Vampire: Die Maskerade


Eine Welt der Dunkelheit
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 Betreff des Beitrags: Antagonismus
BeitragVerfasst: Sa 26. Nov 2016, 18:03 
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Absolution

Es war ein leichtes für sie gewesen ihn zu finden. Am Anfang war er auf dem Pferd noch rasch vorangekommen, hatte das Geld, das in seinen Taschen gewesen war, klug genutzt um bei einer alten, vergrämten Bäuerin und am nächsten Tag bei einer Töpferfamilie Unterschlupf zu finden.
Doch man hatte in Brügge sein Gesicht gesehen, ihn erkannt, ihm seinen Namen hinterhergeschrien wie einen Fluch, der ihm auf ewig anhaftete: Hans, der Schreiber.
Sie hatten ihn gesucht, verfolgt, waren auf Rössern herangeprescht, die schneller und ausgeruhter waren als der Gaul, den er vor Panik fast zu Tode geritten hatte. Es hatte keinen Weg gegeben zu fliehen- keine Möglichkeit den schrecklichen Bildern zu entkommen, die ihn in den kurzen Stunden des ruhelosen Schlafes heimsuchten: Das liebliche Gesicht des Mädchens, das er vergöttert hatte, mit schreckgeweiteten entsetzten Augen, das von bluttropfende Messer in seiner Rechten (Verdammt: Wann hatte er je ein Messer in der Hand gehalten?), die Erkenntnis, was er getan hatte.
Er hatte das geliebte Mädchen totgeschlagen, diejenige verraten, die er sich als Mutter gewünscht hatte, ihnen allen Leid zu gefügt, unbewusst Mördern geholfen ihre grässlichen Taten zu begehen… Und wofür? Für ein bisschen Geld, für das Gefühl von Vergeltung, für die Möglichkeit, Marie seine Gefühle zu zeigen in der Hoffnung, wider jede Vernunft, doch von ihr erhört zu werden?

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Man hatte ihm die Krücke weggenommen. Hans legte die Finger um die eisigen Gitterstäbe… Nur einfaches Metall und doch das Gefängnis, das ihm den Tod bringen würde. Er hörte das Tropfen von kalten Wassertropfen, die von der Decke herabfielen. Eins- zwei- drei… vier… fünf- sechs. Es war dunkel und nur das Licht einer Fackel, die der Wachmann vor ihm in seiner Hand hielt, schenkte ihm überhaupt die Möglichkeit, etwas zu erkennen.
Er war hier in Gent eingekerkert worden, und die flandrische Obrigkeit hatte ihn für den morgigen Tag zum Abtransport nach Brügge und zum Tod durch Enthaupten verurteilt- den Tod eines Mörders…

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Aber er hatte das alles doch nicht gewollt… Hans schniefte. Er wollte schreien und schloss doch den Mund um lieber an seinen eigenen Schreien zu ersticken.
Der Wärter spuckte auf dem steinernen Boden aus und wandte sich ab. Hans Hand schoss nach vorne und griff nach seinem Mantel. „Bitte…“ In seiner Stimme lag ein schmerzverzerrtes Flehen. „Bitte… Ich habe so viel falsch gemacht. Ich bereue. Bitte: ich habe hier eine Nachricht für die Gräfin Aurora von Erzhausen. Überbringt sie für mich. Das ist der letzte Wunsch eines Totgeweihten. Ich möchte sie um Vergebung anflehen, ihr sagen, wie leid mir alles tut. Sie muss wissen, dass es nie meine Absicht war, dass ich nicht wissen konnte, was geschehen würde. Ich sterbe und das ist gerecht… Aber sie muss das wissen.“ Er hielt ihm das löchrige Stück Mantel entgegen auf dem er die letzten Worte festgehalten hatte, die er je schreiben würde.
Der Wärter drehte sich um, zog den Rotz, der ihm aus der Nase lief, mit einem Schniefen nach oben und fixierter Hans mit kleinen starrenden Augen. Dann griff er nach dem Stoff, musterte die Sätze in dem er die Augen zusammenkniff.
„Seh‘ ich so aus als könnt ich lesen? Und eines solltet ihr wissen: Einem Mörder werden keine Wünsche gewehrt!“ Er warf das Mantelstück seelenruhig auf den Boden und grinste boshaft. „Ihr bekommt, was ihr verdient- morgen! Gehabt euch wohl.“ Die mit Tinte geschriebenen Zeichen verschwanden und das Blau vermischte sich mit dem dreckigen Brackwasser am Boden zu einem braunen Sud. Ein höhnisches Lachen war zu vernehmen als der Wärter sich umwandte und zum Ausgang schritt. Mit ihm wurde das Licht schwächer und schwächer.
Hans fühlte wie die Schatten hinter ihm erwachten, mit langen Fingern nach ihm zu greifen begannen. „Nein!“

Die Dunkelheit brachte eine tödliche Endgültigkeit mit sich, die ihm die Brust zusammen zu quetschen schien und sein Herz lähmte. Er spürte noch immer die Eiseskälte der Gitterstäbe und riss die Hände zurück als hätte er sich verbrannt. Er hörte seinen eigenen zittrigen Atem und das stete Geräusch der Tropfen. Eins-zwei… drei- vier…- … fünf. Er trat zurück und spürte die Tränen, die ihm in den Augen brannten. Er sackte auf dem Boden zusammen, zog verzweifelt die Knie an und schlang die Arme darum. Dann wiegte er sich vor und zurück, vor und zurück.

Ein leises Geräusch ließ ihn aus dem Dämmerschlaf fahren, in den ihn die Erschöpfung getrieben hatte. Sein Kopf ruckte nach vorne und er erkannte einen schwachen Fackelschein durch die Türritzen als diese geöffnet wurde. Der Wächter trat ein und verbarg durch seine gedrungenen Gestalt, eine zweite Person, die hinter ihm hereinschritt.
Der Wärter murmelt ein seinen Bart. „Seid ihr sicher, Eure Eminenz, dass Ihr hierher geführt werden wollt?“
Seine Frage wurde mit geringschätzigem Schweigen beantwortet. Während der Wärter nach einer Halterung an der Wand suchte, in der er die Fackel befestigen konnte, baute sich der andere, das Gesicht noch immer in den Schatten, vor der Zellentür auf.
Er war von mittelhohem Wuchs, eher schmal und gerade gewachsen und seine Haltung drückte selbstgerechte Macht aus.
Seine Stimme war sanft und melodisch, nahm jedoch einen befehlsgewohnten Klang an, der keinen Widerspruch duldete. „Ihr könnt gehen!“ Seine Worte wurden von einer winkenden Handbewegung untermauert, die den Wärter unmissverständlich zum Gehen aufforderte. Mit mehreren Bücklingen trat dieser rückwärts in Richtung Ausgang und schloss die Kerkerpforte hinter sich.
Hans sprang mühsam auf die Füße und beobachtete den Geistlichen, der näher trat und beharrlich schwieg. Das Gesicht passte perfekt zu der Stimme: klar geschnitten, hohe Wangenknochen, ein Antlitz von fast unmenschlicher Schönheit mit malachitgrünen Pupillen. Obwohl er ein wenig kleiner als Hans war, schien er ihn um mehrere Häupter zu überragen.

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„Bischof Martin?“ Hans fiel auf die Knie und senkte das Haupt. Seine Stimme war ein ungläubiges Flüstern. „Eure Eminenz? Ich habe gesündigt. Ich habe schreckliches getan. Seid ihr hier um mir die Beichte abzunehmen?“
Ein leichtes Nicken war die Antwort. „Das bin ich, mein Sohn.“ Die Stimme klang warm und verständnisvoll. „Man hat dich des Mordes an einer jungen Adeligen, schuldig gesprochen und bereitet in Brügge alles für die morgige Hinrichtung vor. Beichte deine Sünden, mein Sohn, so dass die Höllenqualen, die dich im Jenseits erwarten werden vielleicht gesühnt werden.“
Hans begann zu wimmern. Mühsam kroch er auf den Knien näher an die Gitterstäbe heran und faltete die Hände. „Ich habe das alles nicht gewollt, Eure Eminenz. Ich wollte sie nicht töten. Ich habe sie doch begehrt, geliebt. Habe auch ihren Vormund, Lilliana, einst geliebt. Ich war unwürdig, wollte Rache weil ich nicht gut genug für sie war. Ich wusste nicht, dass die Männer, die für Informationen über die Gräfin und die Hochzeit bezahlten, den Tod von so vielen planten.“
Hans spürte wie ihm eine warme Hand beruhigend auf das Haupt gelegt wurde. „Sprich weiter, mein Sohn und lass nichts aus.“

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Und Hans begann zu berichten. Er sprach vom Tod seiner geliebten Mutter, der Gefühlskälte des Waisenhauses, in das man ihn steckte weil sein stets betrunkener Onkel sich geweigert hatte, ihn bei sich aufzunehmen, von Lilliane, die mit ihrer Freundlichkeit und Aufmerksamkeit in vielen langen Nächten sein Gemüt erhellt hatte, von ihren Geschichten, in denen er sich verlor, von seinen Plänen eines Tages Ritter zu werden um ihrer würdig zu sein. Stockend folgten seine Schilderungen des unnatürlich realistischen Traumes, von hinterhältigen französischen Fürsten, tapferen, englischen Heilern, böswilligen, dämonischen Doppelgängern, Lilliane, die ihn gerettet hatte, von dem Sturz aus dem Fenster, der ihn auch im wahren Leben das Bein gelähmt hatte. Er schluckte und spürte, wie erneut Tränen an seinen Wangen hinabliefen als er von seinem Wunsch berichtete von Lilliana adoptiert zu werden, den sie ihm verweigert hatte. Seine Trauer, Verzweiflung und die Wut. Der Zorn und Neid und die gleichzeitig erwachende Zuneigung zu der Ziehtochter, die aus dem Nichts erschienen war und alles erhielt, was sich der kleine Hans immer erträumt hatte. Der Neid auf diesen arroganten, gewalttätigen Sohn eines alkoholkranken Heilers, dessen Weib man wegen Hurerei und Kindstötung verurteilt hatte, der alles bekam, sogar das Mädchen, in das er sich schließlich verliebt hatte.
Er war da gewesen, hatte vor ihrem Haus gestanden, beobachtet. Wie Lilliane nicht alterte, nur nachts umher wanderte, von dem grässlichen Hund mit dem sich die kleine Marie immer umgeben hatte und ihren Visionen, die sie dem Tier wie selbstverständlich in unbeobachteten Minuten anvertraut hatte.
Hans begann wieder zu schluchzen. „Ich habe so viel Schreckliches getan. Bitte erteilt mir Vergebung.“ Sein Blick glitt hinauf zu dem Gesicht des Bischofs, der sacht mit dem Kopf schüttelte. Sein Herz stockte einen Moment vor Entsetzen. Für seine abscheulichen Taten würde es keine Absolution geben.
Dann war da wieder die Stimme des Geistlichen. „Dir kann nicht vergeben werden, Hans. Denn du hast nichts Verwerfliches getan. Auch ich wanderte vor langer Zeit auf den Pfaden der Dunkelheit, war eingelullt durch die Lügen und Versprechungen von Männern und Frauen, die ich für meine Freunde hielt. Dann jedoch erkannte ich, wem ich wirklich diente, blickte dem Grauen, dem Bösen, direkt ins Gesicht.“ Der Klang der Worte wandelte sich und nichts Behutsames war mehr darin enthalten. Stattdessen war darin die Schärfe einer blanken Klinge. „Die Dämonen des Satans wandern unter uns, durchschreiten die Nächte, da das Licht des Herrn sie vernichtet. Sie tragen die Gesichter von Männern und Frauen, doch ist hinter ihren Masken das Antlitz des Bösen verborgen, das den einfachen Menschen lächelnd entgegenblickt. Die Hure des Satans, Lilliana, hat dich nie geliebt, denn der Teufel kann nicht lieben. Die Liebe ist nur Gott gegeben.“
Mit großen Augen blickte er zu Bischof Martin auf. „Ihre Besuche im Waisenhaus sind kein Akt von Nächstenliebe sondern eine Notwendigkeit um ihre Maskerade aufrecht halten zu können.“ Der Bischof nickte bestätigend und ein sanftes Lächeln legte sich auf sein reines Gesicht. „Die Männer und Frauen, denen du geholfen hast, waren auf der Jagd nach Dämonen. Mit guter Absicht vernichteten sie diejenigen, die mit den Teufeln im Bunde stehen und erwischten sogar einige der Teufel selbst. Du hast also im Auftrag Gottes gehandelt.“
Hans Aufruf war eine Mischung aus Unglaube und Hoffnung. „Aber Marie… Sie…“
Ein Wisch mit der linken Hand ließ ihn schweigen. „Dieses Geschöpf war wohl vom Blute der Teufelshure. Oder sie stand in ihren Diensten. Du hast ein Werk des Herren getan und ihre Seele erlöst bevor sie weitere grauenerregende Taten für ihre Herrschaft tut konnte. Das Mädchen mag das lächelnde Gesicht eines anmutigen Engels gehabt haben, doch ihre Seele war verfault und wurmstichig und nicht mehr in der Lage das Licht des Herrn zu erblicken. Hans, ja…: Danke dem Herren, dass er dir einen anderen Weg gezeigt hat: Er hat dich erkannt. Er hat das Leid gesehen, das dein Herz zerwühlt und er sieht, zu was du im Stande sein magst.“
Er sah ihn mit festem Blick an und das Grün hatte etwas zugleich Bekräftigendes und Betäubendes. „Lang genug hast du beobachtet, gezögert, nicht erkannt, welche Ausgeburten der Hölle die braven Christenmenschen in ihren falschen Schein suhlen um sich von ihren Seelen zu nähren, sich ihren Besitz anzueignen, die Menschheit zu versklaven. Sie saugen das Blut der Hilflosen, schwächen sie, vernichten im Auftrag Satans das Gute. Doch der Herr hat Männer auserwählt, die in der Lage sind, die falschen Boten des Teufels zu erkennen um sich ihnen in den Weg zu stellen. Männer, die kämpfen, bis zum Äußersten gehen, die nie vom rechten Weg abkommen.“

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Hans spürte wie die Hand von seinem Haupt genommen wurde. Er sah zu dem Geistlichen auf. „Sag mir Hans: Bist du bereit diesen Weg zu gehen? Bist du bereit ein Kämpfer Gottes zu werden, ein Krieger der Inquisition.“ Eine Hand wurde ihm durch die Gitterstäbe entgegen gestreckt. „Dann erheb dich. Welche Sünden du auch immer in deinem Leben begangen haben magst: Sie seien dir vergeben!“

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Hans griff danach, und so wie er es zuvor mit seiner Krücke getan hatte, zog sich daran nach oben.
Der Bischof nickte gütig. „Eine neue Bestimmung erwartet dich.“
Martin sah sich noch einmal in den engen, feuchten Zellenwänden um. „Wie wollt ihr mich hier herausholen?“
Der Bischof schlug ein Kreuzzeichen über ihm um ihm seinen Segen zu erteilen. „Zweifle nie an den Wegen des Herrn, denn sie sind unergründlich.
„Mein Sohn. Du musst eines erkennen. Noch müssen wir überwiegend im Verborgenen handeln, doch unsere Tage werden kommen. Et nomine patris et filii et spiritus sancti." Der Bischof schwieg einige Sekunden, sein gütiges Lächeln glomm in der Finsternis. Dann folgte ein einziges Wort: „Amen!“
Martin faltete die Hände. Er spürte Hoffnung, Erleichterung und Wut zugleich in sich glimmen. „Amen“

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Through action, a Man becomes a Hero.
Through death, a Hero becomes a Legend.
Through time, a Legend becomes a Myth.
By learning from Myth, a Man takes action.
~Corazon~


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Verfasst: Sa 26. Nov 2016, 18:03 


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