Vampire: Die Maskerade


Eine Welt der Dunkelheit
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 Betreff des Beitrags: Poesie, Kunst und co...
BeitragVerfasst: Fr 16. Okt 2009, 20:22 
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Wer Schmetterlinge lachen hört,
der weiss, wie Wolken schmecken,
der wird im Mondschein
ungestört von Furcht,
die Nacht entdecken.

Der wird zur Pflanze, wenn er will,
zum Tier, zum Narr, zum Weisen,
und kann in einer Stunde
durchs ganze Weltall reisen.

Er weiss, dass er nichts weiss,
wie alle andern auch nichts wissen,
nur weiss er was die anderen
und er noch lernen müssen.

Wer in sich fremde Ufer spürt,
und Mut hat sich zu recken,
der wird allmählich ungestört,
von Furcht sich selbst entdecken.

Abwärts zu den Gipfeln
seiner selbst blickt er hinauf,
den Kampf mit seiner Unterwelt,
nimmt er gelassen auf.

Wer Schmetterlinge lachen hört,
der weiss wie Wolken schmecken,
der wird im Mondschein,
ungestört von Furcht,
die Nacht entdecken.

Der mit sich selbst in Frieden lebt,
der wird genauso sterben,
und ist selbst dann lebendiger,
als alle seine Erben.

(Das hat mir gerade eine gute Freundin gepostet. Ich find's ein bisschen schnulzig, aber trotzdem schön.)

_________________
Der Weg zum Ziel beginnt an dem Tag, an dem du die hundertprozentige Verantwortung für dein Tun übernimms.
Dante Alighieri


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Verfasst: Fr 16. Okt 2009, 20:22 


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 Betreff des Beitrags: Re: Poesie, Kunst und co...
BeitragVerfasst: Fr 23. Okt 2009, 12:08 
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Schon mal zum Einstimmen auf Halloween:

Der Rabe von Edgar Allan Poe

Eines Nachts aus gelben Blättern mit verblichnen Runenlettern
Tote Mären suchend, sammelnd von des Zeitenmeers Gestaden
Müde in die Zeilen blickend und zuletzt im Schlafe nickend
Hört' ich plötzlich leise klopfen, leise doch vernehmlich klopfen
Und fuhr auf - erschrocken stammelnd: "Einer von den Kameraden",
"Einer von den Kameraden"

In dem letzten Mond des Jahres, um die zwölfte Stunde war es,
Und ein wunderlich Rumoren klang mir fort und fort im Ohre
Sehnlichst harrte ich des Tages, jedes neuen Glockenschlages;
In das Buch vor mir versenken, wollt ich all mein Schmerzgedenken,
Meine Träum' von Leonoren, meinen Gram um Leonore,
Um die tote Leonore

Seltsame, phantastisch wilde, unerklärliche Gebilde,
Schwarz und dicht gleich undurchsicht'gen nächtig dunklen Nebelschwaden
huschten aus den Zimmerecken, füllten mich mit tausend Schrecken
So daß ich nun bleich und schlotternd, immer wieder angstvoll stotternd
Murmelte, mich zu beschwichtigen: "Einer von den Kameraden",
"Einer von den Kameraden"

Alsbald aber mich ermannend, fragt' ich - jede Scheu verbannend -
Wen der Weg noch zu mir führe: "Mit wem habe ich die Ehre?"
Hub ich an, weltmännisch höflich: "Sie verzeihen, ich bin sträflich,
Daß ich Sie nicht gleich vernommen; seien Sie mir hochwillkommen!"
Und ich öffnete die Türe - nichts als schaudervolle Leere
Schwarze, schaudervolle Leere.

Lang in dieses Dunkel starrend, stand ich fürchtend, stand ich harrend,
Fürchtend, harrend, zweifelnd, staunend, meine Seele ganz im Ohre -
Doch die Nacht blieb ungelichtet, tiefes Schwarz auf Schwarz geschichtet,
Und das Schweigen ungebrochen, und nichts weiter ward gesprochen,
Als das eine, flüsternd, raunend, das gehauchte Wort: "Leonore"
Das ich flüsterte "Leonore!"

In mein Zimmer wiederkehrend und zum Sessel flüchtend,
während Schatten meinen Blick umflorten, hörte ich von neuem klopfen,
Diesmal aber etwas lauter, gleichsam kecker und vertrauter.
An dem Laden ist es, sagt' ich, und mich erheben wagt' ich,
Sprach mir Mut zu mit den Worten: "Sicher sind es Regentropfen"
"Weiter nichts als Regentropfen".

Und ich öffnete: Bedächtig schritt ein Rabe groß und nächtig,
Mit verwildertem Gefieder ins Gemach und gravitätisch
Mit dem ernsten Kopfe nickend, flüchtig durch das Zimmer blickend,
Flog er auf das Türgerüste, und auf einer Pallasbüste
Ließ er sich gemächlich nieder, saß dort stolz und majestätisch,
Selbstbewusst und majestätisch.

Ob des herrischen Verfahrens und des würdigen Gebarens
Dieses wunderlichen Gastes schier belustigt sprach ich:
"Grimmer Unglücksbote des Gestades aus dem Flußgebiet des Hades
Du bist sicher hochgeboren, kommst du gradwegs von den Toren
Des plutonischen Palastes? Sag, wie nennt man dich Dort - "Nimmer!"
Hört ich da vernehmlich: "Nimmer!"

Ob Wahrlich, ich muß eingestehen, daß mich eigene Ideen
Bei dem dunklen Wort durchschwirrten, ja daß mir Gedanken kamen,
Zweifel vom bizarrsten Schlage; und es ist auch keine Frage,
Daß dies seltsame Begebnis ein vereinzeltes Erlebnis:
Einen Raben zu bewirten mit solch ominösem Namen,
Solch ominösem Namen.

Doch mein düsterer Gefährte sprach nichts weiter und gewährte
Mir kein Zeichen der Beachtung. Lautlos, stille ward's im Zimmer
Bis ich traumhaft, abgebrochen (halb gedacht und halb gesprochen)
Raunte: "Andre Freunde gingen, morgen hebt auch er die Schwingen,
Läßt dich wieder in Umnachtung."
Da vernahm ich deutlich: "Nimmer."

Stutzig über die Repliken, maß ich ihn mit scheuen Blicken,
Sprechend: Dies ist zweifelsohne sein gesamter Schatz an Worten
Einem Herren abgefangen, dem das Unglück nachgegangen,
Nachgegangen, nachgelaufen, bis er auf den Trümmerhaufen
Seines Glücks dies monotone "Nimmer" seufzte allerorten,
Jederzeit und allerorten.

Doch der Rabe lieb possierlich würdevoll, und unwillkürlich
Mußt' ich lächeln ob des Wichtes: Alsdann mitten in das Zimmer
Einen samtnen Sessel rückend und mich in die Polster drückend,
Sann ich angesichts des grimmen, dürren, ominösen, schlimmen
Künders göttlichen Gerichtes, über dieses dunkle "Nimmer",
Dieses rätselhafte "Nimmer."

Dies und anderes erwog ich, in die Träumeslande flog ich,
Losgelöst von jeder Fessel. Von der Lampe fiel ein Schimmer
Auf die violetten Stühle, und auf meinem samtnen Pfühle
Lag ich lange, traumverloren, schwang ich mich auf zu Leonoren,
Die in diesen samtnen Sesel nimmermehr sich lehnet, nimmer,
Nimmer, nimmer, nimmer.

Plötzlich ward es in mir lichter und die Luft im Zimmer dichter,
Als ob Weihrauch sie durchwehte. Und an diesem Hoffnungsschimmer
Mich erwärmend, rief ich: "Manna, Manna, schick du Gott, Hosianna;
Lob ihm, der die Gnade spendet, der dir seine Engel sendet! Trink,
o trink aus dieser Lehte und vergiß Leonore! - "NIMMER!"
Krächzte da der Rabe. "Nimmer!"

"Nachtprophet, erzeugt vom Zweifel, seist du Vogel oder Teufel -
Triumphierend ob der Sünder Zähneklappern und Gewimmer
Hier, aus dieser dürren Wüste, dieser Stätte geiler Lüste,
Hoffnungslos, doch ungebrochen, und noch rein und unbestochen,
Frag' ich dich, du Schicksalskünder: Ist in Gilead Balsam?" - "Nimmer!"
Krächzte da der Rabe. "Nimmer!"

"Nachtprophet, erzeugt vom Zweifel, seist du Vogel oder Teufel -
Bei dem göttlichen Erbarmen, lösch nicht diesen letzten Schimmer!
Sag' mir, find ich nach dem trüben Erdenwallen einst dort drüben
Sie, die von dem Engelschore wird geheißen Leonore?
Werd' ich sie dort einst umarmen, meine Leonore?" - "Nimmer",
Krächzte da der Rabe. "Nimmer!"

Und auf meinem Türgerüste, auf der bleichen Pallasbüste,
Unverdrossen, ohn' Ermatten, sitzt mein dunkler Gast noch immer.
Sein Dämonenauge funkelt und sein Schattenriß verdunkelt
Das Gemach, schwillt immer mächt'ger und wird immer grabesnächt'ger -
Und aus diesen schweren Schatten hebt sich meine Seele nimmer,
Nimmer, nimmer, nimmer, nimmer.


(Kennt einer von euch richtig gute Horrorgeschichten?)

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 Betreff des Beitrags: Re: Poesie, Kunst und co...
BeitragVerfasst: Fr 23. Okt 2009, 12:40 
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Das finde ich zumindest in der musikalischen Version gruselig:

Regenballade

Ich kam von meinem Wege ab,
weil es so nebeldunstig war.
Der Wald war feucht-kalt wie ein Grab
und Finger griffen in mein Haar.
Ein Vogel rief so hoch und hohl,
wie wenn ein Kind im Schlummer klagt
und mir war kalt, ich wußte wohl,
was man von diesem Walde sagt!

Dann setzt' ich wieder Bein vor Bein
und komme so gemach vom Fleck
und quutsch' im letzen Abendschein
schwer vorwärts durch Morast und Dreck.
Es nebelte, es nieselte,
es roch nach Schlamm, verfault und naß,
es raschelte und rieselte
und kroch und sprang im hohen Gras.

Auf einmal, eh ich's mich versehn,
bin ich am Strom, im Wasser schier.
Am Rand bleib ich erschrocken stehn,
fast netzt die Flut die Sohle mir.
Das Röhricht zieht sich bis zum Tann
und wiegt und wogt soweit man blickt
und flüstert böse ab und an,
wenn es im feuchten Windhauch nickt.

Das saß ein Kerl! Weiß Gott,
mein Herz stand still, als ich ihn sitzen sah!
Ich sah ihn nur von hinterwärts,
und er saß klein und ruhig da.
Saß in der Abenddämmerung,
die Angelrute ausgestreckt,
als ob ein toter Weidenstrunk
den dürren Ast gespenstisch reckt.

"He, Alter!" ruf ich, "beißt es gut?"
Und sieh, der Baumstamm dreht sich um
und wackelt mit dem runden Hut
und grinst mit spitzen Zähnen stumm.
Und spricht, doch nicht nach Landesart, w
ie Entenschnattern, schnell und breit,
kommt's aus dem algengrünen Bart:
"Wenn's regnet, hab' ich gute Zeit"!

"So scheint es", sag ich und ich schau
in seinen Bottich neben ihn.
Da wimmelts blank und silbergrau
und müht sich mit zerfetzem Kiem´,
Aale, die Flossen zart wie Flaum,
glotzäugig Karpfen. Mittendrin,
ich traue meinen Augen kaum,
wälzt eine Natter sich darin!

"Ein selt'nes Fischlein, Alter, traun!"
Da springt er froschbehend empor.
"Die Knorpel sind so gut zu kaun"
schnattert listig er hervor.
"Gewiß seid ihr zur Nacht mein Gast!
Wo wollt ihr heute auch noch hin?
Nur zu, den Bottich angefaßt!
Genug ist für uns beide drin!"

Und richtig watschelt er voraus,
patsch, patsch am Uferrand entlang.
Und wie im Traume heb ich auf
und schleppe hinterdrein den Fang.
Und krieche durch den Weidenhag,
der eng den Rasenhang umschmiegt,
wo, tief verborgen selbst am Tag,
die schilfgebaute Hütte liegt.

Da drinnen ist nicht Stuhl, nicht Tisch,
der Alte sitzt am Boden platt,
es riecht nach Aas und totem Fisch,
mir wird vom bloßem Atmen satt.
Er aber greift frisch in den Topf
und frißt die Fische kalt und roh,
packt sie beim Schwanz, beißt ab den Kopf
und knirscht und schmatzt im Dunkeln froh.

"Ihr eßt ja nicht! Das ist nicht recht!"
Die Schwimmhand klatscht mich fett aufs Knie.
"Ihr seid vom trockenen Geschlecht,
ich weiß, die Kerle essen nie!
Ihr seid bekümmert? Sprecht doch aus,
womit ich Euch erfreuen kann!"
"Ja", klappre ich: "Ich will nach Haus,
aus dem verfluchten Schnatermann."

Da hebt der Kerl ein Lachen an,
es klang nicht gut, mir wurde kalt.
"Was wißt denn Ihr vom Schnatermann?"
"Ja", sag ich stur," so heißt der Wald."
"So heißt der Wald?" Nun geht es los,
er grinst mich grün und phosphorn an:
"Du dürrer Narr, was weißt du bloß vom
Schnater-Schnater-Schnatermann?!"

Und schnater-schnater, klitsch und klatsch,
der Regen peitscht mir ins Gesicht.
Quatsch´ durch den Sumpf,
hoch spritzt der Matsch,
ein Stiefel fehlt - ich acht es nicht.
Und schnatter-schnatter um mich her,
und Enten- ,Unken-, Froschgetöhn.
Möwengelächter irr und leer
und tief ein hohles Windgestöhn...

Des andern Tags saß ich allein,
nicht weit vom prasslenden Kamin
und ließ mein schwer gekränkt´ Gebein
wohlig von heißem Grog durchziehn.
Wie golden war der Trank, wie klar,
wie edel war sein starker Duft!
Ich blickte nach dem Wald
- es war noch sehr viel Regen in der Luft...

Ina Seidel (1885-1974)
( http://www.youtube.com/watch?v=dEWQr2YwyHE )

(Nein, zumindest so spontan nur Comics oder mediales)


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 Betreff des Beitrags: Re: Poesie, Kunst und co...
BeitragVerfasst: Fr 23. Okt 2009, 15:32 
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Beiträge: 1397
http://www.hplovecraft.de/index.php?id=werke

Lese- und Hörproben von H.P.Lovecrafts Geschichten.

Ansonsten empfehl ich mal Dr. Jekyll und Mr. Hyde. Das Buch ist sehr klein und schnell gelesen. Obwohl man die Geschichte schon tausendmal gesehen und gehört hat, ist das Buch dunkel und fies und ein richtig schönes Stück victorianische Horror-Literatur.

:twisted:

_________________
"Alea iacta est." oder "Die Würfel sind gefallen." - Lateinisches Sprichwort


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 Betreff des Beitrags: Re: Poesie, Kunst und co...
BeitragVerfasst: Sa 24. Okt 2009, 22:28 
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Beiträge: 382
Wohnort: Leuvem
Von Hörbüchern her fand ich Edgar Allen Poe - Das Pendel sehr gruselig und habe mich bei den Sinclair Sachen erschreckt. Wobei ich letztere nicht wirklich gut finde.
Als Hörbuch mochte ich auch Haruki Murakami, eigentlich nicht wegen dem Horror, aber vielleicht ist es gruselig wenn man den Ring gruselig fand; könnte ich mir vorstellen...


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 Betreff des Beitrags: Re: Poesie, Kunst und co...
BeitragVerfasst: So 25. Okt 2009, 00:16 
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Beiträge: 487
E.A. Poe
"Die Maske des roten Todes"


Der rote Tod hatte schon lange im Lande gewütet; noch nie hatte die Pest grauenhaftere Verheerungen angerichtet. Blut ging vor ihr her – Blut folgte ihr; überall sah man die Farbe des Blutes, spürte seine Schrecken. Sie brachte stechende Schmerzen und plötzliche Schwindelanfälle mit sich, denen starke Blutungen aus allen Poren folgten, und ließ unerbittlich den Tod zurück. Die scharlachroten Flecken auf dem ganzen Körper und besonders auf dem Gesichte des Opfers waren die Brandmale, die den Unglücklichen von der Hilfe und dem Mitleid der Menschen ausschlossen; und der erste Anfall, der qualvolle Fortschritt und das Ende der Seuche war das schauerliche Werk einer halben Stunde.

Doch Prinz Prospero?! – Prinz Prospero war glücklich, furchtlos und weise. Als seine Besitztümer halb entvölkert dalagen, entbot er tausend lebenslustige Gesellschafter aus dem Kreise der Ritter und Damen seines Hofes zu sich und zog sich mit ihnen in die tiefe Abgeschiedenheit eines seiner befestigten Schlösser zurück. Es war ein weitläufiges, prächtiges Gebäude, eine Schöpfung nach des Prinzen eigenem, wildem, aber großartigem Geschmack. Eine starke, hohe, mit eisernen Toren verschlossene Mauer umgab das ganze Besitztum. Als die Höflinge eingezogen waren, brachte man Schmelzöfen und schwere Hämmer herbei und schmiedete die Riegel an den Toren zu, denn die Verzweiflung sollte weder jählings von außen herein noch die irre Lustigkeit von innen heraus gelangen können. Die Welt draußen mochte für sich selbst sorgen! Es wäre Torheit gewesen, sich um der Zukunft oder der Menschheit willen trübem Nachdenken und Grübeleien hinzugeben! Der Prinz hatte denn auch reichlich für Vergnügungen und Unterhaltung gesorgt. Da waren Spaßmacher, Improvisatoren, Ballettänzer, Musiker, dazu die schönen Damen! und die edlen Weine! Ja, alles das und Sicherheit war im Schloß! Draußen war der rote Tod!
Im fünften oder sechsten Monat, als die Pest im Lande gerade am schlimmsten wütete, lud Prinz Prospero seine tausend Freunde zu einem Maskenballe von ganz ungewöhnlicher Pracht ein.
Die Schar der Masken bot einen berauschenden Anblick dar, doch will ich erst die Räume beschreiben, in denen das Fest stattfand.

Es waren ihrer sieben – eine wahrhaft fürstliche Zimmerflucht! In den meisten Palästen würde sie wohl eine einzige, lange Durchsicht geboten haben, da man im allgemeinen die Flügeltüren nach jeder Seite hin bis fast an die Wand zurückschieben und alle Räumlichkeiten mit einem Blicke durchschweifen konnte. Die Vorliebe des Prinzen für alles Bizarre hatte ihn jedoch bewogen, das Schloß so unregelmäßig bauen zu lassen, daß man zu gleicher Zeit nur wenig mehr als ein Zimmer überschauen konnte. Nach je zwanzig oder dreißig Schritten gelangte man an eine scharfe Biegung, die einem stets den Anblick auf ein neues Bild freiließ. In jedem Zimmer ging zur Rechten und Linken in der Mitte jeder Wand ein hohes, schmales, gotisches Fenster auf einen geschlossenen Korridor hinaus, der den Windungen der Zimmerflucht folgte. Die Scheiben der Fenster waren aus buntem Glase, dessen Farbe mit derjenigen übereinstimmte, die in der Ausschmückung des Zimmers vorherrschte.

Das Zimmer am östlichen Ende der Reihe war zum Beispiel in Blau gehalten, und dem entsprechend strahlten auch die Fensterscheiben in funkelndem Blau.Das zweite Zimmer war mit purpurroten Wandbekleidungen und Zieraten ausgestattet, und auch die Scheiben waren purpurn – das dritte Gemach war ganz in Grün ausgestattet, und zauberhaftes grünes Licht ergoß sich durch seine Fenster. Das vierte Zimmer hatte orangefarbigen Möbel und Beleuchtung, das fünfte Gemach war weiß, das sechste violett – das siebente aber mit schwarzem Sammet ausgeschlagen, der den Plafond und die Wände umhüllte und in schweren Falten auf den Bodenteppich von derselben Farbe und dem gleichen Stoff niederfiel. In diesem Zimmer allein entsprach die Farbe der Fenster nicht der der übrigen Ausschmückung. Hier waren die Scheiben scharlachrot, tief scharlachrot. In keinem der sieben Zimmer war unter dem Überfluß an goldenen Zieraten, die zahllos umherstanden oder von der Zimmerdecke herunterhingen, eine Lampe oder ein Kandelaber zu entdecken. In den Korridoren, welche die ganze Zimmerflucht umschlossen, stand jedem Fenster gegenüber ein massiver Dreifuß, in dem ein Kohlenfeuer loderte, das seine Flammen durch das bunte Glas in das Zimmer warf und ihm so eine glühende Helle und eine stets wechselnde, phantastische Beleuchtung mitteilte. Aber in dem westlichen oder schwarzen Zimmer war die Wirkung, die das feurige Licht der blutroten Scheiben auf den schwarzen Wandbekleidungen hervorbrachte, eine so gespenstische, gab den Gesichtern der Eintretenden ein so gräßliches Aussehen, daß nur wenig kühn genug waren, ihren Fuß über die Schwelle des Gemaches zu setzen.

An der westlichen Wand in diesem Zimmer stand eine riesengroße Uhr aus Ebenholz. Ihr Pendel schwang mit dumpfem, schwerem, eintönigem Schlagen hin und her. Und wenn der Minutenzeiger seinen Kreislauf über das Zifferblatt beendet hatte und das Uhrwerk die Stunde zu schlagen begann, drang aus der metallenen Brust der Uhr ein voller, tiefer, wunderbar musikalisch klingender Ton hervor, der von so besonderem Klange, von so seltsamer Feierlichkeit war, daß nach Verlauf jeder Stunde die Musiker sich wie von einer unerklärlichen Macht gezwungen fühlten, eine Pause zu machen und dem Tone zu lauschen; die Tanzenden mußten plötzlich innehalten, ein kurzes Mißbehagen breitete sich über die ganze fröhliche Gesellschaft. Man sah, während die Glocken des Uhrwerkes tönten, die Leichtfertigsten erbleichen und die Älteren und Gesetzteren, wie in traumhaftem Nachdenken verloren, ihre Stirn in ihre Hand senken. Doch sobald der letzte Schlag verklungen war, brach die Gesellschaft wieder in heiteres Lachen aus, die Musiker blickten einander an, lächelten wie über eine Torheit und gelobten flüsternd, sich beim nächsten Stundenschlage nicht wieder in eine ähnliche Aufregung bringen zu lassen. Aber wenn nach Verlauf von sechzig Minuten (die dreitausendsechshundert Sekunden der flüchtigen Zeit bedeuten) neue Glockenklänge von der Uhr her tönten, dann schrak die fröhliche Maskenschar wie vorher auf und wartete wieder mit banger, verstörter Angst auf ihren letzten Schlag.

Und doch war's trotz allem ein heiteres, köstliches Fest. Der Prinz hatte seinen ganz persönlichen Geschmack. Er liebte seltene Farben und Farbenwirkungen und verachtete alles Herkömmliche. Seine Pläne waren kühn und voller Leben, und aus seinen Entwürfen sprühte die Glut ferner, schöner Zonen. Manche da draußen hatten ihn für wahnsinnig gehalten. Seine Hofgesellschaft wußte, daß dies ein Irrtum war; aber man mußte ihn selbst hören, ihn sehen, mußte mit ihm reden, um wirklich überzeugt zu sein, daß er es nicht war.
Um dieses große Fest zu verschönern, war ein Teil der beweglichen Ausschmückung der sieben Gemächer unter seiner Leitung entstanden, sein eigener, eigenartiger Geschmack hatte auch die Kostüme der Masken bestimmt. Und sie waren wirklich höchst grotesk. Da gab es Farbenpracht und Glanz und Glitzern, viel Phantasie und Pikanterie. Arabeskenhafte Gestalten mit seltsam verrenkten Gliedmaßen wandelten umher und gemahnten wohl an die Traumgebilde eines Tollen. Viel Schönes war da, viel Übermütiges, viel Bizarres, manches Schreckliche und nicht wenig das widerwärtig wirkte. Auf und ab wogte es in den sieben Zimmern, wie eine Menge wirrer Traumgestalten. Und die Masken gingen ein und aus, stets wechselnd, bald zaubervoll, bald spukhaft beleuchtet, und die lauten Klänge des Orchesters durchtönten die Luft wie das Echo ihrer Schritte. Und mitten in den Trubel hinein erklingen dann plötzlich die Glockenschläge der Ebenholzuhr – und für einen Augenblick tritt Totenstille ein, man hört keinen Laut – nichts, nur die Stimme der Uhr! Die Traumgestalten bleiben, wie von plötzlicher Erstarrung ergriffen, auf dem Flecken stehen. Aber kaum ist der letzte Ton verhallt – so erklingt hinter ihm her ein leichtes, halbunterdrücktes Lachen. Die Musik schwillt wieder sanft empor, die erstarrten Träume beleben sich wieder und wogen noch heiterer auf und ab durch das glühen der vielfarbigen Fenster, durch den seltsamen Feuerschein, den die Dreifüße flackernd entsenden. Aber in das westliche der sieben Zimmer wagt sich keine der Masken mehr hinein; denn es ist schon tief in der Nacht und ein grelles Licht dringt durch die scharlachroten Scheiben; und die Düsterkeit der schwarzen Draperien tritt immer erschreckender hervor, und dem, der es wagt, seinen Fuß auf den schwarzen Teppich zu setzen, klingt das dumpfe Ticken der Ebenholzuhr warnender, feierlicher ins Ohr, als denen, die sich in den anderen Gemächern der lauten Fröhlichkeit überlassen.

Aber in den übrigen sechs Gemächern herrsche ein dichtes Gedränge, und fieberhaft pulste dort der Herzschlag des Lebens. Der Festesrausch stieg höher und höher, bis endlich die Uhr die Mitternachtsstunde zu schlagen begann. Und nun, wie bei jedem Stundenschlage, bricht die Musik plötzlich ab; die Tanzenden bleiben starr stehen, überall tritt, wie vorher, eine unheimliche Ruhe ein. Aber diesmal waren es zwölf Schläge, die von der Uhr ertönten, und daher kam es auch wohl, daß in der längeren Zeit den Nachdenklicheren unter den Festgenossen tiefere und ernstere Gedanken kamen. Und daher kam es auch wohl, daß, noch ehe der letzte Schlag in der Stille verklungen war, mehrere aus der Menge sich der Gegenwart einer maskierten Gestalt bewußt wurden, die bis dahin noch keiner von ihnen bemerkt hatte. Als das Gerücht von der Anwesenheit dieser neuen Erscheinung flüsternd die Runde gemacht, ertönte aus der ganzen Gesellschaft ein Murmeln des Staunens, der Mißbilligung – das sich endlich zu einem Ausdruck des Schreckens, des Entsetzens und des Abscheus steigerte.

Es läßt sich denken, daß es schon eine ganze ungewöhnliche Maske sein mußte, die in einer so phantastisch gekleideten Gesellschaft eine derartige Erregung hervorbringen konnte. Die Maskenfreiheit war in der Tat für jene Nacht fast unbeschränkt, aber die unbekannte Erscheinung ging sogar über des Prinzen weitgehendste Erlaubnis hinaus. Selbst in den leichtfertigsten, frivolsten Herzen gibt es Saiten, bei deren Berührung der Mensch erbebt. Und selbst für die Verlorenen, denen Leben und Tod nur noch ein Spott ist, gibt es Dinge, die sie nicht zu ihrem Gespött machen wollen. Die ganze Gesellschaft schien auch hier von dem Gefühl durchdrungen, daß in dem Kostüm und dem Auftreten des Fremden weder Geist noch die geringste Empfindung für Schicklichkeit zu erkennen sei. Seine Gestalt war lang und hager und vom Kopfe bis zu den Füßen in Leichentücher gehüllt. Die Maske, die sein Gesicht verhüllte, war so getreu dem Angesichte eines schon erstarrten Leichnams nachgebildet, daß man auch bei genauester Prüfung die Täuschung kaum erkennen konnte. Doch dies alles hätten die tollen Festgenossen – vielleicht nicht gebilligt, aber doch noch erträglich gefunden. Aber der Vermummte war so weit gegangen, den Typus des roten Todes anzunehmen. Die Laken, die ihn umhüllten, waren mit den grauenhaften scharlachroten Flecken besprenkelt.
Als die Augen des Prinzen Prospero die gespenstische Erscheinung erblickten, welche mit langsamen, feierlichen Schritten, als wolle sie ihre Rolle möglichst gut markieren, zwischen den Tanzenden auf und ab schritt, bemerkte man, daß er im ersten Augenblick in heftigem Schauder, voll Schrecken oder Abscheu, zusammenzuckte. Doch dann stieg ihm die Zornesröte ins Gesicht.
»Wer wagt es«, fragte er mit heiserer Stimme die Höflinge in seiner Nähe, »uns durch diesen gotteslästerlichen Spott zu beleidigen? Ergreift ihn und reißt ihm die Maske ab, damit wir sehen, wen wir bei Sonnenaufgang an den Zinnen des Schlosses aufhängen lassen!«
Der Prinz befand sich im östlichen oder blauen Zimmer, als er diese Worte sprach. Sie tönten laut und klar durch die sieben Räume – denn der Prinz war ein kühner, kraftvoller Mann, und die Musik hatte ein Wink seiner Hand zum Schweigen gebracht.

In dem blauen Zimmer also stand der Prinz, umgeben von einer Schar Höflinge, denen das Blut aus dem Antlitz gewichen war. Als er zu sprechen begonnen hatte, machte sich in der Gruppe eine leichte Bewegung auf den Eindringling zu bemerkbar, der in diesem Augenblick ebenfalls in der Nähe war und jetzt mit gemessenen, majestätischen Schritten auf den Sprecher zutrat. Aber die wahnsinnige Vermessenheit des Vermummten flößte der ganzen Gesellschaft ein so namenloses Entsetzen ein, daß niemand es wagte, Hand an ihn zu legen. Ohne daß ihn jemand aufgehalten hätte, trat er bis auf zwei Schritte an den Prinzen heran, und während die Höflinge wie von einem Gefühl der Angst getrieben aus der Mitte der Zimmer an die Wände zurückwichen, durchschritt er ungehindert, mit demselben feierlichen, gemessenen Schritt, mit dem er gekommen, das blaue Zimmer, dann das purpurne, das grüne, das orangefarbne, das weiße, das violette. Niemand machte eine Bewegung, bis plötzlich Prinz Prospero, rasend vor Wut und Scham über seine eigene, unerklärliche Feigheit –, obwohl ihm niemand von den Höflingen zu folgen wagte, so sehr hatte sie der Schreck gelähmt – durch die sechs Zimmer stürzte. Er schwang einen Dolch und war der vor ihm herschreitenden Gestalt schon auf drei oder vier Fuß nahegekommen, als diese gerade das Ende des schwarzen Gemaches erreicht hatte, sich plötzlich umwandte und den Verfolger anblickte. Ein gellender Schrei erscholl, der Dolch fiel blitzend auf den schwarzen Teppich nieder, auf den einen Augenblick später Prinz Prospero tot hinsank. Nun raffte sich endlich eine Schar der Festgenossen auf! Sie drangen in das schwarze Gemach, ergriffen den Vermummten, dessen hohe Gestalt aufrecht und bewegungslos im Schatten der Ebenholzuhr stand – aber! in wahnsinnigem Entsetzen schrien sie auf, als sie fühlten, daß die Grabgewänder und die Leichenmaske, die sie mit so rauher Gewalt gepackt, keine Gestalt eingehüllt hatten, die greifbar war!

Und nun erkannten sie die Gegenwart des – roten Todes. Er war gekommen wie ein Dieb in der Nacht. Und einer nach dem anderen sanken die Gäste des Prinzen Prospero in den blutbedeckten Sälen ihrer Lustbarkeit dahin und starben in der verzweifelten Stellung, in der sie niedergesunken waren. Die Ebenholzuhr stand mit dem Tode des letzten der Fröhlichen still. Die Flammen der Dreifüße verloschen. Und Finsternis und Verwesung legten sich über das Totenschloß.

_________________
Through action, a Man becomes a Hero.
Through death, a Hero becomes a Legend.
Through time, a Legend becomes a Myth.
By learning from Myth, a Man takes action.
~Corazon~


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BeitragVerfasst: Mi 28. Okt 2009, 11:44 
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Den finde ich richtig klasse. ^^

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BeitragVerfasst: Mi 11. Nov 2009, 23:17 
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Du kommst bei Nacht heraus
Wenn alle Energie versiegt
Die dunkle Seite sichtbar wird
Und Vampire umher streifen.
Du hälst ihnen dein Suizid Gedicht entgegen
Und das Kreuz eines Glaubens, der starb
Lange bevor Gott existierte.

Du versteckst dich verzweifelt in einer Kirche,
Schläfst dort tagsüber, bewacht von leblosen Voodoo Puppen
Und weigerst dich die Suche nach den Geistern,
Die durch die Hallen schweben aufzugeben.
Du wanderst barfuss durch den Schnee
trägst ein sorgenvolles Lächeln, dass sich nicht abwaschen lässt.
Kannst du durch das Fenster blicken, ohne, dass sich dir
Dein schwarzer Schatten in den Weg stellt?

Du bist schön.
Mit deinen Kanten und deinem Zauber
Und so vorsichtig
Wenn ich in deinen Armen bin

Du wachst laut schreiend auf
flüsterst ein Gebet an einen geheimen Gott.
Du nährst damit meine Angst,
hälst deine Tränen zurück und
Lieferst mich deiner Wut und
deinem alles wissenden Grinsen aus
in dem Augenblick in dem der Abend zerrinnt.

Du bist schön.
Ein verflucht schöner Mann.
Du errichtest einen Schrein aus Rasiermessern und
Baust dein Mysterium aus.
Hälst dich fest daran und hälst es in dir,
und wählst stets
so vorsichtig...

("freie Übersetzung" eines meiner Lieblingssongs ^^)

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Der Weg zum Ziel beginnt an dem Tag, an dem du die hundertprozentige Verantwortung für dein Tun übernimms.
Dante Alighieri


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 Betreff des Beitrags: Re: Poesie, Kunst und co...
BeitragVerfasst: Di 24. Nov 2009, 00:16 
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Da ich ja jetzt nicht mehr bei New York bei Nacht bin: (ihr kennt meine Story ja bereits ;) )

Kurzgeschichte:

Er sitzt auf dem Granitboden am Ende des scheinbar endlosen dunklen Korridors, der Mann ohne Gesicht. Das lange, schwarze Haar verdeckt seine Augen, die Stirn, das Kinn.
Er blickt nicht auf. Nie.
Eine Tür an der gegenüberliegenden Wand lässt einen länglichen Streifen grellen Tageslichts in den Korridor fallen. Wie ein schmaler Finger greift es nach ihm.
In der Schwärze der Schatten ist er allein, einsam, aber dem Licht nicht ausgeliefert.

In längst vergangenen Zeiten hatte er sich gewünscht ein besserer Mensch zu sein.
Mit der zerschmetternden Einsicht, dass dieses Schicksal einem Sterblichen auf ewig verwehrt bleibt, hatte er sich für die Finsternis entschieden und hatte auch hier an seinem Scheitern verzweifeln müssen, denn auch das abgrundtief Schlechte war ihm verwehrt worden.
Er war ein Nichts, weder gut noch böse.
Das einzige was er mit jeder verstreichenden Nacht mehr und mehr wurde, war er selbst.

Sie betritt den Korridor. Schwach erkennt er ihre Silhouette vor dem blendenden Licht, hört ihre weit entfernte Stimme.
„Draußen ist es ruhig. Die Sonne dringt durch den Nebel und geht über den Baumwipfeln auf. Sie bringt die grünen Blätter zum Leuchten. Komm mit!“

Er blickt auf seine verbrannten Hände voller Narben. Hände, die erschufen, was wieder zerfiel, die zu zerstören suchten, was nicht zerstört werden konnte.
„Die Sonne wird mir weh tun. Vielleicht irgendwann wenn sie untergeht.“

Ihre Silhouette verschwindet und mit dem Zerrinnen der Stunden wird der bedrohliche Streifen Licht kürzer.

Dann ist sie wieder da, geht auf ihn zu, legt ihre warme Hand auf seinen kalten Arm.
„Draußen ist es schön. Der gelbe Löwenzahn blüht und der Wind bläst seine Blüten über die Felder. Komm mit!“

„Die Sonne wird mich verletzen. Vielleicht irgendwann wenn die Nacht anbricht.“
Seine verstaubte Stimme klingt ihm fremd in den Ohren. Eine dunkle Stimme, an die er sich kaum erinnert, die einst zu Worten fähig war, die niemals in Vergessenheit geraten können. Worte, die untrennbar aneinander binden und Worte, die weiter zu trennen vermögen als Kontinente.

Die Stunden verstreichen und der Lichtkegel zieht sich weiter zurück.
Erneut tritt sie durch die Tür, durchwandert den endlosen dunklen Korridor und bleibt vor ihm stehen. Sie kniet sich zu ihm hinunter, streicht ihm das schwarze Haar aus dem Gesicht und blickt ihm in die grauen Augen.
„Die Sonne geht über den Hügeln unter und taucht die Welt zum letzten Mal in ihr rotes Licht. Draußen bricht die Nacht an. Komm mit!“

„Die Sonne wird mich zu Asche verbrennen…
Vielleicht irgendwann wenn der Mond am Himmel leuchtet.“

Sie geht erneut und ihre Schritte hallen im weiten Korridor.
Dann ist er wieder allein mit den Schatten, die ihn mehr und mehr umhüllen, allein mit dem unaufhörlichen Schlag seines hohlen Herzens. So schwer…, so leblos…
Er wünscht sich ein lebendes Herz, eines das noch den unerträglichen Schmerz empfindet, in dem Moment in dem es zerbricht.

Die Nacht legt sich über die Welt und alles Licht zieht sich zurück. Dunkle Wolken verdecken den Himmel. Er wartet, doch sie kommt nicht. Sie muss sich in der schwarzen Finsternis verirrt haben.

Dann bricht der bleiche Mond durch die Wolken.
Mühsam erhebt er sich und durchschreitet den langen dunklen Korridor bis er in der Tür steht.
Die dunklen Augen des Mannes erblicken die Schatten der Bäume, der Blätter, bleiche Wiesen und Hügel … nichts als schwarze leblose Schatten vom blassen Licht erhellt.

Er tritt einen Schritt zurück und schließt mit letzter Kraft die schwere Tür. Geisterhaft wandelt er zurück zum Ende des scheinbar endlosen dunklen Korridors und setzt sich wieder auf den Granitboden.
Dann lässt er sein Haar zurück ins Gesicht fallen, so dass es seine Augen, die Stirn, das Kinn verdeckt und heißt das Schwarz erneut willkommen.

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Dante Alighieri


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 Betreff des Beitrags: Re: Poesie, Kunst und co...
BeitragVerfasst: Mi 16. Dez 2009, 23:09 
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Meine Lieblingstexte zu Weihnachten (und Sylvester) :) :
Voilà:


Das kleine Mädchen mit den Schwefelhölzern, Hans Christian Andersen

Es war ganz grausam kalt; es schneite und es begann dunkler Abend zu werden; es war auch der letzte Abend im Jahre, Silvesterabend. In dieser Kälte und in diesem Dunkel ging auf der Straße ein kleines, armes Mädchen mit bloßem Kopf und nackten Füßen. Ja, sie hatte ja freilich Pantoffeln angehabt, als sie von zu Hause wegging, aber was konnte das helfen! Es waren sehr große Pantoffeln, ihre Mutter hatte sie zuletzt benützt, so groß waren sie, und die verlor die Kleine, als sie über die Straße eilte, weil zwei Wagen so schrecklich schnell vorbeifuhren. Der eine Pantoffel war nicht zu finden, und mit dem andern lief ein Junge davon; er sagte, daß er ihn als Wiege benützen könne, wenn er selbst Kinder bekomme.

Da ging nun das kleine Mädchen auf den kleinen, nackten Füßen, die rot und blau vor Kälte waren; in einer alten Schürze trug sie eine Menge Schwefelhölzer, und mit einem Bund in der Hand ging sie dahin. Keiner hatte ihr während des ganzen Tages etwas abgekauft, keiner ihr einen kleinen Schilling gegeben; hungrig und verfroren ging sie dahin und sah so verschüchtert aus, das arme kleine Wurm! Die Schneeflocken fielen in ihre langen, blonden Haare, die sich so schön um den Nacken lockten; - aber an die Pracht dachte sie freilich nicht. Aus allen Fenstern leuchteten Lichte, und dann roch es da in der Straße so herrlich nach Gänsebraten; es war ja Neujahrsabend, - ja, daran dachte sie.

Hinten in einer Ecke zwischen zwei Häusern, das eine sprang ein wenig mehr in die Straße vor als das andere, da setzte sie sich hin und kauerte sich zusammen. Die kleinen Beine hatte sie hinaufgezogen unter sich, aber sie fror noch mehr und heimgehen durfte sie nicht, sie hatte ja keine Schwefelhölzer verkauft, keinen einzigen Schilling bekommen, ihr Vater würde sie schlagen. Und kalt war es auch daheim, sie hatten nur grade das Dach über sich, und da pfiff der Wind herein, obschon Stroh und Lumpen in die größten Spalten gestopft waren. Ihre kleinen Hände waren beinahe ganz tot vor Kälte. Ach, ein kleines Schwefelholz konnte gut tun! Hätte sie nur gewagt, eines aus dem Bund zu ziehen, es an der Wand anzustreichen und die Finger daran zu wärmen! Sie zog eines heraus. "Ritsch!" wie das sprühte, wie es brannte! Es war eine warme klare Flamme wie eine kleine Kerze, als sie die Hand darum hielt; es war ein wunderbares Licht! Dem kleinen Mädchen schien es, als säße sie vor einem großen Eisenofen mit blanken Messingkugeln und Messingtrommel; das Feuer brannte so herrlich, wärmte so gut; nein, was war das! - Die Kleine streckte schon die Füße aus, um auch diese zu wärmen, - da erlosch die Flamme. Der Ofen verschwand, sie saß mit einem kleinen Stumpf eines abgebrannten Schwefelholzes in der Hand.

Ein neues wurde angesteckt, es brannte, es leuchtete, und wie der Schein auf die Mauer fiel, wurde sie durchsichtig wie ein Schleier; sie sah ganz bis in die Stube hinein, wo der Tisch mit einem schimmernden weißen Tuch gedeckt stand mit seinem Porzellan, und herrlich dampfte die gebratene Gans, die mit Pflaumen und Äpfeln gefüllt war; und was noch prächtiger war, die Gans sprang von der Schüssel, wackelte über den Boden mit Gabel und Messer im Rücken, ganz hin zu dem armen Mädchen kam sie; da erlosch das Schwefelholz, und es war nur die dicke, kalte Mauer zu sehen.

Sie zündete ein neues an. Da saß sie unter dem herrlichsten Weihnachtsbaum, der war noch größer und noch mehr geputzt als der, den sie am letzten Weihnachtsabend durch die Glastüre bei dem reichen Kaufmann gesehen hatte. Tausend Lichte brannten an den grünen Zweigen, und bunte Bilder wie die, die die Ladenfenster schmückten, sahen auf sie herab. Die Kleine streckte beide Hände hoch, - da erlosch das Schwefelholz. Die vielen Weihnachtslichter stiegen höher und höher, sie sah, es waren nur die klaren Sterne, einer von ihnen fiel und bildete einen langen Feuerstreifen am Himmel.

"Nun stirbt da jemand!" sagte die Kleine, denn die alte Großmutter, die die Einzige war, die gut zu ihr gewesen, aber jetzt tot war, hatte gesagt: Wenn ein Stern fällt, steigt eine Seele empor zu Gott!

Sie strich wieder ein Schwefelholz an die Mauer, es leuchtete im Umkreis, und in dem Glanz stand die alte Großmutter, so hell, so leuchtend, so mild und gesegnet.

"Großmutter!" rief die Kleine, "oh, nimm mich mit! Ich weiß, du bist fort, wenn das Schwefelholz ausgeht, fort, wie der warme Ofen, der herrliche Gänsebraten und der große, prachtvolle Weihnachtsbaum!" - Und sie strich in Eile den ganzen Rest Schwefelhölzer an, die im Bund waren, sie wollte die Großmutter recht festhalten; und die Schwefelhölzer leuchteten mit einem solchen Glanz, daß es heller war als am lichten Tag. Großmutter war früher niemals so schön gewesen, so groß; sie hob das kleine Mädchen auf ihren Arm, und sie flogen in Glanz und Freude so hoch, so hoch! Und da war keine Kälte, kein Hunger, keine Angst - sie waren bei Gott!

Aber in der Ecke beim Hause saß in der kalten Morgenstunde das kleine Mädchen mit roten Wangen, mit einem Lächeln um den Mund - tot, erfroren am letzten Abend des alten Jahres. Der Neujahrsmorgen ging auf über der kleinen Leiche, die mit Schwefelhölzern dasaß, von denen ein Bund fast abgebrannt war. Sie hat sich wärmen wollen, sagte man; niemand wußte, was sie Schönes gesehen, in welchem Glanz sie mit der alten Großmutter zur Neujahrsfreude eingegangen war!



und jetzt mal um einiges optimistischer:
(Ich liebe die Melancholie und "Sehnsucht", die Eichendorff in seinen Gedichten herauf beschwört ^^)

Josef von Eichendorff
Weihnachten


Markt und Strassen stehen verlassen,
still erleuchtet jedes Haus,
sinnend geh ich durch die Gassen,
alles sieht so festlich aus.

An den Fenstern haben Frauen
buntes Spielzeug fromm geschmückt,
tausend Kindlein stehen und schauen,
sind so wunderstill beglückt

Und ich wandere aus den Mauern
bis hinaus ins freie Feld.
hehres Glänzen, heiliges Schauern!
wie so weit und still die Welt!

Sterne hock die Kreise schlingen,
aus des Schnees Einsamkeit
steigts wie wunderbares Singen –
O du gnadenreiche Zeit

_________________
Der Weg zum Ziel beginnt an dem Tag, an dem du die hundertprozentige Verantwortung für dein Tun übernimms.
Dante Alighieri


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