Vampire: Die Maskerade


Eine Welt der Dunkelheit
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 Betreff des Beitrags: Re: Prag I: Hector
BeitragVerfasst: So 25. Dez 2022, 16:01 
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Simon hatte sich wieder beruhigt. Er schlief und atmete langsam und gleichmäßig. Bram schien zu überlegen, musterte die Szene und gab Hector und Tia dann mit einem Nicken seines Kopfes ein Zeichen ihm zu folgen. Er zog sich eine Tunika, Tia ein Überkleid und einen dünnen Mantel über und gemeinsam verließen sie das Zimmer. Der junge Mann steuerte eine Wendeltreppe an, die nach oben führte und nach zig Stufen und fast schon ein wenig außer Puste erreichten sie den Außenwehrgang des Turmes.

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Hier oben pfiff der Wind, so dass, wer auch immer auch vorbei kommen mochte, nichts von einem Gespräch würde hören können. Tia zog in der Höhe, trotz der angenehm warmen Nacht, den Mantel etwas enger um die Schultern als sie näher an die Männer trat.
Bram sah zu Hector. „Hier oben kann uns niemand hören. Ich möchte nicht, dass jemand unten im Zimmer aufwacht… Simon hat Albträume seit der ersten Nacht. Er windet sich im Schlaf, ruft, bettelt. Irgendwas setzt ihm verdammt zu. Menschen werden getötet und er scheint nichts dagegen tun zu können. Männer, Frauen, Kinder.“ Hector presste die Lippen aufeinander. „Und irgendwie gibt er sich selbst auch die Schuld daran. Er hat mehrmals im Schlaf geschrien, dass er nicht mitmachen will, dass er sich weigert, dann geweint.“
Tia war weiß im Gesicht. „Das is wirklich entrisch“, sagte sie leise. An der Miene von Bram konnte sie erkennen, dass er das Wort nicht verstand. „Unheimlich“, ergänzte sie.
Bram fuhr fort. „Ich habe Simon mal in einer ungestörten Minute auf seine Zeit angesprochen, aber er hat nur gemeint, dass er nicht weiß, ob es gut ist, wenn man etwas über die Zukunft erfährt.“ Er sah über die weiten Landschaften und Wälder, die unter ihnen lagen und ballte für einen Augenblick die Faust. „Wahrscheinlich bin ich im Jahr 2050 schon ein uralter Mann und hab nicht mehr viel Zukunft vor mir, aber mich nervt der Gedanke, dass vielleicht irgendwas echt Beschissenes passiert und ich absolut nichts dagegen tun kann.“ Er schloss kurz die Augen und atmetet tief die warme Luft ein. „Auf der anderen Seite: Wenn wir hier aus 1618 nicht wegkommen erübrigen sich die Probleme eh, oder?“ Er versuchte ein Grinsen.


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Verfasst: So 25. Dez 2022, 16:01 


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 Betreff des Beitrags: Re: Prag I: Hector
BeitragVerfasst: Mi 28. Dez 2022, 20:54 
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Hector folgte den anderen Beiden schweigend und sog die Umgebung in sich auf. 1618. Die Tatsache, dass er so gut wie nichts über diese Zeitepoche wusste, machte all das keinesfalls weniger schwer zu verdauen. Neben alle Gründen des wie sie dort gelandet waren, stellte sich noch immer die Frage, warum genau in dieser Zeit. Der Magier wurde aus seinen Gedanken gerissen, als Bram begann zu sprechen und hörte dessen Ausführungen zu, die kurz von Tia unterbrochen wurden. Schließlich schüttelte er langsam den Kopf und seufzte. „Die Zeitlinie und alles, was mit temporaler Manipulation zu tun hat, ist vielschichtiger und komplizierter als es den Anschein hat. Zumindest ist es das, was ich gelernt habe.“ Hector Herz sank, da er gerade Bram, dem Mann, den er über alles in dieser Welt retten wollte, diese Erklärung abgeben musste.

„Wir alle denken, dass wir mit genug Wissen die Zukunft verändern könnten, oder dies sogar ganz einfach durch unsere Anwesenheit bewerkstelligen würden. Das ist aber tatsächlich nicht ganz so einfach und das Wissen um die Zukunft hat schon mehr als einen Magier verrückt werden lassen, oder zumindest fatalistisch.“ Der Blick Hectors schweifte in die Ferne und betrachtete die absolute Dunkelheit, die 1618 in ihrem Griff hielt. Er suchte den Blick Tias. „Wie steht es mit Euch? Würdet Ihr gerne mehr über die Zukunft, die Euch erwartet, wissen wollen? Immerhin sind wir für Euch nichts anderes als Simon für uns.“ Hector konnte sich nicht entscheiden, was der richtige Weg war, um diese tückischen Gewässer zu durchschwimmen. Vielleicht konnte ihm Tias Antwort etwas mehr Klarheit, oder zumindest Zeit verschaffen.

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 Betreff des Beitrags: Re: Prag I: Hector
BeitragVerfasst: Mi 28. Dez 2022, 22:49 
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Tia schien ein wenig überrascht, dass man eine Frage wie diese an sie richtete. Vielleicht hing das mit ihrem Geschlecht zusammen. In der Zeit, aus der sie kam, war die Meinung einer Frau wahrscheinlich oftmals nicht von Interesse. Sie fasste sich jedoch schnell wieder, straffte die Schultern und reckte das Kinn in die Höhe. In einer modernen Modell Casting Show hätte sie mit Sicherheit den ersten Preis für Würde und Haltung gewinnen können. Sie überlegte sich ihre Antwort. „Ich brauche nichts über meine Zukunft wissen. Meine Zukunft gestalte ich selbst. Durch meine Fähigkeiten und meine Ausbildung bin ich bestens vorbereitet um meiner Familie, meinen Lehrern und mir selbst zu Ehre zu gereichen. Der Hof von Versailles erwartet mich. Was könnte man sich Besseres erhoffen? Wenn ich dabei versage, ist es einzig meine eigene Schuld.“
Bram zog die Augenbrauen in die Höhe. „Wer hat dich denn den Quatsch auswendig lernen lassen?“
Tia zischte ihn an: „Wie kannst du es wagen?“ In ihren Augen funkelte es als würde sie ihn am liebsten schlagen.
Der junge Mann hielt ihrem Blick stand. „Also habe ich recht?“
Die Antwort kam zu prompt und hastig: „Selbstverständlich nicht.“ Tia wirkte verlegen.
Bram sah zu Hector.


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 Betreff des Beitrags: Re: Prag I: Hector
BeitragVerfasst: Mi 4. Jan 2023, 20:17 
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Hector war der Austausch der beiden Familienmitglieder fast ein wenig unangenehm, daher versuchte er die Situation ein wenig zu entschärfen. „Es gibt keinen Grund, dass wir einander das Leben schwer machen, immerhin haben wir gerade nur uns, oder?“ Er schaute sowohl Bram als auch Tia mit einem ermutigenden Lächeln an, um dann zu letzterer zu sprechen. „Ich bewundere Eure Selbständigkeit und Integrität, Tia von Waldstein. Dennoch glaube ich, dass es durchaus in Ordnung ist von Zeit zu Zeit Hilfe anzunehmen. Manchmal kommt diese eben nur von sehr unerwarteten Orten.“ Hector ließ seinen Blick noch einmal über den dunklen Horizont schweifen. „Wir brauchen mehr Informationen, bevor wir irgendwelche Entscheidungen treffen können. Wir müssen wissen, wer oder was uns hierher gebracht hat und vor allem warum. Dann finden wir vielleicht auch wieder einen Weg zurück und können besser einschätzen, was jeder von uns wissen sollte. Insbesondere bezüglich der Zukunft. Ich sage, wir lassen Simon erst einmal in Ruhe.“ Ein anderer Gedanke kam dem Magier, während er über den Mann aus der Zukunft sinnierte. „Was wissen wir eigentlich über das kleine Mädchen? Hat sie die ganze Zeit schon nicht gesprochen?“

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 Betreff des Beitrags: Re: Prag I: Hector
BeitragVerfasst: Do 5. Jan 2023, 23:54 
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Hector schien als Stimme der Vernunft beide mühelos wieder zur Ordnung rufen zu können. Das Thema wurde nicht weiter angesprochen und beide hörten dem Ekstatiker zu. Bram seufzte und nickte. „Du hast recht.“
Tia überlegte. „Ich habe keine Ahnung wer eine Intention hätte, mich hier in diesem Jahr, haben zu wollen. Ich hatte eine Unterredung mit jemandem und wollte danach allein sein. Der Ort, dieses Zimmer, hat mich angezogen.“
Bram zuckte mit den Schultern. „Ich verdanke meine Anwesenheit meiner Mutter, die anscheinend der Meinung war, eine Zeitreise wäre eine gute Idee. Wenn das Paradox sie nicht in andere Sphären katapultiert hat, wird sie von mir noch was hören.“ Er schnaubte. „Über Charlotte wissen wir wenig. Sie war, wie wir, eines Tages da. Und hat seitdem nicht geredet. Ihre Kleidung war schäbig und zu einfach um sie einer Zeit zuordnen zu können. Man kann spüren, dass sie magisch bewandert ist, ist aber noch nicht erwacht. Das gibt nicht viel her, ich weiß…“ Er sah zu Hector. „Wie seid ihr zu dieser Burg gekommen? Hat euch jemand geschickt?“
Irgendein Schalter legte sich in Hector um. Er konnte nicht länger lügen und auch wenn er die Wahrheit nicht zur Gänze aussprechen konnte, knickte er doch endlich, auch gegenüber seiner eigenen Regeln. Der blonde Mann seufzte tief. „Du hast uns hierhergeführt.“ Hector ließ Bram einen Moment, die Information zu verdauen. „Apollonia und ich haben zwei Artefakte, zwei Schlüssel, in die Hände bekommen, deren Ursprung wohl an einem Ort lag, den du in einem Gemälde festgehalten hast.“ Der Ekstatiker schwieg, während der kalte Wind um die drei Magier heulte und er auf die Reaktion von Bram wartete.
Bram blickte ihn irritiert an und erstarrte, als die für ihn unrealistischen Worte in sein Bewusstsein sickerten. Ein ungläubiges „Was?“ war alles, was über seine Lippen kam. Er schüttelte den Kopf und brauchte einige Zeit um sich zu sammeln. Dann sog er tief die Luft ein und schluckte. „Okay. Das ist jetzt echt ein wenig strange, oder?“
„Das ist es in der Tat.“ Hector spürte, wie ihm heiß und kalt wurde. Gerade hatte er Grenzen eingerissen, die sich nicht so einfach wieder aufrichten lassen würden. „Es war ein Zufall, auf einem der Schlüssel war diese Burg eingraviert, die ich auf einem deiner Bilder wiedererkannt habe.“ Hector folgte dem eben Gesagten mit ablenkenden Worten. „Wir haben uns entschlossen, dem Mysterium der Schlüssel auf den Grund zu gehen. In einem der Räume der Burgruine, ich vermute unserer Zuflucht, waren 6 Handabdrücke an der Wand verewigt, als wir diese berührten sind wir durch die Zeit gereist.“ Es blieb ein Moment der Stille. „Ich glaube kaum, dass die sechs Abdrücke ein Zufall sind…“
Bram gab ihm mit einem Kopfschütteln recht. „Ganz offensichtlich weiß ich in eurer Zeit etwas, von dem ich jetzt keine Ahnung habe.“ Er schien seine Gedanken laut auszusprechen. „Ihr kommt aus dem Jahr… 2016? Da bin ich…“ Er rechnete nach. „35… puh.“ Der Gedanke an ein Leben als Mittdreißiger schien dem jungen Mann nicht zuzusagen. „Habt ihr mich nicht zu dem ganzen Thema gefragt bevor ihr euch auf den Weg gemacht habt?“ Eine weitere Erkenntnis machte sich in ihm breit. „Bin ich 2016 geistig nicht zurechnungsfähig oder von der Familie enterbt oder sowas? Apollonia muss doch in der Lage sein zumindest meine Telefonnummer ausfindig zu machen?“ Er starrte Hector an, dann verengten sich seine Augenbrauen nachdenklich. „Nein. Besser ich weiß nichts über die Zukunft. Ihr werdet eure Gründe haben…“
„Du hattest tatsächlich ein…Missverständnis mit deiner und Apollonias Familie.“ Hector konnte die ganze Wahrheit nicht aussprechen und entschied sich daher für einen Mittelweg. "Wie gesagt, das Geschäft mit der Zukunft ist chaotisch und nicht immer einfach.“ Hector wandte den Blick beschämt ab. Bram soviel Unbehagen zuzufügen, war für ihn schwer zu ertragen.

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Tia legte Bram die Hand auf den Arm. „Wir sollten versuchen in unsere Zeit zurück zu gelangen. Egal was wir hier erfahren mögen, wir sind in der Lage unsere eigenen Entscheidungen zu treffen und zu handeln, wie wir es zum jeweiligen Zeitpunkt für richtig halten.“
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Der junge Mann nickte. Er wirkte erschöpft, straffte dann jedoch die Schultern und grinste etwas gequält. „Vielleicht erweichst du dich ja und hinterlässt meiner Mutter einen Brief aus dem Jahr 1788, der sie bitte davon abhält so einen Mist mit Zeitreise und dem ganzen Scheiß zu versuchen. Ich glaube, damit wäre mir sehr geholfen.“ Er sah zu Hector. „Und ich merke mir im Hinblick auf dich und deine Freundin: Keine Bilder von Schlössern oder sowas. Damit ihr nicht auf dumme Gedanken kommt.“ Sein Schmunzeln wurde breiter und er wirkte wieder wie der unbeschwerte, vielleicht etwas leichtsinnige junge Mann, der er wahrscheinlich war.
Es war zu spät. Der Schaden war verursacht und Hector fühlte sich, als wäre alles Glück aus ihm gewichen, als er Brams Worte hörte. Ohne eine weitere Erwiderung wandte er sich ab und schaute in den dunklen Horizont, um niemanden direkt ansprechen zu müssen. „Ich denke, wir sollten versuchen, uns schlafen zu legen. Der morgige Tag mag uns neue Erkenntnisse bringen und wir sollten diesem so ausgeschlafen wie möglich begegnen.“
Die beiden jungen Magier schlossen sich Hectors Meinung an und machten sich an den Abstieg die steile Wendeltreppe hinab. Während sie Stufe um Stufe hinabschritten erinnerte sich Hector an den seltsamen Nachmittag an dem Bram das Bild gemalt hatte, seinen angespannten Gesichtsausdruck, den inneren Zwiespalt, sein abweisendes Verhalten und ihm wurde bewusst, dass Bram sich zum damaligen Zeitpunkt höchstwahrscheinlich genau an dieses Versprechen erinnert hatte, dass er entgegen seiner eigenen Einstellung zu brechen bereit war. Sein Gefährte hatte gewusst, was er damit starten würde und sich dennoch entschlossen es zu tun.
Hector begann bereits den Turm herabzusteigen, als er kurz erstarrte und sich die Erinnerung in seinem Geist manifestierten. Es war, als hätte ihm jemand den Atem abgeschnürt. „Geht bitte schon einmal, ich glaube, ich habe etwas verloren und ich möchte keine Überraschungen hier in dieser Zeit hinterlassen!“
Tia nickte und ging weiter während Bram noch einen Augenblick stehen blieb. „Brauchst du Hilfe beim Suchen? Hier ist es verdammt dunkel.“ Er griff nach einer Fackel in einem Eisenhalter und reichte sie Hector.
"Nein, danke Bram. Bring Tia zurück, es wäre nicht schicklich, eine Frau alleine zu so später Stunde herumlaufen zu sehen und selbst deine Anwesenheit wäre sicherlich fragwürdig." Ohne eine Antwort abzuwarten stieg Hector die Stufen wieder auf den Turm hinauf.

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 Betreff des Beitrags: Re: Prag I: Hector
BeitragVerfasst: Sa 7. Jan 2023, 19:01 
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Dunkelheit und Stille umhüllten Hector und beides nahm er dankbar an. Er brauchte Zeit zum Denken, musste seine Gedanken ordnen und zumindest für einen Moment so weit von Bram wegkommen, wie es nur irgendwie möglich war. Wie viel hatte er all die Jahre gewusst und welche Bürden hatte er wegen dieser temporalen Anomalie mit sich herumtragen müssen? Die Familie von Waldstein schien tatsächlich eine ganze Menge Geheimnisse zu haben und Hector war die Wahrheit schon immer lieber gewesen. Der Ekstatiker straffte sich und versuchte zumindest für einen Moment die all das aus seinen Gedanken zu verbannen und über das größere Problem nachzudenken.

Aus den Tiefen seiner Hose beförderte er eine eingedrückte Packung Zigaretten samt Feuerzeug zutage, die er sich anbrannte und langsam inhalierte. Hector rauchte nur selten, eigentlich nur in Verbindung mit seiner Magie, aber dieses Werkzeug, welches ihm half seine Kunst auszuüben, half ihm auch seinen Geist zu fokussieren. Viele Magier der anderen Traditionen hatten eine spottende, teilweise verächtliche Sichtweise auf die Kunst der Ekstatiker und viele ihrer Hilfsmittel. Sie denken Alkohol, bewusstseinserweiternde Mittel und Rauchwaren würden durch Abhängigkeit seine Benutzer in den Ruin treiben und ihren Mehrwert dadurch erheblich einbüßen. Vielleicht war an dieser Angst sogar etwas dran, aber jedem jungen Ekstatiker wurden strenge Regeln und moralische Grundsätze vermittelt, die das Einschätzungsvermögen und die Willenskraft der Praktizierenden steigerten. Kontrolle und gesunder Menschenverstand waren wichtig, wie bei jedem Magier sonst, der seine Kunst wirkt, unabhängig von den Hilfsmitteln, die dabei zum Einsatz kamen.

Die Zigarette knisterte leise als Hector einen weiteren Zug nahm und er konnte spüren, wie das Nikotin seinen Kopf ein bisschen leichter werden ließ. Grenzen überschreiten, durch alltägliche Phänomene und Praktiken Übergänge schaffen, die so profan erschienen, aber die Macht hatten, Neues zu kreieren. Das war sein Weg Magie zu lenken und zu erschaffen, eben die Realität selbst zu beeinflussen und dieses Vorgehen mochte ihm vielleicht auch helfen mehr über diese Situation herauszufinden. Ein gemeinsamer Nenner war nicht nur diese Zeit, sondern auch dieser Ort. Die Burg hatte ganz offensichtlich etwas mit dem Phänomen zu tun, genauso wie die Tatsache, dass so viele verschiedene Menschen aus unterschiedlichen Zeiten ins Jahr 1618 gezogen wurden. Das Hier und Jetzt war ihr bester Anhaltspunkt. Die Hochzeit machte es wahrscheinlich schwieriger verdächtige oder verantwortliche Personen einzukreisen, aber dieser Ort gehörte noch immer der Familie von Waldstein und vielleicht könnte diese auch in dieser Zeit Unterstützung oder Hilfe leisten. Das war definitiv der beste Weg und mit vorhandenen Gegebenheiten und Ressourcen zu arbeiten. Alles Weitere würde sich zeigen.

Hector nickte sich selbst zu, wie um die eigenen Gedanken zu bestätigen, während er den Rest der Zigarette an der Mauer ausdrückte. Den Stummel ließ er in einem winzigen, fest verschließbaren Taschenaschenbecher verschwinden, den er immer mit sich trug. Es mochte sein, dass er begann, die Zeitlinie zu verunreinigen, aber dieses Verhalten musste er nicht auch noch zusätzlich auf die Natur ausweiten. Der Ekstatiker seufzte tief. Dies war gewiss nicht, was er sich vorgestellt hatte, als er mit Apollonia vor einer gefühlten Ewigkeit aus Prag aufgebrochen war. Dennoch machte sich in ihm langsam auch Zuversicht breit und sei es nur, weil er sich endlich entschieden hatte, wie er mit der dem Wissen um die Zukunft umgehen würde. Er würde Tia und Bram warnen. Es mochte Konsequenzen geben, vielleicht, aber die Zeitlinie war bei weitem stabiler, als es so mancher Hollywoodfilm aus dramaturgischen Gründen gerne erzählte. Die Überzeugung, dass ein Zeitreisender die Zukunft ändern könnte, war im Grunde hochmütig. Es war die fehlgeleitete Annahme, vielleicht sogar die verzweifelte Hoffnung, dass wir in der Lage sind, einen echten Unterschied in der Welt zu machen, aber solche Großtaten sind am Ende nur den allerwenigstens Menschen vergönnt. Mit einer neu gewonnen Überzeugung, die seinen Schritt sofort etwas beschwingter machten, begab sich Hector auf den Rückweg. Er hatte genug gegrübelt und es war wirklich Zeit zu schlafen.

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 Betreff des Beitrags: Re: Prag I: Hector
BeitragVerfasst: Sa 7. Jan 2023, 23:32 
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Hector fand mit der Fackel mühelos den Weg zurück in die mystische, vom glimmenden Rest des Feuers erhellte Kammer, die ihre Wege gebündelt im Jahr 1618 gekreuzt hatte. Die anderen Zeitreisenden lagen auf den Pritschen und Betten und schienen zu schlafen.
Die wollene Decke, die auf seinem Lager ausgelegt lag, war weich, aber für Mitte Mai zu warm. Als er sich niedersetzte, stieg ihm der intensive Geruch nach Nelken und Zitronenöl in die Nase. Wahrscheinlich hatte jemand das Bett damit präpariert um Ungeziefer fern zu halten. Hector schlief mühelos ein.
Er hatte das Gefühl, dass kaum Zeit vergangen war, und doch drang helles Tageslicht durch ein offenes Fenster ins Innere und begann, durch das Wandern des Sonnenstrahls, ihn im Gesicht zu blenden.

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Der Ekstatiker erkannte Apollonia, die, wie Tia gestern, über dem großen Tisch gebeugt saß und etwas mit einer Feder auf einem Pergament festzuhalten versuchte. Sie mühte sich leise fluchend mit der Feder ab und ärgerte sich über die verspritzte Tinte, wie Hector mühelos an ihrem Gesichtsausdruck feststellen konnte. Neben ihr lagen weitere Dokumente.
Als hätte sie die Tatsache, dass er aufgewacht war, gespürt, sah sie zu ihm. Ein Hoffnungsschimmer machte sich auf ihrem angespannten Gesicht breit. „Du bist wach?“ Sie stellte die Feder zurück in das Tintenfass. „Wie geht es dir?“ Sie wartete seine Antwort ab und erklärte dann: „Die Anderen sind draußen, spielen fleißige Dienerschaft, tragen Wassereimer, reinigen Kleidung und striegeln Pferde. Die blonde Frau, …Tia, besorgt etwas zum Frühstücken.“ Apollonia schüttelte den Kopf, daran zweifelnd, dass sie tatsächlich solche Worte ausgesprochen hatte. Sie sah ihn voller Zweifel an. „Was ist das hier für eine Geschichte, die mir Tia gestern erzählt hat? 1618? Zeitreise… Ich meine… Ich weiß, dass sie Recht hat, aber das ist alles so…“ Ihr fehlten die Worte, das sah Hector sofort. „Ich hätte nicht im Traum daran gedacht, dass so etwas passieren könnte, als wir uns auf den Weg gemacht haben. Und die Tatsache, dass Bram hier ist…“ Wieder folgte ein Kopfschütteln. „Das verstehe ich nicht. Das kann doch kein Zufall sein.“ Sie sah zu ihm herab. „Das muss ein ganz schöner Schock für dich gewesen sein…?“

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 Betreff des Beitrags: Re: Prag I: Hector
BeitragVerfasst: So 8. Jan 2023, 23:21 
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Hector freute sich aufrichtig darüber, dass Apollonia wieder auf den Beinen war. Er nickte ihr mit einem Lächeln zu. „Gut, soweit es die Situation eben zulässt.“ Ihm ging es wirklich gut. Er hatte tief und fest geschlafen und die Ruhe tatsächlich auch gebraucht. Der Ernst ihrer Situation hing aber sofort wieder über ihnen, wie das berühmte Schwert des Damokles. „Ich weiß, es ist verrückt, aber aller Logik zum Trotz scheint genau das passiert zu sein. Eine Zeitreise. Dennoch glaube ich, dass wenn es einen Weg hierher gab, es auch wieder einen zurückgibt.“ Die Frage nach Bram beantworte mit weit weniger Zuversicht. „Wenn ich ehrlich bin, überfordert mich die ganze Situation etwas. Ich habe mir immer vorgestellt, was ich zu ihm sage, wenn ich ihn nur noch einmal sehen könnte. Jetzt ist das tatsächlich geschehen und doch weiß er nicht einmal, dass wir uns kennen. Das Ganze ist Folter.“
Apollonia nickte. „Ich kann mir nicht einmal vorstellen, wie so etwas sein muss.“ Ihre Augenbrauen verengten sich als sie überlegte. „Ich wüsste gerne, warum wir überhaupt hier sind, aber ich denke, desto eher wir wieder in unserer eigenen Zeit sind um so besser.“ Ihre Augen suchten Hectors Blick. „Tia hat mir von dem Plan der Gruppe erzählt, zurück in die eigene Zeit zu gelangen, indem der Raum in dem wir jetzt sind wieder so hergestellt wird, wie wir ihn in der Zukunft gesehen haben. Normalerweise würde ich so eine Idee komplett verwerfen. Ich habe, auch wenn ich natürlich nicht sicher sein kann, nicht den Eindruck, dass irgendeiner von uns über die Fähigkeiten verfügt, eine Kammer schaffen könnte, die Zeitreisen oder -sprünge ermöglichen kann. Ich schätze, wir sind alle relative Anfänger.“ Sie machte ein Gesicht als wenn es ihr leid täte mit ihren Worten jemanden zu beleidigen. „Auf der anderen Seite glaube ich, dass es vielleicht möglich ist. Der Handabdruck, den ich in unserer Zeit berührt habe; ich bin überzeugt, dass das meiner war. Das Gesicht bei dem anderen Handabdruck, es sah Dir ähnlich. Das ist mehr als Zufall, vermute ich.“ Sie seufzte leise. „Auf der anderen Seite ist es doch auch Irrsinn, so etwas zu schaffen, oder? Wenn man sich vorstellt, dass ein solcher Raum in die falschen Hände gelangen könnte? Zeitreisen für andere als uns ermögliche könnte? Dann denke ich mir jedoch, dass es wahrscheinlich ein viel, viel größeres Risiko wäre uns für immer in dieser Zeit zu lassen. Wir könnten alles Zukünftige verändern.“ Sie merkte, dass sie zu viele Gedankengänge verfolgte und schloss die Lippen. Dann sah sie wieder zu ihm. „Was denkst du?“
„Ich glaube nicht, dass es so einfach ist, die Zukunft zu verändern.“ Hector kratze sich kurz am Kopf. „Denken wir mal an Hitler als Beispiel. Stell dir vor, ein Zeitreisender geht zurück und will ihn töte, um den Zweiten Weltkrieg zu verhindern. Wahrscheinlich schafft er es nicht einmal, denn das haben schon Zeitgenossen des Mannes versucht und die sind daran gescheitert. Vielleicht tötet er ihn auch und dann übernehmen Göbbels, Himmler oder wer auch immer die Rolle des Diktators und stürzen die Welt in den Krieg.“ Hector zuckte mit den Schultern. „Wahrscheinlich würden wir hier keinen Unterschied machen und irgendwann an einer Blutvergiftung, Cholera oder in einem Krieg sterben.“ Der Ekstatiker lächelte entschuldigend. „Aber soweit möchte ich es auf keinen Fall kommen lassen. Ich möchte in unsere Zeit zurück und ich denke, wir haben Grund zur Annahme, dass uns genau das gelingen wird, immerhin haben wir den Raum ja schon einmal erschaffen. Sag Apollonia, wie viel weißt du über Zeitschleifen?“ Die Hermetikerin konnte hören, dass Hector in seinem Element war und bereits viel über Zeitreisen nachgedacht zu haben schien.
„Nicht viel. Prinzipiell kaum etwas. Vielleicht auch einfach zu viel. Es gibt so viele Abhandlungen zu dem Thema, dass man kaum einen Überblick behält, wer recht haben könnte.“ Fragend sah sie ihn an und wartete auf eine Erklärung.
„Ich weiß auch nur, was mir erzählt wurde. Die Nachforschungen sagen auch viel Unterschiedliches, aber Zeitschleifen sind speziell und das könnte unsere Rettung sein.“ Hector wunderte sich, wieso er nicht viel früher darüber nachgedacht hatte. Natürlich, es war nur eine Theorie, aber zu verlieren hatten sie nichts. „Zeitschleifen sind in sich abgeschlossene Zeitreisen. In unserem Fall wäre das quasi so – wir kreieren den Raum für die Zeitreise, oder helfen zumindest dabei im Jahr 1618, aber um dazu in der Lage zu sein, müssen wir überhaupt erst einmal hierher gereist sein. Ich weiß, das klingt verrückt, aber wahrscheinlich ist unsere Anwesenheit hier viel weniger eine Störung in der Zeit als wir vielleicht denken.“ Hector lehnte sich zurück. „Die gute Nachricht dabei ist, dass wir wissen, dass Bram sich an die Burg erinnert hat, indem er das Bild gemalt hat.“ Der Ekstatiker breitete die Arme aus. „Ergo müssen wir auch wieder irgendwann in unsere Zeit zurückgekehrt sein, was bedeutet, dass es auf jeden Fall einen Ausweg gibt. Ich weiß das ganze ist kompliziert, aber das hat die Sphäre der Zeit irgendwie immer an sich...“ Hector wartete gespannt auf Apollonias Meinung.
„Ich habe vor zig Jahren mal das Glück gehabt in einer Bibliothek ein uraltes Schriftstück zu dem Thema zu lesen. Der Autor hatte die interessante Theorie, dass es nicht eine Vergangenheit, Gegenwart oder Zukunft gibt, sondern von Anbeginn der Zeit so viele wie eben notwendig. Für was notwendig wusste er auch nicht. Ist das mit Zeitschleifen gemeint?“ Sie wartete einen Moment. „Er hatte auch die Theorie, dass Zeitsprünge möglich wären, wenn man berücksichtigen würde, dass es keinen Fluss der Zeit gäbe, sondern dessen Wasser überall sei. In der Luft, in einem Wasserfall, einer Quelle.“ Sie verdrehte die Augen. „Viele abstrakte Theorien. Das ist glücklicherweise dein Metier, nicht meiner.“ Sie lächelte ermutigend. „Du hast auf jeden Fall recht. Wenn Bram sich an die Burg erinnert hat, dann ist er, und wahrscheinlich auch wir, aus dieser Zeit wieder raus gekommen.“
„Die Idee, die Zeit als Fluss darzustellen ist eh überholt und fehlerhaft, da stimme ich dir zu.“ Hector nickte zustimmend. „Leider mangelt es an besseren Alternativen für die Metapher. Die Frage ist ja jetzt vor allem, wie wir weiter vorgehen. Ich habe gestern Nacht daran gedacht, dass deine Familie ja noch immer diese Burg besitzt und eben auch magisch bewandert ist. Wir sollten die Burgherren aufsuchen und im Idealfall um Hilfe bitten. Die Chancen stehen gut, dass sie uns helfen, immerhin hat deine Familie unsere Handabdrücke über all die Jahrhunderte bewahrt, wissend oder nicht, was es mit diesen auf sich hat.“
Apollonia schüttelte heftig den Kopf. Sie wirkte beschämt und schien mit einer Erklärung zu zögern. „In meiner Familie gibt es einige ehrgeizige Charaktere. Würde jemand aus der Familie davon erfahren, wäre die Gefahr viel zu groß, dass man versuchen würde, die Geheimnisse und die Macht dieses Raumes auszunutzen. Dieser Raum muss zumindest so lange bestehen bleiben, bis der letzte von uns, Simon, wieder in seiner Zeit ist. Also bis 2050… Wir müssen das Geheimnis hüten.“
Hector war von Apollonias Reaktion mehr als überrascht. Mit solch einer Sicht der Dinge hatte er nicht gerechnet. Er vertraute allerdings sehr auf Apollonias Urteilskraft und kommentierte das Gesagte nur mit: „In Ordnung.“ Dann begann er wieder zu überlegen. „Wenn deine Familie als Verbündete ausfallen, denke ich trotzdem, dass wir herausfinden sollten, warum wir gerade in diese Zeit geholt wurden. Wir mögen alle aus verschiedenen Zeiten kommen, aber irgendwer oder irgendwas, wollte uns gerne im Jahr 1618 haben. Wenn wir mehr darüber herausfinden, erfahren wir vielleicht auch wie wir zurückkommen.“
Sie nickte. „Du hast Recht.“ Dann sah sie sich im Raum um. „Um ein Ritual durchzuführen, dass diesen Raum zu dem macht, den wir in der Zukunft gesehen haben, brauchen wir viel Energie: Ein Gewitter würde uns sehr nützen… Die schwarze Farbe, so meint Tia, könnte pulverisiertes Lavagestein sein. Das Weiß darauf Salz aus dem Himalaya mit Mondstein um die Haltbarkeit zu gewährleisten. Geweihte Kerzen würden die Kräfte bündeln.“ Hector merkte, dass Apollonia wahrscheinlich schon öfters Rituale durchgeführt, oder ihnen zumindest beigewohnt hatte.
Dem Ekstatiker kam ein Gedanke, während er Apollonia zuhörte. Dieser Raum war ein Kraftort. Ein mächtiger noch dazu, was nicht sonderlich verwunderlich war, da für einen Zauber dieser Art selbst im weitaus mythischen Jahr 1618 fiel magische Macht benötigt wurde. Dennoch begann Hector den Raum etwas genauer zu untersuchen, vielleicht konnte er ein paar der Utensilien identifizieren, die für diesen Zauber genutzt wurden. Möglicherweise gab es noch Hinweise, denn bestimmte Dinge waren Zeitzaubern sehr zuträglich, wie zum Beispiel Bernstein. Das versteinerte Harz, insbesondere mit Einschlüssen, war allgemein einer der mächtigsten Zeitfoki überhaupt. Der Bernsteinstrom der Ekstatiker in Prag hatte daher seinen Namen und Hector hatte gehört, dass dies das erste Gildehaus der Zeitmagier in Europa war, gegründet an dem wichtigsten Bernsteinhandelsweg, der zu Zeiten des Römischen Reiches bis an die Ostsee reichte, wo das wertvolle Material gefunden wurde. Anderes waren Dinge wie ewige Diamanten, Marihuana, welches die Zeitwahrnehmung beeinflusste oder auch einfach nur alte Spirituosen. Ein Whisky, zwölf Jahre im Fass gereift, war selbst für nicht magische Menschen nichts anderes als verkorkte Zeit.
Die Energie, die den Raum durchströmte war stark. Er selbst kannte sich mit Kraftorten aus, da er auf einem lebte. Aber dieser war um vieles mächtiger. Als er ihn durchschritt bemerkte er die glühenden Holzscheite, die noch immer brannten, obwohl niemand seit der letzten Nacht Holz aufgelegt hatte, da war Hector sich sicher. Als er prüfend mit der Hand die Hitze erspürte, bemerkte er nur eine schwache, angenehme Wärme. Er konnte die glühenden Holzstückchen mühelos in die Hand nehmen: Tass!
Apollonia wirkte angespannt. „Mit Ausnahme der geweihten Kerzen werden wir die ganzen Dinge, die wir benötigen, hier auf dieser Burg nicht bekommen. Ich wüsste nur einen Ort, an dem das möglich sein könnte.“
„Wir können zumindest das Tass nutzen.“ Hector zeigte auf das Holz, während er Apollonia zuhörte. „Was genau meinst du? Denkst du wir müssen nach Prag?“
Sie nickte. „Ja, das vermute ich. Dort wird es wahrscheinlich schon jetzt Magi geben, die magische Gegenstände verkaufen.“ Sie musterte ihn fragend. „Ich habe nur ein paar Monate in Prag verbracht, du deutlich länger. Hast du eine Ahnung welche Magi aus unserer Zeit im Jahr 1618 schon in Prag leben könnten? Vielleicht könnten wir dort zumindest nach einem magischen Krämerladen fragen.“
Hector wirkte überfragt. „Keine Ahnung. Den Bernsteinstrom gibt es auf jeden Fall und mit ihm die ewigen Zeugen. Karst rennt vermutlich auch irgendwo rum, immerhin ist er der älteste Magier von Prag.“ Hector überlegte. „Vielleicht gibt es auch schon einen Vorläufer zum Schwarzmarkt? Aber das ist nur eine Vermutung.“
Apollonia wirkte als hätte sie Mut geschöpft. „Karst, vielleicht Unorna und der Schwarzmarkt… Die ewigen Zeugen. Das klingt nach einigen wirklich guten Anhaltspunkten. Ich würde vorschlagen, dass ich und ein oder zwei andere unserer Gruppe hier in der Burg bleiben und alles soweit als möglich vorbereiten. Du solltest nach Prag gehen. Immerhin hast du einige Jahre in der Hauptstadt verbracht und kennst dich vielleicht sogar zurecht, wenn du keine modernen Häuser um dich rum findest. Was denkst du?“
Der Vorschlag klang zu Hectors eigener Überraschung sinnvoll. „Das ganze Unterfangen wird wohl eine Weile dauern, aber vielleicht ist es unsere beste Chance.“ Der Magier ließ den Blick zur Tür des Raumes schweifen. „In jedem Fall ist es gut, wenn wir uns ein bisschen verkleinern. Sobald die Hochzeit vorbei ist, wird unsere illustre Gruppe Aufsehen erregen.“ Hector kam noch eine andere Idee. „Vielleicht können wir uns ja einigen der anderen Gäste in Richtung Prag anschließen. Ich habe mal in einem historischen Roman gelesen, dass in diesen Zeiten das Reisen in größeren Gruppen immer besser ist.“
„Du liest historische Romane?“ Apollonia schmunzelte. Man konnte ihr ansehen, dass sie gerne noch etwas anderes gesagt hätte, aber sie wurde wieder ernst. „Wer von uns, denkst du, kann dich am besten in Prag unterstützen? Wen willst du mitnehmen? Und dann bleibt noch die Frage, wie man am besten nach Prag kommt. Kutsche? Pferd? Schiff?“

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 Betreff des Beitrags: Re: Prag I: Hector
BeitragVerfasst: Mo 9. Jan 2023, 20:42 
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„Also Ken Follet sollte jeder zumindest einmal eine Chance geben. Bernard Cornwells Bücher sind großartig recherchiert und wenn man deutschen Autoren einmal eine Chance geben will, kommt man an Iny Lorentz nicht vorbei. Mein Geheimtipp ist aber im Moment Volker Kutscher. Die goldenen oder bessert gesagt nicht so goldenen Zwanziger bereitet er echt atmosphärisch und spannend auf.“ Hector wurde auch wieder ernster, während er über Apollonias Frage nachdachte. „An Pferde werden wir kaum herankommen, genauso wenig an Schiffe oder Kutschen. Wir sollten uns an die Straßen halten und hoffen das sich auf dem Weg was ergibt. So bewegen wir uns wenigstens in die richtige Richtung.“ Die Frage seiner Reisegefährten war schon komplizierter zu beantworten. „Simon fällt schon einmal aus, denn eine Reise mit Kind, noch dazu einem stummen, macht alles noch komplizierter. Bram sollte trotz unserer gemeinsamen Geschichte auch mitkommen, da er sich auch in Prag auskennt. Das lässt nur Tia und hier stellt sich die Frage, ob es besser ist zu zweit oder zu dritt zu reisen. Was denkst du?“

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 Betreff des Beitrags: Re: Prag I: Hector
BeitragVerfasst: Mo 9. Jan 2023, 22:18 
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Als Hector begann die Autoren historischer Romane aufzuzählen, sah sie ihn etwas irritiert an, ob aus Anerkennung oder Verwunderung konnte man schlecht abschätzen. Es war schwer eine Vermutung darüber anzustellen, ob sie je etwas anderes las als magische Manuskripte, verschollene antike Schriften und zerfallende Papyri. Sie konzentrierte sich auf die Frage der Reise nach Prag. „Bezüglich der Pferde verfügen wir wahrscheinlich tatsächlich nicht über die nötigen finanziellen Mittel um welche zu erstehen. Aber ich habe keine Ahnung, was hier ein Pferd kostet. Tia ist es anscheinend gelungen, dem Bruder der Braut, irgendeinem Fürsten hier, die Geldbörse zu entwenden. Er soll in ziemlich angetrunkenem Zustand so unvorteilhaft gestolpert sein, dass er sie zufällig verloren hat. Und Tia hat sie genauso zufällig aufgelesen. Das sollte uns weiterbringen. Allerdings müsstet ihr reiten können oder die Pferde davon überzeugen euch freiwillig zu tragen. Auf einem Schiff die Moldau hinunter wäre keine so absurde Idee. Man könnte eine Fahrt kaufen oder anheuern. Der Fluss fließt recht schnell und es sollte nicht allzu lange bis Prag dauern.“ Apollonia goss ihnen aus einer Kanne eine durchsichtige, leicht bräunliche Flüssigkeit ein, bei der es sich wahrscheinlich um Kräutertee handelte und stellte einen hölzernen Becher vor Hector ab. „Simon könnte man mitnehmen. Das kleine Mädchen klebt zwar an ihm, aber ich denke, zur Not könnte man es von ihm trennen. Ich denke, er ist ein ziemlich fähiger Magier, nach allem was die blonde Frau erzählt hat. Allerdings auch eher schweigsam, eher unnahbar und wahrscheinlich ist es auch nicht gerade unauffällig, wenn er in einem Gasthaus mitten in der Nacht plötzlich im Schlaf von Albträumen gepeinigt wird und vielleicht losschreit.“ Auch wenn sie in neutralem Tonfall sprach, legte sich für einen Moment ein Schatten auf ihre Züge. „Tia von Waldstein macht einen etwas arroganten Eindruck, kennt sich aber wahrscheinlich mit den Gepflogenheiten und Hierarchien dieses Jahrhunderts und in Prag etwas besser aus als wir. Ich schätze, sie ist bewandert in Gedanken- und Zufallsmagie aus. Bram kannst du wahrscheinlich selbst am besten einschätzen…“ Sie sah fragend zu ihm. „Sowohl seine Mutter als auch sein Vater haben auf ihn eingeredet und versucht ihn von ihrer Tradition zu überzeugen. Was bei Bram dazu geführt hat, dass er sich erst mal gar nicht festlegen wollte. Er kann vieles ein wenig.“ Sie zuckte mit den Schultern. „Meine Tante hat immer gesagt, dass er unglaubliches Potential hatte.“ Sie schluckte als sie bemerkte, dass sie die Vergangenheitsform verwendet hatte. „Auf jeden Fall wird er sich in Prag gut auskennen. Er ist ja, glaube ich, dort aufgewachsen, oder?“ Sie überlegte. „Ich weiß nicht, ob eine Reise zu zweit oder zu dritt einfacher ist. Wahrscheinlich kommen zwei junge Männer schneller und mit weniger Aufsehen an ihr Ziel. Außerdem haben es Frauen fast per se schwerer in einer Zeit wie dieser. Allein immer die Notwendigkeit zwei Zimmer im Gasthaus mieten zu müssen…“ Apollonia sprach ihre Gedankengänge offen aus.

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