Vampire: Die Maskerade

Der junge Mann schien Louisa zum ersten Mal wirklich zu betrachten, aber was er genau dachte war nur schwer auszumachen. Sah er in ihr wirklich die gute Fee, die sie vorgab zu sein, oder handelte es sich doch um eine Sirene, deren schöner Gesang lediglich das letzte war, bevor er in die Tiefen gezogen wurde und ertrank? Es spielte jedoch keine Rolle mehr, denn ihr Opfer hatte sich entschieden und jeden möglichen Widerstand aufgegeben. Noch immer fixierten die intensiv-kohlschwarzen Augen, die Brujah und zu ihrer Überraschung konnte sie darin zwar Anerkennung für ihren wohlgeformten Körper, aber kein blindes Verlangen oder gar Lust erkennen. Nein, in diesen Augen lag etwas viel Selteneres. Hoffnung. Die simple Hoffnung, dass die Worte der Kainitin wahr sein mochten und dass sie es vielleicht all seiner Zweifel zum Trotz doch schaffen mochte, ihn für eine Nacht vergessen zu lassen.

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- Do not go gentle into that good night. Rage, rage against the dying of the light. -

Was sie in den – bemerkenswert schönen und anziehenden – Augen des Jungen las, berührte etwas in der Kainitin. Vielleicht war es eine Saite, welche die Erinnerungen an ihre Zeit als Sterbliche klingen ließ, ihre eigenen einfachen kleinen Sehnsüchte und Hoffnungen, ehe sie in die Welt hinabgezogen worden war, in der sich die Herren der Nacht bewegten. Vielleicht war es aber auch kein so romantischer Grund, sondern der schlichte Stolz einer Frau, die sich ihrer Attraktivität bewusst war, den dieser Blick des Sterblichen unwissentlich kitzelte. Tatsache war, dass sie ihn äußerst sanft bei der Hand nahm und ihn mit sich führte, einem ungestörten Ort zu, womöglich einem kleinen, stillen Garten, den um diese Zeit niemand mehr besuchte, oder einer abgelegenen Wiese am Wasser. Indem sie ihm den Finger auf die Lippen legte, lächelte und selbst schwieg, würde sie dort dem Jüngling und ebenso sich selbst beweisen, dass sie imstande war, ihm alles zu geben, was ein Mann sich in solch einer Nacht von einem Weib erhoffen konnte, mochte ihr Herz auch nicht mehr schlagen und ihre Glieder kaum wärmer sein als die Luft der schwülen Nacht. Ehe sie ihn die Ekstase des Bisses als Höhepunkt seiner Erfahrung spüren ließ, setzte Louisa ihr nicht unbeträchtliches Können daran, ihm fürwahr das Gefühl zu geben, er habe bei einem anderweltlichen Wesen. einer Fee gelegen.

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~ Begehren ist die Triebfeder allen Handelns ~

Louisa fand tatsächlich nach nur kurzer Zeit, wonach sie gesucht hatte. Ein kleiner Obsthain, neben einem der fast ausgetrockneten Kanäle bot durch seine niedrigen Mauern und Gras genug Sichtschutz und Komfort für Ihre Pläne. Zwar war das einst grüne, saftige Gewächs in dieser Hitze nicht mehr als gelbes Stroh, aber es federte den Untergrund trotzdem zufriedenstellend und lud mehr ein, als ein nackter Steinboden. Das Opfer der Brujah ließ sich willig von dieser führen und überließ der blonden Frau bereitwillig die Initiative. Der dunkelhaarige Mann war kein besonders herausragender, oder auch nur leidenschaftlicher Liebhaber, dennoch hatte er etwas Unschuldiges und pflichtbewusstes an sich, was so mancher erfahrenerer Partner anziehend finden konnte. Es war tatsächlich, wie der Genuss eines kräftigen Laibes Brot und würzigen Biers nach zu viel Austern und Wein. Das Opfer der Kainitin war spürbar von seinem langen Arbeitstag erschöpft und sobald Louisa das Crescendo ihrer Verführung eingeläutet hatte und das süße, wohlschmeckende Blut des jungen Mannes genoss, würde dieser auch schon bald in einen erschöpften und vielleicht sogar zufriedenen Schlaf fallen.

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- Do not go gentle into that good night. Rage, rage against the dying of the light. -

Sie lag im Gras neben dem Schlafenden und sah noch lange zu den Sternen hinauf, während das Blut des Sterblichen durch ihren Leib strömte. Es würde nicht mehr als eine unendlich kostbare, kurze Zeitspanne anhalten, das Gefühl von Leben, das die toten Glieder mit Wärme und einem Prickeln erfüllte, als sei sie wiedergeboren worden. Doch für diese knappe Frist war sie in die Welt der Lebenden zurück versetzt, glaubte ihr Herz schlagen zu spüren, konnte genießen, wie ihre Finger sich warm um die des erhitzten, völlig erschöpften Jünglings legten. Louisa schloss die Augen und ließ sich treiben, das süße Kitzeln auf ihrer Zunge auskostend, das die Vitae hinterlassen hatte, und zugleich in dem Empfinden schwelgend, ihr seien die angenehmen, die positiven Eigenschaften einer Lebenden verliehen worden: der Genuss, den ihr der unerfahrene Liebhaber, mit sanften Gesten gelenkt, bereitet hatte, die Gerüche des Obsthains, die ihre Nasenflügel leise zittern ließen, das leise Plätschern des dünnen Rinnsals im Kanal, die Geräusche kleiner, ebenfalls lebender, warmer Körper, die auf winzigen Beinchen durch das Gras huschten, bepelzte Schatten mit funkelnden Knopfaugen.

Die Kainitin wähnte sich, und sei es nur vorübergehend, nicht mehr als stumme Beobachterin in diesem Reigen des Lebens, nicht mehr ausgeschlossen und einsam, sondern wieder tief eingetaucht in den Strom des vergänglichen, aber in seiner Kürze unvergleichlich begehrenswerten Lebens. Als es an der Zeit war, den Jüngling seinem tiefen Schlaf zu überlassen, strich sie ihm noch einmal über das Haar und lächelte versonnen. Eine Fee... womöglich würde er sie dafür halten, wenn er wieder erwacht war, denn abgesehen von einer ekstatischen Erfahrung würde er sich auch um einige kleine Münzen in seinem Beutel reicher statt ärmer finden und sich verwundert fragen, ob er alles nur geträumt hatte. Bis er auf die zusammengerollte Haarlocke stoßen würde, welche die Brujah dazugelegt hatte. Sie lachte leise, als sie sich leichtfüßig von dem Hain entfernte, um in die Nacht zu entschwinden. Vielleicht... vielleicht würden sie Neugier, Mutwilligkeit und eine unbestimmte Sehnsucht irgendwann dazu treiben, mehr über diesen Sterblichen zu erfahren. Und vielleicht würde er noch einmal seiner Fee begegnen...

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~ Begehren ist die Triebfeder allen Handelns ~

So etherisch und unverhofft wie sie erschienen war, entschwand die Fee auch wieder in das nächtliche Brügge, nichts als eine einzelne Haarlocke zurücklassend. Es war auch langsam an der Zeit, denn die Nächte im Sommer waren erheblich kürzer, als die dazu korrespondierenden Tage und langsam war es an der Zeit nach Hause zu gehen.

(+ 2 Blutpunkte; Bitte einen Wurf auf Auspex gg. 8 [nur die Auspexwürfel bitte])

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Mit einem zufriedenen Lächeln im Gesicht begab sich die Brujah nach Hause. Die Nacht schien wirklich etwas Magisches zu haben, denn etwas beinahe elektrisierendes lag in der Luft. War das etwa ein Donnergrollen am Horizont? Vielleicht regnete es ja bald. Sterbliche wie Unsterbliche würden ein wenig Abkühlung sicherlich zu schätzen wissen, aber heute Nacht musste sich Louisa noch keine Sorgen machen, durchnässt nach Hause zu kommen, denn ihre Zuflucht lag bereits hinter der nächsten Straßenbiegung.

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Die kommende Nacht brachte wenig Abkühlung. Noch immer hatte die drückende Hitze Brügge in ihrem bleiernen Griff und Louisa wusste kurz nachdem sie ihre Augen aufgeschlagen hatte, dass das versprochene Gewitter ausgeblieben war. Es war ruhig in ihrer Zuflucht, Odric hatte auch als ihr Ghul noch immer sterbliche Verpflichtungen, die ihn gelegentlich von ihrer Seite weichen ließen. Heute war so ein Tag und der blonde Hüne würde wohl erst nach Mitternacht den Weg zu seiner Herrin finden können. Aber Louisa hatte in dieser Nacht sowieso ihre eigenen Pläne und es war bald an der Zeit, sich vorzubereiten und auf den Weg zu machen.

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Da sie noch ihr vorangehendes Treffen mit Theresa in Erinnerung hatte, wollte die Brujah nichts dem Zufall überlassen und bereitete sich gründlich vor. Die Sättigung all ihrer Gelüste in der vorherigen Nacht garantierte ihr die größtmögliche Ruhe des dunklen Etwas in ihr und damit das höchste Maß an Selbstbeherrschung, das ein Mitglied ihres Clans erhoffen konnte. Ihrem Äußeren widmete sie geraume Zeit, um auch in dieser Beziehung keinerlei Makel an dem Eindruck zu dulden, den sie auf die Tremere machen würde. Und schließlich nahm sie auch jenes Geschenk für die Gastgeberin an sich, das zu besorgen Odric (und womöglich die seinerseits auf die Suche Geschickten) einige Tage lang in Atem gehalten und den Ghul zu der vermeintlichen Einsicht gebracht hatte, dass Weiber, untot oder nicht, eben immer sentimental blieben. Es handelte sich um ein nahezu perfekt gewachsenes Exemplar, das die zweite Blüte der Rosen in diesem Jahr hervorgebracht und das dank guter Pflege oder günstiger Umstände der außergewöhnlichen Sommerhitze getrotzt hatte. Die blutroten Blätter barg Louisa vorsichtig in einem Seidentuch, das sie im weiten Ärmel ihres Kleids verwahrte. Dergestalt vorbereitet trat sie den Weg zum Drachenkopf an.

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~ Begehren ist die Triebfeder allen Handelns ~

Louisa machte sich auf den Weg zum Drachenkopf und passierte die Gassen und Straßen einer Stadt, die langsam aber sicher zu ihrer Heimat wurde. Inzwischen kannte die Brujah sowohl Abkürzungen als auch Wege, die sie mehr oder weniger ungesehen an ihr vorhergesehenes Ziel zu gelangen. Trotzdem schien heute irgendetwas anders zu sein. Es war beinahe als ob ein Blick auf ihr ruhte und versuchte sie zu verfolgen. Dieser Blick hatte aber nichts mit dem glühendem Begehren eines Mannes oder auch nur dem dünn verhüllten Neid einer Frau zu tun. Nein, dies war anders und auf eine perverse Art und Weise intimer, als wenn sie nackt in den Straßen gestanden hätte … oder bildete sie sich alles doch nur ein?

(Wahrnehmung + Aufmerksamkeit gg. 7 [Der Wert in Auspex kann von der Schwierigkeit abgezogen werden])

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Die Brujah brauchte nur einen Moment, um sich zu orientieren und sicher zu sein, dass das Gefühl, welches sie zu verfolgen schien, wirklich keine Einbildung war. Der Ursprung dieser ungefragten Aufmerksamkeit, war eine in Mantel und Kapuze gehüllte Gestalt, nicht unähnlich eines Mönchs, die halb verborgen in den nächtlichen Straßen in ihre Richtung blickte. Louisa konnte es nicht ganz genau sagen, aber wahrscheinlich hatte die Figur noch nicht bemerkt, dass sie inzwischen entdeckt worden war.

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