Fr 29. Aug 2014, 15:54
Die einsame in einen abgetragenen grauen Mantel gehüllte Gestalt stand wieder einmal im Hafen. Die Sonne war gerade untergegangen und die Händler und Matrosen waren immer noch dabei die verschiedensten Waren Nordeuropas in Kisten und Säcken auf Schiffen und Wägen zu verstauen während die letzten Möwenschreie erstarben und das Grillenzirpen begann. Leif liebte diese Stunden und manchmal gönnte er sich den Luxus einfach hier zu stehen die Augen zu schließen und sich lebendig zu fühlen. Das war der Zeitpunkt an dem er sich vorstellte in Aros zu stehen, in der Werft seiner Familie in der die stolzen Drachen- und Handelsschiffe gebaut wurden die noch bis vor 100 Jahren durch die nördlichen Meere kreuzten um zu Handeln, zu plündern und neuen Lebensraum zu erschließen.
Das Gefühl der Bitterkeit, welches früher so oft mit den Gedanken an die Vergangenheit verbunden war kam inzwischen immer weniger auf, denn Leif hatte sich an diese neue Zeit gewöhnt und auch mit seiner Position in der Stadt neue Aufgaben für sich übernommen. Das betraf vor allem seine Arbeit im Hospital welches eine wunderbare Gelegenheit war seine Heilkünste zu zu erproben und mit neuen Rezepturen und Medikamenten zu experimentieren. Leider stieß das Hospital inzwischen fast an seine Grenzen was die Behandlung Kranker betraf, denn die Stadt wuchs mit jedem Jahr um eine vielfaches. Dazu kam auch noch, dass sich die Reputation der Anstalt verbreitete und Leute aus der ganzen Grafschaft nach Brügge kamen um Heilung zu suchen. Im Grunde müsste man dem existierenden Gebäude ein zweites, größeres hinzufügen um mehr Platz für Behandlungen zu haben. In den übrigen Räumlichkeiten könnte man zusätzliche Lager, sowie eine Schreibstube unterbringen um die Schriften über die Heilkunst die Leif über die Jahre angesammelt hatte zu vervielfältigen. Außerdem könnten einige Lehrräume integriert werden um zukünftige Generationen von Heilern auszubilden. In dem zweiten Innenhof konnten dann weitere Heilpflanzen gezogen werden die eh immer knapp waren.
Der Salubri erwachte schließlich aus seinem Tagtraum, denn er wusste das die Kosten für diese Projekt seinen begrenzten finanziellen Rahmen erheblich sprengen würden. Das Hospital machte zwar schon Geld, gerade durch die adeligen Patientin sowie die Händler des Bürgertums die dort behandelt wurden, aber das war gerade genug um die Betriebskosten des Hospitals zu bezahlen. Wenn man die Qualität der Behandlungen nicht vermindern wollte, war mit einem solchen Hospital kein Gewinn zu machen, gerade auch weil die Armen die Leif auch behandelte ihre Rechnung mit Gerüchten und Informationen bezahlten. Und abgesehen davon gehörte das Hospital eh Alida und ihrer Familie, am Ende war es doch immer noch ihre Entscheidung was gemacht wurde. Wenn er nur eine Möglichkeit hätte Geld zu verdienen dachte sich Leif, als ihn wie aus dem nichts ein Geistesblitz traf.
So unbemerkt der stille Beobachter in den grauen Roben aufgetaucht war, verschwand er auch wieder denn er wollte noch heute Nacht einen Boten mit einem Brief zu Alida schicken. Die Idee war genial dachte sich Leif. Er war ein Bootsbauer, er kannte die Geheimnisse und Möglichkeiten der alten nordischen Redereien, deren Bauweise sich doch von den jetzigen Schiffen unterschied. Die Handelsschiffe die man heutzutage einsetzt mussten aber ähnliche Aufgaben erfüllen, wie über Binnengewässer fahren und trotzdem Hochseetauglich sein. Dafür mussten die Planken flexibel sein und das erreichte man am Besten wenn man das Holz an der Faser entlang spaltete und nicht wie hier üblich sägte. Zusätzlich dazu sollten die Segel verbessert werden – zum einen gibt es einfache Wege sie flexibel zu verstellen um auch gegen den Wind kreuzen zu können und zum anderen gab es Möglichkeiten den ganzen Mast einzuklappen um zum Beispiel unter Brücken durchfahren zu können. Und letztendlich konnte man den Tiefgang der Schiffe noch geringer machen indem man die Grundfläche des Schiffes erhöhte und mit entsprechenden Verstrebungen stabilisiert. Wenn man das Wissen beider Bauweisen kombinierte könnte man allen anderen überlegene Handelsschiffe bauen und das war ganz genau die Idee die Leif an Alida verkaufen wollte.
Leif bewegte sich schnell und unaufmerksam durch die Stadt bis er zu einem Teil der Stadtmauer nahe des Armenviertels kam. Er zauberte einen schwarzen Schlüssel aus Eisen aus der Tasche und schloss ein altes schmales Tor auf, dass in die Wand eingelassen war und einfach mit einem Abwassergitter verwechselt werden konnte. Dahinter befand sich jedoch ein Gang der zur Gildenhalle des Rings der Schatten führte, die Diebesgilde die Leif mit Gerrit gegründet hatte. Inzwischen war auch Lucien den Geschäften beigetreten und kümmerte sich mit seiner Söldnertruppe den „Schattenwölfen“ um die groben Aspekte des Gildengeschäfts. Die Hallen waren behaglich und Leif fand sie wie zu erwarten leer vor, da sich die Gildenmitglieder zu dieser Tageszeit oft um ihre eigenen „Geschäfte“ kümmerten. Leif nahm sich ein Stück Perganment aus dem Fundus der Gilde, tauchte einen Federkiel in das kleine Tintenfass und begann den Brief in Latein zu verfassen in welchem er gedachte Alida ein Angebot zu unterbreiten. Nachdem er damit fertig war, versiegelte er den Brief, verließ die Gildenhallen auf dem gleichen Weg auf dem er gekommen war und machte sich auf den Weg zum Marktplatz. Er kannte dort einige Jugendliche die sich mit einem Botengang eine Münze verdienen wollten. Zwar hätte Leif kein Problem damit den Brief selbst zu überbringen, aber das Trinkgeld das Alida dem Boten geben würde, würde ihn und wahrscheinlich auch dessen Familie für ein paar Tage ernähren, weswegen er diese Chance niemandem wegnehmen wollte.
Nachdem Leif den Brief an einem rothaarigen Jungen übergeben hatte, beschloss er zurück ins Hospital zu gehen und sich für den Rest der Nacht mit Jacques de Camarc zu befassen, der immer noch wie eine Mumie vertrocknet im Keller des Hospitals lag und für dessen Zustand Leif noch keine vielversprechende Behandlung gefunden hatte, es aber immer noch versuchte.
Jetzt hieß es warten dachte sich Leif und machte sich beschwingt wie schon lange nicht mehr auf den Weg die Zeit bis zu Alidas Antwort sinnvoll zu verbringen.
Sehr geehrte Alida van der Bourse,
wir kennen uns nun schon viele Jahre und ich habe über diese Zeit das Wachstum eures Handelsimperiums, sowie eure weise Voraussicht und Verantwortung gegenüber der Stadt bewundern dürfen. Einer eurer großzügigsten und weitsichtigsten Handlungen war es das Hospital für die Stadt Brügge zu stiften, welches eine Kernrolle in der Gesunderhaltung der Stadt spielt.
Da dieser Umstand auch mir sehr am Herzen liegt und ich gerne mehr in die Geschicke des Hospitals eingebunden wäre würde ich euch gerne ein Geschäft vorschlagen, dass euch Vorteile gegenüber allen euren Handelskonkurrenten in der Zukunft verschaffen könnte. Was ich euch anzubieten habe ist mein Wissen über die Schiffsbaukunst meiner sterblichen Wurzeln, des alten Nordens die mit ihren Schiffen für fast 300 Jahre die Meere beherrscht haben. Ich kam nicht umhin zu erkennen, dass viele Schiffe die in euren und den Diensten der anderen Händler stehen noch Potential steckt und durch Modifikationen verbessert werden könnten.
Ich biete euch dieses Wissen daher an und verspreche euch ich kann eure Schiffe, widerstandsfähiger machen und ihre Manövrierbarkeit erhöhen, ohne das ihr auf Laderaum verzichten müsstet oder mehr Crew braucht. Auf lange Sicht könnte diese Synthese einen neues Zeitalter des Seehandels einleiten -. mit euch an der Spitze dieser Unternehmungen.
Die Gegenleistung die ich für diesen Handel begehre ist verbunden mit dem Hospital hier in Brügges, welches sich immer noch im Besitz eurer Familie befindet. Daher hier mein Angebot:
1. Im Gegenzug für mein Wissen und nach der Konstruktion und Erprobung des ersten Prototyps, stiftet ihr ein neues Gebäude für das Hospital indem sich eine Schreibstube und Lehranstalt unterbringen lassen.
2. Für jedes Schiff das mit den genannten neuen Modifikationen gebaut wird und unter eurer Flagge fährt überschreibt ihr mir 20% des Hospitals
3. Bis die Transaktionen um das Hospitals abgeschlossen sind (so es denn dazu kommt), oder nach dem Verstreichen einer 10 jährigen Frist, stehe ich euch und euren Handwerkern bezüglich des Schiffsbaus mit Rat und Tat zur Seite
Ich erwarte gespannt eure Antwort, verehrte Alida,
Hochachtungsvoll,
Leif Thorson