Werde fort und fort, der, der du bist

Achmet hatte bei seiner Codierung ganze Arbeit geleistet. Seine Handschrift war schwer zu erkennen und die Aneinanderreihung von Worten in den verschiedensten Sprachen und Grammatiken machte es nur schwerer. Anhand der vielen Sprachen, die er kannte konnte er folgende Worte entziffern.

Von- dreht- wenn- Sandkörner- Notos- Apheliotes- wenn-sei- Schicksal

Nichts davon schien Sinn zu machen.

Bevor Leif sich endgültig zur Ruhe begeben hatte, lächelte er schwach. Ein Anfang war gemacht und eine neue Nacht brachte neue Gelegenheit.

(1 Erfolg INT + Linguistik)

Als Leif die Augen wieder öffnete, sah er zunächst nur grelles, gleißendes Mondlicht. Er benötigte einen Moment um seine Augen an die Umgebung zu gewöhnen und erblickte eine Umgebung, die ihm völlig fremd erschien.
Um ihn war es fast erdrückend schwül und nur ein leichter Wind, der vom sich stetig an den weißen Sandstrand werfenden Meer kam, brachte den Hauch von Erleichterung.
In einigen hundert Meter Entfernung konnte er Palmen ausmachen.
Er befand sich auf einer Terrasse, die sich zur See hin öffnete und erkannte seltsam scharf abgewinkelte Gebäude und Stühle.



Er selbst sah an sich herab und erkannte seltsam perfekt sitzende Gewandung. Er wusste intuitiv sofort, dass man diese Kleidung Anzug nannte.
Leif hörte den festen Schritt einer Frau hinter sich und als er sich umdrehte, blickte er in das Gesicht von Brunhild, auch wenn sie ihm zunächst seltsam fremd vorkam. Ihre Stimme jedoch hatte den gleichen Klang wie früher. „Du bist schon da, Leif? Du bist früh. Ich hoffe, der Flug war in Ordnung.

Brunhild? Leifs Augen weiteten sich. Flug? Fliegen? Was meinte sie und in welchem eigenartigen Land waren sie hier? Der Salubri kämpfte die erste aufkeimende Panik nieder und schaute sich um. Die Architektur dieses Ortes kannte er nicht, genauso wenig hatte er je jemanden in dieser Art von Kleidung gesehen, egal in welchem internationalen Hafen mit Händlern von überall er sich aufgehalten hatte. Irgendetwas war mehr als nur komisch, aber er musste sich zusammenreißen. Er würde dem Ganzen schon noch früh genug auf den Grund gehen können, aber jetzt musste er mitspielen. Er hatte genug Smalltalk in seinem langen Leben geführt um zu erkennen, dass Brunhild (wenn es sich denn wirklich um Brunhild handelte) keine Antwort von ihm verlangte. Der Nordmann räusperte sich und nickte nur. “Es war alles gut.” Leif schaute sich um und versuchte eine paar mehr Hinweise darauf zu erhalten was hier eigentlich vor sich ging.



Selbstbeherrschung; Würfelergebnisse: 2,2,8,5,3
Geistesschärfe + Ausflüchte; Würfelergebnisse: 9,4,3,2,9,2
Wahrnehmung + Nachforschungen; Würfelergebnisse: 8,7,4,2

Leif behielt recht. Die blonde Frau nickte, drehte sich dann in Richtung der Stühle. „Ich bin so froh, dass die Zeit des Reisens in Kisten vorbei ist.“ Sie lachte kurz, ging dann auf Leif wartend auf eine kleine Gruppe davon zu und nahm darin Platz. Ihr Blick schweifte zum Strand. Dann sah sie wieder zu Leif und ergriff voll freudiger Erregung seine Hände. Er spürte die unnatürliche Kälte, die von ihnen ausging. „Ich habe sie gefunden. Nach all den Jahren… Ich habe fast daran gezweifelt, dass das noch möglich sein kann mit all den falschen Namen, Gesichtern und Trugbildern. Sofern sie der Einladung folgen werden sie bald hier sein.



Ihr Gesicht verdüsterte sich im gleichen Augenblick. „Und dann müsst ihr entscheiden wie ihr vorgehen wollt.“ Sie seufzte. „Ich denke, ich habe den alles entscheidenden Hinweis bekommen, aber bevor ihr euch nicht einig seid, werde ich euch ihren Aufenthaltsort nicht nennen.“

Leif war verwirrt. Brunhild war kalt und das obwohl die Luft warm und schwül, einem Vorhang gleich über ihnen hing. War sie eine Kainitin? Etwas dämmerte ihm, denn vor noch nicht allzu langer Zeit hatte er in Nürnberg gesessen und die alte Prophezeiung versucht zu übersetzen. Danach war er zu Bett gegangen. Handelte es sich hier etwa um einen Traum? Oder war er in einer Welt, ähnlich der Spiegelwelt in der Alida, Lucien und Lilliana gefangen waren? Er musste es herausfinden, möglichst ohne Verdacht zu erregen und dafür war es wichtig, dass er dieses Spiel weiterspielte. Leif straffte sich und schaute sich um. Der Schal oder das Band welches um seinen Nacken gewickelt war fühlte sich unangenehm eng gebunden an. Am liebsten hätte er ihn abgelegt, aber irgendetwas sagte ihm das dies keine gute Idee wäre. "Hat irgendwer etwas auf deine Einladung erwidert? Oder einen Kommentar abgegeben?" Er musste wissen auf wen er wartete, alles weitere könnte später folgen. Schritt für Schritt er durfte keinen Fehler machen. Eine Sache wollte er noch ausprobieren und zwar ob seine Disziplinen funktionierten. Zuerst schärfte er seine Sinne und dann untersuchte er Brunhilds Aura. Vielleicht würde das etwas mehr Aufschluss geben.

(Auspex II: 2 Erfolge)

Es war als hätte Leif einen dünnen Schleier zur Seite gezogen und so als könne er endlich richtig sehen. Blasse aufgeregte violette und freudige rote Gloriolen waren zu erkennen, die schließlich von einem besorgten Orange unterbrochen wurden. Es war eindeutig, dass sich die Kainitin über Leifs Anblick freute, sie die letzten Worte, die sie aussprach, aber mit einer gewissen Art von Furcht erfüllten.
Sie nickte auf seine letzte Frage und ein Schatten legte sich erneut auf ihre Miene. „Ja, das haben sie. Aber ihre Antworten waren… mitunter nicht leicht zu deuten. Lilianas Nachricht war übersät mit Blutstropfen, Lucien hat verkündet, es wäre keine gute Idee, sich wieder zu sehen. Er würde lieber darauf verzichten. Gerrits war so verwoben und voller seltsamer Andeutungen, dass ich kaum etwas verstanden habe. Gretlin schließlich hat Kontakt zu Alida aufgenommen und mir mitgeteilt, dass sie kommen wird. Bist du nach wie vor sicher, dass du mich, bei was auch immer ihr plant, nicht dabei haben darfst? Du weißt, du kannst auf mich zählen?“ In ihren Augen lag fast so etwas wie Furcht und der Hauch eines Flehens.

Leif hatte ein Gefühl, ein Gefühl das was immer er auch plante nur die fünf etwas anging. Das Puzzle begann sich in jedem Falle zusammen zu setzten. Vielleicht musste Leif sich nicht die Frage stellen, wo genau, sondern wann er sich befand. Wenn er die anderen Kainiten seiner Koterie schon eine ganze Weile nicht mehr gesehen hatte und sie Deckidentitäten benutzten, dann musste viel Zeit vergangen sein. Auch erinnerte sich Leif an immer mehr Dinge. Er erkannte seine Umgebung und auch, wenn die Erinnerungen zum Teil noch verborgen waren fühlte er sich inzwischen erheblich weniger fremd. Was wusste er noch? Der Salubri überlegte. An Brunhilds Reaktion konnte er ausmachen, dass es sich um etwas Großes handeln musste. Auch die Reaktion von Lucien schien darauf hinzudeuten, wenn er trotz seiner Anwesenheit dachte das sie sich eigentlich nicht mehr sehen sollten. Eine Gefahr also, eine Gefahr die offenbar sie alle betraf. Das war zumindest ein Anfang, damit konnte er arbeiten. Leif schaute zu Brunhild und nickte anerkennend. Es war Zeit sich vorzutasten um herauszufinden was sie wusste. "Ich verstehe dich gut und dein unbeugsamer Wille ehrt dich." Leif schwieg um den Eindruck zu erwecken, dass er nachdachte. "Brunhild wenn ich wirklich darüber nachdenken sollte dich in all das zu verwickeln und du weißt das ich das eigentlich nicht tun will...Wie würdest du vorgehen? Wie würdest du dich mit Lilliana, Gerrit, Lucien und Alida auseinandersetzten?

Brunhild zögerte. „Es fällt mir schwer eine passende Antwort zu finden. Du hast immer gesagt, es wäre besser, mich aus all dem raus zu halten. Obwohl du nicht viel auf Träume gibst, hast du gesagt, du hättest in einer Vision gesehen, es wäre nicht gut für mich, wenn du mich in diese eine Sache zu sehr involvieren würdest. Das einzige, was ich tun durfte, war nach dem Mädchen mit dem Muttermal Ausschau halten.“ Schweigend nickte sie. „Ich weiß nicht, was genau du mit Gerrit, Alida, Liliana und Lucien besprechen willst, aber es ist euch wahrscheinlich allen sehr wichtig. Immerhin reisen alle nach Mexico an. Ich verstehe deine Bedenken gut. Keiner der vier ist mehr der, der er vor Jahrhunderten war. Von deinen alten Kampfgefährten ist nicht mehr viel übrig und ob du sie an das, was sie einst waren, an ihren alten Kampfgeist, erinnern kannst, steht in den Sternen.“

Mehr und mehr seiner Situation ergab Sinn und so langsam entwickelte Leif ein Gefühl dafür was vor sich ging und an welchem Ort er sich befand, besser gesagt auch zu welcher Zeit. Mexico...Er erinnerte sich. Es handelte sich um ein Land in Nordamerika, dem gleichen Kontinent den der Seefahrer und sein Namensvetter Leif Erikson vor so langer Zeit entdeckt hatte. Aber all das lag schon so lange zurück, denn wie Brunhild erwähnte waren offenbar Jahrhunderte seit den Zeiten in Brügge vergangen. Trotz des konstanten Bombardements von Informationen entspannte sich Leif ein wenig, denn er erinnerte sich mehr und mehr auch wenn die Details mit denen Brunhild aufwartete noch nicht viel Sinn ergaben. Aber alles zu seiner Zeit. Im Moment musste er auf Brunhild eingehen. Er ergriff die kalten Hände der blonden Kainitin und für einen Moment durchzuckte ihn Trauer, da die Wärme und Lebendigkeit seiner alten Freundin aus diesem Körper für immer gewichen waren. Hatte er sie in diesem Traum, in dieser Realität etwa verwandelt? Vieles sprach dafür...Mental schüttelte er den Kopf und besann sich wieder auf das Hier und jetzt. "Brunhild ich mache dir einen Vorschlag. Du weißt ich will dich nicht in Gefahr sehen und das ist nach wie vor etwas das ich sicherstellen will. Trotzdem..." Er lächelte sie an. "Lass usn über alles noch einmal sprechen wenn ich die anderen empfangen habe. Wenn ich mir einen Eindruck verschaffen konnte wie sie zu allem stehen und wie sie in nach all der langen Zeit ticken, dann kann ich die Situation besser einschätzen und notfalls andere Entscheidungen treffen." Leif schaute seine wunderschöne Verwandte an. "Wäre das für sich akzeptabel?"