So 31. Mär 2024, 22:31
Während sie sprach trank Herzsprung offenbar noch schnell den letzten Schluck Kaffee aus seiner Tasse und nickte Kazaan knapp zu, die ihn nur nickend anlächelte. Er begann damit an einigen Geräten zu arbeiten, die alle miteinander verkabelt waren und schlussendlich in einer großen Linse, wie von einer Fotokamera mündeten die auf die Decke des Raumes gerichtet war.
Tesarik hatte ein paar schwere Aktenordner vor sich auf dem Tisch liegen und wirkte ungeduldig.
Ihr Begleiter schenkte sich Kaffee aus einer Thermoskanne ein und goß etwas Milch nach; rührte seelenruhig mit einem silbernen Löffel in dem handlichen Gefäß und trank lächelnd einen Schluck. „Ein wunderbarer Kaffee, es freut mich, dass sie darauf bestanden haben sich auf ihrem Territorium zu treffen, sonst wäre ich kaum in diesen Genuss gekommen.“ Er wartete ab, bis Apollonia sich ihrerseits Wasser eingegossen hatte und Kazaan ebenfalls zu den technischen Errungenschaften gratulierte. Kazaan faltete die Hände und lächelte abermals. „Es ist uns ein besonderes Anliegen ihnen dieses Treffen als so angenehm wie möglich zu machen. Sie sind Gäste und wir legen sehr viel Wert darauf, dass dieses Bündniss von Dauer sein möge.“ In Richtung von Apollonia meinte sie bescheiden: „Wir sind bemüht uns stetig zu verbessern, besten Dank.“ Dann räusperte sie sich kurz als sie den drängenden Seitenblick ihres Kollegen bemerkte. „Ich darf noch einmal daran erinnern, dass wir vereinbart hatten das unlautere Mittel während dieses Treffens untersagt sind. Dieses Arrangement beruht auf Beidseitigkeit. Es geht nicht darum sich einen Vorteil zu verschaffen, sondern die uns allen bereits bekannte Situation bestmöglich zum Wohle der Stadt ehebaldigst aufzuklären.“ Martin setzte die Tasse ab und nickte zustimmend. „Sie haben unser Wort, Miss Kazaan. Aber mit Verlaub, wir haben die Details bereits vor dem eigentlichen Treffen erfahren und zugestimmt. Ich würde sie bitten fortzufahren.“ Es herrschte ein kurzer Augenblick der Stille bevor Kazaan bekräftigend zustimmte. „Sie haben gewiss recht, Monsieur Martin. Tesarik?“ Der Mann nickte knapp und aktivierte einen Schalter. Augenblicklich erschien wie durch Zauberhand ein dreidimensionales Bild des Museums, das durch die Linse im hinteren Teil des Raumes über den Tisch projeziert wurde. Es wirkte wie in einem Science-fiction Film. Tesarik räusperte sich und Herzsprung begann zu berichten. „Der Angriff auf das Museum war ein sehr zügiger, hastig durchgeführter und beinahe schon brachialer Akt, der ohne Zweifel viele Fragen und noch mehr Spuren hinterlassen hat. Diese Spuren sind insofern nur von Bedeutung, als dass sich unsere Abteilungen für Schadensbegrenzungen intensiv damit befassen mussten, und auch nach wie vor mit dieser Aufgabe betraut wurden.“ Das Bild änderte sich dreidimensional zu Franti auf dem Boden, daneben Apollonia, kurze Fetzen der Polizeieinsatzgruppe die das Gebäude stürmten und verschiedene Fernseh- und Zeitungsberichte. „Ich werde sie mit den weiteren Einzelheiten nicht langweilen oder dieses Treffen künstlich in die Länge zögern, wichtig sind für uns die Fakten. Und Fakt ist: Technische Geräte und Elektronik wurden nicht von außen gekappt, sondern per Remote-Zugriff teils gehackt, teils mit EMP-Implosionen lahmgelegt. Das war alles nur marginal geplant und wie bereits betont hektisch durchgeführt; man möchte meinen das diese Unterfangen einiges weniger an Aufmerksamkeit nach sich gezogen hätte, wenn der Eindringling vorsichtiger und umsichtiger vorgegangen wäre. Da wir die Identität der Angreiferin aber jedoch mittlerweile eindeutig zuordnen konnten, erklärt sich das so unsaubere Vorgehen der besagten Person.“ Kazaan nickte knapp. „Bitte berichten sie und präzisieren sie.“ Herzsprung nickte abermals und klappte einige Ordner auf, während das Hologram sich abermals zu einem dreidimensionalen Bild eben jener Frau veränderte, die Apollonia in jener Nacht angegriffen hatte. „Adriana Imai, eigentlich Haddie Kaur-Wilson, auch genannt: Die Schädelsammlerin. Ihr Vater war Kanadier, ihre Mutter stammt aus Indien. Zeigte schon früh ein besonderes Talent im Umgang mit chemischen Substanzen.“ Der Mann räusperte sich und sah kurz zu Kazaan, so als ob er sich vergewissern wollte nicht zuviel oder zuwenig zu sagen. Kazaan nahm ihm die Entscheidung ab indem sie sich an die beiden Hermetiker wandte. „Imai gehört der Organisation an, oder besser: gehörte ihr an. Sie wurde für verschiedene Operationen eingesetzt und hat sich durch ihren Erfindungsgeist und Einfallsreichtum als eine besonders talentierte, langjährige Mitarbeiterin hervorgetan. Vor etwas mehr als fünf Jahren, verließ sie die Organisation ohne Angabe von Gründen; sie meldete sich nicht mehr, hinterließ keine Nachrichten, war unauffindbar, erschien nicht zu Treffpunkten.“ Die Frau hob kurz die Schultern. „Wir glauben, dass Imai da sie mit den Strukturen der Organisation vertraut ist, ihren Wirkungsgrad sehr stark reduziert hat und unter dem Radar unserer Möglichkeiten operiert hat. Es ist anders nicht erklärbar wie sie so lange verschwunden sein konnte. Zudem muss sie Hilfe gehabt haben. Die Spuren die sie uns hinterlassen hat, dürfen wir aufräumen aber sie hätte uns bei weitem mehr in die Hand gegeben, wenn sie diesen Anschlag von langer Hand geplant hätte. Es war ein Überraschungsangriff, denn das gab ihr einen entscheidenden Vorteil. Adriana Imai ist sehr gefährlich, klug und weiß wie sie sich bewegen muss um nicht aufgespürt zu werden. Mit Verlaub: Dazu gehört einiges.“
Apollonia nippte an dem kohlesäurehaltigen Wasser. „Können Sie uns etwas über ihre Beweggründe mitteilen? Da sie jahrelang Teil ihres Teams war, sind Ihnen sicher ihre Motivationen gut bekannt.“
Herzsprung nickte knapp. „Lassen sie mich weiter ausführen. Der Überraschungsangriff musste deshalb zügig von statten gehen, da sie über intime Kenntnisse internen Abläufe und Möglichkeiten der Organisation verfügt. Es war ihr vermutlich bewusst, dass sie, sobald sie in Erscheinung tritt, unsere Aufmerksamkeit auf sich ziehen wird und rasch wieder untertauchen musste. Was uns auch einen Hinweis auf die Dringlichkeit ihres Anliegens gibt. Sie hätte es bestimmt nicht riskiert sich bemerkbar zu machen, wenn es keine trifftigen Gründe gibt. Jemand der seine Spuren so lange Zeit so gut verwischen konnte, tritt nicht einfach so in Erscheinung. Sie hat uns auch eine Menge Arbeit hinterlassen, die einiges an Ressourcen bindet. Ein weiterer, cleverer Schachzug. Der Grund warum sie nicht getötet wurden, Fräulein von Waldstein, ergibt sich lediglich aus der Tatsache das Imai sich nicht auch noch die... äh...“. Er warf einen Blick auf seine Dokumente. “... Traditionalisten zum Feind machen wollte. Sie hat in ihrer Eile auch ganz einfach nicht mit ihnen gerechnet.“ Herzsprung sah zu Tesarik, der nun seinerseits eine Fernbedienung in der Hand hielt, die Brille zurecht rückte und ein paar Knöpfe drückte. Das Bild wechselte zu einem kreisenden, schematischen Aufbau des Museums, ein holografischer Bauplan der alle Räume und Fluchtwege, Türen und Zugänge anzeigte. „Nun, wie wir anhand der halbwegs brauchbaren oder sagen wir eher, wieder herstellbaren Kameraaufzeichnungen rekonstruieren können, hatte es Renegat 2501 ganz offensichtlich auf eine Replik von Matthias Corvinus, einem ungarischen König abgesehen. Viele der intern verkabelten Kameras haben den EMP-Angriff nicht überlebt, aber in den unteren Räumlichkeiten gab es eine kleine WIFI-Kamera, die jemand zusätzlich installiert hat. Diese Kamera konnte uns schlussendlich Aufschluss geben über das eigentliche Ziel von 2501.“ Einen Klick weiter, sah man dreidimensional Apollonia hastig den Lift betreten, dann änderte sich das Bild und fokussierte auf den hinteren Teil des Museumskellers. Die Planenabdeckung der Replik des ungarischen Königs wurde von Apollonias Angreiferin hastig herabgerissen, die Drohnen schwirrten um diese herum bevor ein kurzer Lichtblitz aus einer Drohne zuckte, die eine glühende Linie knapp unterhalb des Halses der Replik erzeugte. Der Kopf fiel herab, zerschellte am Boden und die Kameralinse fokussierte auf das Objekt, das sich vor einem kurzen Augenblick noch innerhalb der Replik befunden hatte. „Stop“, sagte Tesarik bedeutsam und das Bild wurde scharfgestellt. „Das ist es, was 2501 wollte.“ Apollonia und die Versammelten, sahen einen kleinen, kantigen Steinklumpen der in fluoreszierendem, grünen Licht pulsierte und leicht zu dampfen schien.
Martin schwieg bisher zu all dem gesagten und lauschte den Ausführungen der Technokraten nachdenklich; fuhr sich durch den dichten Bart.
Auch Apollonia beobachtete das durchaus eindrucksvolle Schauspiel gebannt. Sie überlegte, ob sie irgendwann mal etwas über diesen seltsamen Stein gehört oder gelesen hatte und schwieg.
Apollonia sah sich den grün leuchtenden Stein angestrengt an, aber so sehr sie auch nachdachte ihr wollten dazu keine spezifischen Details einfallen. Offensichtlich für sie jedoch war, das der Stein eine Art von Energie beinhaltete bzw. als Speicher einer solchen diente. Es war offensichtlich ein Gefäß für etwas. Und dem Pulsieren zu urteilen war es sehr potent.
Apollonia wartete weiter ab. Sie wusste, dass die Technokraten weitere Ausführungen folgen lassen würden.
Martin nickte knapp und unterbrach nun seinerseits. „Das deckt sich mit unseren Untersuchungen. Sie haben sich ja bedauerlicherweise mit den Videoaufnahmen etwas lange zurückgehalten. Ich mache ihnen keinen Vorwurf, aber sie können sich vorstellen, dass auch wir diesbezüglich noch das eine oder andere Detail hätten in Erfahrung bringen können. Nun, sei es drum. Von diesem Stein oder diesem Artefakt geht eine große Resonanz der Kraft, Urtümlichkeit und rohem Lebensdrang aus. Sie weist zudem so etwas wie ein krudes Bewusstein auf, fragmentiert, bruchstückhaft. Freundlicherweise haben sie uns den Stein ja auch zur näheren Untersuchung zur Verfügung gestellt.“ Martin sah kurz zu Apollonia und nickte dann in Richtung Kazaan. „Dieser Stein ist nicht der einzige seiner Art nicht wahr?“ Kazaan lächelte leicht, ließ das Lächeln dann aber etwas besorgt wirkend wieder fallen. „Nein, bedauerlicherweise nicht. Aus unseren Unterlagen und Nachforschungen geht hervor, dass es offenbar einst einen sehr menschenverachtenden wie genialen Wissenschaftler gab, der an einem Geheimprojekt der Nazis, mit Namen „Doppelgänger“ gearbeitet haben soll. Gerüchten zufolge war er beeindruckt von Mengele und sehr angetan von Himmlers okkult-faschistischen Wahnfantasien. Zu diesem Zeitpunkt gab es noch keine Möglichkeit der Digitalisierung und viele Dokumente aus jener Zeit sind unwiederbringlich verschollen. Was wir jedoch wissen, ist das Dr. Werner Brenneisen-Waldstein sich redlich abgemüht hat den Krieg zu Gunsten der Nationalsozialisten zu wenden. Er wurde vielfach belächelt, er wurde vielfach geschmäht aber er hat eine bemerkenswert freundliche Korrespondenz zu seinen Idolen gepflegt. Aus diesen geht hervor, dass er am Ende des Krieges der Überzeugung war eine Methode entwickelt zu haben, wie er das tausendjährige Reich in ein Unendliches übergehen lassen kann. Brenneisen klang sehr überzeugt. Wir wissen kaum etwas genaueres aber es scheint als habe er, nachdem die Niederlage Nazi-Deutschlands unausweichlich war sein gesamtes Wissen an verschiedenen Orten verstreut. Ein Teil dieses Wissens wollte er selbst behalten, das andere wollte er an Himmler und Mengele weiterreichen. Offenbar war er dabei, was uns die Geschichte zeigt, insgesamt gesehen nicht sehr erfolgreich.“
Apollonia tippte sich nachdenklich mit dem Finger an die Wange. „Was wissen sie sonst noch über dieses Projekt und Imais Intentionen diesbezüglich?“