Vampire: Die Maskerade


Eine Welt der Dunkelheit
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BeitragVerfasst: Di 5. Jan 2021, 13:27 
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Ihr Kopf fuhr herum, und ihre Augen begann zu funkeln, kaum dass sie realisierte, was sie da sehr wahrscheinlich sah, nämlich einen Dieb am Werk. Louisas Blick glitt kurz dorthin, wo der Junge stand. Doch ganz gleich, ob er ebenfalls bemerkt hatte, was geschah: Sie würde sich vorsichtig von dem Brunnenrand abstoßen und sich so leise wie möglich auf jenen Punkt zu bewegen, an dem sie die Bewegung wahrgenommen hatte. Es lag ihr nicht daran, den Langfinger jetzt schon zu stellen. Das mochte Lärm, Aufregung, am Ende gar eine Befragung bedeuten. Nein, sie hatte vor, sich mit demjenigen ganz in Ruhe zu unterhalten, und darum schlich sie sich mehr um Heimlichkeit als um Geschwindigkeit bemüht voran...

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Verfasst: Di 5. Jan 2021, 13:27 


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BeitragVerfasst: Mi 6. Jan 2021, 17:18 
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Der Junge neben ihr hatte den plötzlichen Aufruhr anscheinend nicht bemerkt, reagierte aber sofort, als sie sich auf den Weg zu dem etwas weiter entfernten Stand machte. Er tat es ihr nach und versuchte ebenfalls im Schatten der Stände zu wandeln, um nicht weiter aufzufallen. Dabei machte er seine Sache recht gut. Auch kam er rasch voran.
Noch während sie sich auf den Stand zubewegten, konnten sie eine kleinwüchsige Gestalt mit einem Sack erkennen, die in einer der Seitengassen verschwand. Hendrik warf Louisa einen fragenden Blick zu.

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BeitragVerfasst: Fr 8. Jan 2021, 22:40 
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Auch die Kainitin schlich sich voran. Sie erwiderte Hendriks Blick und machte ihm mit der Hand ein Zeichen, sich hinter ihr zu bewegen. Ob sie den Fang für sich selbst wollte oder seine Sicherheit im Blick hatte, war ihrer Miene im Dunkeln kaum zu entnehmen. Doch ihre Augen glitzerten schwach im Finstern.
Der Junge folgte ihrer non verbalen Aufforderung ohne Zögern und schritt in ihrem Schatten weiter voran. Louisa konnte den jungen Dieb weiterhin im Auge behalten und ihm mühelos folgen. Sie war sich recht sicher, dass er sie im Dunkeln nicht erspäht hatte. Schließlich stand der Bursche vor einer alten, bröckeligen Mauer. Dahinter waren die Umrisse eines halb zusammengefallenen Gemäuers zu erkennen.
Aufmerksam horchte sie in die Finsternis. Noch war sie unsicher, ob der Dieb sie nur zu einem Versteck geführt hatte, in dem er seine Beute lagern wollte, oder ob sie hier noch mehr Seinesgleichen finden würde. Sollte sie zugreifen oder sich lieber in Geduld üben? Ihr Bluterbe ließ sie fast unwillkürlich das erstere herbeisehnen, doch sie war berechnend genug, sich noch zu beherrschen. Eine kurze Zeit würde sie weiter beobachten, was der Dieb nun anstellte. Am allerwenigsten wollte sie womöglich weit interessantere Ziele als den kleinen Langfinger durch Voreiligkeit verjagen.
Der Bursche sprang über die Mauer und verschwand dahinter im dicht bewaldeten, verwilderten Garten. Einst mochte das Anwesen ein blühender Sitz eines reichen Patriziers gewesen sein, aber das war wohl einige Jahrzehnte her.
Die Kleidung einer anständigen Bürgersfrau verbot es ihr, es dem Verfolgten einfach nachzutun. Louisa schlich sich lieber zu der Mauer und überwand sie langsam, dafür ohne hängen zu bleiben oder ihre Röcke zu zerreißen. Zuvor hatte sie Hendrik noch kurz zugeflüstert, hier auf sie zu warten. Auf den Jungen konnte sie unter Umständen nicht aufpassen, wenn sie da drinnen unangenehmes vorfände. Also wartete sie auf der anderen Seite einige Moment, suchte den Garten mit Augen und Ohren ab, so gut sie konnte, und würde sich, bemerkte sie nichts verdächtiges, dann weiterschleichen.
Hendrik, das erkannte sie an seinem Gesichtsausdruck, war alles andere als erbaut bei der Aussicht bei der Mauer stehen bleiben zu sollen. Er schwieg und presste fest die Lippen aufeinander, verharrte aber da wo sie es ihm aufgetragen hatte.
Sie konnte in all dem Dickicht nicht recht ausmachen, wo der Dieb hingegangen sein mochte, aber eine plötzliche Stimme vom Haus her, ließ sie ahnen wohin sie gehen musste um mehr heraus zu bekommen.
Sie hörte eine etwas ältere Stimme antworten:“ Gut gemacht. Das ist echt mal ein Fang. Wir sollten die Rüben gleich kochen. Die anderen sind noch unterwegs, aber ich denk, es wird nicht mehr allzu lang dauern bis sie da sind. Es ist schon spät.“
Noch ein Stückchen weiter schlich sie sich, bemüht, mehr zu erkennen. Dabei hielt sie nochmals kurz inne, um an der Stimme zu hören, wohin sie ihre Schritte exakt richten musste. Ein oder zwei Mal sah sie beunruhigt über ihre Schulter. Sie konnte nur hoffen, dass der Junge keine Dummheiten machte. Wenn er schon dem Unhold nicht gehorchte, mochte er sich um ihre Anweisung ebensowenig kümmern. Und es wäre womöglich ungut für sie, käme er unter ihren Augen zu Schaden. Daher beschloss sie endlich, dass sie nicht mehr viel länger warten wollte: Nun hielt sie Ausschau nach den beiden (wie sie vermutete), die sie vor sich hatte. Die Kainitin versuchte eine gute Position zu erreichen, um zumindest den Älteren nicht entkommen zu lassen.
Auf einer zerbröckelnden Terrasse standen die zwei Jungen. Der eine, wohl zwölf Jahre alt, präsentierte mit stolz geschwellter Brust stolz seine Beute einem ungefähr Siebzehnjährigen, der ihm breit grinsend auf die Schulter klopfte.
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Louisa erkannte den Jüngeren sofort als den Dieb, der sie bestohlen hatte. Eine aus den Angeln gebrochene Tür hinter dem Älteren führte ins Innere. Die Kainitin konnte sich ausmalen, dass die Jungen im Inneren der uralten Ruinen wohl in Zeiten des Sommers ihr Lager aufgeschlagen hatten
Sie musterte die beiden sehr genau, ehe sie mit einigen Schritten auf sie zu trat. Dabei sagte sie zunächst kein Wort, sondern würde die Reaktion beider beobachten. Immerhin wirkte ihr Äußeres, so weit man es im Halbdunkel sehen konnte, nur wenig bedrohlich. Und sie begann, wie immer, den Kitzel zu spüren, der auch eine Katze veranlassen mochte, mit ihrer Beute zu spielen. Nach ein paar Herzschlägen, so die beiden sie nicht bemerkten oder nicht reagierten, würde sie ruhig sagen: "Ich muss zugeben, dass du geschickte Finger hast, mein Junge. Doch es wäre mir lieb, meine Geldbörse wieder zu bekommen." Dabei zeigte sie ein ruhiges, fast schon gewinnendes Lächeln, das in dieser Situation schon recht verwirrend wirken musste.
„Verdammte Scheiße!“ rief der Ältere. Das Blut schien aus den Gesichtern der beiden Jungen zu fließen als sie mit einem Mal blass wurden. „Weg hier!“ Der Jüngere starrte sie an wie einen Nachtalb, dann versuchte er ins Innere des Gebäudes zu stürmen.
Die Reaktion der Jungen kam nicht ganz unerwartet, doch hatte sie eigentlich mit einer längeren Schrecksekunde der beiden gerechnet. Als sie sah, dass sie zu fliehen versuchen wollten, konzentrierte sie sich auf den älteren der zwei, denn der jüngere schien ihr eher einer von vielen kleinen Langfingern zu sein, die zwar geschickte Finger besitzen mussten, aber sicherlich nicht viel wussten, noch wesentliche Anteile ihrer Beute erhalten würden. Louisa beschloss zunächst auf die Kräfte der Geschwindigkeit in ihrer Vitae zu verzichten und zu schauen, ob sie den älteren Dieb auch so erwischen könnte.
Der Ältere, der wahrscheinlich, falls Hendrik richtig vermutet hatte, auf den Namen Joris hörte, stieß sich ab um ins Innere der Ruinen zu fliehen, er kam allerdings auf den bröckeligen Mosaiksteinen der ehemals prächtigen Terrasse ins Stolpern und verlor kostbare Zeit. Louisa rannte auf ihn zu und stieß ihn so kräftig es ihr möglich war, an. Dem jungen Mann blieb der Atem weg als er mit der linken Schulter gegen die Backsteinwand prallte. Ganz offensichtlich hatte er bei einer Frau von Louisas Gestalt nicht mit einem solchen Angriff gerechnet. Louisa roch das Blut, das den hinteren Teil seines dünnen, fadenscheinigen Leinenhemdes durchnetzte, ohne es zu sehen. Die Brujah hielt ihn an Arm und Hals fest.
Der 12jährige hatte versucht ebenfalls ins Haus zu fliehen, als er jedoch sah, was dem anderen widerfuhr zögerte er. Hastig sah er sich nach einem Gegenstand um mit dem er zur Not kämpfen konnte und griff nach einem morschen Ast.
Der süße, metallische Geruch stellte ein größeres Problem für sie dar als die beiden Sterblichen. Gewaltsam musste sie sich davon abhalten, sich in den Besitz des kostbaren Lebenssafts zu setzen. Im Vertrauen auf die überlegene Kraft, die das Bluterbe selbst ihrem zierlichen Körper verlieh, hielt sie den vermutlichen Joris mit einer Hand an seinem Hals, um ihr Gesicht dem kleineren Jungen zuzuwenden und ihn mit der freien Hand zu sich zu winken. "Lass das sein, Junge" sagte sie leise, eindringlich, aber nicht unfreundlich. Im Gegenteil, ihre Stimme bekam etwas sanftes, lockendes, als sie fortfuhr: "Ich habe nicht vor, euch schlimmes anzutun, wenn ihr vernünftig seid. Ihr habt nichts zu gewinnen, indem ihr zu kämpfen versucht. Seid versichert, ich bin weniger unangenehm als die Stadtwache. Geschweige denn als... andere."
Der Ältere wand sich in ihrem Griff. Er zischte dem Jüngeren, während er ihn mit eisernem Blick fixierte, drohend zu: „Untersteh dich jetzt kämpfen zu wollen!“ Dann sah er zu der blonden Frau. „Was wollt ihr von uns?“
Sie wandte sich dem Älteren zu. "Nun, zunächst einmal ganz einfach meine Geldbörse. wie ich schon sagte" gab sie trocken zurück. Dann kräuselte die blasse Frau die Lippen, sah zwischen den beiden hin und her. "Und dann... mit euch reden." Sie musterte Joris. "Werden wir das können, ohne dass ich dich festhalten muss, Bursche? Ich mag Gewalt nämlich nicht sonderlich." Dass sie zu solcher dennoch in der Lage war, bewies ihr erstaunlicher fester Griff, der ihre Gestalt Lügen strafte.
Der 17 Jährige schien zu zögern, überlegte, dann nickte er schließlich. Vorsichtig machte er sich aus ihrem Griff frei. „Was hat eine reiche Edelfrau wie ihr mit Leuten wie uns zu ‚bereden‘?“ Es schien für ihn eher eine rhetorische Frage zu sein, denn er sah bereits zu dem Jüngeren und wies mit dem Daumen auf die Kainitin als Zeichen, dass er die Geldbörse zurückgeben sollte.
Der Jüngere, wahrscheinlich Daan, schluckte schwer, dann zog er ihre Börse aus einem Säckchen an seinem schmalen Gürtel und reichte es ihr vorsichtig.
Langsam ließ Louisa den Burschen los. Die offene Hand hielt sie dem Kleineren entgegen, bis der Beutel darauf ruhte. Mit einem kurzen Nicken nahm sie die Börse, schob sie unter ihre Schürze und würde sie dort an den Schürzenbändern festnesteln, damit das kleine lederne Behältnis für Diebe künftig weder leicht zu sehen noch leicht zu greifen wäre. Plötzlich ging es wie ein kurzes Grinsen über ihre Züge. Ihre Hände verschwanden nochmals unter der Schürze, und als sie sie wieder hervorzog, lag in der einen eine Münze, die sie dem Jungen in hohem Bogen zuwarf. "Immerhin muss ich zugeben, dass ich Geschicklichkeit schätze" meinte sie dazu, und ihr Gesicht wirkte dabei jugendlich, fast wie eine unbeschwerte junge Frau. Dann wandte sie sich wieder an den Älteren: "Nun, wie reich und edel, das ist Ansichtssache. Doch umsichtig auf jeden Fall. Und eine umsichtige Frau hat immer Verwendung für die Dienste geschickter Burschen, die sich unauffällig zu bewegen verstehen."
Der Jüngere fing die Münze mit ausgesprochener Geschicklichkeit auf und strahlte sie im nächsten Moment, als er begriff, dass das Geldstück tatsächlich für ihn war, an. Der Ältere hingegen verschränkte abweisend die Arme vor der Brust. „Was wollt ihr? Das wir für euch jemanden ausspionieren, bei jemandem im Schlafzimmer einsteigen und etwas mitgehen lassen damit ihr uns nicht der Stadtwache meldet?“

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Dem kleinen Jungen lächelte sie beinahe verschmitzt zu. Bei ihrer Antwort klang ihre Stimme zunächst recht gleichmütig, als sie meinte: "Es könnte durchaus seien, dass ich Dienste solcher Art einmal benötige, ja..." Sie wurde um einige Grade kälter, als sie fortfuhr: "Der Stadtwache? Der werde ich euch keinesfalls melden. Ich sagte schon, ich bin weitaus weniger unangenehm als sie..." Und dann bekam sie einen eisigen Unterton: "...normalerweise. Ich KANN allerdings sehr viel unangenehmer werden als die Stadtwache..." Und wie die Katze, an die sie so sehr erinnerte, ihre Krallen kurz zeigen und wieder einfahren würde, lächelte sie darauf wieder gewinnend. "Aber da du offenbar schnell denkst und klare Worte sprichst, wird das denke ich nicht passieren. Wir sollten uns eigentlich bestens verstehen. Was sich..." Ihr Blick wanderte kurz wieder zu dem Kleinen hinüber "...für euch durchaus lohnen könnte."

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BeitragVerfasst: So 10. Jan 2021, 21:15 
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Louisa konnte erkennen wie sich der Ältere nachdenklich bei geschlossenem Mund mit der Zunge über die Zähne fuhr während der Jüngere nach dem Sack mit den Rüben griff, ein paar herauszog und begann diese mit einem kleinen Messerchen in dünne Stücke zu schneiden. Immer wieder warf er ihr interessierte Blicke zu. Joris deutete auf das, was vor einigen Jahrzehnten vielleicht einmal ein ausladender Stuhl gewesen sein mochte, dem nun jedoch die Lehne und eine Armstütze fehlten. Seine Stimme klang skeptisch aber offener als noch vor wenigen Minuten. „Nehmt Platz, wenn ihr beliebt, und schildert, was euch so vorschwebt. Lasst uns euer Angebot hören!“
Derweil konnte Louisa mit ihren messerscharfen Sinnen Stimmen aus einiger Entfernung ausmachen. Eine davon, die erste, die für die Umgebung ungewöhnlich laut war, gehörte Hendrik: „Ihr seid zu viert unterwegs? Damit hätte ich nicht gerechnet.“ Seine Worte klangen ruhig und wie alles an dem Jungen ‚beherrscht‘.
Eine andere Stimme, die aufgrund der Höhen und Tiefen, die sie innerhalb eines einzigen Satzes aufwies, vermute ließ, dass sich ihr Träger gerade mitten im Stimmbruch befand, fragte entrüstet: „Was um alles in der Welt macht der Kerl hier?“
„Er muss uns gefolgt sein! Scheiße.“
Wieder war nach einem kurzen Zögern Hendrik zu hören. „Ich will keinen Ärger. Ich habe einen von euch beim Markt gesehen, das stimmt, und bin ihm hierher gefolgt. Ich habe Ärger mit einem Kerl, der einen Kopf größer ist als ich und ich dachte, vielleicht könnt ihr mir da ein wenig unter die Arme greifen.“ Die Stimme klang zögernd und die Wortwahl passte nicht zu dem seltsamen Jungen, den sie in dieser Nacht kennen gelernt hatte. Louisa war klar: Er wollte sie warnen und hatte die Gruppe absichtlich laut angesprochen um sie am Betreten der Ruinen zu hindern. Ob er die Rolle des Jungen, der eine Jugendbande anheuerte, zu spielen vermochte, das war mehr als zu bezweifeln.

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BeitragVerfasst: Sa 16. Jan 2021, 13:30 
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Die Kainitin warf dem Jüngling ein bezauberndes Lächeln zu und ließ sich mit einer Grazie auf dem verstaubten Stuhl nieder, die trotz ihrer eher bürgerlichen Kleidung an eine Edeldame erinnerte. "Sehr schön" nickte sie und erklärte: "Nun, es ist immer von Nutzen, in der Stadt Augen und Ohren zu haben, die einem berichten, was sich zuträgt. Ich wäre bereit, euch regelmäßig eine kleine Zuwendung bringen zu lassen, wenn ihr euch aufmerksam umseht und umhört und mir Nachricht sendet, wann immer sich interessante Dinge tun. Streit zwischen den Gildemeistern und fremden Handwerkern, Gerüchte, welche die Bettler in den Gassen sich erzählen, Schenken, in denen um hohe Summen gewürfelt wird... alles mögliche."

"Ich bin wirklich sehr neugierig" schloss die blasse junge Frau mit einem Lächeln, das zu selbstbewusst war, um wirklich entschuldigend zu wirken. "Ihr könntet euch damit eine regelmäßige Einnahmequelle sichern. Und wann immer ihr etwas besonders wichtiges erfahrt und mir weitergebt, denke ich über zusätzliche Belohnungen nach. Abgesehen davon, dass ich zu manchen Gelegenheiten auch Verwendung für eure flinken Finger haben könnte, wofür ich mich auch erkenntlich zeigen würde, wenn ihr mich nicht enttäuscht. Nun, wie klingt das?"

In diesem Moment zuckten ihre Ohren leicht, unter Haube und langem Haar für ihre Gegenüber unsichtbar, als Reaktion auf die leisen Stimmen von draußen. Als sei ihr ein plötzlicher Einfall gekommen, erhob sie sich, klopfte sich den Staub vom Kleid und meinte: "Ich habe einen jungen Begleiter bei mir, der mit unserem Geschäft nichts zu tun hat und den ich darum auf mich warten hieß, als ich hierher kam. Lasst mich kurz nach ihm sehen. Er könnte sich sonst Sorgen um mich machen" sagte sie ganz selbstverständlich, nickte den beiden zu und ging zügig, aber nicht eilig, um nach Hendrik Ausschau zu halten. Äußerlich die Ruhe selbst, hoffte sie insgeheim, dass ihm nichts geschehen würde, ehe sie ihn schützen könnte – für sich selbst wie auch für seine Gegenüber.

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BeitragVerfasst: Mo 18. Jan 2021, 20:23 
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Joris zögerte. Er sah zu dem mageren jüngeren Burschen und nickte schließlich bei ihrem Angebot. „Die Getreidepreise steigen seit einigen Tagen durch die Decke. Jeder versucht derzeit noch das, was er zu Hause hat, aufzubrauchen, aber das wird nicht mehr lange ausreichen. In solchen Zeiten können wir kein einziges Angebot in den Wind schlagen.“
Der Jüngere, wahrscheinlich Daan, ließ sein Messerchen sinken und sah zu dem Blonden und der Bürgersfrau. „Dabei war die Ernte von Brügge in diesem Jahr eigentlich gut. Ein oder zwei unbekannte Händler sollen gleich nach der Ernte den Bauern noch auf den Feldern alles abgekauft haben. Und nach allem, was ich gehört habe, gibt es in keiner anderen Stadt Probleme mit dem Getreide.“
Joris zuckte mit den Schultern.
Als Louisa auf einen Begleiter zu sprechen kam, wanderten seine Augen rasch umher und all seine Muskeln spannten sich kaum merklich an. Dennoch blieb er sitzen und nickte Louisa zustimmend zu als sie sich entfernte.
Noch auf dem Weg nach draußen hörte die Brujah das Gespräch der Jungen. „Schau dir mal das Abzeichen hier an, dass der Knirps hier am Revers trägt. Ist zwar nur klein, aber das sind die Geldsäcke von den ‚van de Burse‘. Und das Gewand ist auch zu gut für einen, der sich sonst in den Gassen rumdrückt.“
Eine weibliche Stimme mischte sich ein. „Hör zu, Knirps. Wir wollen keinen Ärger. Und sowohl deine Familie als auch die Leute mit denen ihr für gewöhnlich zu tun habt, bedeuten früher oder später genau das. Verpiss dich hier!“
Der erste Sprecher war erneut zu vernehmen. „Und wenn er uns verpfeift, Larissa?“
Das Mädchen lachte. „Was will er denn sagen? Dass er uns mal schnell durch die Nacht hinterher gedackelt ist nachdem er uns bei Stehlen erwischt hat? Wie alt bist du Bürschen? 10? Dafür zieht man ihm bestenfalls den Hosenboden runter und verprügelt ihm den Arsch. Mami und Papi sollten wirklich besser auf dich aufpassen. Das ist keine Uhrzeit für einen Hosenscheißer wie dich.“
Louisa hatte den Durchgang, der zur dunklen Straße führte, erreicht und konnte fünf Halbwüchsige sehen, die im Halbkreis um Hendrik herumstanden und ihn wohl um einen Kopf überragten. Der Junge hatte die Fäuste geballt und Louisa konnte an seinem Gesicht und seiner gesamten Körperhaltung erkennen wie viel Mühe es ihn kostete nicht auf die Größeren loszugehen. Es dauerte recht lang bis er sich wieder soweit im Griff hatte, dass er die Schultern straffte und mit ruhiger Stimme antwortete. „Ich war hier um euch ein Geschäft vorzuschlagen. Wenn dies nicht in eurem Interesse ist, dann akzeptiere ich das und wünsche euch weiterhin erfolgreiche Geschäfte.“ Wo um alles in der Welt hatte er wohl solche Floskeln aufgeschnappt?

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BeitragVerfasst: Sa 23. Jan 2021, 15:09 
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Louisas Lächeln vertiefte sich. "Eine überaus vernünftige Ansicht – ich denke, ihr werdet von unserem Handel sehr profitieren. Denn abgesehen von allem anderen..." hier senkte sie ihre Stimme leicht "...bin ich durchaus willens und in der Lage, jene, die für mich arbeiten, vor manchen unangenehmen Zeitgenossen zu schützen. Unbekannte Händler, sagt ihr also? Es wäre vielleicht ein guter erster Beweis, dass wir uns gegenseitig vertrauen können, wenn ihr mehr über diese Männer herausfindet und es mich wissen lasst – und ich mich dann um dieses merkwürdige Problem mit der Getreideversorgung kümmere. Findet ihr nicht auch?"

Kurz bevor sie die Umfassung wieder erreichte, hinter der sie Hendrik zurückgelassen hatte, nickte sie den beiden noch einmal zu. Dann machte sie sich daran, ohne allzu viel Lärm zurück auf die andere Seite zu gelangen. Dort angelangt, würde sie langsam, aber ohne groß zu zögern auf das Grüppchen Halbwüchsiger zugehen und in nicht unfreundlichem Ton beginnen: "Keine Sorge, niemand wird hier irgendjemanden verpfeifen." Der warnende Unterton kam hinzu, als sie ruhig fortfuhr: "Und niemand wird hier Ärger bekommen, solange er vernünftig und friedlich bleibt." Ihr Lächeln war eher unpersönlich und allgemeiner Natur, deutlich sichtbar mehr der Form halber denn herzlich. "Ich gedenke nämlich nicht, den Handel durch irgendetwas stören zu lassen, den ich gerade mit dem jungen, aber sehr vernünftigen Joris abgeschlossen habe."

Womit sie die Hand nach Hendrik ausstreckte, wie es eine Mutter nach ihrem Kind tun würde – es war ihr im Moment ganz gleich, ob er sich dadurch in seiner Ehre gekränkt fühlen würde. Die Absicht der Kainitin war es, den fünfen bereits durch ihre Körpersprache zu signalisieren, dass der Junge zu ihr gehörte und dass sie den Ort mit ihm verlassen würde. Dabei setzte sie erneut auf die Wirkung ihrer demonstrativen Selbstsicherheit. Sie kannte die unmenschliche Stärke, die ihrem zarten Körperbau Hohn sprach, doch das bedeutete nicht, dass sie die geringste Lust verspürt hätte, sie auch einzusetzen. Dass es sehr fatal für jeden der Anwesenden enden musste, sich mit ihr anzulegen, daran zweifelte sie kaum. Doch ob es nicht auch fatal für ihre Kontrolle über das finstere Etwas wäre, daran hatte sie leider starke Zweifel... besser also für alle Beteiligten, wenn niemand auf die Idee käme, überhaupt an Gewalt zu denken.

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BeitragVerfasst: Di 26. Jan 2021, 20:21 
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Louisa erkannte fünf Halbwüchsige, von denen ein besonders hoch gewachsener, wohl ungefähr Siebzehnjähriger und ein Mädchen, wahrscheinlich 15 Lenze, besonders herausstachen. Sie konnte vermuten, dass es diese beiden gewesen waren, die mit Hendrik geredet hatten. Alle fünf sahen Louisa etwas ungläubig an.
Als sie die Hand nach ihm ausstreckte, sah er demonstrativ zu den Jugendlichen anstatt zu ihr, trat jedoch neben sie und versteifte sich. Seine Haltung war angespannt, auch wenn er versuchte souverän und beherrscht zu wirken.
Es war der hochgewachsene Junge, der schließlich die Stimme erhob. „Ihr macht Geschäfte mit Joris? Wir machen in der Regel mit niemandem Geschäfte!“
Eine Gestalt schälte sich aus den Schatten hinter ihr und Louisa erkannte erneut den blonden Anführer der Gruppe. ER antwortete an ihrer statt. „Doch, das tut sie. Ab und an muss man das, was man sich überlegt hat, über Bord werfen und was vielleicht Besseres anfangen. Der ein oder andere Auftrag für diese Frau hier könnte dabei sein.“ Er stellte sich zum Rest seiner Gruppe. „Also, wo kann man euch finden? Und ab wann seid ihr zu erreichen?“
Das Mädchen wirkte nach wie vor skeptisch. „Der Knirps hier scheint irgendwas mit den van de Burse zu tun zu haben. Vielleicht gehört die Frau ja auch zu der Familie?“
Joris zuckte nur mit den Schultern. Ihn schien diese Aussicht weniger zu stören als das Mädchen. Fragend sah er zu Louisa.

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BeitragVerfasst: So 31. Jan 2021, 10:48 
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Die Kainitin legte dem Jungen die Hand leicht auf die Schulter und blickte die Burschen und das Mädchen gelassen an. Reglos, ein flüchtiges Lächeln auf den Lippen, wartete sie die Antwort Joris' ab, indem sie weiterhin überlegene Ruhe zur Schau stellte. Dann nickte sie ihm zu, immerhin schien er die bunte Truppe halbwegs im Griff zu haben. "Ich werde euch den Namen einer kleinen Schenke im Westen der Stadt geben, wo ihr stets Nachrichten für einen Mann namens Odric hinterlassen könnt. Er überbringt sie mir zuverlässig." Odric regelmäßig zum Wirt besagter Schenke gehen zu lassen, die nicht weit von ihrem künftigen Domizil entfernt lag, erschien ihr weit weniger risikoreich, als die halbwüchsigen Beutelschneider direkt wissen zu lassen, wo eine junge, trauernde Witwe zurückgezogen lebte und nur des nachts ausging. Noch kannte sie die Bande nicht gut genug und hatte sich ihrer Loyalität nicht ausreichend versichert – was sie jedoch durch eine geeignete Mischung aus Belohnungen, angedeuteten Drohungen und ihrer Verführungskunst alsbald zu tun gedachte.

Das gerade erst geknüpfte Band war noch zu schwach, eher von rein logischer Notwendigkeit, von Vernunft und der Aussicht auf wechselseitige Vorteile diktiert als von jener Mischung aus Begehren, düsterer Liebe und Furcht, die sie bevorzugte, weil sie die Kraft der Gefühle nur allzu gut kennengelernt hatte. Wie schwach, das zeigte sich bei der misstrauischen Frage des Mädchens. Sie musterte es eingehend und ließ sich etwas Zeit, ehe sie gleichmütig zurückgab: "Ich bin keine van de Burse und gehöre auch nicht zu ihrem Hausstand, doch kenne ich sie natürlich. Ich bin eine Frau, die allerlei gewinnbringenden Geschäften nachgeht, und so sind sie Leute, mit denen ich mich gut stelle. Es wäre unvernünftig, anders zu handeln. Nur törichte Menschen machen sich die Reichen und Mächtigen zu Feinden, wenn sie die Wahl haben, sie auch zu Verbündeten zu haben."

Sie unterstrich ihre Worte mit einer wegwerfenden Geste und lächelte erneut. Etwas sagte ihr, dass zumindest Joris über genug Verstand verfügte, diese auch auf ihre Situation zu übertragen. Das subtile lag ihr weitaus mehr als plumpe, direkte Drohungen. Und es verbaute ihr nicht jene andere... Methode, die sie gern anwandte, um sich Menschen gefügig zu machen. Der Bursche war nicht mehr weit davon entfernt, ein Mann zu werden. Männer aber hatten fast alle Bedürfnisse und Begehrlichkeiten, mit denen man spielen konnte...

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BeitragVerfasst: Mo 1. Feb 2021, 21:01 
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Louisas Worte hatten bei der halbstarken Jugendbande offensichtlich Eindruck hinterlassen: Joris und der Größte der Truppe nickten mehrmals hintereinander. Das 15 Jährige Mädchen hatte noch immer skeptisch die Arme vor der Brust verschränkt, aber sie fügte sich der Entscheidung ihres ‚Anführer‘ mit einem gleichgültig erscheinenden Augenrollen.
Als Louisa ihre Kontakte zu den Van de Burse erwähnte konnte Louisa unter ihren Fingern spüren, wie der Knabe, der zunächst reglos wie eine Statue gestanden hatte, sich versteifte. Er sah etwas zu rasch zu ihr hoch und der Blick der hellen Augen bohrte sich für einen kurzen Moment in ihren Pupillen fest bevor er sich wieder zu den Jugendlichen zurück drehte.
Joris wartete noch einen Moment ab um sich den Namen der Taverne geben zu lassen, die Louisa angedeutet hatte. Dann streckte er ihr geschäftsmäßig die dreckige Rechte entgegen, wie um ein Geschäft zu besiegeln.

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