Vampire: Die Maskerade


Eine Welt der Dunkelheit
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 Betreff des Beitrags: Re: Once upon a December
BeitragVerfasst: Sa 7. Dez 2019, 18:08 
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Alida hatte sich bereitwillig zu dem Schlitten führen lassen und war eingestiegen. Das Fuhrwerk war ausgesprochen bequem. Sie lehnte sich zurück und versuchte die Fahrt zu genießen. Eine seltsame Anspannung erfasste sie. Die Tormentoren trugen nicht zu Entspannung und einer genussvollen Fahrt bei, aber sie waren für einen Würdenträger wie Andrei Rustovich dringend nötig. Die Luft war kalt und fast knisternd voll pulsierender Energie. Sie hatte sich wenig Gedanken zu ihrem Vorsintflutlichen gemacht. Er war eine mystische Gestalt wie die Heiligen in ihren Legenden, wie Bischof Nikolaus aus Myrra, König Artus oder gar Kain selbst… Hatte es jemals einen Vorsintflutlichen gegeben? Oder waren das Geschichten die sich Kainiten erdacht hatten um ihre eigene Existenz zu rechtfertigen und zu erklären? Wie auch immer sie bisher gedacht hatte, hier im Osten erschien dieser Vorsintflutliche tatsächlich irgendwie greifbarer. Sie rückte in den weichen Kissen etwas nach hinten und sah zu dem Onkel ihres Erzeugers. Mit einem kurzen Blick nach links und rechts vergewisserte sie sich, dass sie aufgrund der Geräuschkulisse aus austobendem Schnee, Hufgetrappel und klirrenden Rüstungen nicht von der Eskorte verstanden werden konnten. „Ich wüsste wirklich gerne mehr über diesen Kainiten, Tzimiske, dessen Blut durch unsere Venen fließt und uns zu seiner Art macht. Aber ich denke, dass nicht viele ihn kennen lernen konnten. Und diese werde ich wohl nicht fragen können…“ Sie schwieg einige Augenblicke, ergriff dann jedoch zögernd erneut das Wort. „Mögt ihr mir eine Frage beantworten, die mir schon seit einiger Zeit durch den Kopf geht? Ihr habt euch damals in der Nähe von Brügge aufgehalten, seid mit einem Zigeunertross gereist… Damals hielt ich mich in Genua auf, aber das wisst ihr sicherlich… Die Ratsmitglieder von Brügge haben euch damals aufgesucht und einen See gefunden in dem dutzende Leichen abgelegt waren. Das hat emine Gefährten sehr verstört. Wie kam es dazu? Ihr seid kein Kainit, der Menschen als Rohmaterial für fleischformerische Künste verwendet. Und Völlerei und sinnlose Trinkgelage sind auch nicht nach eurem Geschmack…?“

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 Betreff des Beitrags:
Verfasst: Sa 7. Dez 2019, 18:08 


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 Betreff des Beitrags: Re: Once upon a December
BeitragVerfasst: So 8. Dez 2019, 13:06 
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Die hohe Gesellschaft bestehend aus Alida und Andrei, befand sich fraglos in ausreichendem Abstand zu ihrem gerüsteten und berittenem Begleitschutz, sodass ein vertrauliches Gespräch ohne große Sorge möglich war. Potenzielle Angreifer sollten ja bereits vor Erreichen des Schlittens aufgehalten oder zerstreut werden, möglichst noch bevor ein gedungener Mörder sich den Drachen auf Schwerlänge nähern konnte. Dazu wurde ein striktes Reit- und Begleitmuster eingehalten, das ohne Zweifel lange eingeübt und mit militärischem Drill gefestigt worden war. Ihr Onkel umschloss die Hand der blonden Händlerin wie ein liebevoller Vater, der seiner einzigen Tochter über die Fährnisse und Gefahren aber auch die Schönheiten der Welt berichtete und nickte zustimmend. „Es ist tatsächlich unmöglich Zeitzeugen des Ältesten aufzutun und diese zu seinem Wesen zu befragen. Alles was uns geblieben ist sind Legenden, Gerüchte, Mythen und Erzählungen die sich quer über das Land und den kollektiven Geist unserer Linie und Art als Ganzes verstreuen. Dasselbe gilt für alle Vorfahren der anderen Blutlinien und Familien. Wir werden nie die ganze Wahrheit wissen doch es heißt, er wäre ein überaus kluger, gebildeter Mann gewesen, der seine ihm bereits als Sterblicher innewohnenden, seherischen Fähigkeiten auch als Unhold weiter hätten anwenden können; ja diese sogar zu verstärken wusste. Er war wohl eine wandernde rastlose Seele auf der Suche nach der allumfassenden Erleuchtung seines Tuns und Seins. Ein schöner Gedanke, wie ich finde.“ Leicht tätschelte der hochgewachsene Drache Alidas Hand und räusperte sich dann kurz.

„Was die Begebnisse in der Nähe von Flandern betrifft, bei denen du nicht persönlich zugegen warst, so lass dir gesagt sein das deine Annahmen und Überlegungen hinsichtlich der Gründe dieser, deine rasche Auffassungsgabe besonders erfreulich unterstreichen meine Liebe.“ Auf sein Gesicht legte sich ein tatsächlich hocherfreutes Lächeln, das zudem wie immer einen messerscharfen Intellekt vermuten ließ. „Ich werde dir davon erzählen, wenn du möchtest. Ich möchte aber betonen, dass Vladimir der einzige weitere ist, der die ganze Wahrheit kennt. Nenn es ein kleines, gut gehütetes Geheimnis das, wenn es publik würde, zwar nicht die Mauern von Jericho bersten lassen würde, aber insgesamt das Ansehen unserer Familie gerade in diesen schwierigen Zeiten schädigen könnte. Man könnte es als fadenscheinigen Grund dazu verwenden, die Einheit der Drachen im Osten zu hinterfragen.“ Ohne zu Blinzeln, wandte er den Blick in Alidas Richtung und lächelte ihr weiter gutmütig zu. „Wenn der Omen-Krieg sein Ende gefunden hat, mit welchem Ausgang auch immer, ist es nicht mehr von Bedeutung, aber augenblicklich muss es noch geheim bleiben. Ich vertraue dir Alida und ich empfinde deine Gesellschaft, genauso wie die von Emilian als Bereicherung in unseren Reihen, aber wenn ich dir davon erzählen soll verlange ich absolute Loyalität in Bezug auf die Ziele der Drachen im Osten.“ Andrei Rustovich tätschelte behutsam ihre Schulter und strich ihr eine blonde Haarsträhne aus dem Gesicht. „Ich muss mich deines Stillschweigens versichern können liebste Alida, anderenfalls muss ich davon Abstand nehmen dir mehr darüber zu erzählen. Und sollte etwas davon zu früh in die falschen Ohren geraten, so sei dir versichert das ich nicht die geringsten Skrupel hätte die undichten Stellen in unserer schönen Domäne öffentlich häuten, pfählen und verbrennen zu lassen um ihre ausgekochten Schädel anschließend an die Burgtore zu nageln.“ Andrei zog die wärmende Decke behutsam und sorgfältig noch etwas enger über Alidas Beine, um der klirrenden Kälte jeden Zugriff zu verweigern. „Möchtest du die Geschichte hören meine Liebe?“

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 Betreff des Beitrags: Re: Once upon a December
BeitragVerfasst: Mo 9. Dez 2019, 21:32 
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„Ihr vermögt es wie immer meine Neugier zu wecken, Andrei.“ Alida war sich nicht sicher ob sie sich interessiert näher zu dem alten Kainiten beugen, oder vorsichtig zurück weichen sollte. Der Onkel ihres Erzeugers vereinte beide Seiten ausgezeichnet. Ihre Worte waren überlegt, aber für den alten Vampir sicher bereits vorhersehbar. „Sofern meine Belange in Brügge nicht davon betroffen sind, das Wohl meiner Familie oder meiner Freunde darunter nicht zu leiden hat, habt ihr mein Wort.“ Sie legte die dick in einen Fäustling gehüllte Hand aufs Herz um ihre Worte durch diese Geste zu untermauern.

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 Betreff des Beitrags: Re: Once upon a December
BeitragVerfasst: Sa 14. Dez 2019, 14:29 
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Andrej Rustovich lächelte in sich gekehrt und nickte sachte. „Es ist durchaus möglich, dass in irgendeiner Art und Weise einmal du selbst oder deine geliebte Domäne im Westen unter den Geschehnissen, die ich dir nun berichten werden leiden könnten. Die Wahrscheinlichkeit dafür ist allerdings äußerst gering, so dass ich mir diesbezüglich keinerlei ernsthafte Sorgen machen würde.“ Der Unhold überlegte einen Augenblick. „Wo fange ich an? Nun vermutlich mit der Bestätigung deiner Vermutung, dass ich ganz gewiss nicht zu den sterblichen Leichen in diesem See jenseits von Brügge beigetragen habe. Es war vielmehr eines meiner Kinder, vermute ich.“ Ein tiefes Seufzen ertönte als der Blick Andrejs in die Ferne zu den hell leuchtenden Sternen wanderte.

„Wie du vielleicht weißt, habe ich eine bestimmte Anzahl an Kindern in die Nacht geholt. Allesamt entstammen sie jedoch der Familie Pascek, die ich über Generationen hinweg über sorgfältige Fortpflanzung und sachte Interventionen, in eine loyale Widergänger-Familie umgeformt habe. Sie waren einfache Leute als ich mich ihnen dereinst offenbarte; erlangten über die Generationen hinweg jedoch einen gewissen Reichtum und Einfluss innerhalb unserer Domänen, sodass sie am Ende sogar wichtige Standesvertreter, Krieger, Händler und Verwalter stellten. Jaropolk als auch Volgar entstammen dieser Familie und beide waren in ihrem ganz individuellen Wesen und ihren Fähigkeiten und Kompetenzen eine willkommene Bereicherung für die Drachen. Nun, ich will nicht zu lange in nostalgischen Erinnerungen schwelgen und dich gar langweilen; diese alten Geschichten könnten problemlos ganze Abende füllen. Interessant für dich zu wissen ist vermutlich, dass ich wie bereits erwähnt noch einen der Pasceks in die Nacht geholt habe. Einen schmächtigen, dümmlich wirkenden Jungen der jedoch ganz im Gegensatz zu seinem Aussehen, mit einer überragenden Intelligenz gesegnet war – Radenko.“ Andrej machte eine kurze Pause und sah über die verschneiten Felder der Domäne, auf denen in einiger Entfernung tief verschneite und spärlich beleuchtete Bauernhäuser erkennbar wurden. Alida fiel es leicht zu bemerken, wie ungern ihr Onkel über diesen Widergänger und Kainiten, sein eigen Fleisch und Blut sprach.

„Ich schickte Radenko zu den größten Gelehrten der damaligen Zeit, ließ ihn die Werke der großen Schreiber aus Ost und West studieren; die Klöster und Künstler dieses wundervollen Landes besuchen um von ihnen allen zu lernen. Und das tat er auch, in beeindruckendem Tempo und mit einer Auffassungsgabe, die wahrhaft übermenschlich war. Er machte mich über alle Maßen stolz und wenig Zeit später über alle Maßen traurig. Denn als Radenko zu der Einsicht gelangte, das Wesen der Sterblichen ausreichend erfasst zu haben, begann er damit das Wesen der Untoten zu studieren. Gründlich.“ Andrej seufzte erneut. „Vielleicht zu gründlich, denn seine Reisen zu den Scholaren des Buchs Nod und die fragmentarischen Aufzeichnungen zu den sagenumwobenen Artefakten des dunklen Vaters, wurden ihm zusehends zu langweilig und unergiebig.“ Der hochgewachsene Unhold faltete gedankenversunken die behandschuhten Hände und in seinen Zügen spiegelte sich unendliches Bedauern wider. „Es begann mit dem Verschwinden einiger Ghule anderer Voivoden, was an und für sich nichts Aufregendes gewesen wäre. Nach und nach aber häuften sich ähnliche Berichte und Erzählungen von Tzimisce die unter merkwürdigen Umständen einfach verschwanden und tot aufgefunden wurden. Ging man zunächst nur von einem weiteren Garou-Angriff oder den Taten einer verrückten Bali-Gruppierung aus, wurde rasch klar, dass der Mörder viel zu gut informiert war und viel zu vorsichtig vorging, um einfach nur ein blutlüsterner Wahnsinniger zu sein. Schließlich nahm sein bislang unentdecktes Treiben rasant weitaus beängstigendere Ausmaße an. Tapfere Ritter von tadelloser Abstammung und makelloser Reputation wurden als verdrehte und zermalmte Kadaver, nicht mehr als fleischige Klumpen in ihren Domizilen aufgefunden. Gelehrte der Obertus fand man samt ihrer Dienerschaft gehäutet und auf groteske Weise entstellt. Dem Kind eines hochgestellten Adeligen aus der Linie des Ältesten, hatte man sämtliche Knochen entfernt. Viele Voivodate jagten daraufhin einem unsichtbaren Phantom hinterher und ermordeten jeden Reisenden, der auch nur im Ansatz verdächtig erschien. Es wurde viel gefoltert und noch mehr erschlagen. Dann erst kam der begründete Verdacht auf, dass es sich bei dem Schlächter möglicherweise um unser eigenes Fleisch und Blut handeln könnte und bald schon verdächtigte jeder jeden. Ich erspare dir die müßigen, politischen Einzelheiten. Du kannst es dir sicher lebhaft vorstellen.“ Andrej räusperte sich knapp.

„Ersparen werde ich dir auch wie, wann und unter welchen Umständen ich die grausame Entdeckung machte, dass Radenko der Brudermörder war. Dringende Verdachtsmomente hatten mich zu einem unterirdischen Minenkomplex geführt indem er eine Art Experimentierstube errichtet hatte. Was dort vor sich ging, lässt sich selbst für einen der unseren nur schwerlich in Worte fassen. Radenko und sein messerscharfer Verstand aber waren auf diese baldige Enthüllung bereits vorbereitet gewesen und als ich mit den Truppen eintraf, hatte er sich bereits unserem Zugriff entzogen; war über die Landesgrenzen geflohen. Du kannst dir vorstellen, was diese Entdeckung für den Ruf und die Glaubwürdigkeit unserer Familie, gerade zur damaligen Zeit bedeutete hätte. Ich zog es also vor die Wahrheit zu verheimlichen und fand einen anderen, passenden Schuldigen. Das Morden zog sich jedoch wie eine Schneise weiter über unsere Landesgrenze weiter nach Westen hin. Wohlwissend, dass der wahre Mörder noch lebte, auch wenn die Voivoden und unsere eigene Domäne sich wieder in Sicherheit wähnen konnten, tat ich was getan werden musste.“ Lange sah Andrej Alida an und versuchte so etwas wie Verständnis in ihrem Blick zu erkennen. Erst dann fuhr er fort.

„Es war unmöglich Radenko in offiziellem Geleit, gar noch in Begleitung von Tormentoren oder dem Banner unseres Hauses zu verfolgen. Auch war es undenkbar irgendjemand anderen einzuweihen, noch nicht einmal einen verschwiegenen Auftragsmörder. Es musste unweigerlich in der Familie bleiben und so machte ich mich alleine auf; reiste getarnt mit einem seltsam anmutenden Zigeunertross aus allerlei merkwürdigen, sonderbaren Gestalten, die meine Wegzehrung und meine Sicherheit sein würden. Immer der Spur der Toten folgend, traf ich dann im Westen ein und fand ein halbes Dorf abgeschlachtet in just diesem See, von dem in deinen Berichten die Rede ist. Mir war sofort klar: Dieses Massaker trägt unverkennbar Radenkos Handschrift. Den Rest der Geschichte kennst du bereits. Natürlich hätte ich eine Lüge gegenüber deinem entzückenden Rat aussprechen können und niemand hätte es überprüfen können. Genauso gut hätte ich womöglich die Wahrheit sagen können. Aber selbst, wenn es einige Zeit dauern mag, irgendwann hätte sich daraufhin auch erneut im Osten diese Wahrheit herumgesprochen. Wie immer ich also vorgegangen wäre, es wäre zu unserem Nachteil verlaufen, demnach habe ich die Schuld auf mich genommen. Ganz vortrefflich passte dazu die Schlacht um eure schöne Stadt, die ja nicht zu Unrecht eine gewisse Feindschaft zwischen Brügge und dem Osten suggerierte. Mir war es zu diesem Zeitpunkt einerlei was der Westen nach meiner Lügengeschichte betreffend der Ermordung der Sterblichen im See durch meine Hand von mir denken mochte. Und es passierte wie erwartet auch tatsächlich nichts, außer ein fünfzigjähriger Bann eure Stadt zu betreten. Dies war in Anbetracht der Situation ein sehr einfach zu entrichtender Preis, bedenkt man die Alternative.“ Der Bruder des Voivoden der Voivoden hatte offenbar seine Geschichte beendet und schwieg für einige Momente. Bevor Alida jedoch noch etwas erwidern konnte, fügte er schlussendlich noch knapp etwas hinzu.

„Später erfuhr ich, dass Radenko die Frucht des Leibes zweier Geschwister aus der Familie Pascek war und dieser Frevel seinen Geist einerseits gesegnet, andererseits zerstört haben muss. Ein Schwert, und mag es noch so scharf sein, dass sich gegen den Träger richtet ist jedoch völlig wertlos. Ich habe daraufhin den maroden, vergifteten Seitenarm meiner Widergänger-Familie sauber und sorgfältig abgetrennt und ein markantes Exempel statuiert. Bisher scheint sich ein ähnlicher Fall noch nicht widerholt zu haben, was für die Wirksamkeit meiner Interventionen spricht. Jaropolk und Volgar waren von dieser schändlichen Befleckung im Übrigen nicht betroffen."

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 Betreff des Beitrags: Re: Once upon a December
BeitragVerfasst: Di 17. Dez 2019, 23:00 
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Alida schüttelte immer wieder während der Erzählung des intellektuellen Kainiten den Kopf. Ob aus Entsetzen, Erstaunen, Unglaube oder Abfälligkeit aufgrund der menschenverachtenden Vorgehensweise im Umgang mit der Wiedergängerfamilie Paskec ließ sich daraus nicht ablesen. Das Mondlicht, das den Schnee in eine blaue Decke verwandelte, aus der nur die kahlen Baumstämme wie dürre Finger ragten, zeichnete unwirkliche Licht- und Schattenreflexe auf ihre Züge. „Es muss eine bittere Enttäuschung gewesen sein zu guter Letzt zu erfahren, dass euer eigenes Kind euch so hintergangen hat. … und das eure Bemühungen sich als gefährlich und fehlinvestiert herausgestellt haben…“ Und zu guter letzt, da bin ich mir sicher, muss es euch schwer gefallen sein, diesen Zweig der Familie Paskec komplett auszulöschen. Wiedergänger sind in der Lage einen Kainiten über weit mehr als hundert Jahre zu begleiten und soweit ich weiß, ist das Band zwischen ihnen und ihrem Kainiten stärker als es das zwischen Sterblichen und Untoten in der Regel sein kann.“ Sie malte sich aus wie es für den Rest der Familie gewesen sein muss miterleben zu müssen, wie ihre Verwandtschaft abgeschlachtet wurde und ein eisiger Schauer, kälter als der frostigste russische Winter lief ihr über den Rücken. „Ihr habt also Radenko und seine Familie eliminiert? Wenigstens mag dieser Schrecken dann ein Ende haben. Es gibt nicht viele Gesetze, denen ein Tzimiske im Osten unterworfen ist. Er kann dem Weg folgen, den er für richtig hält, herrschen, wie es ihm beliebt, sein Körper ist genauso wandelbar wie das Wetter. Wenige Ausnahmen existieren und das ist nach wie vor die Tradition, die besagt, dass es ein Gebot Kains ist keinen Kainiten zu töten…“
Andrej nickte langsam und bedächtig um Alidas Ausführungen zu bekräftigen. „Radenko war nicht das kluge, gelehrsame Wunderkind mit dem wachen Geist und dem neugierigen Esprit eines gelehrsamen Scholaren und großen Denker unserer Zeit. Nun, vielleicht war er es auch aber der Frevel innerhalb des Seitenarms seiner Stammfamilie hat seinen Geist über kurz oder lang wahnsinnig werden lassen. Inzest ist der Tod jeden Verstandes. Zumindest erkläre ich es mir so.“ Es verging eine kurze Pause, in der es so schien als hadere der russische Unhold damit noch weiter zu seinem missratenen Kind auszuführen; möglicherweise versuchte er aber auch nur die richtigen Worte für Alida zu finden. Schließlich fügte er hinzu: „Vladimir hat sich die Sache wie üblich einfach gehalten und diese offensichtliche Erklärung als die vollendete Wahrheit hingenommen.“ Andrej schmunzelte. „Wofür auch ich, da du ihn ja mittlerweile auch gut kennst, äußerst dankbar sein müsste. Was mir in manchen Nächten jedoch noch Sorge bereitet, ist nicht die Tatsache das Radenko dies alles getan hat und dass es keinen Sinn machte und dem Wahn entsprungen sein muss. Nein, es ängstigt mich die Tatsache, dass es vielleicht sogar zu viel Sinn machen könnte. Das ist ein bei weitem furchterregender Gedanke.“ Und diesen führte der hochgewachsene Tzimisce auch ganz bewusst und eindrücklich schweigend nicht weiter aus. Stattdessen schüttelte er nur knapp den Kopf auf ihre nachfolgende Frage. „Ich habe den faulenden Seitenarm der Widergänger-Familie von Radenko samt seinen Eltern und deren anderen Kindern und Kindeskindern abgetrennt. Der makellose Teil der Paskec existiert bis in die heutigen Nächte, auch wenn sich das Blut an den Rändern unserer Domänen mittlerweile etwas ausdünnt und Volgar ja von dir vernichtet wurde. Immerhin erfreut sich Jaro noch bester Gesundheit. Radenko selbst…“ Der Unhold pausierte den Blick auf die lange, weiße Weite der nächtlichen Winterpracht richtend. „… nun… ich verlor seine Spur im Westen. Es scheint als wäre er zu klug sich in so dicht besiedelten, hoch zivilisierten und infrastrukturell weit entwickelten und gut untereinander vernetzten Domänen mit allzu auffälligen Morden oder obskuren Praktiken zu beschäftigen. Es gereicht uns zum Nachteil, dass er ein so raffinierter Bursche ist. Ich habe weder von größeren Mordserien oder die Stille des Blutes gefährdenden Geschichten gehört, die Domänenübergreifend die Aufmerksamkeit auf sich ziehen würden. Von daher ist er entweder, so Gott will, endgültig vernichtet worden oder er verhält sich äußerst still, wo immer er sich auch befinden mag. Falls er noch existieren sollte und das noch dazu in eurer Nähe, wirst du das bald feststellen liebste Alida. Aber wie ich dir schon zu Beginn unserer Unterhaltung mitteilte, erachte ich das als äußerst unwahrscheinlich. Zudem habe ich entgegen meiner Bedenken trotzdem ein paar Augen und Ohren verpflichtet um mich gegebenenfalls auf dem Laufenden zu halten. Auf seinen Kopf ist ein beträchtlicher Preis ausgesetzt.“
Alida erschauerte bei dem Gedanken, dass sich dieser unmenschliche Kainit, der sich an keine Regeln, auch nicht diejenigen seiner Art zu halten gedacht, womöglich in Flandern aufhalten konnte. Und vielleicht gar ausgerechnet sie oder Emilian als nächstes Ziel ins Auge gefasst hatte um seinem Erzeuger, der seine komplette sterbliche Familie abgeschlachtet hatte, einen Stich zu versetzen, den dieser so schnell nicht vergessen würde. Alida versuchte sich ihre Gefühle nicht ansehen zu lassen. „Kein allzu guter Gedanke, sich vorzustellen, dass er nach wie vor da draußen sein Unwesen treiben mag. Zum einen für seine Opfer und zum anderen für euch. Solange er tut, wie immer ihm beliebt, wird sein Werk auf euch zurück fallen können…“
Ihr Onkel tätschelte ihr leicht die Hand, scheinbar um sie beruhigen zu wollen. „Nun, bezüglich meines Rufes besteht unmittelbar keine große Gefahr. Radenko gilt im Osten als bedauerlicherweise von den Hexenmeistern im Kampf vernichtet oder verschleppt. Das heißt also, er existiert für die Unholde nicht mehr und das kommt mir sehr zupass. Ihn dürfte es nicht stören, da er sich ohnehin im Klaren darüber ist, dass nur seine Auslöschung auf ihn wartet, sollte er jemals zurück in unsere Domänen kehren. Es wird nur dann politisch etwas brisant, sollte er bei seinem Treiben entdeckt und seine wahre Herkunft ermittelt werden, auf welchem Wege auch immer. Und auch gar nicht so sehr für die Politik im Westen, sondern für unsere im Osten. Der Westen und der Osten standen schon immer etwas entfernt voneinander, es dürfte daher nicht verwundern, dass ein Tzimisce irgendetwas dort macht was den ansässigen Domänen schadet. Das geht in klassischen Klischees unter. Allein die Drachen im Osten würden wissen, dass es sich um den gleichen Mörder, und wenn die Informationen sich zuspitzen sogar noch um mein totgeglaubtes Kind handelt. Niemand ist so dumm, dass er sich darauf keinen Reim machen könnte. Das ist alles was ich verhindern will solange der Omen-Krieg noch nicht vollends ausgefochten ist. Danach mag sein was immer will.“ Andrej klopfte auf den hölzernen Seitenbeschlag der geräumigen, prachtvollen Kutsche. „Bisher jedoch scheint er sich wie gesagt zu verstecken. Es ist vermutlich zu riskant mich öffentlich zu brüskieren, um meinen Ruf zu ruinieren, weil er damit trotzdem eine noch nie dagewesene Jagd auf sich veranstalten würde. Den Stolz der Drachen tritt man nie mehr als einmal mit Füßen.“ Andrej beugte sich etwas näher zu Alida. „Ich habe dir das nun alles erzählt, weil ich der Überzeugung bin, dass du loyal zu uns im Osten und zu deiner Linie stehst, Alida. Ich hoffe du enttäuscht mich diesbezüglich nicht; denn ich wäre untröstlich, wenn ich auch deinen familiären Seitenarm abtrennen müsste, wegen ein paar zu eilig verlorenen Worten nicht wahr?“ Mit einem weiten Lächeln versuchte der Unhold seine durchaus unterschwellig bedrohlich klingende Ankündigung etwas weniger hart wirken zu lassen. Vermutlich täte es ihm sogar tatsächlich auf eine wohl nur für Tzimisce nachvollziehbare Art und Weise weh, Alida aufgrund von familiären Verpflichtungen zu vernichten. Aber wenn jemand überhaupt diese „familiären Pflichten“ im Ansatz zu verstehen wusste, dann wohl die blonde Brügger Händlerin. „Ich habe in Erwägung gezogen auch Emilian einzuweihen, ich denke seine Expertise und Kontakte als Händler könnten uns in dieser Angelegenheit sicher ebenfalls weiterhelfen. Was hälst du von diesem Gedanken?“
„Er würde euch nicht enttäuschen, aber das wisst ihr bereits. Er ist seiner Familie gegenüber hundert prozentig loyal. Selbst wenn diese Familie ihn zu gewissen Zeiten lieber vernichtet sehen wollte und er im Verborgenen agieren musste. Wahre Loyalität… Was man nicht alles für die Anerkennung seiner Familie zu tun bereit ist, nicht wahr?“ Sie schenkte ihm ein ironisches Lächeln. „Um mich braucht ihr euch ebenso wenig Gedanken zu machen. Meine genauen Beziehungen zum Osten sind in Flandern nach wie vor wenig bekannt und ich werde dies so weit als möglich weiterhin so halten so lange der Omenkrieg herrscht. Und ganz gewiss will ich in keinster Weise in Verbindung gebracht werden mit einem eurer Kinder, das sich seinen Verstand so umgeformt hat, dass nur das Streben eines Wahnsinnigen übrig geblieben ist.“ Die nächsten Gedanken sprach sie Andrei gegenüber jedoch nicht aus. ‚Ich denke jedoch, man sollte diesen Kainiten nicht unterschätzen. Jemand, der mit einem messerscharfen Verstand gesegnet ist und sich so lange im Verborgen aufzuhalten vermag, hat sicher längst andere Ziele ins Auge gefasst als schlicht und ergreifend Kainiten umzuformen.‘ Und Alida war sich nicht sicher, ob diese Ziele nicht vielleicht doch den Mann an ihrer Seite betrafen. „Nebenbei: So leicht lässt sich der Seitenarm der Van de Burse nicht vernichten. Diese Erkenntnis durfte bereits Volgar zu teil werden.“ Sei unterdrückte ein grimmiges Lächeln.
Ihr Onkel lachte kurz amüsiert auf und gab sich dann mit einer eindrücklichen, entschuldigenden Geste spielerisch aber nicht ohne den Hauch des tatsächlich vorhandenen Respektes ihr gegenüber geschlagen. „Touché, liebste Alida van de Burse. Ihr habt gefürchtete, mährische Söldnerheere und diverse Szlachta, Voizhd und meinen sehr hoch geschätzten General samt Wurm erschlagen, ihr wehrhaften Brügger Bürger. Diesen Sieg kann euch wahrhaftig niemand nehmen und ich erkenne ihn nach wie vor an. Eine vortreffliche Meisterleistung eurerseits.“ Zufrieden lächelte der Bruder des großen Voivoden, als ob es sich bei der Schlacht um ihre Domäne im Herzen Europas um eine Art „Kennenlernspiel“ gehandelt hatte. Womöglich war es für Andrej auch nichts anderes gewesen oder aber die Geschichte war schon dermaßen uninteressant und unerheblich für ihn geworden, dass er sich nunmehr nicht einmal mehr um seine Niederlage tatsächlich scherte. Nun, der Westen war für die Drachen generell nie von großem Interesse gewesen, was zumeist auf geradezu verblüffender Gegenseitigkeit beruhte. „Es freut mich das du die Qualitäten und Loyalitäten deines Gefährten ebenso positiv für unsere familiäre Angelegenheit einschätzt wie ich. Deine Meinung in dieser Sache ist mir sehr wichtig, da mir sehr wohl bewusst ist, dass du ihn nur ungern in Gefahr bringst. Sei dir versichert: Emilian wird keine ernst zu nehmenden Probleme oder Schwierigkeiten diesbezüglich bekommen. Zumindest nicht mehr als jene, die er sich ohnehin schon durch seine ganz eigenen Pläne, Geschäfte und Reisen immer wieder einhandelt.“ Der hochgewachsene Bruder des Drachen der Drachen unterdrückte ein leicht süffisantes Schmunzeln. „Bezüglich deiner Anonymität, respektive deine Vertraulichkeit hinsichtlich deiner Verwandtschaftsverhältnisse und Verpflichtungen im Osten, kann ich dir nur voll und ganz zustimmen. Je weniger der Westen über dich und den Osten weiß, desto angenehmer und entspannter wird es für uns als gesamte Familie. Es wäre undenkbar, wenn du dich den klischeebehafteten Wunschbildern irgendwelcher eingebildeter Ventrue oder dümmlicher Toreador ausliefern müsstest, nur weil die Herrschaften sich in ihrer Ehre gekränkt fühlen einen so ehrfurchtgebietenden Namen von tadellosem Anstand und makelloser Abstammung wie Rustovich an ihren Höfen vernehmen zu müssen. Da würden zu viele allzu schnell an ihre eigene Wert- und Nutzlosigkeit erinnert werden. Nein nein, es ist gut so wie es ist. Und so soll es auch bleiben.“ Ihr Onkel hob ihr mit einem Mal das Kinn sachte an und zwängte seinen Blick in den ihren. “Eine van de Burse bist du nur dem sterblichen Namen und deinen vergänglichen Ressourcen nach. Vergiss im Herzen aber nie, das ein Drache in dir schlummert. Ein Drache, der sich aus dem Leben in die Unsterblichkeit gekämpft hat, durch ein blutiges und von Feinden durchzogenes, schier unendliches Land. In deinen Adern fließt das Blut der direkten, ungebrochenen Linie einer Rustovich. Ein Name der so mächtig an diese fruchtbare, gefrorene Erde gebunden ist wie ein Schwert an seinen Träger. Du wirst es innig lieben und abgrundtief hassen aber du kannst dich deinem Namen nicht entziehen. Versuche die positiven Aspekte in den Vordergrund zu rücken. Was glaubst du, warum ich mich beispielsweise gerne mit schönen Gemälden umgebe?“ Er machte eine wegwerfende Handbewegung. „Du kannst dir nicht vorstellen wie langweilig die Gespräche mit dem größten Heerführer unserer Zeit mitunter werden können.“ Er schenkte ihr ein beinahe schelmisches, versöhnliches Lächeln.

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 Betreff des Beitrags: Re: Once upon a December
BeitragVerfasst: Mi 25. Dez 2019, 18:36 
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Andreis Worte zur Heimatverbundenheit eines Rustovich schwangen in ihr nach und sie versuchte einen Abglanz seiner Heimatverbundenheit in sich selbst zu erspüren, aber das Gefühl, das er beschrieb, blieb aus. Die Schönheit der russischen Weite verblasste bei der Erinnerung an die salzigen Marschlande, Ebbe und Flut, der Geruch von Meer und Seetang, der in der Luft hing, das Geschrei der auf gute Geschäfte hoffenden Händler, das Aroma teergebeizter Holzblanken im Kontor… Brügge.

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Nichtsdestotrotz verstand sie wie sehr Andrei seine Heimat schätzte. Vor allem, wenn er so zu ihr empfand wie sie selbst.
Sie kam noch ein Mal auf das Kind von Andrei zurück, dass dieser verstoßen hatte. „Sollte ich je auf Radenko stoßen oder von ihm hören, wie soll ich mich verhalten? Welches Verhalten ist angebracht?“

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 Betreff des Beitrags: Re: Once upon a December
BeitragVerfasst: Di 14. Jan 2020, 12:59 
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Die nächtliche Schlittenfahrt führte die beiden Kainiten weiter durch sanft hügeliges Flachland, das durch den klar scheinenden Mond, der nun vollständig zwischen den dunkelblauen Wolken, sein bleiches Licht auf den glitzernden Schnee warf, beinahe magisch erleuchtet wurde. Soeben bog die Reisegruppe erneut in einen dichten, von Tannen umringten Wald ab der in funkelnden Tönen aus tiefem Schwarz, dunklem Blau und Weiß getaucht war. Die Äste der Bäume bogen sich unter der Last des noch immer fallenden Neuschnees. Ihr Onkel hob knapp die Schultern und fuhr in einem eher neutralen Tonfall fort.

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„Nun, Radenko ist des Todes, soviel steht fest. Solltest du Kunde von plötzlich auftretenden, merkwürdigen Geschehnissen erhalten, die Rückschlüsse auf seine Anwesenheit oder seinen Aufenthaltsort zulassen, so würde ich mich gewiss über eine Benachrichtigung freuen.“ Mit einem Lächeln fügte er hinzu. „Eine tatsächliche, langfristige Jagd auf ihn, würde ich dir in dieser Art jedoch nicht empfehlen. Er ist auf der Flucht und es würde einiges an Aufwand, Ressourcen und Zeit verschlingen, die du besser nutzen kannst. Vergiss nicht, dass er kein überheblicher Dummkopf ist, zumindest nicht was seine aktuelle Lage betrifft. Er wird den Kampf scheuen und immer die Flucht ergreifen für seine… Wissenschaft. Solltest du aber das Glück oder Pech, je nachdem wie man es sehen will haben, ihm plötzlich gegenüber zu stehen, so zögere nicht ihn zu vernichten, so du dazu in der Lage bist.“ Es gab einen groben Ruck, als der Schlitten offensichtlich über eine nur teils mit Schnee bedeckte Baumwurzel glitt und das schwere Holz ächzte unter der Last der Zugtiere. Andrej Rustovich tätschelte sanft ihre Hand. „Und sollte es aus welchen Gründen auch immer dazu kommen, halte dich nicht mit langen Gesprächen oder glühenden Ansprachen auf. Es mag gerecht und wichtig anmuten Radenko seine Untaten klar machen zu wollen oder dem eigenen Ego, im Sinne der Familie schmeicheln zu müssen aber letztendlich ist er nur ein Fehler, der korrigiert werden sollte. Schnell, sauber und unauffällig. Natürlich gibt es auch eine Belohnung mein Kind.“ Der hagere Mann schmunzelte. „Aber bitte mich nicht um Gold und bare Münze, dieser Krieg verschlingt unendlich viele Mittel liebste Alida. Und Vladimir ist nicht derjenige der sich um unsere Barschaft kümmert. Zudem hat der Attentäter, den ich auf Radenko angesetzt habe schiere Unsummen verlangt.“ Der Unhold schmunzelte für einen kurzen Augenblick; nahm dann aber aus den Augenwinkeln etwas in der Umgebung wahr und rief nach einem der Begleitwachen. Mit einem Fingerzeig deutete er auf etwas, das im zügigen vorbeigleiten nur schwer für Alida erkennbar war aber den Anschein erweckte, als handle es sich um eine Art Tierfell, das jemand an einen Baum genagelt hatte.

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„Was soll das?“, fragte der Bruder des Voivoden ärgerlich. „Ich dachte die Köder wären einige Meilen weiter nördlich und südlich von hier ausgebracht worden? Warum wurde ich nicht informiert?“ Der Berittene, der im Trapp neben dem Schlitten her ritt, neigte entschuldigend den Kopf. „Verzeiht Herr aber die jüngsten Sichtungen haben sich erst heute Nacht ergeben. Die Kunde hat sich schon verbreitet und man hat das Gebiet dementsprechend adaptiert. Die anderen hohen Herrschaften haben ebenfalls schon ihre Jäger und Fallensteller ausgesandt. Allein der Bote hat euch nicht mehr erreicht, da die Arbeiten Priorität hatten, gemäß dem Wunsch seiner Exzellenz.“ Andrej schnaubte abfällig und wirkte unruhig. „Warum wählen wir dann diesen Weg? Es ist nicht sicher für mich und meine Begleitung.“ Der Berittene neigte erneut den Kopf. „Mit Verlaub Exzellenz aber durch die heftigen Schneefälle wäre ein Vorankommen auf anderen Wegen in dieser Nacht undenkbar. Allein die Wälder halten den Schnee noch etwas fern.“ Andrej sog scharf die eisige Nachtluft ein und machte eine wegwerfende Handbewegung, woraufhin sich der Berittene wieder in Formation begab. Er drehte sich leicht in Alidas Richtung und versuchte sich an einem beruhigenden Lächeln. „Köder meine Liebe. Allerdings nicht dazu gedacht Wildtiere anzulocken, sondern eher um andere Gerüche zu verschleiern und zu überdecken. Eine undankbare, lästige und zudem auch verschwenderische Angelegenheit. Jedes Wild, das erlegt wird könnte ein paar waffenfähige Bauern ernähren aber so wie Dinge nun einmal stehen haben wir zu diesem ermüdenden Krieg noch ganz andere Probleme hier im Osten bekommen. Durch die Truppenaufmärsche, die Konstruktion von Kriegsgerät, Rodungen und Scharmützel, haben wir offensichtlich die Aufmerksamkeit von Feinden auf uns gezogen, die für eine Sache kämpfen, die wir wohl nie begreifen werden. Es wird Zeit, dass der Finale Schlag gegen die Hexer und ihre Verbündeten fällt, den ansonsten könnten bluten wir uns alsbald an einer anderen Front aus, die sich aus dem Schatten der kargen Wildnis über uns legt und…“

Weiter kam Andrej nicht mehr, denn plötzlich schienen die Pferde der Reiter allesamt bedenklich unruhig zu werden und die vorderste Front an Tormentoren, hatte Mühe die Rösser im Zaum zu halten. Schwerter wurden klirrend gezogen. Der Schlitten mitsamt der Entourage aus Bewachern, befand sich augenblicklich in einer breiten, schneebedeckten Waldlichtung, die von dichten Bäumen umringt war. Ein ertönte und ehe man sich versah, konnte Alida aus den Augenwinkeln eine monströse, hünenhafte Kreatur erblicken, die sich von einer hohen Baumkrone auf den ersten Tormentor stürzte. Im fahlen Mondschein blitzen Klauen von der Länge eines Fleischermessers auf und gruben sich tief in das Fleisch des Pferdes das wimmernd unter der Wucht des Aufpralls zusammenbrach. Der Tormentor stürzte zu Boden, als die Kreatur ein weiteres donnerndes Grollen ausstieß.

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Alles passierte sehr rasch und ehe noch die Formation geschlossen oder ein Gegenangriff initiiert werden konnte, sprang ein weiteres dieser von dichtem Fell überzogenen Monster zwischen den Bäumen hervor; riss einen der Bannerträger vom Pferd und prallte mit diesem am Boden auf. Zwischen den erstickten, blutgurgelnden Schreien des Mannes hörte man laut Knochen knacken. Blut spritze in scharlachroten Fontänen auf das davongaloppierende Pferd und färbte den Schnee in dunkles Rot. Schemen sammelten sich am Waldrand und das anfängliche Heulen wurde von mehreren weiteren beantwortet.

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Andrej Rustovich, bleicher denn je, sprang aus dem Schlitten auf und riss Alida am Arm nach oben. Mit weit geöffneten Augen hielt er sie an der Schulter fest und sah ihr fest in die Augen, als um sie herum die ersten Schwertstreiche herniedergingen und der Kampfeslärm ertönte. „Schnell, du musst fliehen. Ein Kampf ist aussichtslos, diese Bestien kennen kein Erbarmen.“ Er griff in die Innenseite seines Mantels und drückte Alida einen länglichen Zweig in die Hand, der vielleicht eine Elle lang und einen Finger dick war. Dem Augenschein nach, handelte es sich auch tatsächlich um nichts Anderes als einen gewöhnlichen Zweig eines beliebigen Baumes. Der Tzimisce drückte sie über den Aufstieg des Schlittens nach unten; drängte sie zur Eile. „Lauf nach Norden und zwar so schnell du kannst. Sieh dich nicht um und mache nicht kehrt. Etwa eine Meile von hier wirst du eine alte Kirche finden, dort bist du sicher. Die Bestien meiden diesen Ort und wagen es nicht sich ihm zu nähern. Solltest du verfolgt werden, so nimm diesen Zweig und zerbrich ihn in drei Teile. Lauf weiter nach Norden und wirf die Teile gen Osten, Westen und Süden. Beeile dich mein Kind! Der Älteste wohnt in diesen Landen wie sein Blut in dir. Das Land deiner Ahnen wird dir beistehen. Lauf!“

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Am vorderen Ende der Karawane konnte Alida erkennen wie drei Tormentoren ihre Schwerter fanatisch in das Fleisch einer der Bestien stießen, welche unmenschlich aufheulte und sich blutüberströmt auf seine Peiniger warf. Von hinten war gerade ein anderes Monster an die dunkel Gerüsteten herangepirscht und riss einem von ihnen mit einem einzelnen Biss fast den ganzen Arm ab. Es war ein schreiendes, blutendes und knochenbrechendes Massaker wie es Alida noch niemals zuvor erlebt hatte. Nur die Schlachtfelder der Sterblichen boten ähnliche Gräuel.

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 Betreff des Beitrags: Re: Once upon a December
BeitragVerfasst: Mo 20. Jan 2020, 19:09 
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Alidas Gedanken überschlugen sich. Innerhalb weniger Augenblicke versuchte sie die Situation um sich herum abzuschätzen, sah entsetzt zu dem brutalen Gemetzel, das um sie herum statt fand. Sie hatte Tormentoren kämpfen sehen und wusste von ihrer Kampfkraft. Es war entsetzlich zu sehen, wie schnell die Kampfelite der Drachen den Wölfen zu erliegen schien. Sie maß ihre eigenen Chancen ab, die erschreckend klein waren. Ihr Blick raste über das Kampfgetümmel. Zu Fuß würde sie es nie schaffen zu fliehen. Sie griff nach dem Zweig, den Andrei Rustovich ihr hinhielt und zögerte einen Moment in wütender Verzweiflung: Wie konnte sie tatsächlich fliehen und alle hier Anwesenden ihrem Schicksal überlassen? Auf der anderen Seite war Andrei ein Kainit der 6. Generation, der sicherlich über mehr Fähigkeiten verfügte als man ihm im ersten Moment ansehen mochte und auf der anderen Seite waren ‚normale Sterbliche‘ soweit sie wusste in der Regel nicht das Ziel der Bestien. Vielleicht waren die Tormentorenkrieger besser dran, wenn die Kainiten, die sie beschützen sollten, fort waren? „Habt Dank, Andrei“, versuchte sie sich über den Kampflärm bemerkbar zu machen. Sie stopfte den Ast so schnell sie vermochte unter ihren Gürtel und sah sich nach dem nächsten Pferd um, das in Panik das Weite suchte. Sie konzentrierte sich, versuchte ihren Bewegungen sie größte Schnelligkeit zu verleihen zu der sie fähig war und sprintete los. Vielleicht mochte es ihr gelingen sich in den Sattel zu hieven und aufzuspringen?

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 Betreff des Beitrags: Re: Once upon a December
BeitragVerfasst: Fr 31. Jan 2020, 13:30 
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Das paradoxe an Schlachten, Kriegen oder ganz allgemein kämpferischen Auseinandersetzungen war ja, das egal wie gut und sorgfältig der Schlachtplan ausgearbeitet zu Pergament gebracht worden war, egal wie pflichtbewusst und fähig die Kommandeure die Befehle an die Truppen weitergaben und egal wie standhaft die Recken ihre Waffen erhoben – am Ende artete es dennoch nur wieder in sinnloses und chaotisches Stechen, Schlagen, Treten, Schreien und Sterben aus. Kein Plan überlebte den ersten Feindkontakt, hatte ein weiser Mann einmal gesagt.

Allen Umständen zum Trotz, gelang es Alida aber tatsächlich in all dem Lärm, dem wütenden Grollen und Knurren, dem Hämmern der Schwerter die auf sehniges Fleisch trafen und dem reißenden Knacken von Knochen, das Pferd eines der sterblichen Begleitsoldaten am Rande des Schlittens auszumachen. Es hatte seinen Reiter bereits abgeworfen, der sich soeben verzweifelt zwei weiteren Tormentoren anschloss, um eine der Bestien zu attackieren. Das braune Pferd hatte sich stark wiehernd und panisch aufgebäumt, die Vorderhufe mit aller Kraft wild durch die Luft schlagend, als ob es die Bestien damit vertreiben wollte. Die Tzimisce bekam die Zügel des prachtvoll verzierten Zaumzeugs zu fassen und musste sich mit aller Kraft gegen ein erneutes Aufbäumen des Tieres stemmen, in dessen Augen sich die schiere Todesangst spiegelte. Sie musste, wollte sie tatsächlich auf dem panischen Reittier fliehen, zumindest einen kurzen Moment darauf verschwenden es soweit zu beruhigen, um zügig aufsitzen zu können. Es blieben ihr nur wenige Momente, denn niemand konnte sagen wie viele Monster noch zwischen oder auf den Bäumen lauerten und wie sich die Tormentoren und Soldaten weiter vorne schlugen. Alles passierte unsagbar schnell und war nicht vorherzusehen.

(Ich gestatte dir Tierhaftigkeit 3 einzusetzen und ich erlaube dir sogar, dass du die ‚Lied der Ruhe‘ Form mittlerweile beherrscht --> Man+Empathie gg. 7 bitte – 3 Erfolge sind nötig. Die Anzahl Erfolge, die du bei dem Wurf brauchst, um jemanden quasi ruhigzustellen, ist die WK der Person. Das Pferd hat 5 WK. Da du das Tier aber nicht perfekt losgelöst und sorgenfrei machen willst im Angesicht des Todes, reichen 3 Erfolge anstatt 5. Damit kannst du aufsitzen und das Pferd in die Richtung dirigieren, in die du willst.)

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 Betreff des Beitrags: Re: Once upon a December
BeitragVerfasst: So 2. Feb 2020, 20:17 
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Alida spürte die Schnelligkeit, die ihre Glieder nach vorn schießen ließ. Sie kam dem Pferd mit rascher Geschwindigkeit näher, griff nach dem Zaumzeug des Tieres und verfehlte es. Der Fluch auf ihren Lippen ging Geschrei der Männer, dem wilden Knurren und dem Klang von Schwertern unter. Noch immer war das Tier in ihrer Nähe und sie versuchte sich in den Sattel zu hieven. Der eisige Schnee unter ihren Füßen ließ sie jedoch ausrutschen und erneut gelang es ihr nicht auf das Pferd zu gelangen. Ihre Gedanken rasten während das Reittier drauf und dran war in Panik die Flucht zu ergreifen. Sie versuchte sich zusammenzureißen, die Verzweiflung in den hintersten Winkel ihrer Seele zu verbannen und stimmte mit beruhigender Stimme den beinahe leisen Singsang des Lieds der Ruhe an. Sie zweifelte, dass sie das Tier dazu bekommen könnte, seine Schritte zu verlangsamen, doch tatsächlich geschah das Wunder. Das Pferd blieb stehen.

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