Sa 24. Apr 2021, 23:30
Der Gangrel nickte und wirkte unwillkürlich irritiert vom merkwürdigen Benehmen des Magus. „Mir scheint ihr missversteht mich. Mir soll es sehr recht sein und ich bin auch sehr dankbar, wenn ihr eine rasche Alternative für mein aktuelles ‚Problem‘ findet. Nur es muss unverzüglich erfolgen, ich möchte nichts riskieren. Es bleibt keine Zeit das Für und Wider einzelner Optionen abzuwägen, deshalb sagte ich ja: Was immer eine Katastrophe abwenden mag, muss jetzt geschehen. Ansonsten bleibt mir nur die Jagd. Lasst uns gehen.“ Dem Rest nickte er nur knapp zu und verabschiedete sich mit den Worten: „Geht schon vor, wir kommen nach. Einer von uns auf jeden Fall.“ Ein grimmiges Lächeln schmückte die fahlen Lippen.
Bei Luciens Worten zuckte der Magier zusammen. Es widerstrebte ihm ganz offensichtlich weiter zu gehen, aber er bemühte sich dennoch sich nichts anmerken zu lassen, straffte die Schultern und setzte mit so geradem Gang wie möglich einen Fuß vor den anderen. Henri ließ ihn gewähren. Offensichtlich hatte der Streit, woru auch immer es gegangen sein mochte, die beiden Brüder derzeit so weit entzweit, dass der eine nicht bereit war dem anderen zu folgen, mochte vielleicht auch Gefahr mit der Aktion verbunden sein.
Baldric ging voraus und durchschritt schließlich ein recht unscheinbares Portal am Ende von verwinkel-ten und unübersichtlichen Hallen und Zimmerchen.
Die Tür fiel hinter Kainit und Magus ins Schloß und ein Schwall kühler, duftdurchwirkter Luft schlug dem Hauptmann mit einem Windhauch entgegen.
Lucien roch Zitronen und Orangen, Lavendel, Altlaszeder und tausend andere undefinierbare Gerüche. Sie befanden sich in einem ausladenden, ummauerten Garten in dem Wasser plätscherte und grüne Pflanzen sprossen: eine Oase in diesen Landstrichen.
Baldric atmete tief ein und wirkte größer und lebendiger. Dann drehte er sich zu Lucien um. „Nach al-lem, was ich mitbekommen habe, dürstet ihr oder das Monster in eurem Inneren nach Blut. Wenn ihr es nicht erhaltet, werdet ihr alles tun, damit sich dieser Zustand ändert…“ Er sah Lucien fragend und her-ausfordernd an und wartete auf eine Antwort des Gangrel
Das Tier in ihm knurrte bedrohlich und sein Fell sträubte sich merklich, als er dem jungen Magus durch ein unscheinbares Portal aus den wirren und verwinkelten Gängen der ihm unbekannten Anlage folgte. Der Anblick wäre beruhigend, angenehm und vielleicht sogar ‚schön‘ gewesen, wäre da nicht dieser elende Abgrund aus mörderischer Blutgier gewesen, der alles vernebelte. Der Geruch jedoch, das muss-te selbst Lucien in diesem Zustand zugeben war angenehmer als in den modrigen, steinernen Hallen. Alles was auch nur im Entferntesten anders roch als das, was er sich mittlerweile nicht einmal mehr in seinen Gedanken vorzustellen wagte, aus Angst die Kontrolle zu verlieren, war Balsam für die sterbliche Seele in ihm. Der Gangrel öffnete den Mund und seine Stimme klang rau. Er musste sich konzentrieren, um zu schlucken und seinen Hals zu befeuchten. „So ist es. Es ist ein Verlangen, eine Begierde, ein Fluch, wenn ihr so wollt dem niemand von uns, nicht einmal die Erfahrensten und Ältesten, Trickreichsten und Intrigantesten von uns entkommen können. Niemand entkommt dem Hunger. Er definiert unsere Art und eint uns, ob wir wollen oder nicht. Von Brügge bis ins Morgenland. Keiner kann sich dieser Natur erwehren. Es ist, was wir sind. Auch wenn viele es verleugnen oder nicht wahrhaben wollen.“ Er sah sich eilig um. „Eine Oase in der Nähe der Stadt? Und gut gepflegt nehme ich an?“ Er ballte die Hände ab-wechselnd zu Fäusten. Der Wolf arbeitete und nagte weiter an ihm. „Bauern? Gärtner? Abendliche Lie-bespaare?“
Baldric schnaubte empört und sah Lucien ungläubig an. „Weder noch. Glaubt ihr, ich liefere euch hier ein paar Unschuldige aus, damit ihr sie in den Tod schickt.“ Er schüttelte den Kopf und schluckte dann. „Eure Selbstgefälligkeit ist erschreckend und ich verstehe, glaube ich, mittlerweile warum so viele Magi euch ins Jenseits befördern wollen. Woher nehmt ihr die Arroganz euer eigenes Leben über das so vie-ler, vieler Anderer zu stellen. Wenn je etwas Menschliches in euch gewesen ist, müsst ihr diesen Weg schon lange verlassen haben.“ Er presste die Lippen aufeinander atmete dann tief ein und ließ die Luft zwischen den Zähnen wieder entweichen. „Ich bin nicht hier um euch Vorhaltungen zu machen. Für so-was haben wir keine Zeit.“ Er sah dem Hauptmann fest entgegen auch wenn er wohl eine Handbreit kleiner war als der hochgewachsene Gangrel. „Ich bin in der Regel recht gut darin zu heilen. Andere und mich selbst. Ein Blutverlust sollte für mich ein Problem sein, dass ich aus der Welt schaffen kann.“
Lucien trat einen Schritt näher an den Mann heran und wirkte nun seinerseits aufgebracht und verärgert ob der Anschuldigungen, die ihm entgegengebracht wurden. Weder war dies der rechte Ort noch die rechte Zeit dafür derartiges zu diskutieren. Und schon gar nicht war es der geeignete Zeitpunkt ihn noch mehr zu reizen, als es ohnehin schon der Fall war. Auch ohne die bitteren, hasserfüllten und abfälligen Worte des Magiers, hatte der Hauptmann bei Gott genug mit sich selbst zu kämpfen. Er biss die Zähne zusammen und verfiel in ein grimmiges Französisch. „Und wer gibt euch bei allem woran ihr glaubt, was ihr bereits gelernt, gesehen und selbst erfahren habt; bei all den Schleiern dieser Realität, die ihr bereits gelüftet habt und eure tapsigen Finger einem Kinde gleich danach austreckt die Arroganz und das Recht über mich zu urteilen Sterblicher?“ Er machte noch einen Schritt nach vorne, blinzelte nicht und seine grauen Augen erglühten für den Augenblick in einem dunklen Rot. „Ich habe mir diese Existenz nicht ausgesucht, ich habe darum nicht gebeten, genauso wenig wie ihr! Und doch stehen wir hier, wissen so wenig voneinander abseits von allen Lügen, Märchen und Halbwahrheiten und glauben einander richten zu dürfen. Jeden Tag und jede Nacht kämpfen wir. Für Geld, Liebe, Hass, Freundschaften, Ruhm und Macht, Ehre und das nackte Überleben und niemand weiß, wie es sich in den Schuhen des anderen an-fühlt.“ Lucien machte eine wegwerfende Bewegung. „Ihr seid nur wieder ein eingebildeter, verwöhnter und intellektueller Adelsspross, der meint mit einem Blick und einem Furz voll Magie, die ihm einfach in die Wiege gelegt wurde, über das Für und Wider, das Los der Welt und alle Zusammenhänge, Rätsel und moralischen Werte urteilen zu wollen. Ihr habt keine Ahnung wie es ist verdammt zu sein jede Nacht zu morden und zu jagen, zu töten, um nicht selbst getötet zu werden. Für euch wird dies alles hier, dies alles…“ Lucien machte eine weitschweifende Geste, die den ganzen Garten und das Umland umfasste, „… einmal nicht mehr sein, wenn ihr nicht mehr seid. Ich werde dann immer noch hier sein. Ich werde hier sein, wenn eure Kinder ihren Kindern einen Gute-Nacht Kuss geben und ich werde auch immer noch hier sein, wenn diese Kinder im nächsten großen Krieg, der nächsten Intrige der nächsten unheilvollen Krankheit zum Opfer fallen. Ich werde ihre Gräber zählen während Städte aufgehen wie gleißende Ster-ne und wenn Imperien fallen. Was wisst ihr von der Unendlichkeit des Daseins? Was wisst ihr schon vom Preis, den man dafür zahlt? Nichts. Rein gar nichts. Es stünde euch Demut zu Gesicht, würden einige von uns behaupten aber ich bin niemand der Knechtschaft und Respekt fordert, nur weil er meint die Jahr-hunderte in denen alles was lebt zu Staub wurde, gäben ihm das Recht dazu. Ich werde euch auf eurem Totenbett besuchen Magus und eure Hand halten. Dann sprechen wir erneut über euren Hochmut. Viel-leicht seid ihr dann erwachsen geworden und ich nicht vollständig dem Verfallen, wovor ihr euch am meisten fürchtet: Eurem Spiegelbild. Monster werden nicht geboren Sterblicher. Monster werden ge-macht.“
Lucien schnaubte und reckte den Kopf nach links und rechts, sodass die Knochen und Sehnen nur so knackten. „Ich verzichte auf eure Milde Gabe, Magier. Diese Anfeindungen bringen euch nichts und mir ebenfalls nicht. Und schon gar nicht dem Tier, das euch jeden Moment verschlingen könnte, auch wenn ihr euch in eurer eigenen Selbstgefälligkeit ach so sehr in Sicherheit wiegt. Ich gehe jetzt und suche mir ein Opfer in der Stadt, denn mein Blutdurst wird euch trotz eurer magischen Allmachtsfantasien töten.“
Baldric schüttelte erneut ungläubig den Kopf. „Für was haltet ihr euch, Sabatier? Einen verfluchten Gott, erhaben über alles Sterbliche, der glaubt, nur weil Leben vergänglich ist, darüber zu stehen? Weil Leben ihn nicht mehr tangiert? Nur weil ihr so abgestumpft seid, weil ihr Verlust habt erleiden müssen, gibt euch das das Recht über Leben und Tod zu entscheiden. Ihr habt die Möglichkeit Blut von den Untoten eurer Art anzunehmen und dennoch lehnt ihr es ab, aus Angst vor Kontrollverlust, aus Stolz? Ihr könntet von einem Menschen etwas Blut nehmen und ihm seine Existenz lassen, aber warum solltet ihr, nicht wahr? Ihr steht über den einfachen Belangen der Sterblichen… Ihr nehmt jemadem das Einzige, was er in dieser kurzen Zeit hat: sein Leben. Einer Frau den Gatten, hungrigen Kindern den Vater ohne mit der Wimper zu zucken, vernichtet Nacht um Nacht Leben nur weil ihr es könnt.“ In Baldric kochte die Wut, wie Lucien mühelos erkennen konnte. So wie auch Lucien selbst war der junge Magus nicht gewillt, klein bei zu geben. „Ihr wollt mir erzählen wie klein und unbedeutend ich sein mag: Das mag sein. Im Ver-gleich zu einem Gott wie euch. Vielleicht vernichtet ihr mich mit einem einzigen Hieb eurer Klauen oder reißt mir mit euren Zähnen den Hals auf. Das ist es doch, was ihr mir androhen wollt!“ Er ballte die Fäus-te. Dann wurde seine Stimme leiser „Vergesst es, Sabatier. Streift durch die Straßen der Stadt wie ein tollwütiger Hund, wenn ihr es so wollt. Verbeißt euch im Körper eines Unschuldigen, bis ihr ein kleines bisschen Leben in euch selbst spürt, das ihr alleine zu schaffen nicht mehr fähig seid! Und möge euch irgendwann für das, was ihr tut Gerechtigkeit widerfahren!“ Er trat einen Schritt zurück und vollführte mit der Rechten eine fließende Bewegung vor seinem Körper, die die Luft kaum merklich für einen Wimpernschlag in Bewegung setzte. Der Hauptmann erkannte, dass das Gespräch für den jungen Fran-zosen beendet war.
„So sei es denn. Dies ist wahrlich nicht der Moment darüber zu entscheiden wer von uns oder ob über-haupt irgendjemand auf dieser Welt sich erdreisten darf über Leben und Tod zu richten. Ich schone Le-ben, wo ich kann, ich töte, wenn ich muss. Gelegentlich rette ich sogar ein Leben. Das ist der Lauf der Dinge. Allein der Versuch zählt für das eigene Gewissen aber wohl auch nicht darüber hinaus, wenn ich mir im Laufe meiner Existenz rückblickend ansehe, wozu die Menschen fähig sind einander anzutun, für weitaus weniger als das eigene, nackte Überleben. Denn darum geht es hier für mich, um nicht mehr oder weniger.“ Er stapfte knurrend an dem Magus vorbei. „Ich werde mich nach Kräften bemühen mei-ne Beute zu schonen aber darüber hinaus kann ich für nichts garantieren. Dank euch dürfte sich das nun noch schwieriger gestalten. Enttäuschend jedoch, dass der Versuch allein euch und euren überzogenen Moralvorstellungen ebenso nicht gerecht werden kann. Ihr habt mich bereits verdammt, aber ich bin nicht dazu verpflichtet euch vom Gegenteil zu überzeugen oder mich zu rechtfertigen. Ich mache mir keine Illusionen, auf mich wartet nichts Geringeres als die Verdammnis.“ Der Hauptmann wandte sich ein letztes Mal zu ihm um. „Seht gelegentlich selbst in den Spiegel, wenn ihr meint, wieder ein wunder-sames Werk des Wissens und der Menschlichkeit verrichtet zu haben, wenn ihr mit Mächten spielt, die ihr selbst nie begreifen werdet. Und dann fragt euch wahrhaftig: Ist es so sicher, dass jemand wie ich zur Hölle fährt und ihr euch stattdessen einen Platz im Himmelreich verdient habt?“ Lucien setzte seinen Weg unbeirrt fort. Das alles hatte ihn nur wertvolle Zeit gekostet und die ganze Sache nur weiter ver-schlimmert. Elende Magier.
Auf Baldrics Zügen wechselten der Wunsch auf dem Absatz kehrt zu machen und zu verschwinden mit dem Wunsch etwas zu erwidern. Die Entscheidung wurde ihm abgenommen, denn Lucien erkannte eine Gestalt, die aus dem Schatten der Pforte in den dämmrigen Garten trat und konnte an den Umrissen leicht die Gestalt der Garou ausmachen. Sie sah erschöpft aus und Schatten lagen unter ihren Augen. Fragend sah sie die beiden Männer, deren Körperhaltung so angespannt war als würden beiden gleich aufeinander losgehen, an. Dann richtete sie das Wort in Latein an Baldric. „Ihr habt mich in den Garten gebeten, Baldric?“
Der junge Mann schickte nur einen winzigen Augenaufschlag seinen Blick zu Francesca, ohne Lucien aus den Augen zu lassen. „Danke für eure Bemühungen, Signora di Valle. Das, worum ich euch bitten wollte, ist wahrscheinlich hinfällig geworden… Ich hätte eurem… Freund… gerne eine wahrscheinlich blutige Jagd in den Straßen von Damaskus erspart“
Ungläubig sah Francesca zu den beiden Franzosen.
Lucien lachte schallend auf. „Ihr wollt mir euer Blut geben und das von Francesca? Damit ein Sterblicher in diesen Straßen nicht womöglich sein Leben verliert?“ Mit einem sarkastischen Nicken würdigte der Hauptmann die ‚edle Geste‘ des Magiers. „Nobel und geistreich von euch, aber leider hat das Blut von euch und auch Francesca einige unerfreuliche Nebenwirkungen, die wir lieber nicht im Haus unserer Gäste erforschen wollen. Das könnt ihr mir glauben. Denn wenn ich sonst nichts weiß, ich weiß was ich esse und wie es auf diesen toten Leib wirkt. Zudem ist Francesca wahrlich nicht in der Lage mir aktuell helfen zu können, so sehr ich das Angebot schätze. Den Grund dafür zu ergründen, werden wir jedoch auf später verschieben müssen.“ Mit zusammen gekniffenen Augen erforschte er halbherzig die er-schöpfte Gestalt der Garou. Ja er machte sich Sorgen und selbstredend hätte er sie gerne nach ihrem Befinden befragt und ihr womöglich etwas Gutes getan. Aber alle guten Wünsche und Ideen scheiterten an seinem Blutdurst, der umgehend gestillt werden musste. „Ich muss gehen, es eilt. Wir sehen uns bei der Versammlung. Gut möglich, dass ich mich etwas verspäte. Ich hoffe jedoch inständig, dass ich nicht weit ziehen muss um soweit wieder zu Kräften zu kommen, um die Lage dieses Anwesens aus der Vo-gelperspektive wiederzufinden. Gehabt euch wohl und… vielen Dank für eure Mühen.“
Francesca schien noch immer nicht zu begreifen, was hier vor sich ging.
Baldric presste zwischen den Zähnen hervor. „Nein. Ich wollte euch einzig und allein mein Blut geben, Hauptmann. Ich verplane nicht das Blut und die Gesundheit anderer. Ich bin in der Lage mich um einiges rascher als andere zu heilen und ich denke ich kann euch genau das geben, was der Dämon in eurem Inneren will. So viel wie dieser Geist verlangt… Aber nach allem, was ich weiß, fällt es einem Blutsauger nicht einfach aufzuhören mit dem Trinken, wenn er ein Mal auf den Geschmack gekommen ist. Ich ver-traue Francesca hier und ich hätte sie gebeten ein Auge auf uns beide zu haben. Sie ist jederzeit in der Lage dazwischen zu gehen. Auch bei einem Mann wie euch.“
Lucien schloss die Augen, senkte den Kopf und verharrte schweigend einen Augenblick. Ohne sich zu bewegen, ließ er die Ruhe und die erfrischend blumige und angenehme Luft um ihn herum auf seine toten Lungen wirken. Er öffnete nicht die Augen als er sprach. „Ich werde mehr brauchen als ihr mir geben könnt. Mit ein wenig Blut von euch, wäre mein Hunger bei weitem nicht gestillt. Es würde euch töten und es würde jeden anderen töten. Andererseits: Mit etwas mehr Blut im Leib, würden mir nach-folgende Jagden nicht nur einfacher fallen, sie wären auch potenziell weniger tödlich für meine Beute. An und für sich ein guter Gedanke aber um diesen schmalen Grat zwischen Nützlichkeit für mich und Überleben von euch zu erreichen, bedarf es einer immensen Willenskraft. Ein gewaltiger Aufwand, der jederzeit scheitern kann und auch für Francesca böse Folgen haben kann. Die Bauern, Tagelöhner, Die-be und Bettler in den Straßen wären die leichtere, weniger folgenschwere Wahl. Für jeden von uns.“ Er öffnete die Augen und sah zu Baldric. „Wollt ihr dieses Risiko eingehen? Ich kann und werde nicht die Verantwortung übernehmen, für das was geschehen mag, denn ich bin nicht ich selbst sollte es zum Äußersten kommen Baldric.“
Francesca trat zwischen die beiden Männer. „Ich weiß nicht, worum es euch beiden gerade wirklich geht und es ist mir auch egal. Wir haben einen Auftrag und bis der erfüllt ist, haben wir zusammen zu arbeiten.“ Sie sah beide intensiv an. „Wir sind hier in Damaskus, mitten im Feindesland, umgeben von unerkannt reisenden Templern, unsichtbaren Assamiten, feindlich gesinnten Muslimen. Wir können es uns nicht leisten, gegeneinander zu arbeiten.“ Ihr Blick streifte den jungen Franzosen. „Wenn ihr ihm helfen könnt, Baldric, dann tut es. Ich trage die Verantwortung, wenn etwas schief geht.“ Um dann zu dem älteren Mann aus Nimes zu wandern. „… und wenn dir sein Angebot nützt, Lucien, dann nimm es an. Wir haben nicht die Zeit, die du für eine Jagd in den Außenbezirken der Stadt brauchen würdest und die Aufmerksamkeit, die diese vielleicht mit sich bringen würde, können wir uns im Moment auch nicht leisten.“
Luciens Augen funkelten und er sah Francesca einen Augenblick lang prüfend an, bevor er tief seufzte und anschließend nickte. „Nun denn. Wenn ich es nicht mehr kontrollieren kann, wirst du mich von ihm fortreißen müssen. Wenn du mir nicht zuvor den Kiefer brichst, wird das große, fleischige Wunden ver-ursachen, die ihn binnen weniger Augenblicke töten. Diesen Blutverlust wird er nicht überleben, da er dann schon nicht mehr dazu in der Lage sein wird seinen Zauberspruch aufzusagen. Ich werde versuchen mich soweit unter Kontrolle zu halten, um nur soviel zu nehmen mir zukünftige Jagden zu vereinfachen denn…“ er pausierte kurz „… was immer noch kommen mag. Soll er jetzt und hier nicht sterben und wir unsere Mission fortsetzen werde ich auf Gedeih und Verderben noch einmal jagen müssen. In diesem Zustand kann ich den Kalifen nicht aufsuchen. Diese Zeit werdet ihr mir im Nachhinein geben müssen. Versuch mich, nachdem du mich von ihm losgerissen hast, irgendwie außer Gefecht zu setzen.“ Er lach-te. „Und sei zärtlich. Wenn ich wegen dem hier noch einmal drei Nächte außer Gefecht bin, haben wir mit diesem ganzen Aufwand rein gar nichts gewonnen, im Gegenteil, wir verlieren noch mehr kostbare Zeit.“ Der Hauptmann blickte zu Baldric. „Bereit?“
Baldric schien noch immer nicht vollkommen überzeugt zu sein, aber er war bereit, dass, was er sich bereits im Laufe des Tages in den Kopf gesetzt hatte, Lucien aus der unguten Lage, in die ihn der fast vernichtende Kampf mit den Assamiten gebracht hatte, zu verhelfen. Er streifte sich den Handschuh von den Fingern und schob den Ärmel nach oben. Dann zuckte tatsächlich ein Grinsen um seine Mundwinkel. „Meinen Hals bekommt ihr nicht, Blutsauger.“ Die Finger waren lang und gerade, Hände, die nie Schwielen davon getragen hatten.
Lucien führte das Handgelenk zu seinen kalten Lippen. Er spürte die Wärme der Haut und noch während der Bewegung die Gier des Tieres nach der Vita, die sich dahinter verbarg. Mühsam zwang er sich dazu seine Fangzähne nicht noch im selben Moment in das Fleisch zu reißen, sondern im Bereich der Gefäße anzusetzen und dann endlich das Blut zu empfangen. Baldric zuckte in dem Augenblick zusammen als die Fänge seine Haut durchstachen, aber er riss seine Hand nicht zurück. Die Vita des Magus war köstlich und viel reichhaltiger und intensiver als die jedes anderen Sterblichen von dem Lucien je gekostet hatte. Fast ging die betörende Wirkung von kainitschem Blut von ihr aus, vermischte sich mit unbekannten Essenzen und Nuancen, die der Gangrel nie zuvor geschmeckt hatte. Pures Leben… Es viel ihm unsagbar schwer der Raserei, die das Tier in ihm auslösen wollte zu widerstehen. Irgendwo in weiter Ferne spürte er die Hand von Francesca, die sich ihm beruhigend auf die Schulter legte, aber er nahm die Berührung kaum wahr. Er bemerkte wie sich das Blut in seinem untoten Körper ausbreitete und ihn mit Leben er-füllte. Irgendjemand zog seinen Mund vom Handgelenk Baldrics zurück um ihn einige Augenblicke später gleich wieder an die Quelle der heiß begehrten Vita zu lassen. Schließlich gelang es ihm selbst sich loszu-reißen. Er spürte das Blut, das in seinen toten Adern floss.
Lucien ließ sich gesättigt und schwer die Luft in seine toten Lungen saugend neben Baldric fallen. Der Geschmack war neu, ungewohnt und doch potent. Sterblich mit einer Nuance des übernatürlichen. Ein fast greifbarer Funke etwas noch bei weitem größeren als gewöhnliche Vitae, die sein Tier gerade ihn wohliges Verzücken versetzte. Er war satt, zum bersten gefüllt und spürte dieses angenehme, warme und befriedigende Gefühl in jeder Faser seines untoten Körpers. "Wie...", setzte er an. "Wie kann das sein? Ich konnte mich beherrschen und doch, es kann nicht möglich sein das ich gesättigt bin und ihr noch lebt. Das widerspricht allem das menschenmöglich sein sollte. Habt ihr.... eure Magie wirken las-sen?" Er blickte zu Baldric.