Di 11. Dez 2018, 22:31
Die junge Bedienstete nickte schnell und eifrig. Ihre Erleichterung war ihr offen anzusehen. „Natürlich Herrin!“ Der energischen Antwort folgte ein plumper Knicks. „Bitte folgt mir.“ Das Mädchen führte Alida durch die weiten Hallen und Gänge von Flussfall. In der luxuriösen Einrichtung und exquisiten Architektur sah man einmal mehr den Reichtum der Herrscher, die hier gelebt und gewirkt hatten. Nach einigen Minuten, in denen sie schweigend den Weg gewiesen hatte, blieb die Begleiterin von Alida schließlich vor einer reich beschlagenen Tür stehen. Sie drehte sich um. „Verzeiht, aber wen darf ich ankündigen?“
„Mein Name ist Alida van de Burse, Kauffrau aus Brügge. Sagt mir doch bitte noch, wer sich ansonsten noch in der Kemenate aufhält.“
"Lediglich die Frauen aus dem Gefolge des Grafen Marquet. Mehr weiß ich aber nicht, Herrin, denn sie haben ihre eigenen Dienerinnen mitgebracht, die sich um ihre Annehmlichkeiten und Bedürfnisse kümmern. Seitdem der Bürgerkrieg zu einem Ende gekommen ist, gibt es keine hochgeborenen Frauen mehr hier in Flussfall, die die Räumlichkeiten für ihre Handarbeiten und Zusammenkünfte nutzen." Sie senkte leicht den Blick. "Darf ich euch ankündigen?"
Alida nickte. „habt Dank. Ja, kündigt mich bitte an.“
Die Dienerin öffnete vorsichtig die Tür und trat ein. Ihre Stimme bebte vor Aufregung und Nervosität. „Die ehrenwerte Herrin Alida van de Burse.“ Kurz nachdem sie ihre Aufgabe erfüllt hatte, stahl sie sich auch schon wieder davon. Vier Köpfe erwarten die Tzimisce in einem kleinen, wohlig warmen Raum, der von einer Vielzahl von Kerzen erleuchtet war. Ein Ofen oder Kamin war nicht zu sehen, aber eine runde Ausbuchtung am Ende des Raumes, schien die angenehme Wärme zu spenden. Alida konnte daraus schlussfolgern, dass der Ofen von einem anderen Zimmer aus beheizt wurde, was die Luft hier von Rauch und Ruß befreite. Eine clevere Konstruktion die in den immer feuchten und oft kühlen Räumlichkeiten von Flussfall gute Dienste zu leisten schien. Die Lokalität der Burg mochte strategisch außergewöhnlich sein, aber die Nähe zum Wasser war immer zu fühlen, insbesondere in einem solch kalten und feuchten Sommer wie diesem.
Eine Frau erhob sich als Alida eintrat und betrachtete sie von Kopf bis Fuß. Sie hatte dunkles, leicht lockiges Haar und feine Gesichtszüge. Flankiert wurde sie von einer älteren Matrone die mit einer Handarbeit beschäftigt war und zwei jüngeren Frauen, die ebenso devot und schüchtern auf ihre Nadelarbeit schauten. Eine mochte vielleicht Ende zwanzig sein, mit einer schiefen Nase und langen Gesichtszügen die andere Anfang zwanzig, mit stumpfem schwarzen Haar und äußerst korpulent. Die Frau die aufgestanden war sprach schließlich auf Französisch. „Ich bin Jocelyn Marqeut.“ Sie machte einen kaum wahrnehmbaren Knicks. Als dies passierte erhoben sich auch die anderen Frauen um Alida zu begrüßen. Jocelyn sprach weiter. „Ihr müsst die Krämerin sein von der mein Onkel so besessen ist. Kommt. Wenn ihr wünscht, dann schließt euch unserem dummen Pflock von Hühnern an. Ich habe so selten die Möglichkeit mich mit jemandem wie euch zu unterhalten. Welchen Klatsch bringt ihr mit euch?“
https://mediapress4pictures.blob.core.w ... 7f80cd.jpgAlida fiel in eine Reverenz, wie sie es so oft bei Lilliana gesehen hatte. Sie senkte den Blick und musterte die Adelige verhohlen ohne sie direkt anzusehen. „Es ist mir eine Ehre von euch empfangen zu werden.“ Sie verbeugte sich ebenfalls vor den anderen Frauen und trat dann ein paar Schritte näher. „Ja, ich bin die Krämerin. Euer Onkel hatte angeordnet heute Abend eine Unterredung mit mir zu führen, doch nach dem, was ich vernehmen konnte, wird diese nicht stattfinden.“ Sie hielt inne.
„Nein wahrscheinlich nicht.“ Jocelyns Antwort war kurz und knapp. „Ihr werdet euch wohl noch ein wenig gedulden müssen.“ Schließlich setzte sich die dunkelhaarige Frau und wandte sich wieder ihrer Nadelarbeit zu während sie sich an die Frau mit dem langen Gesicht wandte. „Adelaide einen Becher Wein für unseren Gast.“ Nachdem Alida einen schweren Silberbecher mit blutrotem Wein kredenzt bekommen hatte, wandte sie sich wieder Jocelyn wieder an diese. Die Frau hatte etwas strenges an sich, was von ihrem Tonfall und scharfen Gesichtszügen nur noch unterstrichen wurde.
Alida nippte an dem bittersüßen Getränk nachdem sie ein ‚Habt Dank‘ gemurmelt hatte. „Es hieß, es wäre zu einem Überfall gekommen. Ihr müsst euch sehr um euren geliebten Onkel sorgen.“ Alida musterte die Adelige genau bei dieser Bemerkung. Ganz offensichtlich sorgte sie sich keineswegs, wenn sie leichthin auf Alidas Geduld anspielen konnte.
Ein leichtes Schulterzucken begleitete die Worte der jungen Marquet. „Wer meinen Onkel kennt, weiß, dass man sich nicht um ihn Sorgen muss. Es geht nur um ein paar Banditen. Wahrscheinlich führt er sie auf eine falsche Fährte und taucht spätestens morgen früh wieder hier auf.“ Jocelyn bediente sich selbst an ihrem Weinkelch. Sie trank langsam und schien den Geschmack voll auszukosten, bevor sie weitersprach. „Sollte tatsächlich das Undenkbare passieren und er wird gefangengenommen, dann zahlen wir eben ein Sack voll Gold für seine Freilassung. Ein Lösegeld lässt sich unter Banditen besser aufteilen, als ein Pferd und ein paar Jagdwaffen.“ Sie lehnte sich zurück und schien tatsächlich nicht im Geringsten in Sorge über ihren Onkel zu sein. „Außerdem was können wir schon tun außer zu beten? Etwa mitten in der Nacht durch den Wald stampfen ohne zu wissen wo man auch nur beginnen soll?“ Sie lachte auf.
Alida verließ sich auf die Kräfte ihrer übersinnlichen Wahrnehmung um die Worte des Mädchens besser einschätzen zu können. Ihr Geist war formidabel. Ein Wall, der ihre Gedanken schützte, aber es gab immer Wege über oder unter einer solchen Barriere. Alida sah schließlich Bilder, Gedanken und Emotionen, die ihre Fragen zu einem Teil beantworten. Jocelyn schien sich tief drinnen doch ein paar Gedanken um ihren Onkel zu machen, auch wenn ihre Worte der Wahrheit entsprachen. Sie hatte Vertrauen in seine Fähigkeiten, war es doch nicht das erste Mal, dass er sich in Gefahr begeben hatte. Dennoch nagte die Ungewissheit auch an ihr, obwohl sie das, wie Alida sah, nie vor irgendjemandem zugeben würde. Nein, eine solche Handlung bedeutete den Verlust von Kontrolle.
Die Händlerin nickte nachdenklich. „Ja, euer Onkel, ein Templer, wird sicher wissen, was zu tun sein wird. Verzeiht meine Bedenken. Mögt ihr mir die Frage verzeihen, woher die Informationen stammen? Vielleicht gibt es ein paar Hinweise, die wir übersehen haben?“
Der Ausdruck ihrer Gegenüber war offenbar genervt von Alidas Frage. Sie war bestimmt, aber höflich. "Was interessiert euch das eigentlich?" Schließlich schien sie sich aber zu einer Antwort durchzuringen. "Diese ganze Aufregung facht das Feuer der Gerüchte nur noch weiter an. Der Page der entkommen ist hat uns alles erzählt. Aber auch er weiß nicht was genau passiert ist. Nur das sie getrennt wurden."
Was interessierte sie das? Sie musste schlucken. Was sollte sie der jungen Fürstin auch antworten? Etwas von familiären Gefühlen dem verhassten Verlobten Karl gegenüber, weil er als Sohn von ihrem Neffen aufgezogen worden war? Das würde diese nicht interessieren und sie selbst nur lächerlich machen. Sie wusste nicht recht, was sie antworten sollte und nuschelte etwas undeutlich. „ich frage mich nur, ob es Sinn macht, weiterhin in Flussfall zu verweilen…“ als halbherzige Ausrede.
Jocelyn wurde ein wenig sanfter, auch wenn das an ihrer recht strengen Art wenig änderte. „Soweit ich von meinem Onkel gehört habe, seid ihr eine fähige Frau, die das Glück hat eigene Entscheidung im Namen ihrer Familie treffen zu können. Also müsst ihr selbst entscheiden ob ein oder zwei Tage eurer Zeit es wert sind auf einen Hochmeister der Templer, wegen eines Handelsangebots zu warten.“
Alida senkte wieder den Blick. „Eurer Durchlaucht, ich bin mir sicher, dass es sich lohnt ein oder zwei Tage auf einen so wichtigen Mann wie euren Onkel zu warten. Allerdings frage ich mich, ob es nicht sinnvoll wäre, derweil eigene Schritte zu unternehmen.“
Sie schien interessiert, aber auch amüsiert. "Was genau denkt ihr, dass ihr tun könnt?"
Alida mied nach wie vor den Blick der Höhergestellten. „Es wäre sicher gut die Worte des Knappen bestätigt zu wissen. Es könnte hilfreich sein herauszufinden in welche Richtungen der Jagdtross auseinandergestoben ist. Und ob es sich tatsächlich um Räuber handelt oder etwas anderes?“
Sie zuckte einmal mehr mit den Schultern. "Wenn das euer Wunsch ist, werde ich euch gewiss nicht aufhalten. Ich denke ihr verschwendet eure Zeit." Sie lehnte sich wieder zurück und trank einen weiten Schluck Wein. "Bevor ihr aufbrecht, erlaubt mir aber eine weitere Frage. Ihr kennt den jetzigen Grafen von Flussfall erheblich länger als viele andere. Was könnt ihr mir über seine Mutter berichten?" Ein beinahe boshafter, herausfordernder Ausdruck trat auf ihre Züge.
Alida war sofort bewusst worauf diese Frage abzielte. Jocelyn wollte sie in die Defensive drängen und hoffte wohl auf das ein oder andere Stück Information, dass sie so vielleicht noch nicht gehört hatte.