So 8. Nov 2015, 19:51
Kapitel 7: Der Fürst ist tot, lang lebe der Fürst. (1037) - 1.TeilZum ersten Mal in seinem Leben war Otto von Lothringen völlig sprach – und fassungslos. Als sein Sohn vor etlichen Jahren geboren wurde, da war er vor Glück sprachlos. Als sein zweitgeborener Sohn plötzlich und unerwartet in der Obhut des Pater Sebastians starb, da war er traurig gewesen und als er aus dem Krieg wiederkam, da war er von dem was er alles gesehen hatte, einfach nur fassunglos gewesen.
Nun mit dieser Wahrheit konfrontiert zu werden, die er mit seinen eigenen Augen sah, als er sich verkleidet in seinem eigenen Kerker, in seinem eigenen Schloss(!!!) mit dem bisherigen besten Freund seines Sohnes bewegte. Dort lag sie, schlafend, erschöpft, ihr Gesicht komplett verdreckt, ihr Haar versteckt unter einem verußten Lappen. Er hatte sie trotz ihrer heutigen Gestalt sofort wiedererkannt. Aurora von Hausen, das Mädchen, das ihm als kleines Kind mit ihrer Stimme bezaubert hat. Der Name, der seit einiger Zeit mit einem Lied verbunden wurde. Er dachte zunächst an einen Zufall, als ein Minnesänger vor kurzem mit diesem Lied in seiner Halle auftrat. Fassungslos musste er sich eingestehen, dass Dietrich, sein eigener Sohn dies alles zu verantworten hatte, nein, eigentlich war es allein seine Schuld. Er hatte versagt und ein Monster erschaffen.
„Rufe meinen Sohn, SOFORT!“
Dietrich von Lothringen wusste bereits warum er zu seinem Vater gerufen wurde. Sein Meister hatte ihn bezüglich Markus, seinem ehemaligen Freund gewarnt. Ein elender Feigling war aus ihm geworden, rannte mal eben so zu Otto und brach den Schwur, den er allen abgenommen hatte. Dabei hatte er doch auch seinen Spaß mit der Hure von Hausen gehabt, oder etwa nicht? Was war aus ihm geworden? Jetzt wollte Matthias doch tatsächlich Mönch werden und für seine Taten sündigen. Nun sein Meister wollte sich darum kümmern, immerhin könnte Markus so noch zu etwas nütze sein und wenn er nur noch dafür diente dem Meister all sein Blut zu geben und sein erbärmliches Leben auszuhauchen.
Bewusst langsam setzte sich der Erbe des Reiches in Bewegung. Er kannte seinen Vater. Gewiss würde dies keine öffentliche Sitzung sein, denn das würde ja bedeuten, das sein Reich Gefahr liefe zu verfallen, wenn er seinen einzigen männlichen Erben öffentlich demütigte. Das Blut in seinen Adern begann gefährlich zu pulsieren, je näher er sich seinem Ziel wähnte. Nützlich war das Blut seines Meisters, es verlieh ihm unglaubliche Kraft und er gedachte sie heute einzusetzen. Zu lange hatte er die Füße still halten müssen. Zu lange wollte sein Meister noch warten. Doch heute hatten ihm die Sterne das Zeichen für den Start einer neuen Ära gegeben: Seiner! Es war nun Zeit sein Erbe anzutreten.
Die Glocken ertönten im ganzen Lande Otto von Lothringens. Lange Zeit wollten sie nicht verstummen und wo die Menschen sie hörten, nahmen sie ihre Mützen, ihre Felle vom Kopf um ehrfürchtig ihres toten Herren zu gedenken und mit düsteren Mienen in eine dunklere Zukunft zu schauen. Otto von Lothringen war tot, gestorben bei einem tragischen Unfall, bei dem er seine Frau mit in den Tod gerissen hatte. Die herbeigerufenen Heiler und Bader konnten nur noch seinen Tod bestätigen und die Räder begannen sich zu drehen.
Friedlich aufgebahrt neben seiner Ehefrau lag Otto, auf seinem Totenbett während verschiedene Menschen aller Art an ihm vorbeigingen, das Kreuz schlugen oder wie die anwesenden Mönche und der anwesende Bischof Gebete sprachen. Dietrich hatte sich nach dem offiziellen Bekanntwerden des Todes seines Vaters offiziell zum Trauern in seine Kammer zurückgezogen. Nun trat er, ganz in schwarze Gewänder gehüllt heraus und leistete stumm für die Außenwelt den Dienst an seinem Vater, bemüht kein Lachen und Lächeln über seine Lippen kommen zu lassen, ohne dabei zu ahnen, dass seine Fassade längst durchschaut worden war…
Georg der Ältere stand in der Reihe bei seinen Brüdern, betend für die Seele des guten, verstorbenen Herrschers Otto von Lothringen, auf das seine Seele in Gottes Reich aufgenommen werde. Vor ihm stand der Erbe und jetzige Fürst Dietrich von Lothringen, leicht gebeugt vor dem toten Körper seines Vaters. Sein Gespür hatte ihn nicht getäuscht und die Leichtigkeit mit der er in den Kopf des jungen Fürsten eindrang ließ ihn stutzig werden. Georg war nie ein Schnüffler gewesen. Seit er diese Kraft immer weiter ausgebaut hatte, war seine Bestrebung immer nur gewesen das gute im Menschen zu sehen und ihnen zu helfen ihre guten Gedanken weiter fortzuführen und sie dabei zu ermutigen. Doch die Bilder Dietrichs, die er gerade in jenem Augenblick am Totenbett seines Vaters dachte waren voller Grausamkeit und Sadismus. Er wechselte in Gedanken vom Mord an seinem Vater und seiner Mutter hin zu seiner baldigen Zukunft, wie er wieder in den Kerker stieg und die Hure von Hausen wieder und wieder nehmen würde, bis sie vor Schmerzen ohnmächig würde. Das Bild der von schmerz gepeinigten und verdreckten Aurora erschütterte Georg tief in seine Seele und er schloss sie in seine Gebete mit ein.
Endlich, endlich war seine offizielle Zeit vorrüber, er konnte es kaum noch erwarten seine Geschenke zu erhalten und in den Kerker zu steigen. „Theodor, ich bin für niemanden heute Nacht mehr zu sprechen, sorge dafür das ich nicht gestört werde und…“ Dietrich grinste sadistisch seinen Freund und neuen Hauptmann der Wache an und gab ihm einen Beutel voller klingender Münzen in die Hand. „…falls du Schreie hörst, dann pfeift der Wind mal wieder sehr stark durch das alte Gemäuer des Kerkers.“ Mit einem Lied auf den Lippen stieg Dietrich hinab, sein Meister erwartete ihn erst später zum Bericht. Er hörte das Vertraute Geräusch des tropfenden Wassers nach Regenfällen hinab in die Katakomben, liebte den Klang des Echos seiner Schritte, so konnte sie ihn kommen hören. Ihr Verderben war gleich bei ihr. Nur ein Schritt und…Dietrich bog um die Ecke doch die Zelle von Aurora…sie war leer?!
Zuletzt geändert von Lilliana am Sa 27. Mai 2017, 13:37, insgesamt 2-mal geändert.