Vampire: Die Maskerade


Eine Welt der Dunkelheit
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 Betreff des Beitrags: Once upon a December
BeitragVerfasst: Fr 15. Nov 2019, 22:41 
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Alida sah aus den mit Eiskristallen umrandeten, verglasten Fenstern in eine klare mondbeschiene Nacht, deren fahles Licht den frisch gefallenen Schnee in einem beinahe magischen Glanz erstrahlen ließ und die umliegenden, dicht stehenden Nadelbäume noch um einiges dunkler und bedrohlicher erscheinen ließ.

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Das Zimmer in welchem sie sich befand war opulent ausgestattet; Bärenfelle und weiche Teppiche auf dem Boden, geschmackvoller Wandbehang und einige Gemälde, sowie dunkle, handgearbeitete Möbel von erhabener Schönheit. In einem Bücherregal lagen verstreute kunstvoll gezeichnete Landkarten des Umlandes und in silberne Trinkpokale, hatte man beinahe tagfrische Vitae eingegossen. Gerade knackte erneut ein Holzscheit im wohlig vor sich hin prasselnden Kamin, während ein dienstbeflissener Diener erneut etwas Brennholz nachlegte. Unverzüglich machte sich wieder angenehme Wärme in dem steinernen Raum bemerkbar. Beobachtet wurde er dabei von niemand geringerem als Onkel Andrej Rustovich, der darauf bestanden hatte, dass das Feuer in Alidas Gemächern die ganze Nacht über unterhalten wurde.

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Stundenlang hatte Alida mit ihm über die Sinnhaftigkeit ihrer Anreise zum Stammsitz der Familie im Osten debattiert; wochenlang war sie daraufhin unterwegs gewesen und befand sich mittlerweile nun schon seit zwei Tagen auf Schloss Dagon Fel. Das Anwesen war im Anbetracht der endlosen, russischen Einöde und langsam gefrierenden Tundra um sie herum ein wahres Prachtstück an Steinmetzkunst und Leibeigenen-Arbeit. Es hatte dutzende Räumlichkeiten die geschmackvoll und mit kundigem Auge eingerichtet worden waren; zweifelsfrei federführend von Andrej selbst. Vladimir war ja nicht ganz so sehr für seinen Hang zur Ästhetik bekannt.

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In einiger Entfernung gab es ein verhältnismäßig großes und von tüchtigen Händen erbautes Dorf, das viele Bauern und Familien, Handwerker, Tagelöhner und Holzfäller beschäftigte. Der frühe Wintereinbruch hatte den bescheidenen Dörflern ganz schön zugesetzt aber wie Andrej ihr beständig versicherte war der gemeine russische Landarbeiter ein „sturer Bock“ und zudem aus einem „ganz besonders kernigem“ Holz geschnitzt. Es verstand sich von selbst das alle Menschen der Festung, und somit den beiden Unholden tributpflichtig waren. Gesetze und die Aufrechterhaltung der Ordnung wurde von den zahlreichen Soldaten des Voivoden Rustovich durchgesetzt und eingefordert. Wie sich die Brüggerin leicht vorstellen konnte, ließ sich das beständig schwankende Machtspiel der beiden Brüder, auch getrost auf den Umgang mit den Sterblichen innerhalb ihrer Domäne umlegen. Es war ein ewiges Tauziehen zwischen gerissener Weitsicht und grausamer Härte.

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Der Grund ihres Besuches war im Grunde eigentlich lächerlich und es hatte tatsächlich viel Überzeugungsarbeit seitens ihres Onkels gekostet. Natürlich war davon auszugehen, dass der Stammsitz ihrer Familie nicht nach ihr rief, wenn es keinen triftigen Grund dafür gab oder man sich dadurch einen entscheidenden Vorteil in irgendeiner Sache erhoffte. Allein, der aktuelle Anlass war gelinde gesagt fragwürdig. Schlussendlich ging es um nichts anderes als Andrej Rustovich auf einen festlichen Abend mit reich gedeckter Tafel, in die ehrwürdigen Hallen eines gewissen Stanislav Vronsky zu begleiten und diesem ihre Aufwartung zu machen. Vronsky war, so sie in Erfahrung hatte bringen können ebenso Tzimisce und Onkel Vladimir als aktuellem Voivoden der Voivoden eher weniger zugetan. Der Graf Vronsky habe sich schlussendlich nur für den cholerischen Drachen ausgesprochen, weil der ansonsten unvermeidliche Bruderkrieg den sicheren Untergang im Kampf gegen die verteufelten Hexenmeister bedeutet hätte. Zudem verfüge der Graf Vronsky über beträchtliche Mittel und Kontakte, sowie einige eher merkwürdige, nicht näher definierte Zeitvertreibe. Er sei aber durchaus sehr interessiert am Westen und der gehobenen Kultur, die sich in den großen Städten der Sterblichen etabliere.

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Andrejs Vorstellung war, dass jemand wie Alida als Begleitung zu einem gesellschaftlichen Abend genau die Richtige wäre, um das schwache Band zwischen Vronsky und dem Hause Rustovich zu erneuern und zu bekräftigen. Sie solle als Zeichen der Weltgewandtheit und Offenheit für Geistreiches und weniger Barbarisches in ihrer Familie auftreten. Ganz nebenbei stellte ihr Andrej natürlich auch den einen oder gewinnbringenden Handel in Aussicht.

Die Möglichkeit einen Handelsposten in Nowgorod errichten zu dürfen, hatte die blonde Händlerin schließlich umstimmen können. Die Chancen waren gering aber der mögliche Profit absolut nicht von der Hand zu weisen. Russischer Pelz, Wachs, Tran, Holz und Bernstein waren heiß begehrt. Einen eigenen Ableger des Hauses vor Ort haben zu können war diesbezüglich ein immenser Vorteil, und so hatte er sie am Ende doch noch überredet. Damit, und zusätzlich noch mit der simplen Feststellung, das mit dem langsam sich festfahrenden Krieg gegen die Ventrue und Tremere entlang der Grenzen, immer wieder der eine oder andere Unhold die bröckelnde Vereinigung unter dem Banner des Rustovich-Drachen systematisch auf Schwachstellen testete. Oder anders ausgedrückt: Die angespannte Lage im Omenkrieg war offenbar nicht mehr so angespannt, als dass man sich nicht schon wieder das eine oder andere Scharmützel oder eine nette Intrige gegen clansinterne Nebenbuhler und Neidobjekte führen könnte. Vladimir brauchte nach wie vor einflussreiche und mächtige Verbündete.

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Als der Diener, sich ehrfürchtig verneigend, das Zimmer rückwärts verließ, umspannte ein erneut zufriedenes Lächeln das Gesicht Andrejs. Er trug eine Art schweren Brokatmantel, in welchen man mit golddurchwirkten Fäden filigrane Ornamente eingewoben hatte und lehnte sich an den Kaminsims, während er einen Schluck aus seinem Silberbecher tat und dann aus einer nahestehenden Karaffe nachschenkte. Der Tzimisce hatte gerade seine Ausführungen über die Vorzüge und den unbestrittenen Unterhaltungswert einer Schlittenfahrt beendet. Eine solche Schlittenfahrt würden sie, so meinte er, morgen Nacht ebenfalls zur Burg des Grafen Vronsky antreten. Vladimir war angeblich nicht im Hause, wobei ihr Andrej bis jetzt noch nicht mitgeteilt hatte wo sich sein, für gewöhnlich vor Anspannung und Tatendrang beständig zu platzend drohender, Bruder denn dann derzeit aufhielt. Nun, diese Nacht war die perfekte Gelgenheit all diese Fragen und noch viele weitere bezüglich der bevorstehenden Festlichkeiten zu stellen. Man könnte sich aber auch einfach ein wenig vom russischen Winterzauber mitreißen lassen denn obgleich ein Sterblicher des nächtens in diesem niemals endenden Reich aus Eis und Schnee einen grausamen Tod finden konnte, so blieben die Untoten nach wie vor gänzlich vor den Fährnissen des kalten Winters verschont.

"Ich denke das dürfte dir gefallen liebste Alida...", wiederholte Andrej gerade noch einmal seine Überzeugung bezüglich ihrer gemeinsamen Schlittenfahrt. Etwas zutiefst "russisches" wie er mehrfacht betont hatte.

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Verfasst: Fr 15. Nov 2019, 22:41 


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 Betreff des Beitrags: Re: Once upon a December
BeitragVerfasst: So 17. Nov 2019, 20:01 
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Alida hatte die Hände um den silbernen Pokal gelegt und spürte die Wärme der darin enthaltenen Vita. Sie war sich sicher, dass man die rote Flüssigkeit zusätzlich über einem der offenen Kamine gewärmt haben musste. Überall waren diese Feuerstellen, als würde man versuchen gegen die eisige Kälte, die draußen ihren unbezwingbaren Herrschaftsanspruchs aufrecht erhielt, einen sinnlosen Kampf führen. Einen Kampf Drachen gegen Djed Moros, wie man den Winter in Russland auch nannte. Sie hatte sich den Namen übersetzen lassen: ‚Großvater Frost‘. Wie zärtlich für eine solch unbezwingbare Gewalt.
Es war ihr schwer gefallen Brügge und Flandern zurück zu lassen und sich in den Osten zu begeben. Auch auf Anordnung von Andrei und Bitten von Emilian, der ihre Begleitung gewünscht hatte, hätte sie sich gewünscht einfach nein sagen zu können. Zum einen wusste sie nicht, was derweil in ihrer Heimat von statten ging, welche Gefahren vielleicht drohen mochten, Zum anderen, das machte sie sich selbst bewusst, verkörperte der Osten und die Art hier zu herrschen oder zu leben so vieles, das dem entgegen stand, was ihr wichtig war: Das Bürgertum, Selbstbestimmung, das Aufbegehren gegen einen Despotismus, der entgegen dem Wohl der Bürger agierte. Auf der anderen Seite waren die verführerischen Stimmen der Tszimiske, die Dinge versprachen, die Alida auf ganz andere Art erstrebenswert erschienen: Eine Familie, aneinander gebunden durch Blut, das Gefühl an einem Ort angelangt zu sein, an dem man ohne große Bedrohung oder die Notwendigkeit sich und seine unsterbliche Natur verbergen zu müssen verweilen konnte, das Versprechen von Macht, die man ohne Rücksicht auf andere einsetzen konnte um seine eigenen Ziele und Ideen voran zu treiben… Sie genoss es schon ihre normale Gestalt wieder annehmen zu können. Der wenig ansehnliche Körper einer 50-Jährigen war eine Notwendigkeit ihrer Tarnung in Brügge, aber hier im Osten konnte sie einfach wieder sie selbst sein… Alida vertrieb die Gedanken. Sie waren nichts als falsche Versprechungen, …oder?
Alida nahm einen Schluck von der warmen Vita… Sie enthielt Alkohol, ganz eindeutig. Die blonde Händlerin war immer wieder überrascht wie viel der durchschnittliche Russe vertrug. Vor allem das klare Gebräu, das man als Wodka bezeichnete, schien eine zwingende Notwendigkeit zu sein um den kalten, harten Winter heil überstehen zu können. Sie leckte sich über die Lippen und stellte den silbernen Pokal dann auf einem kleinen Tischchen ab.

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Sie konzentrierte sich auf den blassen, eloquenten Mann, der wohl der Verursacher der Tatsache war, dass man sie im Kreise derjenigen von Rustovich aufgenommen hatte. Er stand erhaben und überzeugend wie eh und je nur wenige Meter von ihr entfernt und erging sich in seinen Beschreibungen von winterlichen Kutschfahrten. Höflich nickte sie in seine Richtung. „Eine Kutschfahrt ist mit Sicherheit etwas ganz und gar reizendes… Und mit Sicherheit die einzig sinnvolle Fortbewegungsmethode bei diesem Wetter. Sieht man vielleicht mal von diesem interessanten Konstrukt ab, das ich mal in Antwerpen gesehen habe… Der Verkäufer nannte es Schlittschuh und es dient der Fortbewegung auf Eis… Nun ja…“ Sie machte eine wegwerfende Handbewegung. „Worum geht es nun wirklich bei Graf Vronsky? Tatsächlich nur um einen Plausch Osten im Vergleich zum Westen? Welche Art Mann ist der Graf, dass es ihn, einen einflussreichen russischen Despoten, interessiert, wie man im Westen agiert?“

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 Betreff des Beitrags: Re: Once upon a December
BeitragVerfasst: Mo 18. Nov 2019, 11:24 
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Der hagere, hochgewachsene Unhold dachte offenbar nicht daran sein über die Jahrhunderte perfekt einstudiertes und täuschend echt wirkendes Lächeln mit einem Mal einfach fallen zu lassen; selbst dann nicht, als Alida ihn ganz gezielt und direkt auf die eigentlichen Beweggründe ihrer Einberufung zum Familiensitz in Russland ansprach. Andrej war ein Mann, der sich nur selten und äußerst ungern in die Karten schauen ließ. Das galt für Freunde wie Feinde gleichermaßen. Zudem konnte man sich der simplen Tatsache sehr sicher sein, dass der Bruder des großen Voivodenfürsten immer noch ein oder zwei gesonderte Alternativpläne nebenher bereit liegen hatte, die sich auf wundersame Weise der Aufmerksamkeit des Beobachters entzogen. Andrej Rustovich leerte seinen Pokal in einem langsamen Zug, leckte sich nachdenklich über die Lippen und trat vom wärmenden Kaminfeuer näher an das vereiste Fenster heran, um den Bauern gedankenverloren beim Verarbeiten eines gefällten Baumes zuzusehen. „Ach liebste Verwandte, da gibt es im Grunde nicht viel zu sagen.“ Der Unhold sah kurz über die Schulter in ihre Richtung und verzog die Lippen abermals zu einem gutmütigen Lächeln.

„Der Graf ist ein… alter Wegbegleiter dieses bedauernswerten Krieges gegen die Hexenmeister. Seine Lebensart unterscheidet sich jedoch maßgeblich von den Überzeugungen und Idealen unseres allseits geliebten Vladimir. Versteh mich nicht falsch, er war und ist der absoluten Überzeugung das die Tremere und ihre Verbündeten die Ventrue an unseren Grenzen, nichts anderes als den Tod verdienen. Einen Kriegsfürsten und Feldherren, einen ‚Kriegstreiber‘ zum Herrn über unser aller Schicksal zu erheben empfand er allerdings als… nun…“ Andrej schien einen Augenblick zu überlegen. „Ungünstig“, endete er schließlich, um sich mit einer knappen Handbewegung vorsichtig nachzuschenken. „Der Graf Vronsky ist einflussreich, klug, umsichtig, alt und vermögend. Er beschäftigt sich gerne mit der Philosophie der alten Griechen und sieht die Geschichte Roms als eine perfekte Spiegelung unserer aktuellen Verhältnisse. Für ihn ist Vladimir der nächste Cäsar, den die Linie auserkoren hat unsere Domäne zu sichern. Allerdings scheut er sich davor allzu viel Macht in eine Hand zu legen, deshalb haben wir zu Beginn des Krieges nur zögerlich seine Unterstützung erhalten und nach wie vor steht er der Notwendigkeit dieser politischen Entscheidungen kritisch gegenüber.“ Der Unhold machte ein paar schweigsame Schritte in Richtung Alida, um sich dort ihr gegenüber in einem bequemen Sessel sinken zu lassen. Sorgsam strich er den Saum seiner Abendgarderobe glatt.

„Der Drache herrscht uneingeschränkt über sein Domizil. Er beugt sich niemanden, er ist niemandem Untertan und er ist niemandem Rechenschaft schuldig. Das gilt auch für den Grafen Vronsky. Es ist gut das die Tzimisce sich unter Vladimir vereint haben, um einen gemeinsamen Feind zu besiegen, denn nach wie vor ist diese Kapitel unserer Geschichte nicht beendet. Aber bei aller Einheit und Loyalität: Ein jeder Drache ist sich selbst, seiner Domäne und seinen Interessen verpflichtet. Und gerade jetzt, wo viele der Meinung sind es wäre schon wieder an der Zeit innerhalb der eigenen Reihen den Platz an der Macht abzustecken, verkennen sie die Lage an den Grenzen. Deshalb brauchen wir Vronsky. Deshalb brauchen wir seine guten Kontakte zu den Voivodaten noch viel weiter im Osten, an Orten und Landstrichen, die man im Winter kaum noch erreichen kann. Deshalb brauchen wir sein Geld, seine Beziehungen und den Respekt innerhalb unserer Reihen. Solange Tzimisce wie Vronsky uns die Treue halten und von der Notwendigkeit der Unterstützung für Vladimir, egal was man persönlich von ihm halten mag, überzeugt sind, solange werden wir die Mittel und Möglichkeiten besitzen diesen Krieg für uns zu entscheiden.“ Andrej nahm noch einen Schluck und stellte den Pokal dann vor sich ab, um Alida mit diesen stetig wachsamen und interessierten Augen zu betrachten.

„Der Graf war erstaunlicherweise häufig in Europa und ist ein großer Liebhaber der Künste und dem europäischen Handelsnetz. Seine sterblichen Wurzeln sind eng mit dem russischen Hochadel verknüpft; er ist also ein gelehrsamer Aristokrat der banale Schlachten, und das allgemeine Schädelzertrümmern als eher barbarisch und unserer Art unwürdig erachtet. Ich dachte also es würde ihn erfreuen zu sehen, dass unsere Linie nicht nur für Machtansprüche und versickerndes Blut auf gefrierenden Böden nahe der ungarischen Grenze steht. Hatte ich schon erwähnt das er Hunde und Pferde züchtet?“ Der Unhold lächelte erneut.

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 Betreff des Beitrags: Re: Once upon a December
BeitragVerfasst: Mo 18. Nov 2019, 19:59 
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„Hunde und Pferde? Wie wunderbar… dann haben wir ja ein gemeinsames Gesprächsthema…“ Alida griff erneut nach dem Silberpokal und nahm nach diesen Erörterungen einen tiefen Schluck. „Ich bin gespannt auf diesen Drachen. Aber sagt mir, lieber Onkel, fürchtet ihr nicht, dass ich seine Ansichten gar teilen mag und mich zu guter letzt mit ihm gemeinsam zu einer großen Verschwörung zusammen schließe?“ Sie setzte das entschuldigenste Lächeln auf zu dem sie im Stande war um ihre ironische, lächerliche Bemerkung zu untermauern. Sie prostete ihm zu. „Auf Onkel Vladimir, den Voivoden der Voivoden!“ Dann seufzte sie etwas theatralisch. „Nein, im Ernst. Ihr kennt mich gut genug. Wenn Graf Vronsky ein solcher Verfechter des römischen Senatsystems ist und einen ‚Cäsar‘ nicht dulden mag, bin ich sicher die Falsche um ihn zu überzeugen, trete ich doch für genau diese Ansichten Nacht für Nacht in Brügge ein.“

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 Betreff des Beitrags: Re: Once upon a December
BeitragVerfasst: Di 19. Nov 2019, 21:28 
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‚Onkel‘ Andrej wippte belustigt mit einem locker überschlagenen Bein während seine Ellenbogen sich auf den breiten Armlehnen platzierten und die Finger ineinander verschränkt wurden. „Ach, ist das so?“, fragte er amüsiert lächelnd ohne weiter zu präzisieren worauf er sich bezog. Immer noch schmunzelnd fügte er nach einer kurzen Pause hinzu: „Dann ist es doch umso erfreulicher, dass du hochoffiziell aus dem Hause Rustovich bist, ohne auch nur annähernd mit den Angelegenheiten des Clans in seinen Stammlanden zu tun zu haben, nicht wahr? Wäre es nicht ganz erstaunlich, wenn eine unseres Blutes die gleichen Überzeugungen teilt wie Graf Vronsky? Dann müsstest du doch niemanden mehr von irgendetwas überzeugen, denn alles was dann übrig bleibt sind Fakten. Eine Rustovich, die das System eines Senats lebt aber dennoch Vladimirs Führerschaft befürwortet.“ Andrejs Lippen verzogen sich noch ein gutes Stück weiter nach oben. „Und solltest du in Erwägung ziehen unser Haus an irgendjemanden zu verraten, würdest du dir ganz besonders tief ins eigene Fleisch schneiden. Emilian wäre einer der ersten, den sie beseitigen würden. Allein schon wegen seiner überragenden Künste.“ Er hob die silberne Karaffe an. „Noch einen Schluck, meine Liebe?“
Alida zog skeptisch, die Stirn in Falten, hielt ihm dann jedoch den Pokal hin. „Aber natürlich, ich mag dieses Gebräu. Auch wenn ich bezweifle, dass ich den Abend durchstehe, wenn ich noch mehr davon bekomme. Ich bewundere wie viel so ein russischer Bauer vertragen kann.“ Sie schüttelte den Kopf. „Macht euch keine Sorgen, Andrei.“ Sie nippte erneut an dem roten Saft. „Familie, Ehre, Pflicht sind keine Begriffe, die hier im Osten ihre Bedeutung für mich verlieren. Auch dann nicht, wenn sie hier möglicherweise ganz anders ausgelegt werden als bei uns im Westen. Ich würde die Familie nie verraten. Aber das wisst ihr, sonst wäre ich nicht hier.“
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Sie überlegte, setzte dann erneut den Pokal an und leerte ihn in einem Schluck. „Ich denke, ich sollte mich fertig machen gehen.“ Sie hielt noch einen Augenblick inne. „Wo ihr ihn gerade erwähnt: euer Neffe, Emilian, wird wohl erst gemeinsam mit dem Voivode der Voivoden, mit dem er aufgebrochen ist, wieder hier eintreffen, oder?“
Andrej Rustovich schenkte Alida großzügig nach und schmunzelte nur weiter amüsiert als diese sich in besonderem Maße positiv über die Trinkfestigkeit der russischen Bauern äußerste. „Oh Vodka ist hierzulande ein altes Hausmittel gegen… nun eigentlich fast alles. Du wirst dich daran gewöhnen, versprochen.“ Alidas weitere Ausführungen bezüglich ihrer Loyalitäten und Prinzipien quittierte der Unhold lediglich mit einem abweisenden Wink seiner Hand. „Nicht doch. Es ist nicht notwendig mich von deiner Redlichkeit zu überzeugen.“ Denn offensichtlich war ihrem Kommentar, dass sie ansonsten heute nicht hier wäre, auch von seiner Seite her rein gar nichts mehr hinzuzufügen. Mit einer fließenden Bewegung erhob sich der hagere, aber ausgesucht höfliche Mann um ihr die Hand beim Aufstehen zu reichen. „Ja, ich denke es wird tatsächlich Zeit. Am besten wirfst du einen Blick auf die Wintergarderobe, die ich in dein Zimmer habe bringen lassen. Die Kälte kann dir zwar an und für sich nichts anhaben aber gefrorenes Eis schickt sich dennoch nicht sonderlich bei festlichen Anlässen.“ Andrej schickte sich an mit der Dame an der Hand das Zimmer zu verlassen als schwere Schritte auf dem Gang zu hören waren. „Sollte das etwa…“ Weiter kam er nicht mehr, denn mit einem geradezu ohrenbetäubenden Rumms wurde die schwere Tür aufgeschlagen und hätte beinahe die Scharniere aus dem Stein geschlagen. Hereingestapft kam in der vollen Schlachtmontur seiner geschwärzten Rüstung Vladimir Rustovich, der Voivode der Voivoden. In seinen Augen glühte unbändiger, kaum zu zügelnder Zorn und seine Haare wurden langsam durch den schmelzenden Schnee feucht und hingen ihm in wilden Strähnen ins Gesicht. Er streifte einen seiner Panzerhandschuhe ab und warf ihn mit einem übermenschlichen Schwung gegen eine Wand, wo er ein Ölporträt von Andrej traf, das unverzüglich zu Boden fiel und am Rahmen zerbarst. „Ich werde sie alle häuten und einsalzen lassen, diese dreckigen kleinen Maden!“, brüllte der Drache ungebremst und schien sich nicht durch die Anwesenheit seines Bruders oder Alidas in seiner Wut zu mäßigen; im Gegenteil. Er ignorierte die beiden förmlich, stürzte an ihnen vorbei und riss die Karaffe hoch, die er gierig und hastig leerte. Dicke Vitae sickerte ihm die Lippen entlang auf das Unterwams der Plattenrüstung, die sich augenblicklich rot färbte.
Hinter ihm, mit einigem Abstand, betrat Emilian mit bemüht gefasstem und neutralen Gesichtsausdruck den Raum.
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Er nickte Andrej langsam zu und machte dann einige Schritte auf Alida zu, der er ein verhaltenes Lächeln schenkte. Andrej hingegen tätschelte nur sachte Alidas Arm und nickte ihr aufmunternd zu bevor er einige Schritte in Richtung seines Bruders tat und dort die Finger ineinander verschränkte.
„Es ist auch schön dich so unverhofft früh wieder zurück in der Festung zu wissen liebster Bruder. Obgleich ich dir mitteilen muss, dass der Künstler, der dieses Porträt von mir anfertigte bedauerlicherweise seit 20 Jahren tot ist. Es ist mir also nicht möglich ein weiteres Bild bei ihm in Auftrag zu geben. Ich hoffe, du findest mir jemanden der meine Augen genauso gut zu treffen vermag wie Meister van Kleist.“

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Vladimir Rustovich spie Andrej blutige Vitaefetzen ins Gesicht als er ihn mit dem Zeigefinger wiederholt in die Brust bohrte. „Geschissen auf dich und deine nutzlosen Ölgemälde von irgendwelchen Ziegen fickenden Farbpanscher! Während ihr euch hier gemütlich in eure Pelze wälzt und dicke Vitae aus silbernen Pokalen schlürft, reiben uns diese verdammten Verborgenen die ganzen Truppen auf!“ Er fasste Andrej am Kragen. „Ich habe 2 Regimenter in der Nordwest-Passage stehen, die es nicht mehr über den Fluss geschafft haben bevor es anfing zu schneien und das nur weil wir zu wenige unserer Linie dabei haben die in der Lage wären so große Areale effektiv hinsichtlich getarnter Einheiten zu überwachen! Möchte jemand von euch zur Abwechslung mal etwas produktives zu diesem Krieg, den ich für euch, liebste Verwandte, jede Nacht schlage beitragen?“ Er drehte den bulligen Kopf Richtung Alida: „Oder zählt ihr beide wieder nur euer Geld und spielt Schach?“
Alida schluckte und tat einen Schritt nach hinten. Sie versuchte mit den Schatten hinter ihr zu verschmelzen, was ihr nicht recht gelang. Sie interpretierte die Frage kurzfristig als rein rhetorischer Natur und schwieg. Hatte sie je von den Verborgenen gehört? Sie versuchte sich zu erinnern.
Andrej bewahrte in Anbetracht der Umstände eine geradezu übermenschliche, fast eiserne Ruhe und ergriff sanft aber doch mit einem gewissen ‚brüderlichen‘ Nachdruck die Hände des Voivoden und schüttelte gleichzeitig sachte den Kopf. „Ich kann dir versichern lieber Bruder, dass wir keinesfalls nur tatenlos herumsitzen und, wie du es so schön ausdrückst, Goldmünzen zählen. Du schwingst Schwerter und hackst Gliedmaßen ab, weil du darin besonders gründlich und gut bist. Ich und Alida wiederum ziehen es vor unseren Geist anzustrengen damit die Waffen unserer Gegner stumpf und wirkungslos werden. Mir ist bewusst, dass du Probleme mit einigen russischen Nosferatu hast, denen man großzügige Angebote und Versprechungen gemacht hat und die ihre Ortskenntnis, ihre Gerissenheit und schlussendlich schlicht und ergreifend die Weite Mütterchen Russlands vollends ausschöpfen um deine Truppen an der Nase herumzuführen.“ Je länger Andrej redete, desto weicher wurden nicht nur die Gesichtszüge des Voivoden sondern ebenso auch sein Griff um den Kragen seines Bruders. „Es gibt gar nicht die Möglichkeit so viele Widergänger abzuziehen um sie als Beobachter an die Front zu stellen. Auch eilig Kinder zu zeugen, die wir für solche Scharmützel vergeuden, ist absolut unter unserer Würde und wenig effizient. Dein Problem sind die Distanzen und die besonderen Eigenschaften unserer Art.“ Andrej deute auf Alida. „Deine liebste Verwandte hier und meine Wenigkeit werden heute Nacht noch beim Grafen Vronsky erscheinen; du erinnerst dich vielleicht, dass er uns zu einem Fest eingeladen hat?“
Vladimir kaute auf wüsten Beschimpfungen in seinem Mund herum und sah dann abwechselnd zu Alida und dann wieder Andrej. „Ja, saufen und Gedichtchen lesen anstatt ein paar seiner ach so glorreichen Zuchtpferde zur Verfügung zu stellen.“
Andrej nickte. „Eben jener. Du wirst sicher bereits vergessen haben, dass auch du eingeladen warst; kurzum: Wir werden ihm einen Besuch abstatten und ich denke, mit der Hilfe von Alida werden wir gewiss die eine oder andere Hilfe für deine Probleme beim Grafen erbitten können. Wofür hast du so eine vortreffliche Händlerin in deiner Familie? Ihrer Stadt im Westen gehört praktische der gesamte europäische Markt von Wien bis nach Calais und hoch ins unwirtliche Schottland.“
Vladimir Rustovich ließ seinen Bruder los und sah dann erneut abwechselnd zu diesem und dann Alida. Seine Augen funkelten misstrauisch. „So. Und ihr kleinen Klugscheißer meint also, dass ihr den Grafen Vronsky ‚gnädig‘ stimmen könnt ja? Ihr wisst hoffentlich, dass ich nicht bettle… der Voivode der Voivoden…“
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Andrej unterbrach ihn. „Braucht Geld, Pferde und Waffen. Aber vor allem braucht er Loyalität in den eigenen Reihen. Du wirst nur so weit marschieren, wie dich der Rest der Tzimisce marschieren lässt.“ Der Voivode biss die Zähne zusammen sodass man das Knirschen noch bei Alida vernehmen konnte. „Und du wirst diesen Grafen also um den Finger wickeln ja?“, fragte Vladimir nun eindeutig an die blonde Händlerin gerichtet. Diesmal ergriff Andrej nicht das Wort um für die Unholdin zu antworten. Offenbar war er überzeugt sie würde die richtigen Worte finden. Emilian sah sie aus den Augenwinkeln verschwörerisch an und nickte kaum merklich.
Alida stieß unhörbar die Luft zwischen den Zähnen aus. Ganz egal, was sie über die Lobreden, die Andrei auf sie schwang und die maßlosen Übertreibungen dachte, sie wusste nur zu gut, dass Vladimir Rustovich nichts als ein ‚Ja, selbstverständlich.‘ akzeptieren würde. Auf der anderen Seite würde eine Zusage, die sie zu guter Letzt nicht würde halten können, sie genauso teuer zu stehen kommen. Sie schluckte und versuchte ihrer Stimme dann einen festen Klang zu geben. Schließlich schüttelte die blonde Händlerin den Kopf. „Nein, ich bin nicht hier um den Grafen Vronsky um den Finger zu wickeln. Der Graf ist nach allem, was ich gehört habe einflussreich und mächtig. Jemand wie er lässt sich nicht um den Finger wickeln sonst wäre er nicht so weit gekommen. Und ihr, Voivode der Voivoden, wollt Vronsky auch nicht als tumben Untergebenen. Ihr wollt einen starken Verbündeten, der seine Kräfte mit den euren vereint. Und diesbezüglich wird sich zeigen, was sich machen lässt.“

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 Betreff des Beitrags: Re: Once upon a December
BeitragVerfasst: Do 21. Nov 2019, 12:22 
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Der Drache verzog sein Gesicht zu einer grimmigen Grimasse aus Unglauben und misstrauischem Argwohn. Ein Gesichtsausdruck der dieser Tage häufig die Züge des Voivoden zierte. Böse Zungen behaupteten gar es wäre der einzige Ausdruck den Vladimir Rustovich sein Gegenüber zeigen würde, unabhängig davon ob er ihn als Verbündeten oder Feind betrachtete. Andererseits ließ sich auch Andrej sein markantes, leicht arrogant-überlegenes Lächeln nicht nehmen, das er gerade in diesem Moment wieder erneut den versammelten Kainiten präsentierte. Der Voivode nahm einen weiteren tüchtigen Schluck aus der Karaffe, kaute beinahe auf der dicken Flüssigkeit als ob er den Knochen eines Feindes zermahlen wollte und stellte das offensichtliche Familienerbstück dann mit einem lauten Knall wieder ab. „Vronsky ist genauso wie mein lieber Bruder hier ein verweichlichter, selbstgefälliger Schöngeist, der immer noch dem Irrtum aufsitzt, hehre Reden und philosophisches Wunschdenken werden uns unsere Domänen wieder zurückbringen. Es mag durchaus so sein, dass es eine Zeit des Redens und der Politik gegeben hat; möglich. Diese Zeiten sind hier im Osten aber schon lange vorbei. Wir vergraben uns nicht in unseren Schlössern und Burgen und schmieden Ränke und Intrigen, die irgendwann in den nächsten Jahrhunderten Früchte tragen werden. Die widerwärtigen Abartigkeiten der Tremere sind schnell und unnachgiebig. Wir haben keine Zeitfenster von Jahren oder Jahrzehnten, sondern von Tagen und Wochen. Das ist etwas das die Hexer gekonnt gegen uns einsetzen und der Großteil unserer alten Klappergestelle in ihren feinen Roben noch nicht begriffen hat. Wir müssen schnell und hart zuschlagen und dafür Sorge tragen, dass niemand mehr nach unserem Hieb aufsteht.“ Vladimir ließ die Fingerknochen einer Hand laut hörbar knacken und taxierte dann Alida von oben bis unten.

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„Er ist noch immer der Meinung ich schwinge mich zum Herrn aller Drachen auf und ja zum Teufel, dem ist in Anbetracht der Lage so. Und niemand…“ Er sah in die Augen aller Anwesenden, „… niemand, absolut niemand sonst hat sich diese Bürde auferlegen wollen. Auf die Ehre und persönliche Interessen ist geschissen, wir kämpfen nicht um irgendeine lächerliche Insel, sondern unsere Heimat. Und wenn ich muss werde ich jeden einzelnen Drachen von hier bis ans Schwarze Meer mit bloßen Händen das Blut aus den Adern drücken, um dafür zu sorgen, dass diese Heimat nicht verloren geht. Was der Rest von mir hält ist einerlei, sollen sie über mich richten, wenn von den Invasoren nichts mehr als verbrannte Asche übrig ist. Macht ihm klar worum es hier geht, sonst wird in seinen kleinen Gedichtbändchen in Zukunft nur noch vom Hexenkult in Europa gereimt werden und nicht mehr von den Drachen des Ostens.“ Damit machte Vladimir, ohne sich noch einmal in Richtung der Anwesenden zu drehen auf dem Absatz kehrt und verließ schwer stapfend den Raum.

Andrej sah ihm eine gute Zeit lang nach und seufzte lautstark. An Alida und Emilian gewandt, hob er nur knapp die Schultern. „Er hat natürlich Recht mein lieber Bruder, aber wie wir alle wissen ist es nicht immer ganz einfach jeden einzelnen unserer Clansbrüder- und schwestern geeint an eine Front zu stellen. Er kümmert sich um das große Ganze und das mit einer Inbrunst, die ihresgleichen sucht. Wir hingegen müssen dafür sorgen, dass auch die ganzen kleinen von ihm als so unnütz verschmähten Details nicht zu kurz kommen. Denn der Teufel und das ist etwas das Vladimir in seiner aktuellen Position so gar nicht mehr wahrnehmen möchte oder kann, liegt bekanntlich eben dort.“ Er schenkte Alida und Emilian ein sachtes Lächeln bevor er sich mit einer knappen Verbeugung Richtung Ausgang wandte. „Mach dir keine Gedanken liebste Alida. Du und ich, wir alle, tun was immer nötig ist damit er sich nicht mit derlei Angelegenheiten befassen muss und wir wissen was unser Bestreben wert ist. Das weiß er natürlich genauso. Selbst wenn er es nicht immer zeigen kann. Das ist Teil der Bürde, die unserer Linie in diesem Krieg auferlegt wurde. Schwäche wird uns zerstören. Zeigen wir also Stärke.“ Der hagere, hochgewachsene Mann verbeugte sich und verschwand durch die schief in den Angeln hängende Tür. „Ich werde die Handwerker kommen lassen. Alida, wir treffen uns in einer Stunde im Burghof. Ich freue mich schon auf unsere kleine Ausfahrt. Du wirst begeistert sein. Ich möchte das du ein anderes Bild von der Heimat deiner Ahnen bekommst als Schlachtfelder und zerstückelte Leichen.“

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Emilian sah ihm noch einen kurzen Augenblick nach und wandte sich dann mit einem leichten Lächeln an Alida. Auch er war in eine vom schmelzenden Schnee spiegelnde Rüstung gekleidet und sah ein klein wenig mitgenommen aus. „Unsere Familie. Man wundert sich mindestens so sehr über sie, wie man sie lieben muss.“ Er schickte sich kurz an, den geworfenen Panzerhandschuh neben dem zerstörten Gemälde Onkel Andrejs aufzuheben und schüttelte in sich gekehrt lächelnd den Kopf. „Was dir sowohl Andrej als auch Vladimir offensichtlich tunlichst verschwiegen haben, ist die Tatsache das die Einigkeit unter dem Banner des Hauses Rustovich allmählich bröckelt. Der Omen-Krieg neigt sich langsam dem Ende zu, auch wenn das wie immer eine Auslegungssache sein mag.“ Er ergriff Alidas Hand und zog sie näher an sich, um mit seinen einzigartigen Augen ihren Blick in den seinen zu ziehen. „Es gibt nur noch hie und da versteckte Scharmützel und Gerangel um Geißel, Kriegsbeute oder Gefangene. Wir haben die Hexer bis nach Ungarn zurückgedrängt, dort allerdings haben sie sich nicht zuletzt mit der Hilfe der Ventrue geradezu festgebissen. Vladimir ist der Auffassung, zu den Stammlanden unserer Domänen gehört aber auch dieser Landstrich, sodass wir von einem Verteidigungskrieg, gerade dabei sind zu einer Offensive umzuschwenken. Viele Tzimisce sehen in der aktuellen Situation das Beste, was in diesen nicht enden wollenden Blutbädern noch zu holen ist und wollen Ungarn den Hexern überlassen. Ihre Ressourcen sind verbraucht, ihre Soldaten im eigenen Blut ersoffen, die Bauern zu Kreaturen des Feindes verarbeitet und die Dörfer verwüstet. Es nutzt nichts der alleinige Gebieter über ein Brachland zu sein, in dem unsere Art nicht einmal mehr den nächsten Winter überstehen kann. Wenn man die schier unendliche Weite und die Distanzen von Stadt zu Stadt und Dorf zu Dorf mitbedenkt, bekommt diese Überlegung zusätzlich eine ganz andere Dimension.“ Er seufzte und sah einen knappen Moment lang durch eines der vereisten Fenster auf die glitzernden Schneeflocken, die langsam dichter wurden. „Vladimir weiß das. Er weiß das weder er noch die Tremere mehr aufbringen wollen oder können, um dieses Gemetzel noch länger aufrecht zu erhalten. Die Ventrue haben all ihre Trümpfe in der sterblichen Welt ausgespielt und die Hexer all ihr Können in den Osten geworfen. Der Winter kommt und am meisten Leiden werden wie üblich die Sterblichen, das wissen beide Seiten. Es wird also einen Stellungskrieg geben, bis der Frühling anbricht während alle Beteiligten ihre Schachfiguren positionieren. Dann wird Vladimir einen letzten offensiven Angriff gegen Ungarn führen. Sein Problem ist nur, wie bereits angemerkt, dass es mittlerweile gehäufte Kritik aus den eigenen Reihen gibt und auch schon erste interne Ränkespiele hinsichtlich der Zeit nach dem Omenkrieg ihren Gang nehmen. Vladimir ist mächtig, weil er sich in die Position gebracht hat mächtig sein zu müssen. Jetzt gibt es aber bereits Clansmitglieder die ihn verdeckt sabotieren und seine Autorität beschneiden. Öffentlich würde das zum aktuellen Zeitpunkt noch niemand wagen aber wir haben immer wieder Truppenausfälle oder kleinen Sabotageakte zu bemängeln, die wir beim besten Willen nicht den Tremere anlasten können. Er braucht starke Verbündete an seiner Seite gegen die Allianz im Westen. Zumindest noch bis zum nächsten Frühjahr. Und er muss bis dahin Sorge tragen, dass seine Dominanz und seine Autorität in den eigenen Reihen nicht angezweifelt werden, was bedeutet, dass er den Kräften, die gegen ihn arbeiten Einhalt gebieten muss. Und das möglichst öffentlich wirksam. Es geht aktuell also darum Verräter zu offenbaren und sich um diese zu kümmern, als auch starke, loyale und überzeugte Verbündete zu finden, die den Feldzug noch bis zum nächsten Jahr finanziell, ressourcentechnisch und politisch mittragen können und wollen.“

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Emilian schmunzelte leicht, bevor er Alida einen sachten Kuss gab, als ob er sie nach diesen langen und düsteren Ausführungen etwas aufmuntern wollte. Die blonde Händlerin kannte ihren Emilian aber bereits gut genug, um zu wissen, dass er ihr immer nur realistische Fakten und keine beschönigten Fantasiegebilde berichtete. Dafür war er zu sehr Händler und Pragmatiker, wie sie selbst. „Ich schätze, derlei Dinge überlässt der Voivode der Voivoden dann gerne seinen Verwandten. Also uns“, fügte er belustigt hinzu.

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 Betreff des Beitrags: Re: Once upon a December
BeitragVerfasst: Sa 23. Nov 2019, 21:52 
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Alida atmete lang aus. Sie trat einen Schritt zurück und bestaunte das Chaos, das die beiden Rustovich Brüder zurück gelassen hatten. Ihre Augen suchten diejenigen von Emilian. „Ich tendiere dazu mich ein ums andere Mal zu fragen, was ich eigentlich hier im Osten tue… Bin ich wegen dir hier? Wegen einem Schwur, den ich Vladimir geleistet habe? Weil ich wirklich hoffen will, dass die Drachen als Herrscher über ihre Ländereien in der Lage sein können etwas für ihre Leute zu tun sobald all diese Scharmützel enden? Sag du es mir…“ Sie wusste, dass er die Antwort auf ihre Frage wohl genauso wenig kannte wie sie selbst. Allerdings sprach sie die anderen Befürchtungen, die ihr noch durch den Kopf spukten nicht aus. Alida tat ein paar Schritte, kniete sich schließlich hin und nahm den Kriegshandschuh in die Hand. Sie musterte das schwere Metall und legte es dann auf einen der niedrigen Beistelltische. „Ich kenne mich zu wenig in der Materie aus. Wie wichtig ist Ungarn tatsächlich für die Drachen? Wie vielen ist es tatsächlich Heimat? Lohnt es einen Kampf? Vor allem wenn er alle Parteien ein ums andere Mal Ressourcen kostet.“ Sie schnaubte verächtlich. „Menschenleben und das Leben von Kainiten und deren Verbündeten. Ich werde wahrscheinlich auch nie verstehen wie die Drachen in Ländereien, die so weit sind wie Russland und der ganze Osten so abfällig mit deren Leben umgehen. Menschen, auch Russen, wachsen nicht auf Bäumen. Das sollte auch jemandem wie Vladimir Rustovich bewusst sein.“ Sie schüttelte den Kopf. „Eine schwierige Materie… Wir sollten uns daran machen demnächst aufbrechen zu können, oder? Vielleicht werde ich ein wenig schlauer, wenn mir kluge Köpfe wie Andrei und dieser Graf Vronsky heute Nacht ihre Sicht der Dinge erläutern.“ Sie beugte sich zu dem braunhaarigen Fleischformer hinüber und hauchte ihm einen Kuss auf die Wange. „Ich bewundere deine stoische Ruhe im Beisein solch impulsiver Verwandtschaft.“

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 Betreff des Beitrags: Re: Once upon a December
BeitragVerfasst: Do 28. Nov 2019, 12:03 
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Emilian betrachtete sie mit einem zurückhaltenden Lächeln, welches in unverkennbarer Weise eben genau das widerspiegelte, was sie sich bereits gedacht hatte. Warum sie immer wieder die lange, beschwerliche Reise in den Osten antrat, obgleich sie vieles was dort geschah weder gut heißen noch nachvollziehen konnte entzog sich ebenso seiner Kenntnis. Zumindest war die Antwort auf diese durchaus berechtigte Frage wohl nicht allzu einfach zu beantworten, sondern genauso wie die politischen Verhältnisse im Umland äußerst komplex und vielschichtig. Einfache Fragen bekamen einfache Antworten – ihre Beziehungen zur östlichen Verwandtschaft waren jedoch niemals einfach gewesen. „Ich glaube…“, meinte er dann, sie beim Aufsammeln des geschwärzten Panzerhandschuhs aufsammelnd beobachtend, „… dass du genau wie ich und viele andere auch einfach eine große Loyalität und Verbundenheit deiner Abstammung gegenüber empfindest. Wir dürfen nicht vergessen, dass wir dereinst trotzdem alle sterblich waren. Vom kleinsten Neugeborenen bis zum ältesten Ahnen waren wir einst allesamt sterblich. Manche haben wie du das Glück noch eine sterbliche Familie zu besitzen, die manches Mal auch eine Unterstützung in dieser neuen Existenz sein kann, andere haben dieses Privileg nicht. Ich denke einfach das wir trotz aller Widrigkeiten das zu schätzen wissen, was wir an unseren menschlichen, als auch durch Blut vererbten Familienbanden haben.“ Emilian lächelte bekräftigend. „Die Alternative wäre immerhin eine ewigwährende Einsamkeit und Isolation.“

Auf ihre Frage Ungarn betreffend neigte ihr Gefährte den Kopf nachdenklich nach links und rechts. „Wie wichtig Ungarn ist, stet als Frage der Komplexität deiner Frage, warum du immer wieder in den Osten reist, in nichts nach. Es ist eine Ermessensfrage fürchte ich. Einerseits ist es der Ort, von dem aus die Tremere durch sukzessive Unterstützung durch die Ventrue eine Zuflucht bekommen haben, um sich ihren Plänen und der Expansion Richtung Osten zu widmen. Das macht es zu einer Frage der Ehre, die Hexer wieder dorthin zurückzudrängen von wo sie gekommen sind. Über die Gräueltaten die sie in ihren Kämmerchen an unserem Blut als auch den Sterblichen verübt haben, muss ich dir wohl nicht berichten. Ungarn ist also eine Nachricht an alle anderen potentiellen Invasoren: Die Drachen verteidigen ihre Lande bis zum letzten Mann und niemand setzt ungeschoren einen Fuß auf unser Heimatland.“ Emilian hob die Schultern. „Andererseits ist es ein recht wohlhabendes, gut ausgebautes Land. Jenseits von Ungarn verzweigen sich Dörfer und Städte. Wege werden länger, unwirtlicher und gefährlicher, die Ressourcen knapper und verstreuter. Es ist also auch eine Frage der Wirtschaft und des Handels für und mit Russland. Schlussendlich ist es bis zu einem gewissen Grad auch das Tor in den Osten; etwas das West und Ost miteinander verbindet. Wir waren ja noch nie besonders zahlreich im Westen vertreten aber eine Passage, die wir nicht mehr nutzen können, weil die Tremere sich dort eingegraben haben, stellt uns vor ganz neue Probleme. Es ist so wie du bereits sagst, eine schwierige Materie. Und was die unzähligen verschwendeten und vergeudeten Menschenleben angeht, die dieser Auseinandersetzung mit Blut Tribut zollen, so darfst du nicht vergessen, dass kein Krieg, egal von welchen Parteien ausgetragen, bisher rational, schön oder moralisch einwandfrei daherkommt. Krieg zeigt uns die hässlichste Seite der sterblichen als auch der kainitischen Natur.“

Als sie seine Wange mit einem zarten Kuss bedachte, zog er sie etwas näher an sich und lächelte glücklich. „Meine stoische Ruhe rührt nur daher, dass ich mittlerweile einfach zu der Erkenntnis gelangt bin, dass man das Gemüt unseres lieben Onkels Vladimir in solchen Momenten weder besänftigen noch resolut zur Räson bringen kann. Es ist eine der Gaben von Andrej den Voivoden mit klugen Einwürfen und Contenance davon abzubringen die halbe Dienerschaft zu erdrosseln und dabei selbst hoffentlich auch nicht in Stücke gehackt zu werden.“ Emilian schmunzelte. „Ich bewundere vielmehr dich, das du unserem großen Anführer nicht die Worte zuteilwerden lässt, die er sich in seiner bedrohlichen Dominanz so wünscht sondern ihm nichts weiter als die Wahrheit erzählst. Das verlangt um einiges mehr Mut.“ Gerade als er diese Worte gesprochen hatte, vernahm man ein dezentes Räuspern an der Tür. Zwei Mägde standen mit einem voluminösen Stück dunklen Stoff in der Tür, das sich bei näherer Betrachtung als ein prachtvolles Kleid im russischen Stil erwies. „Die Herrin möge verzeihen aber Fürst Andrej hat das Kleid persönlich für euch ausgesucht. Seine Gnaden meinte es würde gar trefflich mit euren Haaren und den Augen harmonieren.“ Emilian grinste breit und hob erneut die Schultern, ehe er sich langsam von Alida löste. „Ein weiteres Talent unseres Onkels, das ich nie so recht verstanden habe. Ich glaube du wirst dich heute abends so oder so in bester Gesellschaft befinden und dir selbst eine Meinung über die Angelegenheit bilden können.“ Er mache eine Verbeugung in Richtung Alida bevor er sich zum Gehen wandte und die Mägde mit gesenktem Haupt nähertraten. Offenbar wollten sie Alida beim Ankleiden helfen.

„Der Voivode wird sich sicher bald wieder auf den Weg machen und ich werde nicht umhin kommen ihn zu begleiten. Sei vorsichtig und pass auf dich auf Alida. Und wenn du kannst, genieß den Abend mit Onkel Andrej. Wir sehen uns, wenn du von deinem Gesellschaftsempfang zurück bist.“ Seine Lippen formten ein tonloses: „Ich liebe dich“, als er ihr schelmisch zuzwinkernd den Raum verließ.

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 Betreff des Beitrags: Re: Once upon a December
BeitragVerfasst: So 1. Dez 2019, 20:44 
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Alida verzog die Lippen zu einem bedauernden Strich und seufzte leise. Sie hätte gerne noch so einiges erwidert, aber die Anwesenheit der Dienerinnen verhinderte jeglichen Kommentar. Die blonde Patrizierin wusste nur zu gut wie sie sich hier im Osten in Anwesenheit der Dienerschaft zu verhalten hatte. Ein Drache hatte keine Schwäche, keine Gefühle zu zeigen. Sie bedachte Emilian als er sich verabschiedete mit einem Blick, der nur unmerklich länger ausfiel als schicklich war und einem verschwörerischen Augenrollen als sie sicher war, dass keine der Frauen es sehen konnte. „Ich wünsche dir das Gleiche. Gehab dich wohl bis wir alle wieder hier zusammen treffen.“ Es fiel ihr schwer ihm nicht hinterher zu sehen als er ging. Sie spürte den Stich, das Verlangen nach dem Blut des braunhaarigen Kainiten, das sie nur mit Mühe unterdrücken konnte. In den kommenden Nächten würde sie ohne die unsterbliche Vita auskommen müssen und der Gedanke erfreute sie nicht wirklich.
Sie sah zu den beiden Dienerinnen, die wohl ebenso erpicht darauf waren ihre Aufgabe beenden zu können wie sie selbst. Sie war es nicht gewohnt angekleidet oder frisiert zu werden. Die meisten Tätigkeiten erledigte sie in Brügge selbst und nahm die Hilfe einer Dienerin nur zu besonderen Anlässen in Anspruch. Sie besah sich das Kleid von dem an diesem Abend bereits geredet worden war

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Es war edel und warm, beste Handarbeit und imponierte eher wie eine Rüstung denn als feminine Gewandung. Andrei, da war sie sich sicher, wusste, wie man sich zu einem Anlass wie dem von ihm beschriebenen zu kleiden hatte.
Die Dienerinnen gingen zielstrebig und mit fester Hand vor. Nach einer kurzen Reinigung mit klarem Wasser, das ihr so kalt erschien als wäre es gerade erst aus frischem Schnee geschmolzen, wurde das Gewand angelegt, die Bänder geschnürt und ihr blondes Haar zu Zöpfen aufgedreht, die wohl der derzeitigen russischen Mode entsprachen. Ihre Kopfhaut brannte, so hart zogen die Frauen daran.

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Mit einer kurzen Handbewegung und einem akzentbehafteten „Danke“ entließ sie die Frauen. Es wurde Zeit sich auf den Weg zu machen.

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 Betreff des Beitrags: Re: Once upon a December
BeitragVerfasst: Fr 6. Dez 2019, 22:00 
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Wie auch immer die blonde Händlerin zu unterwürfigen Dienstbarkeiten für die hochwohlgeborenen Damen und Herren in Flandern stehen mochte; in Russland verstand es sich von selbst das die Ordnung der Welt Gott gegeben und nicht zu hinterfragen war. Es gab Diener und Herrscher, Arm und Reich, Dumm und Klug und alles drehte sich im unendlichen Rad einer höheren Fügung derer man sich nicht zu widersetzen hatte. Das sie eine Dame von edelstem Geblüt und tadelloser Abstammung war, war für die beiden emsig beschäftigten Dienerinnen mindestens genauso unleugbare Realität wie die augenblicklich vom Himmel fallenden Schneeflocken in einer kalten Winternacht. Und wo auch immer Andrej seine „ästhetischen“ Eingebung bezüglich Mode und Kultur her hatte, es war abermals nicht von der Hand zu weisen das sie in eine Mischung aus graziler, femininer Leichtigkeit und unbeugsamer Dominanz gekleidet war, als sie die langen, fackelerleuchteten Gänge durch das steinerne Bollwerk ihrer Familie durchwanderte. Die Einrichtung in den einzelnen Zimmern mochte von erlesener Qualität und beeindruckender Handwerkskunst zeugen, die Gänge und Treppenaufgänge jedoch waren gähnend leer. Vermutlich hatte sich hier Vladimir durchgesetzt, der nicht an jeder Ecke ein neues „fantastisches Meisterwerk“ seines Bruders bestaunen wollte.

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Als sie die dämmrige, großräumig mit Bannern, Wappen, gekreuzten Klingen und üppigem Wandbehang dekorierte Eingangshalle betrat, stand dort bereits Andrej der sie mit dem gleichen sanftmütig-wissendem Lächeln bedachte, wie an jenem Tag da sie wieder in die Familie aufgenommen worden war. Er schlug die Hände zusammen und deutete eine überschwängliche Geste in ihre Richtung an. „Beim Blute des Alten, du siehst fantastisch aus Alida. Ich wusste dieses Kleid wäre genau das Richtige für dich. Es unterstreicht diese feine Note deiner Ausstrahlung. Diesen so penibel im Zaum gehaltenen Ehrgeiz. Eine majestätische Naturgewalt die loszubrechen droht – ein wahrhaftiger Drache. Superb.“ Er bot ihr lächelnd seinen Arm an und bedeutete zwei in Leinen gekleideten Dienern ihnen nach draußen zu folgen. Beide trugen lange, dick gefütterte Pelzwintermäntel in den Händen. Auf dem Burghof herrschte kühle Stille, nur die Fackeln an den Wehrgängen und die Kerzen und Öllampen, die hinter den Fensterläden durschienen, tauchten die Finsternis in einen gelblichen Farbton. Es war bitterlich kalt und schneite. Dass die Temperaturen tatsächlich eisig waren, konnte sie auch nicht zuletzt daran festmachen das alle Diener und Mägde die auch oder gerade zu dieser Stunde noch über den Hof eilten, in dicke Mäntel und Jacken gehüllt waren und die beiden Pferde, die man vor einen geradezu schmerzhaft mit filigranen Holzschnitzereien verzierten Schlitten gespannt hatte, emsig schnaubende Dampfwolken in die Nachtluft bliesen.

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In einiger Entfernung wurde bereits das große, massive und alles überragende Burgtor geöffnet während die zahlreichen, sich bewegenden Schemen auf den Wehrgängen, auf ein großes Aufgebot an Wachen und Soldaten hindeuteten. Andrej schnippte mit den Fingern und die sie begleitenden Diener überreichten den beiden die dicken, russischen Wintermäntel mit edlem Pelzbehang. Alida stellte fest, dass es unweigerlich wärmer wurde mit diesen zusätzlichen Schichten aus Wolfs und Zobelfell. Bei ihrem ebenfalls tadellos gekleideten Onkel untergehakt, der ihr selbstverständlich beim Einsteigen behilflich war, nahm sie im ausladenden Schlitten Platz. Sogleich breitete der Unhold eine weitere, dicke Decke über ihre Beine aus und lächelte ihr aufmunternd zu. „Es wird herrlich werden bei diesem Wetter. Wenn wir erst einmal im fahlen Mondlicht die Felder entlangfahren und die Wolken sich lichten, dann glitzern die Schneeflocken wie kleine Edelsteine. Man kann sich gar nicht daran satt sehen“, schwärmte Andrej zuversichtlich. Mit einem befehlenden Wink gab er dem dick vermummten, und scheinbar fast nur aus dicken Lagen Stoff zu bestehendem Schlittenkutscher einen Wink, der daraufhin mit einem lauten Peitschenknall und scharfen, russischen Befehlen die Gäule über den Burghof hinaus durch das Tor trieb.

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Kaum vor dem Tor angekommen, konnte Alida sogleich feststellen das sie keineswegs allein reisten. Vor dem Schlitten und nach diesem, ritten jeweils vier völlig in Schwarz gehaltene, behelmte und gerüstete Gestalten. Die blonde Händlerin erkannte sofort die scharfen, geschwungenen Linien der geschwärzten Panzerplatten. Tormentoren, die Elitegardisten des Voivoden der Voivoden.

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Zusätzlich wurden diese im Dunkel der Nacht fast unsichtbar wirkenden Reiter, von gut zehn weiteren gewöhnlichen Bewaffneten begleitet, die das Wappen des Hauses Rustovich auf den wattierten Wamsen trugen. Man ritt mit offiziellen Insignien und einem Aufgebot der fähigsten Krieger hinaus in die langsam aufklarende Nacht, und erst als es nur noch den knirschenden Schnee und das glimmernde Leuchten des weißen Schnees, welcher das Mondlicht reflektierte um sie herum gab, schien sich Andrej sichtlich zu entspannen. Sie passierten gerade ein kleines Wäldchen unlängst der Burg, bevor sie auf eine weite Ebene kamen, und sich ein fantastischer Ausblick auf den nächtlichen Sternenhimmel vor ihnen auftat.

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Der Tzimisce neben ihr atmete lautstark einmal tief die klirrend kalte Nachtluft ein und ließ die Kälte genießerisch auf sich wirken. „Es gibt doch nichts über eine nächtliche Spazierfahrt in der Heimat. Riechst du das? Kannst du es spüren? Wie es in der Luft vibriert und knistert? Ich weiß es ist natürlich nur das Frieren des Wassers oder der herabfallende Schnee von den Zweigen, aber manchmal habe ich das Gefühl, das der Älteste in den Nadeln und Wurzeln und der Erde um uns herum atmet und wandert; die Landschaft nach seinem Gutdünken zu formen.“ Andrej legte tätschelnd eine Hand auf Alidas und lächelte. „Ich bin überzeugt davon selbst du, die du ja in Flandern lebst, spürst diese tiefe Verbundenheit mit dem Ursprung deiner Vorfahren.“ Er deutete auf einen kleinen verschneiten Stein am Wegesrand. „Dort. Genau dort. Vielleicht hat der Älteste hier über sein Schicksal nachgedacht? Vielleicht hat er dort beschlossen wer seine Kinder werden sollen? Wir werden es nie wissen, aber alles begann irgendwo hier. Hier in Russland.“ Er tätschelte ihre Hand erneut bevor er sich wieder der Landschaft zuwandte. „Und hier wird es so Gott will auch wieder enden.“

(Musik: )

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