Apostel, Feste und Feiertage

Alida sah hinaus in die Nacht, dann wieder zu der blonden Kriegerin. „Ich schätze, damit erhalte ich zu viel der Ehre. Zumindest eine, die mir nicht zusteht. Karl ist jemand, der auch gut und gerne fähig ist seine eigenen Entscheidungen zu treffen. Allerdings, so denke ich zumindest, ist es immer gut auf die Stimmen von Familie, Verbündeten und Kritikern zu hören.“ Sie intensivierte ihren Blick. „Ich denke, es war gut, dass er stets jemanden wie euch hatte.“

Brunhild zuckte nur entschuldigend mit den Schultern. „Ich weiß nicht was euch zusteht oder auch nicht und habe auch kein Interesse daran irgendein Urteil in diese Richtung abzugeben. Darum geht es auch gar nicht. Karl hat Schicksalsschläge erdulden müssen, die einer ganzen Menge anderer Menschen gereicht hätten, um zu zerbrechen oder einfach aufzugeben. Mein Ziehsohn hat sich, den Göttern sei Dank, für einen anderen Weg entschieden. Er hat nie aufgegeben und aus diesen Erfahrungen gelernt, egal wie schmerzhaft und kostspielig diese Lehren am Ende waren. Was es aber tief in seinem Inneren geweckt hat, ist das Bedürfnis seine Familie und jene die von ihm abhängig sind zu beschützten. Daher sieht er so zu euch auf, denn seit Jahren hütet ihr die van de Burses mit Umsicht und Erfolg, gegen all die Katastrophen die dort draußen auf jeden von uns lauern. Seien sie mondän oder übernatürlich in ihrer Natur.“ Brunhild lächelte Alida kurz zu. Beide Frauen wussten, wie vielen Stürmen Brügge in den letzten Jahrzehnten standhalten musste. „Darum geht es eigentlich und das ist etwas, was ich ihm nie mit auf den Weg hätte geben können. Meine Familie ist aus einer Saat des Wahns und der Wut gewachsen, nicht wie die eure aus Liebe und Zusammenhalt. Daher seid ihr für Karl ein Vorbild und auch wenn euch das unangenehm sein mag, gibt es denke ich erheblich schlimmere Vermächtnisse die man in der Welt hinterlassen kann.“

Alida schmunzelte, hatten die Worte der Nordländerin mehr als einen Kern Wahrheit intus. „Ich denke, wir tun beide unser Bestes, Brunhild, oder? Zumindest versuchen wir es… Und unser Weg wird wohl nie ein Einfacher sein. Ebenso wenig wie der von Karl. Aber ich bete darum, dass es eines Tages für alle von uns einfacher werden wird. Bis dahin: …“ Sie schwieg.

Brunhild nickt nur in Zustimmung und ließ den Blick durch das Wappenzimmer schweifen. Die blonde Kriegerin schien nicht an nicht mehr ziellosem Geplauder interessiert zu sein und sprach nur gelegentlich, während sie auf Karl warteten. Es dauerte auch nicht lange, bis der Graf von Flussfall zurückkehrte. Ein leichter Schweißfilm war auf seinem Gesicht zu sehen und er atmete schneller als gewöhnlich. Es war offensichtlich, dass er einen großen Teil des Weges gerannt sein musste. Er richtete das Wort an die beiden anwesenden Frauen. „Ich habe mit Isabelle und Henri gesprochen. Sie denken, dass deine Lösung vielleicht unsere beste Möglichkeit ist.“ Der braunhaarige Ritter sah Alida direkt an und nickte dankbar. „Ich werde noch heute Nacht nach Brügge reisen, um mit Mildred zu sprechen.“ Erst jetzt sah die Tzimisce, dass er bereits einen grauen Reiseumhang aus dick gefütterter Wolle über dem Arm trug. Brunhild erhob sich sofort. „Ich komme mit. Gib mir nur einen Moment mich umzuziehen. Die Gildemeisterin der Seidenweberinnen hat den Ruf einer Frau sehr viel eher Gehör zu schenken, als einem Mann."

Auch Alida erhob sich. „Wenn es für euch keine Verzögerung bedeutet, würde ich mich gerne anschließen. Eine bessere Reisegesellschaft als euch finde ich mit Sicherheit nicht, wenn ich mich auf den Weg zurück nach Brügge mache. Ich werde mich beeilen, damit ihr nicht auf mich warten müsst.“ Es freute sie, dass anscheinend ein Weg gefunden worden war, der allen zusagte.

„Natürlich Alida! Welch bessere Reisebegleitung kann man sich wünschen als euch zwei.“ Karl lächelte der Tzimisce zu und nickte. Er wirkte motiviert und entschlossen, während er sich seinen Reiseumhang voller Elan umlegte. „Ich werde die Anweisungen geben, dass man unsere Pferde vorbereitet. Wir treffen uns im Burghof.“