So 2. Aug 2015, 19:34
Da ich denke, dass die Antwort hier hinein gehört werde ich sie bereits jetzt posten.
2 Wochen später.
Alida stand am Fenster im alten Arbeitszimmer ihres Bruders und sah nach draußen auf den Hof und die dunklen Kanäle. Es klopfte und wenige Sekunden später öffnete sich die Tür. Ein braunhaariger Schopf schob sich durch den Türspalt: Alyssa.
Die Stimme der Frau klang vorsichtig. „Alida? Hast du Zeit für mich?“
Die blonde Frau nickte. „Immer. Das weißt du doch.“
Alyssa trat ein, neben sie ans Fenster und sah hinaus. Sie schwieg.
Die Tsimiske zog fragend eine Augenbraue nach oben, versuchte ein Lächeln. „Setz dich.“ Sie ließ sich auf ein Sofa sinken und hätte sich für die seltsame Förmlichkeit, die seit Alyssas Geständnis zwischen ihnen herrschte am liebsten selbst geohrfeigt.
Die junge braunhaarige Frau verschränkte die Hände ineinander. „Alida? Du hast mich gefragt wie es weiter gehen soll. Wie ich mir meine Zukunft vorstelle? Zunächst einmal: Es tut mir leid, das sich für solche Verwirrung gesorgt habe. Ich stand völlig neben mir. Etwas, das ich selbst so an mir noch nie erlebt habe. Ich möchte, dass du etwas weißt: So etwas wird nie wieder vorkommen! Ich weiß, dass ich in der Lage bin mich so zu kontrollieren wie es notwendig ist. Ein paar Dinge sind mir in der Zeit, die ich mit Nachdenken in meinem Zimmer verbracht habe, klar geworden.“
Alyssa machte eine Pause, sah aus dem Fenster nach draußen, dann z der Kainitin.
„Ich möchte weiterhin den Ghulstatus behalten. Ich kenne meine Aufgaben, meine Verpflichtungen und mir ist klar, dass ich dieses Privileg verliere, wenn ich zu einem unberechenbaren Risiko für die Familie, für dich, werde.“ Sie blickte Alida fest in die Augen um deutlich zu machen, wie ernst es ihr war.
„Aber mir sind auch andere Dinge klar geworden: Ich will auf keinen Fall in ein Kloster. Ich tauge nicht für das aufopferungsvolle Leben einer Nonne. Auch will ich derzeit niemanden heiraten. Vielleicht nehme ich Michel, der wirklich ein lieber Kerl und guter Mann ist, eines Tages zum Mann, aber derzeit will ich keinen Ehemann.“ Alida zog fragend eine Augenbraue in die Höhe. Doch Alyssa hob bereits an um weiter zu sprechen. „Ich liebe es, es mit Michel und dem ein oder anderen Mann zu treiben und darauf möchte ich auf keinen Fall verzichten. Es ist zu gut.“
Alida starrte sie an, schluckte.
Alyssa vollführte eine wegwerfende Handbewegung. „Ich weiß, du machst dir Gedanken um mich, Gedanken um den Ruf der Familie.“ Sie sah sie eindringlich an. „Ich schwöre dir: ich werde aufpassen. Ich werde mich weder dabei beobachten lassen, noch werde ich zulassen noch einmal schwanger zu werden. Leif kennt genug Mittelchen um einen solchen Zustand zu verhindern. Ich weiß, was ich möchte und ich weiß, dass es möglich ist. Verzeih mir den einen Fehltritt und lass mich meinen eigenen Weg gehen.“
Alida schwieg abwartend und hörte ihrer Großnichte zu.
„Und dann zu dem Kind: Ich eigne mich nicht für die Mutterrolle, Alida. Ich bin nicht die liebevolle Mutter, die nichts als das Wohl ihres eigenen Kindes im Blick hat, ihre Zeit mit Stillen, Windeln wechseln, Kleidchen waschen verbringt. Ich plane die Finanzen unseres Unternehmens, Handelsrouten, den Vergleich von Ein- und Ausfuhrzöllen der verschiedenen Länder. Das ist es, was ich kann und gerne mache.“
Alida ließ einige Sekunden verstreichen, bevor sie ihre Frage stellte: „ Du willst das Kind wegmachen lassen.“
Sie sah den Blick in Alyssas Augen und erkannte, dass sie Recht hatte als diese zu sprechen ansetzte „Ich würde mich gern für diesen einfachen Weg entscheiden. Er wäre kurz und wenig schmerzhaft.“
Wieder schluckte Alida. „Ich glaube, es wäre nicht richtig. Das Kind ist, komme was wolle, Teil der Familie.“
Alyssa biss die Lippen aufeinander und seufzte. „Ich weiß, dass du so denkst. Aber ich bin noch nicht soweit. Vielleicht werde ich eines Tages Kinder haben, sie lieben. Ich habe einen Fehler gemacht, den man leicht wieder korrigieren könnte… „
Alida schüttelte ungläubig den Kopf. „Das kannst du nicht machen.“
Alyssa griff nach Alidas kalten Fingern. „Ja, so würdest du handeln. Ich weiß. Deshalb möchte ich dich bitten:
Lass mich weiterhin dein Ghul sein. Lass mich mein Leben führen so wie ich es möchte so lange ich niemandem damit Schwierigkeiten mache. Ich habe dir nie Probleme bereitet, habe so wie du auch meine Zeit damit verbracht das Beste für die Familie zu geben. Also verzeih mir den einen Fehltritt.“ Wieder wartete sie ab.
„Als Gegenleistung werde ich das Kind bekommen. Es wird sich in dieser großen Familie schon jemand finden, der sich darum kümmert. Vielleicht würde sich Marlene darüber freuen. Sie ist schon seit längerem mit ihrem Mann verheiratet ohne dass sie ein Kind hat, oder meine liebe Base Anna behauptet bei ihrer nächsten Geburt, die ungefähr zum gleichen Zeitpunkt sein wird, sie hätte Zwillinge bekommen. Sie hat bereits fünf. Ein Kind mehr oder weniger würde ihr auch nichts ausmachen. “ Zögernd und leise sprach sie weiter. „Vielleicht solltest du dich darum kümmern, Alida. Ich habe mit Leif geredet und ihn aufgefordert mir die komplette Wahrheit mitzuteilen, jede Vermutung, die er hegt und mir nichts zu verschweigen. Er meinte, es könne sein, dass es sich dabei um ein Monster handelt…“
Alida schluckte schwer.
Nach all der Zeit hatte sie mit allem gerechnet, aber nicht damit. Zum einen war sie froh. Die klar denkende, kalkulierende, logisch denkende Alyssa war zurück. Zum anderen hatten die Erfahrungen, die sie gemacht hatte, dazu geführt, dass sie selbstbestimmt und unbeirrbar ihren Weg gehen wollte.
Alida hatte keine Wahl. Zögernd nickte sie.
Zuletzt geändert von Alida am Mo 3. Aug 2015, 09:12, insgesamt 2-mal geändert.