Vampire: Die Maskerade

Die Möglichkeit zur Flucht war dem Söldner bereits verwehrt, bevor dieser überhaupt realisiert hatte, was eigentlich geschah. Die blitzschnellen Bewegungen der Brujah, die jeglicher rationalen Erklärung zu trotzen schien, ebenso wie ihr eisenharter und unnachgiebiger Griff schienen sein Schicksal nun endgültig besiegelt zu haben. Noch ein kurzes, letztes Mal versuchte der Söldner sich freizukämpfen, gab seinen Widerstand aber schließlich auf. Die Angst und der Terror, welcher zuvor in seine Züge eingebrannt waren, wichen langsam einer stillen Resignation und mit einem letzten Gebet auf den Lippen schien der Mann es irgendwie geschafft zu haben, einen letzten Frieden für sich zu finden. Es war offensichtlich, dass er auf seinen Tod wartete oder darauf von dieser verdammten Kreatur die Louisa für ihn darstellte, in die Hölle gerissen zu werden.

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- Do not go gentle into that good night. Rage, rage against the dying of the light. -

Die Brujah presste den Mann mit einem Arm eng an sich, hinter ihm stehend, und schmiegte sich dabei in einer lasziven Art gegen ihn. Ihre Lippen berührten sein Ohr beinahe, als sie ihm zuflüsterte: "Bleib doch noch ein wenig bei mir..." Tatsächlich kitzelte ihre Zungenspitze seine Haut, während sie ihn in einem eisernen Griff hielt. Doch es war nicht sie allein, die zu ihm sprach. Nur vage konnte sie ihre eigenen Handlungen noch bestimmen, ihr Ziel im Auge behaltend wie ein Reiter, der durch dichten Nebel galoppiert und ein panisches Pferd nur grob dirigieren kann. Sie ahnte, dass sie ihren Gelüsten zumindest zu einem Teil würde nachgeben müssen, um die Kontrolle nicht gänzlich zu verlieren. Zu niederschmetternd hatte sie es schon erlebt, wie das Etwas in ihr ihren Willen einfach beiseite wischte, wenn sie sich ihm direkt entgegenstemmte. Der Geruch des Mannes, seine Wärme, sogar der Geschmack von Angstschweiß auf ihrer Zunge ließen das Dunkle sich mächtig erheben.

Aber Louisa konnte auch nicht davon ablassen, den bebenden Sterblichen mit ihrem gesamten Körper zu genießen – zu gut war das Gefühl, zu übermächtig der Trieb... "Lass uns ein wenig reden, mein ungestümer Freund" schnurrte sie, bewegte ihren Kopf nach vorn und küsste die Kehle des Mannes, wobei hinter ihren weichen, kühlen Lippen die nadelspitzen Zähne sich wiederum gewaltsam aus ihren Kiefern schoben. Sie leckte über den Adamsapfel ihres Gefangenen und konnte sich mit Mühe davon abhalten, sein Blut zu kosten. Indem sie zu ihm hinauf schielte, murmelte sie: "Wenn ich deinen Mund freigebe, wirst du nicht schreien, sondern mir antworten. Auf alle meine Fragen wirst du mir antworten, was du weißt – ohne zu zögern und ohne mich zu hintergehen! Denn wenn du eines davon versuchst, werde ich es wissen, und dann..." Erneut fuhr sie mit ihren Lippen über seine Kehle und liebkoste sie wie eine Katze ihr Junges.

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~ Begehren ist die Triebfeder allen Handelns ~

Der Söldner wimmerte nur noch und betete leise vor sich her. Auf Louisas Aufforderungen und Warnung reagierte er nur mit einem kurzen Kopfnicken, während er unter jedem ihrer „Küsse“ vor Schrecken und Ekel zurückschreckte. Es dauerte nicht lange, bis die Brujah etwas Weiteres bemerkte – ein dunkler Fleck und eine Pfütze die sich unter ihrem Gefangenen bildete. Er hatte sich besudelt. Der Mann gab eine ganz und gar jämmerliche Gestalt ab und irgendetwas sagte der blonden Kainiten, dass der Söldner keinerlei Kraft oder auch nur Willen mehr besaß sich ihr zu widersetzten.

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- Do not go gentle into that good night. Rage, rage against the dying of the light. -

Langsam entließ sie den Mann aus ihrem Griff, der sehr viel härter war, als man den schmalen Händen und schlanken Armen der jungen Frau zugetraut hätte. Der Anblick und der Geruch seiner körperlichen Reaktion auf die Angst hatten dank ihrer geschärften Sinne die Lust auf den Sterblichen, also auf sein Blut, wesentlich in ihr abkühlen lassen, weshalb es ihr leichter fiel, den Dämon in ihrem Inneren im Zaum zu halten. Die Hände in die Hüften gestemmt, sah sie den Eingeschüchterten an, das Lächeln auf ihren Zügen zu einer bloßen Maske gefroren. Ihre Augen glitzerten wie Eisstückchen in den Strahlen einer blassen Wintersonne. "Wer hat dich und deinen Kumpan geschickt, und was hat man euch gesagt?" fragte sie und fügte leichthin an: "Überlege dir gut, ob du mir etwas unwahres sagen willst, denn ich gebe dir nur diese eine Chance, dein kleines Leben zu retten! Aber lass mich auch nicht zu lange warten, denn in mir brennt ein Feuer, das keine Geduld kennt..." Sicher, dass er den Doppelsinn der Worte nicht verstehen und also allein für sich selbst eine Gefahr darin erkennen würde, kräuselte sie schnippisch die Lippen, für einen kurzen Moment erneut die spitzen Fangzähne entblößend.

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~ Begehren ist die Triebfeder allen Handelns ~

Nachdem Louisa den Söldner losgelassen hatte, schien er einen Teil seiner Selbstbeherrschung, wenn auch nicht seiner Würde zurückzugewinnen. Der Mann kreuzte schützend die Arme vor seiner Brust, während er mit rauer Stimme sprach. "Der Gildemeister der Schmiede hat uns angeheuert in der dreckigen Wäsche von Odric zu wühlen. Es heißt der Patron habe unseren Auftraggeber, mit dessen Frau betrogen und jetzt will er Rache. Der Schmied hat bereits Untersuchungen angestellt und von Gerüchten gehört, dass Odric sein Bier panscht. Wir wurden jetzt ausgesandt, um endgültige Beweise dafür zu finden." Der Söldner verstummte und starrte vorsichtig in die Richtung von Louisa. Die Brujah konnte sehen, dass der Mann besiegt war und lediglich zu hoffen schien mit seinem Leben entkommen zu können, weshalb es sehr unwahrscheinlich schien, dass er die Unwahrheit oder versuchte zu fliehen.

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Louisa musterte den Sterblichen mit einem weiteren leichten Kräuseln der Lippen. Sie hielt die Arme vor der Brust verschränkt und schob die Hüfte kaum merklich hervor, beides in einer Weise, welche die laszive Wirkung der Kainitin betonte, ohne dass sie sich dessen bewusst gewesen oder es gar mehr gewollt hätte. Das Tier in ihrem Inneren hatte der Mann fürs erste nicht mehr zu fürchten, genauso wie sie selbst, denn die Gier nach Blut war für die Brujah stets mit einem lüsternen Begehren nach dessen Besitzer selbst verbunden – und das war gerade merklich abgekühlt. Sie schnaubte missmutig ob des ihr entgangenen Spaßes, doch dafür erhielt ihr Verstand wieder die Kontrolle über die Handlungen der jungen Frau. "Der Gildemeister der Schmiede, sieh an..." meinte sie und behielt ihr Gegenüber nachlässig im Auge, da sie seinen verbliebenen Widerstandswillen so gering schätzte. "Ist er ein eifersüchtiger Gatte, ein rachsüchtiger Mann? Und was weißt du sonst noch über ihn?" Gut möglich, dass die Erklärung des Söldners bereits die volle Wahrheit enthielt. Dass der Mann selbst es glaubte, daran zweifelte sie nicht. Aber es war nicht unwahrscheinlich, dass dieser Schmied seine Sendboten täuschte. Immerhin, die meisten Männer ließen sich nicht gern von ihren Weibern Hörner aufsetzen. Oder aber es stand eine ganze andere Person hinter dem Gildemeister... Nun, sie würde herausbekommen, was das Häuflein Elend vor ihr wusste oder zu wissen glaubte!

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„Walther van Dinken ist genauso eifersüchtig wie er jähzornig ist.“ Der Söldner schien kurz zu überlegen was er noch sagen konnte, um die schreckliche Gestalt vor sich auch ja zufriedenzustellen. „Allerdings ist sein Zorn kein loderndes Feuer, sondern eher eine kalte Wut, was bedeutet, dass sich Walther seine Rache viel Zeit, Überlegung und auch Geld kosten lässt. Er hat seine Frau einmal nicht zu Hause vorgefunden, als er früher als gedacht von einer Reise heimgekommen ist und uns daraufhin angeworben ihren Verbleib herauszufinden und nachdem dieser geklärt war, Beweise für Odrics krumme Machenschaften zu finden um ihn zu bestrafen.“ Der junge Mann zuckte beinahe entschuldigend mit den Schultern. „Ich verstehe das Mädchen sogar fast. Natürlich wirft sie sich lieber einem Bullen wie Odric an den Hals, als einem Ehemann der ohne Probleme ihr Großvater sein könnte.“

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Nachdenklich ließ Louisa die Zunge zwischen ihren leicht geöffneten Lippen über die spitzen Fangzähne gleiten. Sie wirkte dabei mehr denn je wie eine Katze, die in der Sonne döst. Eine Hand glitt nach oben und war unablässig damit beschäftigt, eine widerspenstige Locke ihres Haars immer wieder abwechselnd um den ausgestreckten Zeigefinger zu wickeln und dann in die Freiheit zu entlassen. "Ein rachsüchtiger Mann also, sieh an, sieh an..." sinnierte die Brujah und schürzte schließlich die Lippen. Für die junge Frau hatte sie der Schilderung nach mehr als Verständnis. Gleichwohl würde das Handeln dieses van Dinken womöglich ein Problem für ihre Pläne darstellen. Einerseits hatte sie erst durch ihn etwas in die Hand bekommen, womit ihre Auftraggeberin Odric womöglich gefügiger machen könnte – sie grinste allerdings bei dem Gedanken, dass dieser Bulle, wie ihn der Söldner so treffend bezeichnete, bald schon mit Haut und Haaren ihr gehören sollte und sie damit diejenige wäre, mit der man über Odrics Entscheidungen verhandeln müsste.

Andererseits musste sie nun aber auch dafür sorgen, dass van Dinken sein Wissen nicht nutzte und es damit für andere entwertete. Oder... noch besser: dass er es gar nicht erst erhielt. Sie musterte den Mann vor sich. "Nun gut... Ich werde prüfen, ob du die Wahrheit gesagt hast. Warst du ehrlich, dann will ich dir dein kleines Leben schenken. Wenn nicht, werden wir beide eine Liebesnacht miteinander haben, die deine letzte werden soll..." Hier ging ihre Stimme in ein Schnurren über, das dem Mann das Gefühl geben mochte, er sei die Maus, auf die das Auge der soeben erwachenden Katze gefallen war. Sie reckte das Kinn leicht und wies auf den Durchgang. "Geh, und nimm deinen Kameraden mit dir. Ihr werdet dem Schmied sagen, dass ihr keine Beweise finden konntet. Sagt ihr etwas anderes oder erwähnt mich auch nur im geringsten, weiß ich euch zu finden!"

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Der Söldner schien die Chance zu begreifen, die sich ihm plötzlich und völlig unverhofft bot. Er nahm die Beine in die Hand und gab Fersengeld , ohne sich ein weiteres Mal umzudrehen, schien aber am Ausgang lange genug auszuharren um seinen Kumpanen aufzulesen. Es war natürlich schwierig abzuschätzen, ob der Mann wirklich schweigen würde, aber alle Anzeichen standen dafür. Der junge Söldner war bis ins Mark von Louisa erschüttert worden und hatte wohl kaum damit gerechnet mit dem Leben davonzukommen. Außerdem mochte die Geschichte einer dämonischen Frau aus der Hölle vielleicht nicht unbedingt jeden überzeugen, schon gar nicht seinen Auftraggeber. Nein es war viel wahrscheinlicher, dass er berichten würde keine Beweise gefunden zu haben, um dann so schnell es eben ging die Stadt zu verlassen. Eine ganz andere Frage stellte sich nun der Brujah. Wie würde sie ihr neu gewonnenes Wissen nutzen und wie würde sie weiter verfahren?

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Die Brujah lauschte, bis die Schritte des fliehenden Mannes selbst mit ihren scharfen Ohren nicht mehr wahrzunehmen waren. Dann handelte sie selbst, und zwar zügig: Die beiden Söldner hatten nach Beweisen dafür fahnden sollen, dass Odric seine Gäste betrog... Was sich recht einfach würde herausfinden lassen: Mit einem kleinen Gefäß und einer Kostprobe aus seinen Fässern, die sie nach dem Geruch und, wenn das nicht ausreichen sollte, auch mit der Zunge prüfen konnte. Ohne indes das Getränk zu schlucken, was ihr seit der Wandlung in ihre jetzige Daseinsform nicht mehr ohne großes Ungemach möglich war. Ganz gleich allerdings, was sie dadurch herausfinden sollte, würde sie sich alsdann eilig und nach Möglichkeit unbemerkt wieder aus dem Haus entfernen – nachdem sie sich davon überzeugt hatte, dass keine auffälligen Spuren mehr auf die Fremden hindeuteten, die sich heute hier zu schaffen gemacht hatten.

So sie unbehelligt in Sicherheit käme, würde sie sich mit dem Weg in ihr Refugium Zeit lassen und dabei angestrengt nachdenken. Zum einen galt es, den Schmiedemeister als Gefahrenquelle auszuschalten. Hier, so schloss sie letztlich, würden wahrscheinlich sogar einige subtil und wohl platzierte Warnungen an Odric genug sein, wenn er erst einmal ganz an sie gebunden wäre und sie für die Geliebte halten würde, ohne die er nicht leben konnte. Das Vertrauen in ihre Worte würde ganz automatisch kommen, wenn sie ihm nur in dem Glauben ließ, weiterhin Herr seines Willens zu sein. Der Wirt schien ihr kein Dummkopf zu sein und würde sich, mit dem nötigen Wissen gewappnet, sicherlich gegen die Intrigen des Mannes wehren können, der ihm den Ehebruch seiner Frau nachtrug. Schwieriger schon würde es mit ihrer Auftraggeberin werden... Charlotte hatte ihr gesagt, dass sie Odrics Taverne in ihren Besitz bringen wolle. Ein Odric mit Taverne und dem darauf basierenden Einfluss aber wäre für Louisa selbst sehr viel nützlicher.

Wie aber nun, wenn sie der Ventrue berichtete, dass über Erpressung kaum Odric heranzukommen wäre, sie, Louisa, aber dafür garantieren könnte, dass sich Odric künftig im Sinne der Ventrue verhalten würde? Käme das nicht fast der Kontrolle über die Taverne gleich? Nur dass die Ventrue ganz aus dem Hintergrund agieren würde, über Louisa, die wiederum Odric an zarten, unsichtbaren Zügeln lenken würde? Ein feines Lächeln huschte über ihre Züge. Wenn das nicht nach dem Geschmack einer Ventrue wäre: Die Schachfiguren aus dem Schatten heraus zu lenken... Louisa jedenfalls würde es nichts ausmachen, zunächst einmal selbst eine solche Figur zu sein, wenn sie dafür immerhin von einem Bauern zu einem Läufer aufstiege. Nur ein erster Schritt, um irgendwann zur Dame zu werden, wie es nun Charlotte war... vielleicht, denn letztlich schien ihr das Erlangen höchster Macht nicht allzu erstrebenswert. Man musste gar nicht an der Spitze sein! Nein, nur weit genug oben, um im Luxus leben und andere für sich springen zu lassen. Und weit genug unten, um nicht zum Ziel machtgieriger Konkurrenten zu werden...

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