So 3. Mai 2015, 22:42
Für wenige Bruchteile einer Sekunde war sie etwas überwältigt von seinem Vertrauensbonus. Sicher besaß Lilliana schon länger die Möglichkeit in einen Geist einzudringen, aber von dieser hatte sie wenn überhaupt nur in einem Kampf Gebrauch gemacht, um damit die Gruppe zu schützen. Die Gedanken und das Wissen, dass ein jeder in sich trug waren immer privat und gingen sie nichts an.
Sie sah ihm nochmals in die Augen, vergewisserte sich, dass er sich bewusst war, welche Türen er öffnen wurde und ergeben schloss sie die Augen, während die Stirn von ihnen beiden sich berührten und sie begann sich zu konzentrieren und ihre Kräfte auf ihn einwirken zu lassen (Auspex 4 an). Vorsichtig drang sie in seine Gedanken ein und ein leises „Leif“, dass er nur in seinem Kopf hören konnte und eindeutig ihre Stimme trug, waren ein Zeichen, dass sie sich nun komplett in ihm wiederfand.
Der Geist von Leif öffnete sich für Liliana und zuerst war alles fremd auch wenn doch immer wieder ein Gefühl von Vertrautheit aufflammte. Da waren Fetzen von Erinnerungen die sie zusammen erschaffen hatten, ihre Reisen, Ratssitzungen oder ganz normale Gespräche. Aber da waren auch all die anderen, weniger schönen Dinge wie Uneinigkeit und Unverständnis vergangener Jahre. Um sie herum gab es Bilder, Bilder die zurückgedrängt wurden und wieder hervorkamen. Erinnerungen die Leif’s Leben ausmachten. Dabei sah sie vieles. Kleine Häuser bedeckt mit Gras, eine Landschaft ganz aus Eis und Feuer bedeckt mit einem grünen Licht am Nachthimmel oder auch die Straßen und Gassen von Brügge die sie sofort wiedererkannte und Schiffe mit dem Kopf eines Drachen die eisige Meere durchpflogen. Es gab aber auch Menschen und Gesichter, eine glückliche Große Familie von blonden und hellhäutigen Nordleuten, ein stolzer Krieger mit breiter Axt und Kampfschrei auf den Lippen. Dann war da eine fremde, verführerische Schönheit mit dunklem Haar und aber auch die vertrauten Gesichter von zum Beispiel Lucien und Alida. Ihre Reise in den Geist hatte begonnen...
Aus einer vorsichtigen Warte sah sie dem Treiben zu. Das Zusammenspiel von Eis und Feuer erschrak und faszinierte sie, noch nie hatte sie so ein grünes, schönes Licht am Nachthimmel über Brügge oder einer der anderen Städte erlebt. Das Bild verschwand wieder und sie ahnte, dass die Familie die seinige war, welche vor so vielen Jahren wohl mit ihm zusammen gegessen und gespeist hatten. Ein Bild aus glücklichen Tagen. „Warum lässt du mich so tief hinein?“ kam ein flüstern aus seinem Kopf. „Beware sie dir, sie erinnern mich an dein Lächeln.“
Noch während die Toreador ihren Gedanken formulierte veränderte sich das Bild der Familie und wurde von Horror, Blut und Tod selbiger abgelöst. Das gerade erschienen Bild dieser menschen verwandelte sich in ein Massaker und verließ dann abprubt ihre Wahrnehmung. Liliana erkannte irgendwann, dass diese Bilder nicht gewählt waren sondern Dinge zeigten die einen prominenten Platz in Leif's Geist einnahmen. Die Ähnlichkeit zu ihren Visionen war unverkennbar. Schließlich fühlte sie einen sanften Zug der sie in eine andere Richtung lenkte und die Präsenz von Leif begann spürbarer und konkreter zu werden bis sie quasi das Gefühl hatte, dass er vor ihr stand. Jetzt konnten sie zusammen kommunizieren was bewiesen wurde durch die ihr bekannt Stimme von Leif. "Bist du bereit?"
Es geschah so schnell und unwillkürlich, dass Lilliana einmal ungewollt scharf einatmete und sich außerhalb die Hand vor den Mund legte um kein weiteres Geräusch zu verursachen, was die Konzentration von ihnen beiden unterbrechen würde. Ihre Gefühle schon immer mehr als präsent überschlugen sich an der Fülle seiner Bilder und sie bewegte sich entlang einer unsichtbaren Kette, lauschend und wachsam. „Ja.“ Kam es leise flüsternd.
Die Erinnerungen wurden immer greifbarer und schließlich formte sich um sie ein Schloss. Draga und Theobald Costayne waren dort. Ebenso Leif und Liliana konnte auch noch eine andere Gestalt in der Erinnerung ausmachen. Eine grauhaarige, alte Frau die sie zum ersten Mal in Leif’s Keller vor über 10 Jahren gesehen hatte. Sie beiden Kainiten sprachen miteinander und gaben sich die Hand. Die Toreador konnte die Anspannung in der Luft spüren ebenso wie Leif’s Stimme in ihrem Kopf. „Hier fing alles an. Draga wollte Costayne den Kuss schenken und bezahlte mir ein stolzes Sümmchen um jeden Abend nach ihm als sein Heiler zu sehen. Er sollte von der Bildfläche verschwinden nach seiner Verwandlung und um dies zu tun waren wir zu dem Schluss gekommen, dass am besten war eine schwere Krankheit vorzutäuschen. Aus diesem Arrangement wuchs eine Idee in mir heran. Ich wollte mich zum Schein mit Draga verbünden um mehr über ihre Pläne herauszufinden, denn sie plante etwas, das war offensichtlich bei den wenigen malen die ich mit ihr sprach. Ich hatte den Rat nicht informiert, da es meinen Plan gefährdet hätte. Außerdem war die Paranoia gegen Draga bereits so groß, dass es vielleicht mehr Schaden als Nutzen gebracht hätte Alida oder Lucien einzuweihen. Insbesondere Alida war mir gegenüber schon misstrauisch genug nach dem Desaster von Brüssel.“ Liliana konnte spüren das Leif ihr Zeit gab die Eindrücke zu verarbeiten und einzuordnen. „Hast du noch Fragen?
Sie nahm die Bilder in sich auf, aber nichts von dem, was sie dort vor sich sah, war überraschend gewesen, auch nicht seine Erklärungen. Insoweit stimmten sie noch mit dem, was sie selbst wusste überein. „Du hast diese Entscheidung für dich getroffen Leif, alleine und nur für dich.“ In den tiefen ihrer Stimme erklang es dunkel von Traurigkeit, die vermischt wurde durch etwas nicht einzuordnendes. Lilliana blickte wieder auf die Szenerie. „Theobald hat den Tod gefunden, Draga hat den Tod gefunden. „Gab es wirklich niemandem in deinem Umfeld, dem du deine“ Lilliana stoppte und etwas arbeitete in ihr, ehe sie fortfuhr „Idee anvertrauen konntest? Deinen Nachfahren in Brügge vielleicht? Und welchen Teil erfüllte die alte Frau dort, dass ich sie später in deinem Keller wiederfand?“
Leif nickte und führte sie weiter. Um sie herum gab es wieder Bilder und neben anderen Bildern tauchte zum beispiel auch die dunkelhaarige Schönheit tauchte wieder auf. Dann waren sie im Hospital. Die alte Frau lag auf einem Bett und hustete. Das weiße Tuch, dass sie vor ihr Gesicht hielt war rot von Blut und ihre Hände so schwach, dass sie die von Leif kaum noch halten konnten. Er saß neben ihr und tupfte ihre das schweißnasse Gesicht ab. Dann sprach die Erinnerung. " So ist es geschehen. Und so bin ich zurück nach Brügge gekommen...Viele Dinge haben sich verändert und ich weiß noch nicht wie es weitergehen soll." Er schaute die alte Frau an und sprach dann mit fester aber belegter Stimme. "Wir können nicht mehr lange warten. Deine Kraft verlässt dich und keine Heilung die ich dir geben kann außer einer wird den Tod durch Alter aufhalten Charlotte. Wenn ich dich jetzt verwandele werde ich dich in Starre erhalten müssen, bis wir von hier weggehen. ich bin kein Mitglied des Rates dieser Stadt mehr und die Wahrscheinlichkeit eine Erlaubnis für den Kuss zu erhalten ist im Moment sehr gering. Bist du damit einverstanden?" Die Frau nickte nur und Liliana konnte sehen wie Leif sie schließlich verwandelte. Erst saugte er ihr das Blut aus nur um sie später aus seinem Handlgelenk zu füttern. Eine Stimme sprach schließlich wieder in Lilianans Geist. "Sie war die Mutter von Theobald Costayne und ich habe eine tiefe Verbindung zu dieser Frau gespürt mit der ich so oft geredet hatte, als ich im Auftrag Dragas im Schloss war. Ich konnte sie nicht sterben lassen und habe sie deshalb schließlich verwandelt, nachdem ich ihr alles über mich erzählt hatte. Auf eine gewisse Art und Weise habe ich also jemandem vertraut."
Dann waren sie wieder in der Zwischenwelt aus Erinnerungen und Bildern. Liliana konnte Konstantinopel sehen, mit seinen Kirchen und Wehrmauern, aber ebenso gab exotische Orte mit großen Pyramiden und offensichtlich weit entfernte, dichte und feuchte Wälder. Dann waren sie im Belfried in Brügge. Alida sprach gerade und man unterhielt sich angeregt, denn der Graf von Flandern hatte gerade verkündet, dass sein Sohn ein Bastard ist. Darüber hinaus sprach man über das Sommerfest des Grafen von Flandern. Leif sprach „Hier passierte es das Erste Mal, dass ich ein ungutes Gefühl hatte. Draga wollte genau an diesem Abend das ich mich mit Theobald Costayne treffen und zwar recht weit entfernt im Osten von Brügge. Deswegen hatte ich mich dagegen entschlossen mit zum Sommerfest zu gehen und von diesem Zeitpunkt an begann die Situation aus dem Ruder zu laufen, denn Draga nutze mich als Mittel zum Zweck, auch wenn ich das erst später herausfinden sollte. Ihr ursprünglicher Plan Balduin mit einem Doppelgänger auszutauschen war durch die Nonnen Brügges gescheitert. Ist soweit alles nachvollziehbar?“
Die weiteren Informationen bezüglich der alten Frau genügten Lilliana. Sie war sein Kind und Punkt. Dass sie nicht wie ihr eigenes erstes Kind beim Rat oder zumindest einem seiner Mitglieder angemeldet worden war, nun das war nichts was man gleich als schweres Verbrechen einstufen musste. „Mit deiner Zustimmung würde ich dein Kind gerne dazu in Betracht ziehen als deine Zeugin für dich auszusagen.“ Dann verschwand die Erinnerung und die nachfolgenden Bilder waren durchsetzt von Farben und Schönheit. Etwas in ihr wollte Stop rufen, aber dafür war sie nicht hier. Das Gespräch im Belfried belauschte sie nochmal, erkannte sich selbst darin wie sie stand und den Gesprächen lauschte oder selbst etwas sagte. „Unsere Erinnerung ist dieselbe, nur aus unterschiedlichen Augen gesehen.“ Es erklang sehr sachlich. „Doch du hast Recht. Hier fing es an sichtbar zu werden und den Schleier der Zukunft wieder zu öffnen. Und hier hast du wieder deine Entscheidung getroffen.“
"Lass uns über die Verteidigung reden wenn wir fertig sind sagte Leif. Er fügte dann aber noch etwas hinzu. "Ich habe meine Entscheidungen getroffen und würde es wieder tun. Auf die eine oder andere Art und Weise." Schließlich formte sich wieder eine neue Umgebung um Liliana. Alida Haus wartete war da und es war Nacht. Dann klopfte Leif an der Haustür und Balduin öffnete ihm mit gehtztem Gesichtsaudruck. Alles in ihm kämpfte und schließlich presste er einige Worte hervor. "Schau durch das Fenster." und "Balduin ist ein Doppelgänger" Dann ging Leif durch das Haus und schaute durch das Fenster und sah vor sich einen zweiten Leif. Theobald Costayne wurde in Alidas Haus zurückgelassen als die Gruppe sich mit Draga traf und er hatte sich über Fleischformen verändert. Er war der 'Leif' der später Jean vergiftete mit einem Gift das Balduin aus meinem Keller gestohlen hatte und Marlene entführte um euch weiter gegen mich aufzubringen. Hier wurde mir klar das Balduin unter einem Blutsband stand, aber seine Hinweise hatte mir den entscheidenden Tipp gegegen. Hier wusste ich schließlich das Draga mich ans Messer liefern wollte. Ihr Plan mit dem doppelten Balduin war nicht aufgegangen, aber vielleicht konnte sie trotz allem noch etwas aus der Situation herausholen. Ich ging also in die Diebesgilde und dort wurde schließlich alles klar da dort der Doppelgänger war. Ich suchte seine Gedanken ab und schließlich verstand ich alles. Ich informierte meine Verwandte Catherina den Doppelgänger zu verwahren und euch später auszuliefern denn ich sah in seinem Geist noch eine letzte Falle. Das Fort welches später brannte sollte euer Grab werden, aber dem wenden wir uns gleich zu."
Aber neben all dem sah ich plötzlich auch eine Chance für mich. Vielleicht war dies die perfekte Gelegenheit für mich ohne weitere Spuren zu verschwinden, was ich letztendlich auch getan habe...aber auch dazu komme ich später..." Leif's Stimme wurde leiser - war das Scham?
„Fahre fort Leif. Bevor wir alle zum Fort aufbrachen wussten oder ahnten wir bereits, dass Draga oder Theobald einen Doppelgänger von dir erschaffen hatte. Marlene, Alida’s Nichte hatte uns eine Notiz hinterlassen können, bevor sie entführt wurde. Ihre Augen konnten nicht getäuscht werden, ebenso wenig mein Gespür, denn ein Kind zu vergiften, dass es grausam an den Folgen stirbt, nein das warst nicht du mein Freund. Aber natürlich machten wir uns weiter um dich Sorgen…“ sie ließ ihre Worte einfach ins Leere weiterlaufen, ihr Klang hatte sich dabei nicht vom sachlichen abgehoben und die Erinnerung an ihre Gefühle damals schon verblasst, als das Lilliana sie wie ein Spiegel reflektiert hätte. Sie erhob erneut die Stimme und dieses Mal war es deutlicher zu spüren: Verbitterung „Wer hätte dich aufgehalten, wenn du vorher einfach gegangen wärst? Niemand. Wir sind nicht an Brügge gebunden oder an Konstantinopel oder an irgendeine Stadt auf dieser Welt. Das Reisen in ferne und neue Länder ist eines der wenigen Luxusgüter, die wir geschenkt bekommen haben. Die Zeit kann uns dabei nicht aufhalten Leif Thorson, nur wir selbst.“
„Hier kommen wir zu dem Punkt der schwer begreiflich ist. Ich wollte für immer verschwinden, komplett und ohne Spuren. Einen sauberen Schnitt schaffen unter mein altes Leben, etwas das ich beinahe 10 Jahre getan habe. Aber als ich hörte das Brügge angegriffen werden sollte, konnte ich meine alte Heimat einfach nicht im Stich lassen und bin letztendlich zurückgekommen.“ Er schaute Liliana an und wandte dann den Blick ab. Die Wahrheit die dieses Geständnis mit sich brachte war schwer für ihn zuzugeben. Dann veränderte sich ihre Umgebung wieder und sie waren am Fort das voll mit Ernteerzeugnissen wie Stroh und Weizen war. „Dieses Fort war von Draga als eure Falle vorgesehen. Glaubst du all das Stroh und brennbare Material dort drinnen war Zufall? Nein. Eine Truppe von 40 Söldnern sollte euch dort festsetzten und mit Schwertern und Bögen in die Flammen treiben, damit der Weg für die Eroberung Brügges frei war. Ich bin schließlich dort hingegangen und habe die meisten Söldner mit einer List aus dem Fort gelockt. Es blieb lediglich eine kleine Wachmannschaft zurück, die ich aber schnell meuchelte und dann auf euch wartete. Ihr kamt schließlich, ich entschärfte die Falle und sprach von Verrat und meinem ‚Pakt‘ mit Draga. Das war wichtig um euch auf ihr doppeltes Spiel aufmerksam zu machen aber auch um schließlich meinen eigenen Tod vorzutäuschen. Es war alles geplant und ging auf. Jean war bei euch und er griff mich in seinem jugendlichen Leichtsinn als erster an. Ich heilte ihn von dem Gift, denn er warf mir die Vergiftung vor und er sollte nicht für meinen Plan sterben. Das war nicht vorgesehen. Er hat nicht einmal etwas davon gemerkt, aber ihn als ‚Geisel‘ zu nehmen hat perfekt in den Plan gepasst um alles noch glaubwürdiger zu machen. Und an den Rest solltest du dich selbst erinnern. In der folgenden Nacht verließ ich Brügge.“
Es war eine seltsame Stille die sich in seinem Kopf ausbreitete und plötzliche Leere, ehe Leif begreifen würde, dass die Präsenz von Lilliana sich aus seinem Kopf zurückgezogen hatte. Ihre Augen waren wieder offen und mit einer langsamen aber stetigen Bewegung zogen sich ihre Hände von den seinen zurück und sie erhob sich von ihm und brachte Abstand zwischen sich und Leif.
„Keine Spuren hinterlassen und für Tod gehalten werden. Wahrlich, es ist dir gelungen. Und was hast du nun vor, da Brügge gerettet ist?“ die Frage war zu Ende, aber ihr Ton schwang noch eine Weile weiter im Raum umher.
Sie waren beide zurück in der Zelle und Leif lehnte sich mit Kettenrascheln wieder an die Wand zurück. Die geistige Reise hatte ihn sichtbar angestengt. Er lächelte traurig war von Liliana Reaktion aber nicht übermäßig überrascht. "Was ich jetzt vorhabe ist Verantwortung zu übernehmen. Nicht nur für mich sondern für die die von mir abhängig sind. Meine Familie und meine Nachkommen. Das ist auch der Grund wieso ich noch hier bin. Mir war klar das diese Verhandlung früher oder später kommen würde und ich stelle mich der Gerechtigkeit."
„Also wirst du in Zukunft…“ Lilliana unterbrach sich selbst, als sie den zynischen Tonfall gewahr wurde, biss sich auf die Lippen und ihre linke Hand krallte sich zusammen, ihre Augen schauten auf ein fixiertes Ziel am Boden, ein einzelnes verirrtes Grasblatt, bereits vertrocknet und braun. Dann schlug ihre linke Hand unvermittelt auf den Boden ein, ehe sie sich wieder fangen konnte. „Weißt du…“dann schüttelte sie erneut den Kopf „dein Plan, dein Wissen…Das einzige was immer noch Fragen an dieser Geschichte aufwirft bist du. Und das einzige was wir nicht gemacht haben ist sofort nachdem Draga in einem Brief voller Lügen Theobald des Verrats beschuldigt hat zu ihr zu gehen und die Sachen zu beenden. Dann hättest du…“ sie drehte sich um, von ihm weg und ihre Hände krallten sich an beiden Gittern fest, ihre Muskeln spannten sich an. Auch für Lilliana hatte die Reise in die Vergangenheit eine Spur an Emotionen wieder frei gesetzt.
Er beobachte Liliana und keine Miene regte sich. Dann begann er ihre begonnenen Sätze zu vervollständigen. "Das bedeutet, dass ich in Zukunft hier bleiben werde. Ja." Dann schaute er sie noch einmal durchdringlich an. "Ich musste gehen, denn sonst hätte ich mich selber verloren auf die eine oder andere Art und Weise. Wir alle kämpfen unsere eigenen Kämpfe in dieser unsterblichen und untoten Existenz. Das ist auch genau der Grund wieso die Sache mit Draga mich nichts mehr angehen durfte. Ich habe für euch getan was ich konnte mehr konnte ich in diesem Moment nicht tun. Ich habe schon einmal eine falsche Entscheidung bezüglich des Krieges getroffen, damals in Brüssel. Diese Tat war schmerzhaft und hat mich viel gekostet. Ich war nicht einmal mehr ein Mitglied des Rates zu diesem Zeitpunkt."
Sie hörte seine Worte, gewiss, auch wenn sie ihm dabei noch immer den Rücken zudrehte, aber man konnte auch von hinten erkennen, dass die Spannung zwar noch immer in den Muskeln lag, ihre Haltung aber wieder grader wurde. Ein Ruck und sie hatte sich wieder umgedreht und in der Tiefe ihrer Augen war die Beherrschung da, ihre Konzentration mit sich und ihrem Inneren voller Emotionen. „Das ist wenigstens ein Grund. Ein einziger aufrechter Grund.“ Sie betonte dabei jede Silbe des letzten Satzes mit vollster Verbitterung und flüsterte dann. „Aber kein Grund zu bleiben, denn hier besteht die Gefahr dass du dich wieder verlieren wirst in deinem selbst. Und dann? Gehst du dann wieder dieses Mal ohne das Feuer oder sollten wir gleich Vorbereitungen für einen weiteren Endkampf treffen?“ Sie kam wieder zu ihm näher und sie setzte sich wieder vor ihn hin und ihre Stimme wurde wieder fester „Wie soll ich dich nur verteidigen Leif Thorson? Gegen einen Lucien auf der Seite der Anklage und gegen eine Alida auf der Seite der Richter? Das einzige was auf deiner Seite steht ist das angesammelte Wissen eines jeden von uns über Balduin, über deinen Doppelgänger über einfach alles. Die einzige Frage, die sie stellen werden ist: Warum hast du dieses Spiel weiter gespielt, als du es schon verloren hattest und dein Grund wird sein, dass du dich selbst verloren hast und hofftest dich durch deinen fingierten Tod von uns allen verabschieden zu können, weil du es nicht ertragen konntest dich uns anzuvertrauen. Das war dein Verrat. Der Verrat an unserem Band.“
Leif sprach sehr leise. "Welches Band? Der Rat ist eine Illusion. Eine Illusion die eine lange Zeit funktioniert hat, aber trotzdem nichts als eine Illusion. Was wissen wir denn übereinander? Und ich spreche ausdrücklich nicht über uns beide in diesem Fall. Was wissen wir über Alida oder Lucien außer den spärlichen Informationen die sie uns zuteilen? Was wissen wir über die Ziele von Gerrit? Nein ich sehe nicht das ich Verrat an diesen Individuen begangen habe. Ich bereue aber eins Liliana und das meine ich ganz ehrlich. Es tut mir leid das ich dich mit all dem hier alleine gelassen habe auch wenn eine entschuldigen 10 Jahre nicht einfach wieder gut macht soviel weiß ich auch." Er schaute weg wie in Scham. "Brügge ist meine Heimat und ein Ort an den ich immer zurück gekommen bin. Ob ich es je wollte oder nicht. Jetzt geht es noch um etwas anderes. Ich will Wiedergutmachung betreiben. Ich will meine Schuld beginnen zu sühnen. Für diese Stadt und wofür diese Stadt steht. Ich bin jetzt ein anderer als noch vor 10 Jahren."
Je mehr sie ihm zuhörte umso mehr spürte sie eine einsetzende Linderung ihrer Gefühle, Muskeln die sich entspannten, Finger die sich wieder öffneten und ein Dorn, vor Jahren versenkt, wurde von ihrem innersten nach draußen gezogen und zerfiel zu Staub auf dem Boden. Wiederum tat Lilliana den nächsten Schritt, als sie die Distanz schloss und ihre Arme um seinen Hals legte und ihr Kinn an seiner Schulter absetzte, er konnte es ihr nachmachen oder auch nicht, aber der Sturm ihrer Gefühle legte sich wieder völlig und hinterließ nichts als einen inneren Frieden. „Derselbe Leif Thorson vor 10 Jahren wäre nicht zurückgekommen. Aber dieselbe Lilliana sitzt auch nicht mehr vor ihm.“
Leif konnte die Umarmung ob seiner Ketten nicht erwidern, aber Liliana spürte das er vor ihrer Nähe nicht zurückwich. "Es ist gut das wir nicht die selben sind wie vor 10 Jahren. Stillstand bedeutet nie etwas Gutes für unsere Art. Wir alle haben Dämonen in uns und sich diesen zu stellen ist ein langer Prozess. Aber irgendwann müssen wir beginnen oder werden von ihnen fortgerissen." Leif bewegte sich ein wenig und versuchte die Arme um Liliana zu schließen was ob der Ketten aber nicht gänzlich gelang. "Wie ist es dir ergangen in den letzten Jahren Liliana? Wir haben die ganze Zeit über mich gesprochen jetzt will ich wissen wie es dir geht. Vielleicht ist es eine unserer letzten Gelegenheiten. Lass uns diesen Moment des Friedens nutzen. "
Sie bemerkte seine Bemühungen und ein flüchtiges von ihm aber nicht zu sehendes Grinsen konnte sie sich nicht verkneifen, ehe sie ihn wieder losließ, damit beide die Gelegenheit bekamen sich aneinander wieder in die Augen zu sehen. „Der eine für den ich schwärmte an den Höfen der Liebe und mit offenen Augen in meinem Traum sah, ist wieder erwacht, der andere, den ich begann im Traum zu sehen ist gekommen und geblieben und hat mir mein Herz wiedergebracht. Es ist soo...tief, es ist natürlich, es ist keine Schwärmerei…es ist Liebe Leif.“
Leif nickte und auch wenn man es ihm vielleicht nicht unbedingt anmerken konnte aber auch er verstand was es hieß zu lieben. "Von all den Dingen, all den Dingen die uns Untote antreiben Liliana, ist Liebe vielleicht das reinste Motiv. Deswegen schäme dich nicht deiner Gefühle sondern lebe sie so lange sie dir gewährt sein mögen. Die Welt ist dunkel genug ohne das wir uns selbst die wenigen Kerzen auslöschen, die es da gibt. Auch ich habe einst eine wirkliche und wahre Liebe gekannt und auch wenn sie in Tränen und Schmerz endete bin ich noch heute glücklich sie erlebt zu haben." Er lächelte.
„Der Gedanke an deine Liebe bringt dich noch immer zum Lächeln, das ist gut, das ist wichtig.“ Lilliana sah zum Boden und das was eben noch so in ihren Augen glänzte, verschwand in den Hintergrund, als sie zu Boden blickte. „Das andere was sich in den 10 Jahren geändert hat…nein“ sie unterbrach sich und sah ihn wieder an „ was mich geändert hat, ist etwas nicht zu begreifendes.“ Sie ließ eine Pause verstreichen, aber wenn nicht er konnte es überhaupt verstehen…? „Als ich noch ein Mensch war, erbte ich von meiner Mutter eine von Gott geschenkte Gabe. Sie ist nicht zu kontrollieren und am Ende entscheidet der Herr darüber inwieweit wir auf die Schicksale Einfluss nehmen. Ich fürchtete mich davor, denn das was ich sah, trat genauso ein. Als ich verwandelt wurde hörte es auf und das was ich erlebte, kennst auch du zum großen Teil. Doch kurz bevor du gegangen bist vor über 10 Jahren…“ sie machte eine Pause und vor ihrem Auge stiegen die ersten Bilder wieder hoch „kurz bevor du gegangen bist ist sie wiedergekommen…und geblieben.“ Sie sah in sein Gesicht und prüfte seine Mimik (WH+Emph gg6: 4 Erfolge). Ist er verwirrt, beginnt er sie für verrückt zu erklären oder sagt ihm sein Hintergrundwissen, dass es Dinge gibt, die genau wie die Kainiten auf der Erde existieren. „Ich kann nicht frei davon zu jedem sprechen und von außen betrachtet klingt es verrückt, aber es ist beides wie meine Mutter mir schrieb. Ein Segen und ein Fluch.“
Er hörte ihr aufmerksam zu und sie konnte sehen, dass sich seine Miene mit jedem weiteren Wort verdunkelte und von Schmerz gezeichnet wurde. "Ich weiß sehr wohl wovon du sprichst Liliana. Du sprichst von der Gabe des zweiten Gesichts, in der Lage die Zukunft zu sehen ohne sie verändern zu können. Wie deine Mutter sagte Segen und Fluch zugleich. Die Frage ist nämlcih: Wie gut ist es zu wissen was passiert, wenn man aber nicht weiß wie es passiert." Er schaute sie an, wachsam und sprach dann langsam. "Das Orakel ist nur der Überbringer - das wahre Übel jedoch ist die Prophezeiung selbst. Sie schlägt irgendwann zu, ohne Vorwarnung und man kann sich ihr nicht entziehen wie ein Raubtier das auf einen Moment der Schwäche lauert nur um sich selbst zu erfüllen..." Seine Miene wurde noch dunkler. "Ich weiß was Prophezeiungen bringen. Denn ich habe sie selbst erfahren und mein eigener Erzeuger war ein Prophet...Wir hatten...viele Unstimmigkeiten ob seiner Vorhersagen." Es war fast nicht möglich aber das Gesicht von Leif verlor noch mehr an Farbe.
Ihr Mund stand einen Spalt offen, ehe sie begriff, was gerade geschah und ihre rechte Hand wanderte wie von selbst zu seiner linken Wange, stützten sie gaben ihr stumm Kraft, während sie ihn weiter ausreden ließ. „Ich hatte nicht erwartet, dass du mehr weißt, meine Hoffnung lag nur darin, dass du es versuchst zu verstehen. Das es dir Schmerzen bereitet und dich an die Zeit mit deinem Erzeuger erinnert, dass war nicht meine Absicht gewesen.“ Sie hielt ihn noch einen Moment, ehe sie ihn wieder langsam losließ. „Es müssen sehr schlimme Prophezeiungen gewesen sein, die deinen Erzeuger am Ende dazu brachten dich töten zu wollen und es nicht zu können und dich stattdessen wie ein Vieh zu verkaufen in der Hoffnung du würdest in der Fremde sterben.“ ihre Lippen zusammengepresst „doch du hast überlebt, so ist dein Weg hier noch nicht abgeschlossen.“ Sie überlegte kurz, man sah ihr das zögern an, dass von einem schlechten Gewissen her ruhte. „Würdest du mir eine Prophezeiung über dich nennen, die eingetreten ist, das dein Schmerz bei diesem Gedanken wieder hervortritt und du es tief in dir vergraben hast in der Hoffnung niemand mehr würde es dich fragen?“
"Ich wollte nie etwas mit Prophezeiungen zu tun haben und je mehr ich versucht habe mich vor ihnen zu verstecken umso mehr haben sie mich eingefangen, denn mein Erzeuger war nicht der erste der eine Prophezeiung über mich gesprochen hat." Leif wurde still und er rang ganz offensichtlich mit sich. Eine Minute verging dann eine Zweite. Dann eine Dritte. Schließlich seufzte er und rezierte die Zeilen die er wohl im Schlaf aufsagen konnte.
So wird es also passieren.
Der gefallene Hirte wird die Wahrheit über die verfluchte Grube erfahren.
Und drei Geschlagene werden sich erheben
um ihren rechtmäßigen Platz unter den 13 zurückzufordern.
Du bist der Vorbote des Todes, Leif Thorson.
Ein Herold der Apokalypse.
Du wirst sie alle zu ihrem Ende führen.
"Das ist die Prophezeiung die meinen Erzeuger gegen mich aufgebracht hat und die er selbst über mich gesprochen hat."
Er wurde still. "Aber es gibt auch noch andere. Jene wurde zu mir gesprochen als ich vor über 60 Jahren in die Sonne ging und wie durch ein Wunder überlebte. Teile von dieser Prohezeiung beginnen sich zu erfüllen. Aber du bist das Orakel Lilianan sag mir was meine Zukunft bringt!" Er klang verzweifelt, ängstlich und hilflos- Gefühlsregungen die sie bei Leif bis her noch nie in dieser Form wahrnehmen konnte.
Die Gefühle welche in ihrem Inneren bis noch vor wenigen Momenten tobten, sie waren auf ihn übergegangen und das Bild hatte sich gewandelt. Seinen Blicken begegnete sie mit den Tiefen ihrer neuen inneren Ruhe und das Bild, welches sie schon den ganzen Abend von ihm malte, es bekam eine neue Leinwand an die Seite gestellt. Eine andere Seite des Leif Thorson, gepeinigt von Vorhersagen und in einem Wissen gelassen, dass sie eintreten werden oder schon eingetreten waren. „Die Lektion des sich nicht verstecken könnens muss ein jeder von uns erfahren. Aber du kennst die Prophezeiungen, wenn sie dich und nur dich betreffen. So kann der Herr wollen, dass du davor gewarnt wirst und die Chance erhältst das Richtige zu tun, auch wenn ich dir nicht sagen kann, was das richtige sein wird. Ich sehe Bilder von Menschen, von Städten, ich fühle, aber ich höre keine Stimmen, es sei denn sie finden mich.“ Ihre Stimme war in ihren Untertönen tröstend und aufbauend „dies geschah bloß ein einziges Mal und es war nur ein Bruchteil dessen, was du mir eben aufgesagt hattest Leif.“ Sie hielt ihn wieder mit ihrer einen Hand unter seiner Wange fest, während die andere Hand die seine ergriff. Die Töne ihrer Stimme klangen fest. „Ich kann nicht Leif. Wie ich sagte, diese Gabe ist nicht kontrollierbar. Gestern hatte ich eine Vision, das ein Teil des Waldes Lucien nicht mehr in seine Erde aufnimmt und er so unweigerlich am Tag verbrennen würde. Zum Glück musste ich ihn nicht davon überzeugen, da er von selbst lieber eine andere Alternative zum Schlafen gesucht hat. Versteh, ich kann dich heute anfassen und würde ich es morgen wieder tun, so kann nichts passieren, aber es kann, so wie es der Herr will passieren, dass ich etwas sehe. So wie er und daran glaube ich seine schützende Hand über dich gelegt hat und uns beide hat zusammenkommen lassen.“ Damit endete Lilliana, ließ aber ihre Hände da wo sie waren.