Di 13. Mär 2018, 23:40
Der Ausdruck von Seren nahm einen sehr nachdenklichen Zug an bevor sie irgendwann nur langsam den Kopf schüttelte. „Honigsüße aber doch so leere Worte. Trotzdem es ist nicht eure Schuld, nein niemand hat Schuld. Wir machen nur das was von uns verlangt wird um die Illusion von gepflegter Kultiviertheit aufrechtzuerhalten. Ein Schleier den man wie einen Vorhang vor unsere mit Blut getränkte und verfluchte Existenz hängt.“ Die Malkavianerin strich sich eine der lange roten Haarsträhnen aus dem Gesicht, die ihre freie Sicht auf Alida zu behindern schien und sprach dann geschäftig weiter. „Ich schätze direkte Worte und möchte euch daher auch nichts anderes an euch richten. Wenn es euch danach dürstet bedeutenden Kainiten in Britannien die Aufwartung zu machen, dann seid ihr hier falsch und verschwendet eure Zeit. Es ist nämlich ganz sicher keine Ehre eine verrückte, alte Vettel wie mich zu treffen. Eine Kuriosität? Möglich. Schlimmstenfalls ist es vielleicht sogar gefährlich, aber mit Ehre hat das alles nur äußerst wenig zu tun. Wie so viele meines Blutes werde ich lediglich zähneknirschend geduldet und einzig und allein Mithras Wohlwollen hält mich in einer Position die mir zumindest nominell erlaubt am Tisch der Großen sitzen zu dürfen. “ Sie lächelte unbekümmert. „Wünscht ihr sonst noch etwas? Ich hoffe ich habe euch nicht allzu sehr enttäuscht Alida.“
Alidas Stirn legte sich nachdenklich in Falten. Anscheinend hatte die Malkavianerin kein allzu großes Vertrauen in die eigene Macht und den eigenen Einfluss. Oder war das nur Taktik um ihr Gegenüber in Sicherheit zu wiegen? Sie zögerte einen Moment bevor sie erwiderte. „Ihr seid eine der einflussreichsten Größen in diesen Landen. Und ihr müsst über etwas Besonderes verfügen, da Mithras euch in seinen engsten Kreis gebeten hat.“ Sie lehnte sich ein wenig weiter nach vorn. „Allerdings…“ Sie machte eine kurze Pause. „… gehöre ich für gewöhnlich nicht zu der Art von Kainiten, die sich nur mit den Schönen, Reichen und Mächtigen umgibt. Ich schätze Sterbliche und Unsterbliche für das, was sie tun mehr als für ihren bloßen Status.“
„Lord Mithras kommt aus einer anderen Ära. Einer Zeit, die weit hinter uns liegt und selbst für die Ältesten wenig mehr als Legende und Mythos ist und lange bevor mein Clan und seine Fähigkeiten bei unseren Brüdern und Schwestern in Ungnade gefallen sind. Er hört uns zu und beschützt uns und im Gegenzug stehe ich ihm mit allem Rat, aller Weisheit und aller Wahrheit zu Seite, die ich aufbringen kann.“ Noch während sie sprach war aber schließlich ehrliches Interesse in die Züge der Rothaarigen getreten. „Ich habe eine Frage, eine von der ich hoffe, dass ihr sie mir beantworten wollt. Wie sind jene, die ihr als reich und mächtig wahrnehmt eurer Meinung nach zu ihrem Status gekommen?“
Ein leichtes Schmunzeln zuckte um die Mundwinkel der blonden Händlerin. „Diese Antwort vermag ich euch nicht zu geben. Die Antworten darauf sind so vielseitig wie die Persönlichkeiten von denen wir sprechen. Ich hatte nur in all der Zeit, die ich nun schon auf dieser Erde wandeln darf das Glück zu sehen, dass Mut und Tapferkeit, Stärke, Intelligenz, Würde oder auch Zufriedenheit nicht unbedingt in Zusammenhang mit Macht und Geld stehen.“ Sie blickte die Malkavianerin kurz direkt an. „In Flandern gibt es einige vorzügliche Kainiten und eines meiner Ziele ist es, dazu bei zu tragen, dass vielleicht Freundschaft zwischen den Unsterblichen meiner Heimat und denjenigen hier entsteht.“
Auch Seren schmunzelte. „So? Freundschaft also? Ein kurioser Zeitpunkt für ein solches Unterfangen, wo eure Heimat doch kurz vor einem hausgemachten Krieg steht, oder irre ich mich bezüglich der Details?“
Alida schüttelte zustimmend mit dem Kopf. „Nein, ihr irrt euch nicht und seid gut informiert. Es ist ausgesprochen bedauerlich: Flandern wird von einer Frau regiert, in direkter Erbfolge steht ihre Schwester. Doch anstatt die Möglichkeit zu nutzen zu beweisen, dass auch Frauen dazu in der Lage sein können ein Land zu verwalten und zu organisieren, treiben die beiden Schwestern die Fürsten und damit die Bevölkerung gegeneinander auf, was uns möglicherweise einen Bürgerkrieg bescheren mag. Ich hoffe auf die Einsicht der beiden und Frieden… Blut sollte schließlich dicker als Wasser sein.“ Sie seufzte.
„Bedauerlich und doch ist es mehr als verständlich, dass ihr in so einer dunklen Stunde auf der Suche nach Verbündeten seid, oder zumindest sichergehen wollt, dass niemand einen solchen Moment der Schwäche ausnutzt.“ Sie nickte als wolle sie ihre eigenen Worte bekräftigen. „Wisst ihr was, das könnte sogar funktionieren.“ Sie lachte schallend hell auf und klatschte urplötzlich in die Hände. „Wie aufregend. Ein Drache kämpft für seine Heimat und das hier so weit weg vom Omenkrieg und dem Osten. In welchen Zeiten wir doch leben.“ Die Aufregung verschwand so schnell wie sie gekommen war, während die Malkavianerin wieder ernster wurde. „Also dann überzeugt mich. Warum wäre es gut Flandern zum Freund und nicht zum Feind zu haben? Ich bin wirklich neugierig.“
Die Dame kam zur Sache, das musste man ihr lassen. „Ihr meint allein aus politischer Sicht? Wenn man außen vorlässt, dass es dort vorzügliche Charaktere gibt, die Freundschaft Verbundenheit mehr als wert sind? Nun ja… Es gibt wohl nicht viel, das ich aufzählen könnte, was eine Frau wie ihr nicht ebenfalls weiß: Flandern verfügt über exzellente Handwerker, Gelehrte und fähige Bauern. Die Städte werden überdurchschnittlich gut versorgt und florieren, was dem Vermögen und dem Handel sowie den Einwohnern selbst zugute kommt. Adelige, Ritter und Soldaten waren in all den Jahren, obwohl nur Bewohner einer Grafschaft, fähig genug den anderen großen Reichen die Stirn zu bieten.“ Sie überlegte, ob sie ihre Aufzählung fortsetzen sollte, entschied sich dann aber dagegen. Sie faltete die Hände ineinander und presste die Daumen aneinander. „Das Hauptargument jedoch mag Folgendes sein: Flandern ist, wenn auch nicht so mächtig wie die Lehen des Schwarzen Kreuzes, die Höfe der Liebe oder Mithras Reich, doch reich und nicht ohne Einfluss. Derzeit hält sich die Macht in den Reichen im Gleichgewicht. Flandern jedoch, wäre, würde man es in die Waagschale legen, ein Zankapfel, der mehr als einen kleinen Bürgerkrieg bedeuten würde. Wer immer auch Flandern erobern würde, hätte zusätzlich zu Geld und Einfluss, zwei große, mächtige Erzfeinde am Hals, die danach gieren würden, Flandern wieder aus der Herrschaft des anderen zu entreißen.“
Seren hing an Alidas Lippen und entpuppte sich als geduldige und aufmerksame Zuhörerin. Sie ließ der blonden Händlerin alle Zeit ihre Ausführungen zu Ende zu bringen. „Überzeugend und auf den Punkt.“ Seren sprang auf und hüpfte auf den Scherben hin und her wie ein Kind. „Ihr müsst gut sein als Händlerin, wenn ihr so alle eure Waren anpreist. Doch eine Frage habe ich noch. Wäre es nicht besser den Zankapfel zu zerstören? Dann und nur dann würde man wirklich sichergehen, dass dieser Preis nicht den falschen Leuten in die Hände fallen könnte.“
Alida zuckte mit den Schultern und versuchte bei der vermeintlich neutralen Frage nicht zusammen zu zucken. „Das wäre durchaus eine Möglichkeit. Aber eine ausgesprochen kostspielige, die wohl fast alle Ressourcen eines Landes und unglaubliche Mengen an Soldatenleben fordern würde. Nicht zu vergessen, die anderen großen Reiche, die sich plötzlich als rettenden Verbündeten sehen wollen um später ihren Teil des Brockens sichern zu können. Aber um es einfach und praktisch zu sehen: Von einer Freundschaft mit Flandern profitieren alle in annähernd gleichem Maße. Da sind Waren, Ressourcen, Nahrungsmittel und Wissen zu nennen, die wir beim Handeln unseren Verbündeten zu mehr als günstigen Bedingungen zur Verfügung stellen können. Warum sollte man auf Tuch für seine Truppen, Nahrung für seine Bevölkerung verzichten, wenn man sie gut und günstig erhalten kann?“
„Wie inbrünstig und eloquent ihr doch eure Position vertreten könnt.“ Seren setzte sich wieder auf ihren Stuhl und schaute Alida lange an. „Ich wäre bereit euch bei eurer Vision von Freundschaft und Kooperation zu unterstützen, wenn ihr euch als ehrlich erweisen solltet.“ Die Malkavianerin lehnte sich zurück und drehte sich eine ihrer roter Locken um den Zeigefinger. „Einen Verbündeten gewinnen ist doch der Grund wieso ihr hier seid, oder etwa nicht? Schließlich würdet ihr sonst nicht eure kostbare Zeit mit einem Höflichkeitsbesuch hier verschwenden.“
Alida überlegte und nickte dann. „Flandern mag im ersten Moment klein und unbedeutend erscheinen, aber ich bin mir sicher, dass die Freundschaft mit uns sich für alle Beteiligten sowohl auf kainitischer als auch weltlicher Ebene für alle Beteiligten als mehr als lohnenswert erachtet werden kann.“
„Ihr werdet meinen Preis mehr als fair empfinden, schließlich kann ich euch nicht versprechen, dass meine Fürsprache viel auszurichten mag.“ Sie lehnte sich vor und schaute Alida direkt in die Augen. „Ich möchte von euch erfahren, was ihr über Andomar von Dünnkirchen wisst. Er war der malkavianische Prinz von Dünnkirchen und nach allem was ich erfahren habe, hattet ihr Kontakt mit ihm, wenn mich meine Quellen nicht getäuscht haben.“ Seren legte ihre bleichen Finger ineinander und wartete. Das Angebot lag auf dem Tisch.
Alida ließ ihre Erinnerungen zu den regenverhangenen Tagen in Dünkirchen wandern, die so viele Jahrzehnte vergangen waren. „Ich kann nicht viel mehr hinzufügen, als das, was den meisten Kainiten bekannt sein dürfte. Andomar war vor langem ein Verbündeter des kainitischen Urvaters von Brügge, Valerius. Er sah vor einigen Jahrzehnten eine Bedrohung in der damaligen Führungsriege von England, Flandern und Frankreich und versuchte die einzelnen Parteien gegeneinander auszuspielen. Als er damit nicht in entsprechendem Maße vorankam, setzte er auf die Kräfte des Irrsinns. Das führte nach heftigen Kämpfen zu seiner Vernichtung und derjenigen von vielen anderen Kainiten. Er war ein Meister im Kampf mit dem Morgenstern…“
Seren horchte begierig. „Ja, ja der Morgenstern...“ sie schien sich in ihren eigenen Gedanken zu verlieren und brauchte mehrere Minuten sich wieder zu sammeln. Schließlich flüsterte sie fast. „Sonst wisst ihr nichts über ihn zu berichten, nein? Ihr müsst nämlich wissen: Andomar war eine starke Stimme in unserem Chorus. Es war ein Tag der Trauer, als die seine für immer verlosch.“
Alida sah zu der rothaarigen Frau hinüber. „War er ein guter Freund von euch?“
„Er war mein Mentor. Vor einigen Jahrhunderten hat er sich meiner angenommen, auch wenn sich unsere Wege schon vor langer Zeit in der echten Welt trennten.“
„Dann muss euch sein Verlust hart getroffen haben. Es tut mir leid um eure Freundschaft.“ In ihrer Stimme schwang Anteilnahme mit.
„Habt ihr ihn den selbst kennengelernt? Sein Geist war stark belastet unter all dem Wissen und die Wahrheit in seinen letzten Jahren.“ Serens Stimme hatte etwas an Melancholie gewonnen, während sie in Erinnerungen schwelgte.
Alida seufzte und nickte dann zögernd. „Ich war eine der Kainitinnen, die bei dem Treffen anwesend war. Ich glaube, wir sollten helfen, zwischen England und Frankreich zu vermitteln… Das ist alles schon lange her. Als heraus kam, dass Andomar derjenige war, der versuchte mittels Irrsinn die Parteien komplett zu entzweien, war auch ich mit dabei ihn aufzuhalten und gegen ihn zu kämpfen.“
Ein Lächeln, welches der Malkavianerin etwa katzenhaftes verlieh umspielte die Lippen der toten Frau. „Ich weiß.“
Alida blinzelte überrascht. „Ihr kennt Andomar viel besser als ich. Es gibt nichts, was ich euch erzählen könnte, was ihr nicht schon wüsstet. Warum stellt ihr mir diese Frage als Bedingung für eure Hilfe?“