Vampire: Die Maskerade


Eine Welt der Dunkelheit
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BeitragVerfasst: So 5. Nov 2017, 20:43 
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Lilliana war nicht da als Alida in der folgenden Nacht erwachte. Die Tzimisce wusste, dass ihre alte Bekannte weniger Schlaf benötigte als die meisten Kainiten. Darüber hinaus war es auch nicht verwunderlich, dass sie nichts von ihrem Verschwinden mitbekommen hatte. Sie hatte nun einmal einen tiefen Schlaf. Es dauerte nicht lange, bis Alida ihren Weg zum Versammlungsraum gefunden hatte. Sie wollten sich schließlich alle dort wiedertreffen. Die Händlerin wurde ohne ein weiteres Wort eingelassen. Karl saß an einem der Tische, über Karten gebeugt und schaute auf als er die Bewegungen an der Tür hörte. Er lächelte ihr mit seinen ebenmäßigen Zähnen zu. „Bitte komm herein, Alida.“
Die blonde Händlerin erwiderte das Lächeln und trat näher. „Ich hatte gehofft, dich anzutreffen und nach dir Ausschau gehalten. Lucien und Gerrit werden noch etwas Zeit benötigen… Hast du ein paar Minuten für mich unter vier Augen?“
Sie hatte sofort Karls Aufmerksamkeit und eine gewisse Sorge war in seiner Mimik auszumachen. Er nickte kurz bevor er sprach. „Folge mir bitte.“ Die beiden gingen durch einen kurzen Korridor, der den Versammlungsraum mit einem kleineren Zimmer verband. Überall waren Schilde und Wappen an der Wand angebracht, die im Schein eines kleinen Kaminfeuers schimmerten. In der Mitte des Raums gab es mehrere bequeme Sitzmöglichkeiten, die in einem Halbkreis aufgestellt waren. Mehrere Talglichter an der Wand gaben dem Raum zusätzlich eine warme Atmosphäre. Karl schloss die eisenbeschlagene Tür mit einem kurzen Klicken hinter sich und bot Alida an Platz zu nehmen. Aus der Nähe sah die Händlerin dunkle Ringe unter seinen Augen, die trotz des offenen Lächelns nicht gänzlich verschwanden. Schließlich sprach mit einer Mischung aus Neugier und Sorge: „Hier dürfte uns niemand stören. Wie kann ich dir helfen?“
Sie lachte kurz überrascht auf- ein kurzer, kaum hörbarer Laut. Dann schüttelte sie unmerklich den Kopf während sie sprach. „Es tut gut, dich hier zu sehen, Karl. Dein Ausbilder und Lehnsherr Ducrese war ein anständiger Mann. Er war ein Fürst, der sich auch für die Belange seiner einfachen Leute interessiert hat und es ist ein Unglück, dass er damals…“ Sie verschloss die Lippen und sprach nicht weiter. Erst nach mehreren Sekunden setzte sie erneut an. „Er würde sich im Grab umdrehen, wenn er sehen könnte, wie seine Grafschaft zerfällt und vor die Hunde geht. Dass du hier bist, nach dem Rechten siehst, vorläufig die Verwaltung übernimmst und dafür sorgst, dass die Ernte eingefahren wird, damit die Bauern im Winter nicht verhungern, würde ihn wohl sehr freuen. Egal, was die Zeiten derzeit bringen und was noch kommen mag: Du hast viel gelernt und kannst stolz auf dich sein. Nicht viele wären dazu in der Lage.“ Sie sagte ihre Worte voller Überzeugung.
„Danke für deine Worte.“ Karl schien ein wenig überrascht, aber Alidas Worte schienen dazu beizutragen, dass er sich ein wenig entspannte. „Ich glaube, du weißt es nicht, aber es bedeutet mir viel, dass du das sagst. Meine Perspektive hat sich im letzten Jahr verändert. Als ich jünger war, war ich immer auf der Suche nach Ruhm und Ehre. Ein guter Kampf schien um so vieles...“ Er rang nach Worten. „...besser als die Alternativen.“ Er senkte den Blick und seine Stimme etwas leiser. „Ich glaube man lernt die Lektion wie wichtig Frieden ist und Wohlstand erst, wie...nobel...es ist sich um diese Dinge zu Sorgen, wenn man die Grausamkeit des Todes am eigenen Leib erfahren hat.“
Alida legte sich bei seinen ernsten Worten in Falten. Sie wusste, er hatte es nie leicht gehabt und dennoch nahm es sie mit zu erkennen, wie viel Schmerz er in den letzten Jahren erfahren hatte. Seine Eltern waren erst voneinander getrennt, dann ebenso wie sein Lehrmeister Ducrese abgeschlachtet worden. Seine Liebste, Marie, war von einem gemeinen Bürger abgestochen worden, den man schließlich auf Geheiß der Kirche wegen fehlender Beweise hatte laufen lassen. Er hatte Freunde verloren und nun war auch seine Ziehmutter Brunhild im Gefängnis… Zu viel Unglück für einen einzelnen jungen Mann. Sie seufzte und legte ihm die Hand auf den Arm. Es fiel ihr schwer Worte zu finden, die angemessen waren. „Es gibt Zeiten, in denen Kämpfen das einzig richtige ist und Zeiten, in denen verhandeln und nachgeben die besseren Alternativen darstellen. Erst mit der Zeit vermag man vielleicht zu lernen, wann was zu Erfolg führen kann.“ Sie versuchte ein Schmunzeln, das nur wenige Sekundenbruchteile um ihre Mundwinkel zu erkennen war. „Ich habe es auch nach längerer Zeit noch nicht wirklich herausgefunden…“ Sie sah ihn fest an. „Egal was kommt, es ist gut für die Leute hier, dass du da bist und dich ihrer annimmst. Wie ist das alles für dich? Kommst du klar?“
Karl lächelte schwach, aber dankbar. Er schien zu wissen, worüber Alida nachdachte, schien diese Gedanken aber ein Stück weit von sich stoßen zu wollen, auch wenn es ihm nicht gelang.
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„Die Zeit nach...nach dem Vorfall war die Hölle. Es fühlte sich manchmal an als könnte ich nicht atmen. Ich war für Wochen wie betäubt, alles schien sinnlos und die Zeit sickerte einfach nur dahin. Ich wusste so oft nicht, ob ich schreien sollte, ob ich verzweifeln sollte. Ich wusste nicht, ob ich irgendwem anders oder mir selbst ein Messer ins Herz stechen wollte. Ich gab mir die Schuld für alles was passiert war, dann gab ich sie anderen... Aber Brunhild und ich...wir haben uns gegenseitig Halt gegeben. Wir haben zusammen getrauert und irgendwann wurde es leichter. Wir begannen zu heilen. Charlotte hat uns geholfen, Thyra, Leif und schließlich andere. Neue Freunde, Neue Vertraute. Die Zeit mag vielleicht nicht alle Wunden heilen, aber sie macht viele Dinge erträglicher.“ Er seufzte tief. „Es wird nie wieder so sein wie vorher, das ist mir klar. Es sind Narben, nur sind sie nicht auf meinem Körper. Sie sind tief in mir drinnen. Sie heilen und manchmal schmerzen sie, aber irgendwie geht es weiter.“ Karl legte für einen Moment den Kopf in den Nacken. „Ich habe Angst davor eine falsche Entscheidung zu treffen. Überhaupt Entscheidungen zu treffen. Ich will, nein, ich muss Brunhild beschützen. Aber da sind auch die Einwohner der Grafschaft, die Bewohner. Abgesehen davon fühlt es sich im Moment ruhig an. Zu ruhig, ganz so als ob sich der Sturm erst noch zusammenbraut.“
Alida nickte mit gesenktem Blick. Sie wusste nur zu gut, wovon er sprach. „Ja, jeder spürt, wovon du sprichst.“ Dann wanderten ihre Augen fest zu seinen grauen Pupillen. „Ich möchte, dass du etwas weißt: Wir werden alles in unserer Macht Stehende tun um Leif zu finden. Das schuldet jeder einzelne von uns ihm. Und wir bekommen Brunhild aus dem Gefängnis frei, oder wo auch immer man sie festhält. Sie ist die Schmiedin in Blensheim und Lucien schätzt nicht nur ihre hervorragenden Kenntnisse. Und ich kann von mir behaupten, dass ich ihr dankbar bin, dafür, dass sie immer für deinen Vater und dich da war. Das bin ich ihr also schuldig.“
Karl nickte dankbar und es war beinahe so, als würde etwas wie Hoffnung in seinen Augen aufflackern. „Ich hoffe inständig, dass ihr Erfolg haben mögt.“ Schließlich rang er noch ein paar weitere Worte hervor. Sie schienen ihm schwer zu fallen, sehr schwer. „Bitte Alida, wenn du Brunhild finden solltest, wenn du nur ein Lebenszeichen von ihr erhältst...Sie war nicht nur wie eine Mutter für mich, sie ist auch meine Mutter, und ich weiß nicht, ob ich es ertragen würde noch eine zu verlieren.“ Die Stimme das jungen Mannes war gebrochen und belegt und es dauert nur einen Moment bis er ein anderes Thema anschnitt. „Es gibt noch etwas anderes, dass ich gerne mit dir bereden würde...“ Er seufzte. „Ich weiß, dass ich immer Probleme hatte mich anzupassen. Bei euch, bei uns, bei dir zu Hause, meine ich im Besonderen. Ich möchte nur, dass du weißt, dass ich die van de Burses niemals ablehnen oder beleidigen wollte. Im Gegenteil: ihr seid großzügig, ehrlich und gütig. Ich hätte dankbarer sein müssen, aber dieses Leben und diese Welt... eure Welt war nie mein Schicksal. Ich war anders, bin anders aufgewachsen...es tut mir leid. Ich will sagen, dass du nichts falsch gemacht hast, Alida. Mein Weg war ein anderer.“ Karl verfiel in Schweigen und suchte Alidas Blick. „Inzwischen wissen wir sogar vielleicht wieso. Hat... Hast du es gewusst? Ich meine, dass Balduin van de Burse nicht mein Erzeuger war?“ Alida fiel auf, dass er Erzeuger gesagt hatte. Nicht Vater, eine Wortwahl die sicherlich kein Zufall war.
Alida schluckte. Was sollte sie in diesem Moment antworten? Was sie auch sagte, es wäre wohl nicht richtig… Schließlich entschied sie sich mit schwerem Herzen für die Wahrheit. „Leif hat mir seine Vermutungen vor ein oder zwei Jahren mitgeteilt… Ich weiß nicht, was wahr oder nicht wahr ist, was deine Mutter dir erzählt hat? Für mich spielt es auch keine Rolle. Du bist immer Balduins Sohn gewesen und damit gehörst du zur Familie. Van de Burse sind durch Blut verbunden, aber nicht nur dadurch, das haben mehr als genug Mitglieder unserer Familie bewiesen. Und es gibt genug von uns, die ihren Vater oder ihre Mutter nicht kennen, die nicht das Gefühl haben dazu zu gehören, die auch nicht dazu gehören wollen und Anpassung… na ja… das müssen wir wohl alle lernen und bekommen es nicht in die Wiege gelegt.“ Erneut legte sie ihm die Hand auf die Schulter. „Du gehst deinen eigenen Weg und ich denke, du hast richtig gewählt. Wenn ich oder jemand aus der Familie dir helfen kann, dann bin ich mir sicher, kannst du auf uns zählen, auch wenn du ein Einzelkämpfer bist und für dich die eigenen Entscheidungen triffst.“
„Früher als ich meine Eltern nach einem Bruder oder einer Schwester gefragt habe, sagten sie mir immer ein Kind ist mehr als genug Arbeit. Es war scherzhaft gemeint, aber einmal hatte ich sie reden hören. Ich konnte nicht schlafen und da habe ich sie gehört. Vater meinte, er würde sich sehr über weitere Kinder im Haus freuen und meinte dann nur mysteriös, er würde nie fragen, wo ein mögliches Baby herkam... oder von wem.“ Der junge Mann lächelte schwach. „Das hat für mich damals natürlich keinen Sinn ergeben, aber jetzt und mit Abstand betrachtet, erklärt es eine ganze Menge. Ich weiß nicht, ob beide irgendeinen Plan diesbezüglich hatten, aber es spielte dann auch keine Rolle mehr. Nicht lange nach diesem Gespräch ist...musste meine Mutter ins Kloster eintreten um sich zu retten.“ Karl war eigentlich niemand der gerne oder viel über sich sprach, dass wusste Alida. Trotzdem war nicht zu übersehen, wie gut es ihm tat mit einer vertrauten Person über die Vergangenheit zu sprechen. Er schaute sie direkt an. „Aber du hast Recht. Familie ist nicht nur Blut, es ist so vieles mehr. Familie ist wichtig und sollte seinen Mitgliedern Schutz und Geborgenheit bieten. Sag mir Alida.“ Karl schaute die Tzimisce mit großem Interesse an. „Was würdest du tun, wenn sich zum Beispiel Marlene und Frederik so fürchterlich in den Haaren liegen würden, dass es alle um sie herum beeinflusst. Ich weiß, so etwas würde nicht passieren, aber wie würdest du reagieren? Wie würdest du das Problem lösen? Oder würdest du dich überhaupt nicht einmischen?“
Alida sah ihn fragend an. Sie ahnte, dass es ihm nicht um einen Familienzwist im eigentlichen Sinne ging. Er wollte auf etwas anderes hinaus und in Anbetracht der derzeitigen Umstände gab es nur einen Streit unter Geschwistern, der für diesen Gedankengang in Frage käme. „Ich glaube, das lässt sich nicht vergleichen… Ich kenne Marlene und Frederik bestens… Ich wäre wohl wie die meisten, würde versuchen mit beiden zu reden, zu vermitteln, könnte beide nötigen sich so lange an einen Tisch zu setzen bis sie ihre Differenzen geklärt hätten. Wäre ihr Zwist für alle mehr als gefährlich…“ Sie seufzte. „Wir…, Leute wie Leif oder ich, sind in der Lage zur Not mit anderen Mitteln für Frieden zu sorgen, auch wenn die alles andere fair zu bezeichnen wären. Aber ja, ich würde sie anwenden, wenn ich könnte. Aber ich vermute, du willst auf die Fürstinnen hinaus, nicht wahr?“
Ihr Gegenüber hörte Alida aufmerksam zu und zuckte dann nur kurz mit den Schultern. "Natürlich." Karl rieb sich die Augen und streckte seine offenbar müden Glieder für einen kurzen Moment. "Ich habe schon lange mit dem Gedanken gespielt, dass man vielleicht alle Parteien an einen Tisch zwingen könnte. Die Fürstinnen sind immerhin Schwestern. Beide haben ihre Eltern in jungen Jahren verloren, haben genug durchmachen müssen, genauso wie ihr Bruder...Man sollte meinen, sie brauchen keine weiteren, hausgemachten Probleme. Immerhin sind sie eine Familie. Ich habe von einem Mann gehört, der sagte er sei der verschollene Fürst Balduin. Dass er den Kerkern der Bulgaren entkommen ist. Glaubst du, daran könnte etwas Wahres sein? Vielleicht würde er es schaffen alle an einen Tisch zu bekommen?" Karl drehte sich um als könnten sie belauscht werden und sprach schließlich mit noch leiserer Stimme als eh schon. "Ich habe überlegt, jemand auszusenden um diesen Mann nach Flandern zu holen, oder ihn zumindest schneller hierher zu bringen. Was denkst du darüber?"
Die blonde Frau kaute einen Moment auf ihrer Unterlippe. „Eine schwierige Entscheidung. Ich habe auch von diesen Gerüchten gehört. Vielleicht handelt es sich um den Vater der Fürsten, Balduin, aber ebenso gut kann es sich um einen Scharlatan handeln, der sich auf dem Weg nach Flandern Unterkunft, warmes Essen und fürstliche Bewirtung erhofft. Es gab viele Gefallenen im Kreuzzug und viele, die festgestellt haben, dass das eroberte Konstantinopel ihnen keine neue Heimat sein kann. Die Fürstinnen wird er nie überzeugen können, da sie wohl zu jung waren um sich wirklich an ihren Vater zu erinnern. Wenn überhaupt, wäre es sinnvoll Balduin, den Herrn von Zeebrügge oder Ph…“ Sie verschluckte den Namen Phillip von Namur, den sie aussprechen wollte, da sie nicht wusste wie weit Leif ihn informiert hatte und fuhr stattdessen fort: „oder einen anderen eher unbekannten Mann, der sich diesbezüglich jedoch bestens auskennt, in den Süden zu schicken und Erkundigungen einholen zu lassen. Aber auch das wäre wohl nicht hilfreich, denn wie weit würden die Fürstinnen tatsächlich auf die beiden Männer hören, würde die Tatsache, dass ihr Vater, Balduin, wieder aufgetaucht wäre, doch sowohl die Ziele der einen als auch der anderen durchkreuzen. Man stelle sich zum Beispiel vor, er würde erneut heiraten und erneute Erben zeugen. Wenn du dich zu sehr in die Sache involvierst und Johanna davon Kenntnisse erhält, wird sie dir vielleicht das Siegel des Verräters aufdrücken. Nach allem, was ich gehört habe, wäre das mehr als möglich. Du musst sehr vorsichtig sein. Vor allem in deiner derzeitigen Position…“
„Du ahnst nicht einmal wie verfänglich diese Situation für mich ist. Aber zumindest im Moment wird Johanna nichts gegen mich unternehmen. Ich bin zu nützlich, oder besser gesagt Flussfall mit all seinen Ressourcen. Außerdem...“ er brach ab. Er schien doch nicht weitersprechen zu wollen und wechselte schnell das Thema. „Aber entschuldige bitte. Wir sind ziemlich schnell in die Mühlen der Politik abgedriftet. Gibt es noch etwas das du mit mir besprechen wolltest?“
„Außerdem…?“ Alida sah ihn fragend an und hakte nach.
Karl sah sie lange an und schien dann irgendwann eine Entscheidung getroffen zu haben. Er stand auf und begann im Raum auf und ab zu laufen. Er wirkte nervös. „Ich habe keine Ahnung, wie viel du davon weißt, aber als Leif und meine Eltern Brügge im Herbst 1202 verlassen hatten, gingen sie nach Konstantinopel. Sie reisten zusammen mit dem Kreuzzug, aber schließlich passierte etwas. Mein Vater wurde der Desertation oder des Diebstahls bezichtigt. Irgendein Unsinn. Wahrscheinlich hätte er sein Leben verloren, wenn meine Mutter nicht interveniert hätte. Sie war klug und begehrenswert und sie nutzte ihre Reize ohne einen Moment zu zögern, indem sie einen der Anführer des Kreuzzugs verführte. Er fand Gefallen an ihr, und sie diente als seine Mätresse für mehrere Monate. Es war ein hoher Preis für das Leben meines Vaters, aber einen den sie ohne mit der Wimper zu zucken bezahlte. Sie wurde erst aus ihrer Pflicht entlassen als sie schwanger wurde und ihr Bauch sich zu wölben begann.“ Die Stille die darauf folgte war ungewöhnlich lang. „Es war Fürst Balduin und als er sah, dass meine Mutter schwanger war, schickte er sie weg. Ehebruch ist eine Sache. Ehebruch und ein Bastard offenbar etwas ganz anderes.“ Alida konnte eine gewisse Resignation in seiner Stimme hören. „Er war kein Unmensch und gab ihr Dokumente und einen Siegelring, die dafür sorgen sollten, dass ich eine monatliche Apanage und eine gewisse Ausbildung erhalte. Natürlich nur falls meine Mutter je nach Flandern zurückkehren sollte.“ Karl schaute Alida lange an und lachte dann sarkastisch auf. „Ich habe diese Dokumente erst nach dem Tod meiner Mutter erhalten. Sie waren in ihrem Nachlass...“ Karl brach ab und schien sich sammeln zu müssen. „Philip von Namur wusste davon. Er war es, der dafür gesorgt hat, dass ich den Ritterschlag und ein Lehen bekomme und vermutlich ist diese Verbindung auch der einzige Grund wieso ich jetzt diese Position hier in Flussfall habe. Ein glücklicher Bastard ist weniger gefährlich, zumindest habe ich gehört, dass man das unter Hochgeboren so sagt.“ Seine Hand ballte sich zu einer Faust, bevor er wieder zu Alida blickte. „Ist es nicht irgendwie ironisch, dass Balduin nach all dem was passiert ist am Ende doch mein Vater ist? Zumindest ein Balduin...“ Karl schaute aus dem Fenster in den hell erleuchteten Burghof, in welchem noch immer die Ernte katalogisiert und verstaut wurde.
Alida schwieg lange, viel zu lange. Irgendwo draußen sang ein Nachtvogel ein Lied ohne dass die blasse Frau darauf zu achten schien. Es dauerte bis sie wieder sprach und ihre Stimme klang tonlos: „Du hast offizielle Dokumente, die dich als Bastard von Balduin von Hennegau anerkennen und die Gräfinnen wissen davon?“
Er nickte nur. "Die Gräfinnen wissen schon viel länger darüber Bescheid als ich selbst. Wahrscheinlich auch ihr Bruder Balduin und Philip von Namur sowieso. Ich weiß auch, dass er nicht in Gent gehängt wurde." Er setzte sich wieder hin. Vorsichtig und ohne sonderliche Eile. "Ich kann nur spekulieren, aber vielleicht erklärt dieser Umstand auch Johannas viele Spenden an Mutters Kloster. Oder die Besuche von Margarethe im Konvent. " Er ließ den Kopf hängen. "Vermutlich muss ich Balduin sogar noch dankbar sein. Er hatte keinerlei Verpflichtungen meiner Mutter gegenüber, aber ich vermute der Zwischenfall mit seinem ersten Sohn, die Entführung und alles was folgte, haben ihn was das Schicksal von Bastarden angeht weich werden lassen."
Alida seufzte lang und es klang als würde sie etwas Unabänderliches akzeptieren müssen. „Das bedeutet, dass du umso vorsichtiger sein musst.“ Sie sah zu dem hochgewachsenen jungen Mann auf. „Du wirst nun wohl Freunde und Feinde die deinigen nennen können und müssen auf die keiner von uns in irgendeine Art und Weise Einfluss hat.“
"Was meinst du damit?" Er schaute die Tzimsice fragend an.
Es fiel ihr nicht leicht zu erklären. „…Leif ist ein hervorragender Heiler und ein guter Kämpfer und verfügt in Brügges Gesellschaft über nicht wenig Einfluss, die Familie van de Burse verfügt über genug Einfluss um einen der ihren mit etwas Bestechungsgeld für kleinere Vergehen aus dem Gefängnis frei zu kaufen, unser guter Freund Lucien bricht ohne Mühe in fast jedes Gefängnis ein und schlägt sich seinen Weg wieder hinaus, wenn es sein muss. Wir haben Kontakte, die uns helfen können, wenn Not am Mann ist. Aber wenn du Feinde in den höchsten Reihen der europäischen Fürsten hast, wird es außergewöhnlich schwer werden dir zu Hilfe kommen können, denn ihre Mittel erscheinen in vielerlei Hinsicht einflussreicher als unsere, wie ich bisher erfahren musste. Es ist sicherlich einfacher eine Verbündete eines ‚kleinen Ritters‘ aus einem Gefängnis zu befreien als die Ziehmutter eines für die Gräfin möglicherweise potentiellen Konkurrenten um den Thron…“ Ihre Stimme versiegte betroffen. Sie dachte an Brunhild und dann an die Ghule, die man einfach aus den Reihen des Hofgefolges entfernt hatte ohne dass ein einziger Genter Kainit in der Lage war sie wieder ausfindig zu machen. Über welche Fähigkeiten verfügten die Mächtigen in der Umgebung von Johanna? Sie schwieg um Karl nicht weiter zu beunruhigen. „Auf der anderen Seite magst du Verbündete gewinnen, wie Phillip von Namur, Balduin von Zeebrügge, denen dein Schicksal nicht gleichgültig sein kann, da bin ich mir sicher, und sie werden sicher mit ihren Mitteln unterstützen, wenn sie es können.“
Karl dachte lange über das von Alidas Worte nach. Er ließ den Kopf hängen und nickte nur. „Ich verstehe.“ Er schien bestürzt, auch wenn dieser Moment nicht lange anhielt. „Wir alle müssen mit dem auskommen, dass das Schicksal für uns vorgesehen hat. Trotzdem glaube ich nicht, dass Johanna mich als Gefahr für ihren Thron ansieht. Balduin und sein Sohn, Margarethe und ihre Kinder... sie alle haben einen erheblichen besseren Anspruch darauf ihre Nachfolge anzutreten als ich. Ich bin nämlich nicht nur ein Bastard, sondern auch noch einer, der von einer gemeinen Prostituierten geboren wurde. Keiner der anderen Adeligen würde mich auch nur einen Moment auf dem Thron dulden, bevor es zur nächsten Rebellion kommt. Abgesehen davon habe ich solche Aspirationen auch nicht. Ganz im Gegenteil.“ Er schien betroffen und erschöpft.
Sie legte ihm betroffen eine Hand auf die Schulter. „Ich werde immer tun, was in meiner Macht steht, das verspreche ich dir.“ Sie nickte. „Noch heute werden wir in Gent ankommen. Wir werden Ausschau nach Leif und Brunhild halten und versuchen ihnen zu helfen. Ich glaube nicht, dass wir in irgendeiner Art und Weise Einfluss auf die beiden Schwestern nehmen können, auch wenn ich mir wünschte, dem wäre so. Also können wir nur versuchen den Schaden so klein als nur möglich zu halten und halbwegs mit heiler Haut heraus zu kommen. Was wirst du tun?“
Karl dachte lange und intensiv nach. „Ich werde mit euch nach Gent gehen. Die Ernte wird auch ohne mich eingefahren. Vielleicht bekomme ich ja irgendetwas heraus, das weiterhilft. Meine Schwester wird mich zumindest in die Burg lassen und vielleicht finde ich etwas heraus um euch oder um Brunhild zu helfen. Irgendetwas muss ich tun. Sonst halte ich es hier nicht aus.“ Karl schaute in die Ferne. „Im Übrigen, ich danke dir Alida. Für deine Worte und Hilfe.“ Karl schaute sie an und lächelte schwach. „Gibt es sonst noch irgendetwas, was ich für dich tun kann?“
„Du hast schon genug getan. Viel Glück dir!“ Sie sah kurz in die Nacht hinaus maß den Stand des Mondes wie ein Bauer den der Sonne. „Ich denke, meine Gefährten werden mich bereits zurück erwarten. Wir sollten sie nicht warten lassen.“
"Nein das sollten wir nicht. Ich werde meine Sachen zusammenpacken, wir sehen uns später Alida. Charlotte wollte noch einmal mit euch sprechen. Sie hat noch etwas für euch."
Sie zog eine Augenbraue in die Höhe, fragte jedoch nicht nach. Das Geheimnis würde sich noch früh genug lüften.

_________________
Der Weg zum Ziel beginnt an dem Tag, an dem du die hundertprozentige Verantwortung für dein Tun übernimms.
Dante Alighieri


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Verfasst: So 5. Nov 2017, 20:43 


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