Mo 13. Jul 2015, 20:51
Der Weg zur Höhle war schwierig gewesen aber Lilliana hatte es geschafft. Der Eingang war groß genug, dass sie eintreten konnte ohne sich bücken zu müssen, was insbesondere auch ihrem Pferd zugutekam. Tarbas scheute ein wenig in die absolute Dunkelheit zu schreiten und wäre fast in Panik ausgebrochen, als der Untergrund wegen des Wassers von den Wänden rutschiger wurde, beruhigte sich nach einigen sanften und wohlgewählten Worten seiner Herrin wieder. Die Höhle hatte recht große Ausmaße und es gab einige Winkel aber nach einigen Minuten war sich Lilliana sicher, dass sie alleine hier war. Vermutlich war ihre Entscheidung gar nicht schlecht gewesen konnte sie sich denken, denn der Mangel an Licht und der schwere Zugang zu den Höhlen würden die meisten Leute abschrecken hier Zuflucht zu suchen. Je weiter sie voranschritt, desto trockener wurde der Untergrund denn sie bewegte sich nach oben. Nichts von dem Mondlicht erhellte mehr ihren weg und es war Finster während die die Geräusche des tosenden Sturms langsam nachließen und schließlich gänzlich erstarben. Es war still hier und lediglich die dampfende Atmung ihres Pferdes und die leise kratzenden Geräusche ihrer Schritte begleiteten sie nun.
Falls Lilliana schließlich ihre Sinne über Auspex schärfte oder das Licht in einer Laterne entzünde, konnte sie die große und beeindruckende Höhle noch besser sehen ansonsten ihre Umgebung nur erahnen. Schließlich und endlich konnte sie sich sicher sein, dass sie einen geeigneten Ruheplatz gefunden hatte und die bleierne Müdigkeit die sie überfiel, kündigte an das die Sonne schon fast aufgegangen sein musste. Wenn sie sich nicht gegen den Schlaf wehren würde, würde die Toreador schließlich friedlich und sicher im Schoße des Berges einschlafen.
Ihr Schlaf war tief und ein Prickeln breitete sich unterbewusst in ihrem Körper aus, ein Prickeln welches eine ihrer Träume, ihrer Visionen ankündigte und heute war das unbewusste Gefühl, dass etwas kommen würde sogar besonders stark. Da war wieder die junge Frau, die junge Frau die sie schon einmal gesehen hatte in ihrem Garten unter dem Pfirsichbaum der reife und süße Früchte trug. Sie sah zu wie eine Gruppe von Kindern in einem Brunnen spielte und auch wenn die Kinder ausgelassen spielten, war das Gesicht des Mädchens traurig und von Kummer verzerrt. Doch hier war es anders sie war glücklich und lächelte, anmutig und sanft.
Lilliana sah weitere Bilder eine Hochzeit, eine Hochzeit am Meer begleitet von Rittern und Edlen die Speer und Schwert erhoben um den frisch vermählten ihre Ehre zu bezeugen.
Da war junge Frau wieder nun gereift und glücklich wie sie auf einem Balkon stand ein Kind in ihren Händen.
Das nächste Bild überflutete sie, es überflutete sie mit einer Trauer und Einsamkeit die ihr das Herz brechen wollte, die Frau saß alleine, schwanger und schaute aus dem Fenster wie ein Vogel in seinem Käfig der sich an den blauen Himmel wohl nur aus Gedichten und Liedern erinnern konnte. Schließlich gesellte sich zu Trauer und Einsamkeit auch noch Schmerz und das Bild veränderte sich ein weiteres Mal, doch dieses Mal wenig. Eine neue Perspektive. Da war immer noch die schwangere Frau ebenso ein Mann und eine weitere Frau. Dann war wieder der Balkon. Dieses mal jedoch kein Bild des Glücks, sondern der puren Verzweiflung.
Neue Eindrücke entwickelte sich aus einem Meer an schwarz. Die Frau war ausgezehrt und weinte, lediglich eine einzige Blume schien ihr Gesellschaft zu leisten in diesen dunklen Stunden.
Dann war Feuer und Lilliana spürte fast die Hitze auf ihrem Gesicht. Feuer und Blut und nicht zuletzt Tot. Sie konnte die Schreie in ihren Ohren hören, echte Schreie die langsam leiser wurden und einem neuen Bild wichen. Ein Schlachtfeld und dann zwei Männer die sich bei einem Zelt Münzen übergaben und leise miteinander sprachen.
Wieder waren da Schreie, doch dieses Mal von einer Frau die bald von panischen Rufen der Sorge und Angst abgelöst worden. Ein Überfall und auf dem Steinfußboden breitete sich rotes Blut neben einer großen Harfe aus, dass vom Kopf eines Kindes sickerte. Dann eine andere Szene, eingeläutet von einer Erschütterung und dem Splittern von Holz. Dann war da Angst und das verzweifelte, ersterbende Flehen einer Frau und die Laute eines Neugeborenen. Dann war nur noch Stille. Absolute Stille. Alles wurde wieder schwarz. Da war die Frau noch einmal, die Aussah als wäre sie weit vor ihrer Zeit in Gram und Sorge gealtert. Leere schwarze Augen waren alles was geblieben waren sowie die Blumen die ihr ausgezehrtes Gesicht umrahmten.
Dann war da noch einmal Licht und schließlich hörte Lilliana Kirchenglocken. Gott war hier und spendete seinen Trost und seine Liebe. Die Gefühle von Angst, Schmerz und Verzweiflung verblassten langsam um den Blick auf einen Grabstein freizugeben dessen weißer Marmor im Sonnenlicht funkelte. Auf dem Stein war das Mädchen zu erkennen, so schön und glücklich wie sie einst gewesen war und über und über mit Blüten bedeckt. Sie hatte ihren Frieden gefunden.
Dann wachte Lilliana auf und ihre bleischweren Arme und Beine verrieten ihr das trotz der Dunkelheit um sie herum die Sonne wohl noch nicht untergegangen war. Tarbas atmete leise neben ihr. Er schlief ohne zu wissen welche Träume seine Herrin gerade erlebt hatte.