Vampire: Die Maskerade


Eine Welt der Dunkelheit
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 Betreff des Beitrags: Re: Neue Horizonte (Louisa)
BeitragVerfasst: So 2. Jun 2019, 10:09 
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„Dann haben wir ja sehr viel schneller als erhofft, alles wichtige geklärt. Gut. Positive Überraschungen sind so selten wie Schnee im Sommer.“ Charlotte nickte kurz anerkennend und betrachtete Louisa noch einmal mit unverhohlener Neugier. „Wenn ihr Erfolg haben solltet, dann sucht mich für eure Bezahlung auf, vielleicht können wir dann auch über eine etwas permanentere Partnerschaft reden. Ich arbeite an einem größeren Projekt. Wenn ihr mich jetzt entschuldigen würdet?“ Die Ventrue verabschiedete sich von mit einem weiteren, knappen Kopfnicken von Louisa. Danach erhob sie sich und ging zu einem der dunklen Holzregale, die an der Wand angebracht waren. Sie suchte sich zielsicher mehrere der darin gelagerten Schriftrollen aus und trug sie zurück zum Tisch.

„Ich habe noch etwas zu erledigen, aber meine Dienerin wird euch nach unten begleiten. Svantje?“ Nur einen Moment später trat ein Louisa vertrautes, blondes Gesicht in Ratskammer. Die Dienerin, die sich ihr Gegenüber in ihrer ersten Nacht so aufmüpfig verhalten hatte schritt in den Raum und knickste kurz vor der Ventrue. Charlotte war wie bereits zuvor kurz angebunden und ihr Ton sowohl geschäftig als auch unpersönlich. „Hilf Fräulein van de Voort doch bitte dieses elendig lange Treppenhaus hinunter und sag dem Turmwächter, dass ich noch zusätzliche Lampen benötige.“ Die Antworte der blonden Sterblichen, folgte prompt. „Gewiss Herrin.“ Svantje drehte sich mit einer eleganten Bewegung zu Louisa um und streckte den Arm in Richtung des Portals aus. „Nach euch.“ Wenn die Ghulin noch immer ein Problem mit der Brujah hatte, ließ sie sich davon überhaupt nichts anmerken.

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Verfasst: So 2. Jun 2019, 10:09 


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 Betreff des Beitrags: Re: Neue Horizonte (Louisa)
BeitragVerfasst: Mo 3. Jun 2019, 19:01 
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Die Brujah verbeugte sich leicht. "Ich werde nicht versäumen, Euch aufzusuchen" versicherte sie. Der nur mittelmäßig feine Wink Charlottes war nicht zu missverstehen, weshalb sie sich ebenfalls erhob und mit einem knappen Gruß von ihrer Auftraggeberin verabschiedete. Zufrieden mit dem Handel und den klimpernden Münzen in ihrem Täschchen zog sie sich zur Tür zurück. Das selbstzufriedene Lächeln gefror allerdings für einen Augenblick, als sie hörte und gleich darauf auch selbst gewahr wurde, welche Dienerin sie geleiten sollte. Die Erinnerung an die Momente der beinahe verlorenen Selbstkontrolle ließ ihr einen eisigen Schauer über den Rücken rinnen. Die Nähe und der Geruch dieser Sterblichen hatte sie schon einmal fast in die Gewalt der ewig nach Blut dürstenden Kälte in ihrem Inneren gegeben...

Immerhin wurde ihr der Vorteil gewährt, voranzugehen. Damit musste sie der Dienerin weder in die Augen sehen, noch sie als ständige Lockung wieder vor den eigenen haben. Sie nickte wortlos, raffte ihre Röcke leicht an und trat aus dem Raum. Dabei spannte sie alle Kräfte an, um nur ja nicht wieder unvorbereitet von der uferlosen Gier überrascht zu werden. Diesmal war sie auf der Hut und würde sich keinesfalls zu einer unüberlegten Handlung hinreißen lassen – noch nicht einmal zu einer Geste, einem Wort, einem Blick! Nach außen hin gab sie sich kühl, gemessen. Nur die Knöchel ihrer Hände, die noch weißer als ihre übrige Haut wie Elfenbein hervortraten, verrieten das Ausmaß ihrer Anspannung. Sie biss die Zähne fest aufeinander und dachte an alles Mögliche, um sich von der wandelnden Mahnung an ihre Schwäche abzulenken.

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 Betreff des Beitrags: Re: Neue Horizonte (Louisa)
BeitragVerfasst: Do 6. Jun 2019, 10:10 
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Die Überraschung dieser unvorhergesehenen Begegnung war im Grunde so schnell vorbei wie sie gekommen war. Svantje begleitete Louisa die lange Wendeltreppe hinunter, ohne ein weiteres Wort zu sagen. Lediglich die Schritte der beiden Frauen hallten auf den steinernen Stufen wieder, bis sie irgendwann wieder ebene Erde erreicht hatten. Erst nach ein paar kurzen, unangenehmen Momenten brach die Ghulin die Stille. „Bero kann Euch bei der Wahl eines Schneiders oder anderer Dienste behilflich sein. Er kennt jene Handwerker und Händler, die kein Problem damit haben, für ein paar extra Münzen ihre Werkstätten auch zu später Stunde zu öffnen. Gute Nacht Fräulein Louisa van de Voort.“ Svantjes Stimme war neutral, beinahe freundlich. Im Grunde war ihr Verhalten perfekt und nichts erinnerte an die wütende junge Frau, welche die Brujah vor ein paar Nächten kennengelernt hatte. Die Dienerin wirkte wie ausgewechselt.

Dieser ganze Umstand war es, der Louisa wie aus dem Nichts mit ein paar unschönen Gedanken konfrontierte.
Was war, wenn das alles eine Falle war? Der kleine Zwischenfall in der Nacht ihrer Ankunft hatte Svantje ihre Stellung im Elysium gekostet. Vielleicht hatte dadurch auch Charlotte selbst an Einfluss und Gesicht in Brügge verloren? War dieser ganze Auftrag vielleicht ein Weg Louisa auf ihren Platz zu verweisen oder gar sie dazu zu verleiten sich mächtige Feinde in der Stadt zu machen? Überhaupt war es eigentlich wirklich Zufall, dass sie sich heute Nacht hier im Turm getroffen hatten? Oder war diese Begegnung nur ein weiteres Puzzleteil in einer vorsichtig ausgelegten Falle, die nur darauf wartete zuzuschnappen? Die Brujah konnte es nicht genau wissen, auch wenn Leif Thorson ihr versichert hatte, dass es in der politischen Kultur in Brügge weit weniger extrem zuging, als in anderen Städten. Immerhin waren die meisten Kainiten hier auf die eine oder andere Art Außenseiter, die den üblichen Status Quo ablehnten oder für die es anderswo keinen Platz gab...

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 Betreff des Beitrags: Re: Neue Horizonte (Louisa)
BeitragVerfasst: Sa 8. Jun 2019, 11:00 
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Sie lauschte bei jedem Schritt auf das Rascheln der Kleider in ihrem Rücken, das Louisas scharfe Ohren auch über jenes ihrer eigenen hinweg wahrnahmen. Svantje hielt mit ihr gleichen Schritt, bis sie am Fuß der Wendeltreppe angelangt waren. Hier endlich, da es unvermeidlich geworden war, drehte sie sich um und hoffte, dass kein roter Schimmer auf ihren blassen Wangen erkennbar wurde. Die Erinnerung an das zwischen ihr und der Dienerin vorgefallene war beileibe keine angenehme. "Danke sehr" erwiderte sie gemessen, griff in ihr Täschchen und ließ dem Mädchen eine der Münzen zukommen, in der Annahme, dass dieser wie jeder Bedienten ein wenig Geld zur eigenen Verfügung niemals ungelegen kommen würde. Abgesehen davon war ihr bewusst geworden, dass sie der Ventrue vielleicht ein wenig zu sehr gezeigt hatte, wie sehr sie selbst sich nach einer wohlgefüllten Geldbörse sehnte. Die wirklich Reichen nämlich achteten nicht auf eine einzelne Münze, und sei sie von Silber. Mochten Herrin und Dienerin die Geste als Großzügigkeit, als Friedensangebot oder wie immer sie wollten interpretieren... ihr bereitete es in diesem Moment einfach Befriedigung, sich wie ein große Dame zu geben!

Mit einem Neigen des Kopfes verabschiedete sie sich und wandte im Weitergehen ihre Gedanken dem bösen Verdacht zu, der in ihr aufkeimte. Die junge Brujah biss sich auf die Lippen. Sie überlegte hin und her, kalkulierte, was ihr geschehen mochte, wenn sie in eine Falle tappte, welche Chancen sie andererseits mit zu großer Zurückhaltung verspielen mochte – und entschloss sich schließlich mit einem trotzigen Vorschieben des Unterkiefers, die Sache erst einmal beherzt anzugehen. Solange sie sich nur mit ihren gesammelten weiblichen Tricks an ihre Zielperson heranmachte, sie verführte und intime Informationen aus ihr herausholte, konnte sie noch keinem Kainiten allzu viel Ungemach bereitet haben. Im Zweifelsfall konnte sie immer leugnen, gezielt gehandelt zu haben: Sie hatte eben Lust auf einen Sterblichen gehabt, wie so oft nicht nur auf sein Blut, und sich zufällig diesen Mann herausgesucht! Sie mochten sich gern übe sie informieren: Wo sie herkam, war unter den Blutsverwandten allgemein bekannt, dass Louisa auch nach ihrem Tod noch gern das Bett mit Männer teilte. Nein: Erst wenn es daran ging, die Informationen weiterzugeben, musste sie Vorsicht walten lassen. Jetzt jedoch würde sie allen zeigen, dass sie es verstand, Mannsvolk um den Finger zu wickeln, und dass sie in ihrer Entschlossenheit so etwas wie Angst nicht kannte!

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 Betreff des Beitrags: Re: Neue Horizonte (Louisa)
BeitragVerfasst: Mi 12. Jun 2019, 08:25 
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Svantje schien von Louisas Reaktion völlig überrascht zu sein. Beinahe automatisch hob sie ihre schmale, weiße Hand und umschloss das Silberstück. Momente vergingen, in denen sie zu überlegen schien, bis sie schließlich ein einfaches „Danke.“ an die Brujah richtete und die Münze einsteckte. Bevor Louisa sich schließlich final verabschieden konnte, richtete die Ghulin noch einmal das Wort an ihr Gegenüber. „Eine letzte Warnung, wenn ihr erlaubt Fräulein. Odric Drachenkopf ist klüger und vorsichtiger als es vielleicht den Anschein erwecken mag. Ihm ist der gewisse überhebliche Stolz, über den das Mannsvolk so gerne stolpert, nicht zu eigen. Daher macht nicht den Fehler ihn zu unterschätzen.“ Svantje nickte Louisa noch ein letztes Mal zu. „Gute Nacht.“

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 Betreff des Beitrags: Re: Neue Horizonte (Louisa)
BeitragVerfasst: Do 13. Jun 2019, 18:41 
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Nun war es an Louisa, überrascht zu sein. Das Akzeptieren der Münze und auch ein kurzer Dank waren vorauszusehen gewesen, aber eine Warnung, ein Rat..?! "Sehr interessant... ich werde daran denken" erwiderte die Brujah, ehe sie die Dienerin nachdenklich verließ und sich auf den Weg machte. Und obwohl sie es nach außen hin nicht so deutlich zeigte, machte sie sich in der Tat noch einige Gedanken zu diesem Punkt. Sicherlich war nach der Einführung durch die Ventrue schon zu vermuten, dass der Mann kein ganz einfacher Fall wäre, sonst hätte man auch auf eine Sterbliche zurückgreifen können, um ihm seine Geheimnisse zu verlocken. Gutaussehende Mädchen gab es schließlich genug für solche Zwecke. Dennoch: Dass ein Ghul noch einmal gesondert auf die Vorsicht und die Intelligenz dieses Wirtes hinwies, konnte keine hinterhältigen Beweggründe haben, die sich Louisa hätte vorstellen können. Also musste sie davon ausgehen, dass der Auftrag wohl doch eher keine Falle war und Svantje einfach im Interesse ihrer Herrin den Erfolg wünschte.

Bedachtsam würde sie aber in jedem Fall vorgehen. Dementsprechend umfangreich waren ihre Vorbereitungen: Nicht nur hörte sie sich zunächst unter verschiedenen Vorwänden über Odric um – welchen Ruf hatte er, waren da Konkurrenten, Neider, Gerüchte über ihn? Sie versuchte auch sich selbst so einzuführen, dass sie keinen Verdacht erregte. Wohl wissend, dass eine junge Frau, die des Nachts allein Schenken aufsuchte, ohnehin schon aus der Reihe fallen würde, plante sie diesen Punkt zu nutzen, um sich vielmehr interessant zu machen. Sie kaufte sich von der Anzahlung Kleidung, wie sie die Frau eines wohlhabenden, wenn auch nicht überreichen Handwerksmeisters oder Händlers tragen würde: von guter Qualität, mit dem ein oder anderen Zierrat, der der weiblichen Eitelkeit genüge tat, dabei jedoch anständig und züchtig. Kleine Zeichen der Koketterie – der Spitzensaum des Unterrocks, der halbfingerbreit unter dem knöchellangen Kleid hervorlugte, die vorwitzige Haarlocke, welche sich trotz der sittsamen Haube hinter dem Ohr ringelte – zog sie allzu deutlichen wie einem tiefen Ausschnitt oder einem überstramm geschnürten Mieder vor.

So ausstaffiert und mit genug, aber nicht auffällig viel Geld versehen trug sie den ersten Angriff auf den Feind vor, indem sie an einem der kommenden Abende in der Schenke auftauchte. Dabei verhielt sie sich bewusst zurückhaltend, wie eine Frau, die sich unsicher ist oder schämt, versuchte aber zugleich eine gewisse trotzige Entschlossenheit zur Schau zu stellen: die gutsituierte Bürgersfrau, die sich bewusst war, nicht hierher zu passen, zumal ohne sittsame männliche Begleitung, aber dennoch den Willen hatte, nicht von ihrem Entschluss zurückzuweichen. Sie sah sich suchend um wie eine, die nicht recht wusste, wie man sich in einer Schenke richtig verhielt, und mied mit peinlich berührtem Gesichtsausdruck den Blickkontakt mit allen übrigen weiblichen Wesen im Raum. Scheinbar verloren stand sie etwas abseits der Tür.

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 Betreff des Beitrags: Re: Neue Horizonte (Louisa)
BeitragVerfasst: So 16. Jun 2019, 19:16 
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Der Weg zur Taverne Drachenkopf führte Louisa in einen Teil der Stadt, den sie zuvor noch nicht gesehen hatte. Die großen Anwesen der reichen Händler lagen weit hinter ihr, die Straßen wurden enger und das Pflaster war hier und da gesprungen. Brügge, das war jetzt schon für die Brujah offensichtlich, war ständig dabei sich neu zu erfinden. Gebäude wurden niedergerissen, nur um neu wieder aufgebaut zu werden. Stärker, größer, mit schöneren Materialien und besseren Techniken. Seit Jahrzehnten brachten die vielen Reisenden, Flüchtlinge, Händler und Glücksritter aus allen Teilen der bekannten Welt nicht nur Geld, sondern auch das Wissen über Baukunst und andere Aspekte des städtischen Lebens mit in die Stadt. Fast jeder Block, neue wie alte Häuser und viele Plätze hatten inzwischen irgendeine Form der Reparatur oder Renovierung erlebt, insbesondere nach der brutalen Belagerung vor etwas über fünfzehn Jahren und so waren die Narben von damals beinahe komplett verschwunden. Brügge blickte wie so oft in die Zukunft und nur selten in die Vergangenheit, hatten die fleißigen Bürger hier doch für Nostalgie nur wenig übrig. In den meisten Teilen der Stadt rochen Staub und Holz nach Arbeit und Schweiß, nicht nach Vergessen und Alter. Dennoch gab es andere Plätze in der Stadt. Man fand sie im Verborgenen, die kleine Gassen die beinahe konstant im Schatten lagen und Straßen, deren Löcher und Pfützen aus unerklärlichen Gründen nie aufgefüllt wurden, sowie Plätze die man - bewusst oder nicht - immer zu meiden schien.

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Die Taverne ‚Drachenkopf‘ lag in einem dieser ignorierten Orte der Stadt, auch wenn die Schankstube selbst ob ihrer über die Jahre gewachsenen Beliebtheit leuchtete wie in eine helle Fackel in dunkelster Nacht. Die blonde Brujah blieb an einem unscheinbaren Torbogen stehen und schaute auf ein recht verwittertes Holzschild mit einem roten Drachen an einem nahen Gebäude. Schon von außen, konnte sie Gelächter, Musik und den Geruch von Eintopf wahrnehmen. Eine Insel des Lebens in einem Meer der Stille. Es war erstaunlich einfach gewesen etwas über die bunte Geschichte des Lokals herauszufinden, selbst als Neuankömmling in der Stadt. Die Taverne war, damals noch unter anderem Namen und Leitung, das Hauptquartier der lokalen Diebesgilde gewesen. Als sogenannter Ring der Schatten hatte sie für kurze Zeit die Unterwelt der Stadt beherrscht, war aber kurz nach dem Krieg um Brügge durch den Tod vieler hochrangiger Mitglieder implodiert. Ein lokaler Kriegsheld übernahm schließlich die Geschicke der Wirtschaft und brachte dabei den echten Kopf eines Drachen mit sich, nachdem die Schenke schließlich auch benannt wurde Als Anführer einer Gruppe rebellierender Leibeigener, hatte er sich gegen die brutale Herrschaft einer lokalen Adeligen erhoben, die mit ihrer Söldnerarmee Brügge belagerte. Draga Belmore-Nefedov fand ihr Ende schnell und kurz darauf schleiften Walter mit seinen aufgebrachten Männern und Frauen ihren alten Stammsitz, die sogenannte Drachenhalle der Familie Belmore oder wie die Anlage im Volksmund später genannt wurde - den Teufelsturm. Von dort erbeutete er auch besagten Schädel, ein Erbstück des alten Adelshauses, welcher nun den großen Schankraum zierte. Zumindest waren dies die Geschichten, die Louisa dem gesunden Menschenverstand nach als logisch und möglich erschienen. Viele andere Erzählungen wirkten mehr wie Märchen die alte Frauen gerne am Feuer erzählten. Über Odric selbst gab es leider sehr viel weniger Geschichten und Informationen, zumindest nichts was sie nicht schon auf die eine oder andere Art von Charlotte gehört hatte. Sie würde sich ein eigenes Bild machen müssen.

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Das Innere der Taverne begrüßte Louisa schließlich mit einer stickigen Wärme, dem Gesang eines nicht unbegabten Barden und allerlei Gerüchen von Alkohol, Schweiß und frisch zubereitetem Essen. Die Schankstube war voll und die Brujah benötigte einige Momente sich einen Überblick zu verschaffen. Offenbar hatten andere Gäste aber bereits genügend Möglichkeit gehabt den neusten Gast zu beobachten. Die Kainitin konnte das leise Flüstern hinter ihrem Rücken hören, sowie die Blicke spüren, die der ein oder andere Mann über ihren wohlgeformten Körper wandern ließ. Dennoch schien - zu ihrer Überraschung - niemand allzu großen Anstoß an ihrer Anwesenheit hier zunehmen. Mit der gespielten Unschuld sah sie sich verloren um und es dauerte nicht sehr lange, bis jemand den Köder schluckte. Ein älter Herr, der optisch wohl ihr Vater sein könnte trat auf sie zu und verbeugte sich leicht. „Meine Dame, ich bin häufig hier, aber ich habe selten eine so reizende Erscheinung durch diese Türen treten sehen. Bitte setzt euch doch zu mir. Ich kam nicht umhin zu sehen, dass ihr ohne Begleitung hierhergekommen seid und ihr würdet mir eine große Ehre erweisen, wenn meine bescheidene Person dazu beitragen dürfte, diesen unglücklichen Umstand zu korrigieren.“ Seine qualitativ hochwertige Kleidung und der sauber gestutzte Bart wiesen den Mann als einen Vertreter des gehobenen Bürgertums aus. Er wusste sich auszudrücken und sein ganzer Tonfall klang galant und höflich, ohne den kleinsten Anflug von Lust oder Begehren. Wahrscheinlich erinnerte ihn Louisa tatsächlich an eine Tochter oder Nichte. Er lächelte väterlich, wirkte aber nicht bevormundend. „Was möchtet ihr trinken?“

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 Betreff des Beitrags: Re: Neue Horizonte (Louisa)
BeitragVerfasst: Sa 22. Jun 2019, 10:46 
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Die Atmosphäre des Viertels war... interessant. Eine Gesellschaft, die sich offenbar viel stärker und schneller im Umbruch befand als die Würzburgs, was sich sogar in der Architektur widerspiegelte. Und etwas in Louisa ansprach, einen unterschwelligen, aber machtvollen Drang zur Veränderung, zum Fortschritt, den sie, als Mädchen nie recht zufrieden mit der bestehenden Ordnung, schon von früher Kindheit an verspürt und mit dem Brujah-Erbe in konzentrierter Form in sich aufgenommen hatte. Sie wanderte durch diese fast schon fühlbar von quirligem Leben strotzenden Gassen, sog die Gerüche in sich hinein und fühlte beinahe ihr Herz wieder schlagen, wie sie glaubte. Wie süß, wie gut musste der Lebenssaft junger, gesunder Menschen voller Tatkraft schmecken, wie man sie hier gewiss finden konnte..! Sie ließ die Hände mit einem zufriedenen, katzenartigen Schnurren über die lasziven Rundungen gleiten, die unter ihrem Mantel verborgen waren – wunderbares Lockmittel, Angelrute und Wildfalle für eine Jägerin nach dem Blut lebender Menschen. Die Kainitin glaubte regelrecht zu spüren, dass sie hier am rechten Ort war, einem Ort, der nach einer wie ihr geradezu schrie!

Sie war daher beim Betreten des "Drachenkopfs" weitaus besser gelaunt, als sie erscheinen wollte. Es kostete sie ungewohnte Mühe, die Unsicherheit zu heucheln, die eine brave Bürgersfrau wohl verspürt hätte, wäre sie hier allein aufgetaucht und hätte die diversen Blicke auf sich gespürt. Louisa dagegen nahm die Lebenszeichen der Zecher und anderen Gäste auch hier wie einen schweren Nektar in sich auf. Die Geschichte des Gebäudes im Hinterkopf, ließ sie ihre Blicke nach außen hin verschämt, tatsächlich aber neugierig über die Anwesenden gleiten. Einige Momente länger blieben sie an dem Drachenschädel hängen, und bei dessen Anblick musste sie vermutlich nicht einmal schauspielern, beeindruckt und sogar ein wenig beunruhigt zu sein. Indem sie sich wieder auf ihre Rolle besann, fuhr ihre Hand zum Bauch und legte sich schützend über die Schürzentasche, in der ihre Barschaft für diesen Abend sich befand. Geschickte Diebe fanden sich in einer solchen Stadt sicherlich allerorten. Dass die Münzen nicht das einzige an ihr darstellten, was Interesse auf sich zog, war nicht ungewohnt, aber wie jedes Mal auch heute wieder eine Bestätigung, die einem warmen, angenehmen Bad in teuer parfümiertem Wasser glich: Sie fühlte sich sehr wohl dabei...

Indessen galt es zu bedenken, dass sie hier den Eindruck einer Frau erwecken wollte, die sich an Haushalt und Küche gefesselt langweilte und darum das Abenteuer suchte, nunmehr aber Angst vor dem eigenen Mut bekommen hatte und mit sich selbst haderte. Für eine solche Frau mussten begehrliche Blicke wohl schmeichelhaft, aber eben auch unangenehm bedrohlich wirken. Immerhin, so rief sie sich ins Gedächtnis, würde die besagte Bürgerin nicht die unnatürlichen Kräfte besitzen, welche Louisa durch ihr Brujah-But verliehen wurden, und demnach möglichen Zudringlichkeiten recht wehrlos gegenüberstehen. Daher stellte sie auch ein sehr erleichtert wirkendes Lächeln zur Schau, als ein Mann sie ansprach, der zwar ihrem Geschmack ganz und gar nicht entsprach, aber recht vertrauenswürdig aussah – und vor allem ungefährlich für die Tugend einer verheirateten Frau. Denn schließlich war sie nicht zu ihrem Vergnügen hier, sondern um letztlich den Wirt auf sich aufmerksam zu machen.

Wofür der ahnungslose Galan ein bestens geeigneter Partner wäre. Sie neigte daher höflich den Kopf, ließ einen unsicheren, raschen Blick in Richtung der anderen Gäste gleiten und erwiderte: "Vielen Dank, Mijnheer, das ist sehr freundlich von Euch! Ich hoffe, Ihr gewinnt keinen falschen Eindruck von mir, wenn ich Eure Einladung annehme." Hier senkte sie den Blick mit einer verlegenen Miene, obwohl sie kein gelbes Brusttuch oder vergleichbares Zeichen einer Dirne trug, sondern in ihren Sachen ebenfalls durchaus bodenständig und respektabel wirkte. Dann murmelte sie: "Vielleicht einen Becher Dünnbier..." und räusperte sich leicht. Natürlich würde der Mann wissen, dass die Frau eines halbwegs gut gestellten Handwerksmeisters oder Großhändlers stärkeres gewohnt war als dünnes Gesindebier. Mochte er immerhin glauben, dass sie Angst hätte, im betrunkenen Zustand unsittlichen Angriffen gegenüber zum allzu leichten Opfer zu werden, und daher übervorsichtig bestellte. Sie wollte keinen zu selbstsicheren Eindruck erwecken. Und noch zudem war es einfacher, ein zurückhaltendes Nippen statt eines richtigen Trinkens zu schauspielern, wenn man zuvor schon unsicher agiert hatte.

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 Betreff des Beitrags: Re: Neue Horizonte (Louisa)
BeitragVerfasst: Mi 26. Jun 2019, 10:19 
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Die Taverne war voller Menschen. Junge und Alte, sowie solche die einsam in einer Ecke schwiegen und jene die sich sich köstlich amüsierten. Männer und auch einige Frauen schienen sich alle in ein Gesamtbild einzufügen, sei es beim Würfelspiel, Trinken oder anderen Aktivitäten der Zerstreuung und über all dem thronte der besagte Drachenschädel.

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Überhaupt schienen die Grenzen der verschiedenen Klassen Brügges durch das schummrige Licht und den Alkohol ein wenig zu verschwimmen. Vor Louisa Augen eröffnete sich ein Schmelztiegel städtischer Gesellschaft - oder ein Sündenpfuhl - je nachdem wen man über das bunte Schauspiel befragen würde. Bereits einen kurzen Moment später, hatte die Brujah einen gut gefüllten Becher mit Dünnbier vor sich stehen, während ihr von ihrem Gegenüber zugeprostet wurde. „Zum Wohl. Wie heißt ihr eigentlich mein Kind?“ Der ältere Herr schien sich selber nicht ganz wohl zu fühlen, was aber sicherlich nichts mit seiner reizenden Begleitung zu tun hatte. Seine Blicke huschten immer wieder über die Spieltische, allerlei dunkle Hinterzimmer und Nischen die in verborgene Alkoven zu führen schienen. Noch bevor bevor Louisa antworten konnte, sprach ihr aktueller Tischherr weiter. „Ihr solltet euch nicht zu viel Anstoß an den Spielern und dem Gesinde nehmen, die ihr hier überall seht. Ein jeder hier im ‚Drachenkopf‘ kennt seinen Platz, auch wenn es sicherlich ein wenig wilder geworden ist, seitdem Odric die Geschicke der Taverne übernommen hat.“ In diesem Moment realisierte Louisa etwas. Überall hier wurde nicht nur gefeiert und nach Zerstreuung gesucht, sondern auch mit einer Ware gehandelt, die man so einfach in keinem Laden und auf keinem Markt kaufen konnte. Es handelte sich dabei um Informationen über die Stadt und seine Bewohner. Huren verkauften hier die Geheimnisse, die ihre Verehrer ihnen im Moment des höchsten Glücks ins Ohr flüsterten. Wenig vertrauenswürdige Diener verwandelten die Vorlieben ihrer Herren in klingende Münze und selbst der ein oder andere Bettler wusste wohl, dass er interessante Beobachtungen hier recht einfach in einen Teller warme Suppe oder einen Becher Starkbier umwandeln konnten. Langsam aber sicher begann sich ein Bild für Louisa zu formen.

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 Betreff des Beitrags: Re: Neue Horizonte (Louisa)
BeitragVerfasst: Mo 1. Jul 2019, 14:25 
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Dieser Ort begann ihr immer besser zu gefallen. Die Brujah sog die Gerüche durch die Nase ein und nahm hauptsächlich den süßen Duft wahr, der Körper mit warmen, schlagenden Herzen umgab... köstlich! Sie bemerkte die Unsicherheit des alten Mannes, versuchte ihm mit einem gespielten scheuen Lächeln, einem Schritt näher an ihn heran und einem schutzsuchenden Greifen nach seiner Hand ein wenig männliches Ego einzuhauchen und ihn sich gewogener zu machen. Der Beschützerinstinkt eines Mannes war eine Achillesferse, die sich eine Frau recht leicht zunutze machen konnte, wenn sie auch nur ansatzweise über schauspielerisches Talent verfügte. So leicht zu lenken, ohne dass sie es bemerkten, wenn man ihnen nur ordentlich Honig um den Bart schmierte – sie liebte die Männer schon allein dafür. Sobald die Getränke serviert waren, prostete sie ihrem Galan zu – ein leichtes Nachlassen der Nervosität mimend – und gab dann vor, an ihrem Becher zu nippen, während sie über den Rand hinweg den seltsamen Schädel sehr genau betrachtete. Dabei hörte sie den Erläuterungen des alten Herrn zu.

Als sie endlich die Zeit bekam, seine Frage zu beantworten, zögerte sie kurz und meinte dann: "Oh, bitte nennt mich... Marijke. So heißt eine meiner Schwestern, die fern von hier lebt." Was tatsächlich der Wahrheit entsprach, im Gegensatz zu der Erklärung, die sie mit einem leisen Räuspern hinzufügte: "Wisst Ihr, mein Mann... er sähe es nicht gern, dass ich hierher gehe, noch zudem allein..."Das würde ihn hoffentlich zufriedenstellen und hinreichend begründen, warum sie ungern Auskünfte über sich geben würde. Dem weiteren Gespräch folgte sie mit leichtem Geplauder, wie man es von einer verunsicherten, womöglich auch trotz allen Wohlstands wenig gebildeten und eher oberflächlichen Bürgerin erwarten mochte. Louisa allerdings gewann durch ihr seichtes Geplapper und ein gelegentliches ermutigendes Lächeln zu ihrem Begleiter die Zeit, sich Gedanken über die Absichten ihrer Auftraggeberin und über ihre eigenen Chancen bei alledem zu machen.Es war ganz klar: Für einen Informationssammler, einen Intrigenspinner und Netzweber wie eine Harpyie war ein Ort wie dieser mehr als Gold wert!

Das galt natürlich auch für die Brujah, mit dem zusätzlichen Charme, dass sich hier sicherlich leicht Blutquellen auftun ließen... In ihrem Kopf begann sich ein Plan zu formen: Die Ventrue sollte bekommen, was sie wollte. Und Louisa würde zusehen, dass sie bei alledem einen Fuß in die Tür bekäme – freien Zugang und das Jagdrecht, die Möglichkeit, sich zwischen all diesen nützlichen und appetitlichen Sterblichen zu tummeln. "Oh ja", erwiderte sie ihrem Gastgeber, als sie mit sich im reinen war, "es ist überraschend für mich, wie laut und ungebärdig sie sind. Was für wilde Gesellen! Aber an Eurem Tisch fühle ich mich sicher, Mijnheer. Habt nochmals Dank für Eure Einladung! Doch sagt: Ich bin zum ersten Mal in meinem Leben hier" – eine gute Lügnerin blieb stets möglichst nah bei der Wahrheit und mischte sie mit ihren Flunkereien zu Halbwahrheiten – "und kenne mich gar nicht aus. Es scheint, man hat recht ruppige Sitten hier? Und von Mijnheer Odric weiß ich ebenso wenig. Ist er gar zu grimmig? Denn was Ihr da von ihm sagt, ängstigt mich durchaus. Doch andererseits weckt es auch meine Neugier, die Ihr mir gewiss verzeiht?" Sie beschloss etwas dicker auftragen und schenkte ihm ein honigsüßes Lächeln.

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