irgendetwas auszuwerten frage ich mich was sie in zwei Tagen bisher entdeckt haben. Sie geben sich merkwürdig bedeckt.“
„Und was wissen wir bisher?“
„Wir wissen das deine Angreiferin diesen Überfall zwar geplant haben muss aber sehr in Eile schien, ein paar wichtige Details hatte sie nämlich vergessen, wie zum Beispiel die Wi-Fi Cam. Möglicherweise war ihr klar, dass ihre Handlungen die Aufmerksamkeit von...“ Henri Martin wurde jäh unterbrochen als vor der Tür ein paar Laute Stimmen zu hören waren, dann wurde die Türe geöffnet und zwei Männer in schwarzen Anzügen betraten unvermittelt ihr Zimmer. Apollonias Krankenschwester schien sehr aufgebracht mit einem dritten Mann auf dem Flur zu diskutieren. Der Hermetiker fuhr hoch als die Tür geschlossen wurde und sich einer der Männer, wie zur Absicherung vor dieser positionierte. Der letzte Mann im schwarzen Anzug kam mit emotionsloser Miene auf die beiden zu und sah zunächst zu Martin, dann zu Apollonia. Ersterer schien nun ebenfalls sehr aufgebracht. „Was hat das zu bedeuten? Was fällt ihnen ein?“ Der Mann ignorierte Henri Martin, und griff in die Innentasche seines Jackets um dort einen Ausweis hervorzuziehen den er vorzeigte. „Agent Keller M.I.B, das ist mein Kollege Agent Blaskovic. Sind sie Apollonia von Waldstein?“
Apollonia hätte beim Anblick dieser geltungsbedürftigen ‚Agenten‘ am liebsten mit ‚Ich glaube, vorgestern war ich das noch, kann aber auch sein, dass ich mich irre‘ geantwortet, aber sie vermutete, dass sie mit Humor bei diesen Männern nicht weit kommen würde. Sie setzte ein freundliches, geschäftsmäßiges Lächeln auf. „Es freut mich Ihre Bekanntschaft zu machen, Agent Keller, Agent Blaskovic.“ Sie nickte in Richtung des Türstehers.
Der Mann nickte nur knapp während er Henri Martin weiterhin gekonnt ignorierte. Dieser verzog nur leicht angewidert das Gesicht und beäugte die Agenten misstrauisch. Der Mann klappte seinen Ausweis zu und beförderte ihn wieder zurück in die Innenseite seines Jackets. „Ich muss sie bitten mich zu begleiten.“
Die junge Hermetikerin schluckte höflich lächelnd ihren Frust hinunter. „Aber selbstverständlich. Wenn die Herren mir einen Moment geben würden, damit ich mich ankleiden kann?“ Demonstrativ schwerfällig richtete sie sich in dem Krankenbett auf und zupfte das OP Hemd gerade, dass sie noch trug. „Vielleicht würden die Herren Agenten mir einen Moment alleine geben?“, fügte sie hinzu als keiner Anstalten machte den Raum zu verlassen. Beiläufig ergänzte sie. „Das Hemd ist hinten offen.“
Henri Martin konnte sich diese Farce nicht länger ansehen und schritt ein, er deutet Apollonia an sich auf keinen Fall von der Stell zu rühren und konfrontierte den Agenten durchaus scharf. „Meine Herren, mir ist durchaus bewusst für wen sie arbeiten und es ist löblich das sie ihren Dienst so vorbildlich versehen. Aber auch wenn diese Dame für die Aufklärung der jüngsten Ereignisse im Museum zweifelsfrei eine große Rolle spielt, so muss ich sie darüber in Kenntnis setzen das Fräulein von Waldstein bis vor kurzem noch im Koma gelegen hat und sich erholen muss. Sie ist auf dem Weg der Besserung aber noch nicht vollständig genesen. Wenn sie so möchten: Ich bin ihr Arzt. Vielleicht haben sie schon von mir gehört: Henri Martin. Es ist ihr aktuell nicht möglich sie zu begleiten. Wir werden sie darüber in Kenntnis setzen wenn dem so sein wird und falls die Dame dies überhaupt möchte. Vielleicht möchten sie sich diesbezüglich an ihr Büro wenden und ihnen mitteilen, für eventuelle Fragen steht ihnen gerne Herr Karst zur Verfügung.“ Martin verengte die Augen zu schmalen Schlitzen. „Sehen sie eben jener hat mir nämlich ein wenig bei der Behandlung von Fräulein von Waldstein assistiert und ich glaube er sehe es nicht gerne wenn die Gesundheit seiner Patientin erneut über Gebühr beansprucht wird, gerade wo sie wieder unter den Lebenden weilt.“ Die Agenten tauschten stumm unsichere Blicke aus; wirkten dabei etwas zerknirscht und wie eine Gruppe Schuljungen, die man bei einem Streich erwischt und getadelt hatte. Schlussendlich lenkte Keller aber ein und zückte eine Visitenkarte, die er auf den kleinen Beistelltisch neben Apollonia platzierte. „Verzeihen sie unser Eindringen aber die Sache ist von höchster Priorität. Wenn sie sich dazu in der Lage fühlen, bitte kontaktieren sie uns umgehend.“ Mit einem leichten Seitenblick zu Martin fügte er hinzu: „Sie, Fräulein von Waldstein.“ Dann verabschiedete sich Agent Keller knapp und seine Kollegen schienen ihm zwar geknickt, aber dennoch zu folgen.