Di 31. Mär 2015, 09:02
27.11.1211
Alida schritt durch die Ratskammer des Belfrieds und strich mit ihrer Hand kurz über die glatte Oberfläche des Stuhls an dem sie eben vorbeiging. Das Holz war dunkel und ebenso eben wie edel. Alida erinnerte sich noch wie ein Schiff das kostbare Material von einem Handelszug mitbrachte, der Waren aus dem fernen Afrika nach Brügge schiffte. Ein unregelmäßiger Nachschub sowie der hohe Preis sorgten bis jetzt noch dafür, dass der Handel mit diesem Holz weder gewinnbringende noch regelmäßige Formen hier im Norden Europas annehmen konnte, allerdings hatte sie damals genügend von dem Material auf Lager gehabt um zu beschließen dem Ratssaal eine neue Einrichtung zu schenken. Alida musste kurz seufzen, denn zum Zeitpunkt als diese Möbel entstanden, war alles irgendwie sehr viel einfacher. Der gewaltige Tisch war rund in seiner Mitte war das Stadtwappen von Brügge eingearbeitet worden. Dabei sorgten die Farben verschiedenster Hölzer wie Eiche, Kirsche, Birke und vieler weitere für die entsprechenden Farbkontraste. Die fünf größten Stühle die um die Tafel standen, waren aber der eigentliche Blickfang, denn obwohl sie nicht direkt prunkvoll waren, waren sie doch alle besonders und standen zwischen den kleineren Sitzgelegenheiten hervor, die in gleichem Abstand zwischen diesen standen.
Lucien nämlich, hatte jeden einzelnen dieser Stühle selbst angefertigt ebenso wie den gewaltigen Tisch, alles in einer unendlichen Geduld und Detailgetreue die wohl in dieser Form nur ein Unsterblicher aufbringen konnte wie man zum Beispiel an den Rosen sehen konnte die sich um Liliana Stuhl schlingen und auf denen selbst kleine Tautropfen, nachgemacht aus Bergkristallsplittern, glitzerten. Er hatte jedes einzelne der Ratsmitglieder befragt und die persönlichen Symbole und Vorlieben der einzelnen Kainiten im Holz verewigt. Die Tzimisce ging einen Schritt weiter und atmete einmal tief ein obwohl sie das eigentlich mehr musste. Es war ein purer Reflex gewesen. Auf dem Stuhl an dem Sie nun vorbeikam, lag eine dicke Staubschicht und man konnte nur noch mit Mühe die altnordischen Runen und Heilpflanzen wie Minze, Kamille und Eisenkraut erkennen die ebenso perfekt ins Holz geritzt waren wie die Blüten auf Lilianas Sitz. Auf der Lehne wiederum war ein Gott der Wikinger dargestellt, den Alida allerdings nicht kannte. Sie wischte kurz über die Augen der hölzernen Gottheit, was den Blick auf zwei gelbe Steine freigab die in die Augen eingelassen waren. Man könnte sie auf den ersten Blick für Bernsteine halten, aber Alida wusste das es sich hier um Citrine handelte, ein Edelstein der in Spanien und Russland geschürft wurde und manchmal auch wegen seiner Farbe und Klarheit 'Sonnenstein' genannt wurde. Vielleicht war es an der Zeit den Stuhl zu entfernen, denn bis jetzt hatte sich noch niemand darum gekümmert. Der Gedanke drängte sich ihr im Stillen auf, schließlich waren inzwischen über 10 Jahre vergangen, seitdem das letzte Mal jemand auf diesem Stuhl saß und selbst bei Ratssitzungen mit externen Gästen schien der Stuhl gemieden zu werden, als wäre er verhext.
Alida drehte sich um, um durch das bunte Fenster aus Butzenglas auf das nächtliche Brügge zu schauen. Die Stadt mit der sie so viel enger verbunden war, als es jemand der nicht ihrem Clan angehörte je verstehen könnte. Erste Schneeflocken fielen vom Himmel, der Winter kam dieses Jahr spät, denn auf den Kanälen begann sich erst so langsam eine dünne Eisschicht zu bilden auf der die Kinder der Stadt ob reich oder arm in wenigen Wochen schlittern würden um Spaß haben und damit die Stadt mit ihrem Gelächter zu erfüllen. Brügge ging es gut und sie würde den Winter wohl ohne große Problem überstehen, aber das lag auch daran das sich die meisten sicher waren, dass er dieses Jahr nicht sonderlich streng ausfallen würde. Das war gut denn ein Winter wie er vor inzwischen über 10 Jahren geschah, könnte die Entwicklung einer Stadt um Jahre zurückwerfen. Der Platz innerhalb der Stadtmauern wurde inzwischen knapper und auch teurer – ihr Anwesen insbesondere mit all den Wirtschaftsgebäuden und ihrem geliebten Apfelgarten war inzwischen aufgrund der schieren Größe um so vieles wertvoller als noch vor ein paar Jahrzehnten. Der Reichtum und die Sicherheit der Stadt zogen eben viele Leute an, die ihr Glück hier versuchen wollten, damit allerdings gar nicht einmal so selten scheiterten.
Nun denn, Alida wandte sich wieder dem Ratssaal zu und entschied für sich, dass hier alles in Ordnung war. Sie hatte sich nur vergewissern wollen, da sie seit einiger Zeit das einzige Ratsmitglied hier in Brügge war und es auch noch mindestens die eine oder andere Woche sein würde. Liliana war wie so oft in letzter Zeit in Brüssel unterwegs, während Gerrit in den Höfen der Liebe zugegen war und diese Termine auch nicht ins neue Jahr verschieben konnte oder wollte. Lucien wiederum war irgendwo unterwegs, wahrscheinlich ohne ein genaues Ziel haben zu wollen sondern lediglich um ein wenig Zeit für sich in der Wildnis zu haben. Es sei ihm gegönnt dachte sie sich, denn die letzten Wochen waren hart für den Hauptmann gewesen. Alida nahm sich ihre Laterne, ein letzter gang stand heute noch aus. Sie wollte sich später mit Frederik treffen, denn es gab noch das eine oder andere was auch sie ihm beibringen konnte, nun da er ein Kainit war aber das Geschäft ließ sie heute noch nicht ganz los. Sie hatte versprochen noch nach der Ladung einer kleinen Kogge zu sehen, die heute Nacht angekommen war. Sie war reichlich verspätet, doch Stürme auf der Ostsee hatten ihren Kurs aufgehalten. Das Schiff war mit Waren aus dem Baltikum beladen, vorranging Pelze von denen sie hoffte diese im jetzigen Winter zu einem hohen Preis verkaufen zu können, allerdings gab es auch noch ein paar andere Dinge wie den starken Schnapps den man im Norden trank, sowie etwas Bernstein und ein paar Kisten hochwertiges Eisenerz. Ja diesen einen Gang musste sie heute noch erledigen bevor sie nach Hause gehen konnte, denn jeder andere der die Ladung abnehmen konnte, war bereits im Bett und zumindest die Pelze sollten morgen früh bereits mit einer Karawane in Richtung Frankreichs geschickt werden um nicht noch mehr Zeit vor dem Winter zu verlieren…
Alida warf noch einen letzen Blick über die Dächer der Stadt, die hohen Kirchtürme, die dunklen Gassen und hell erleuchteten Straßen. Dann stieg sie die Treppe hinunter und ging zu den Stallungen wo die ihr graues Pferd angebunden hatte. Sie pfiff nach ihrem Hund Cato, der angespannt am Eingang des Gebäudes wartete und hechelnd auf sie zutrabte. Frederik hatte ihr damals geraten, das riesenhafte Tier so zu nennen. Warum hatte sie ihn nie gefragt.
Sie schwang sich in den Sattel und ließ ihr Pferd auf den belebteren Straßen durch die Nacht traben. Draußen war es kalt und desto eher die zu Hause in der warmen Wohnstube sitzen konnte umso besser. Sie näherte sich dem Hafenviertel.
Alida führte ihr Pferd durch die inzwischen gut gepflasterten Straße von Brügge. Das hatte den unschlagbaren Vorteil, dass man sich Kleidung und Schuhe nicht bei jedem Regenschauer, den es hier in Flandern doch häufiger gab einsaute. Alidas riesiger Hund Cato konnte problemlos mit ihrem Pferd mithalten und folgte ihr treu. Die schiere Präsenz des riesigen Tieres half ungebeten Besuch des Nachts von sich fern zu halten. Die Tzimisce erreichte die Unterstadt. Früher gab es hier nur windschiefe Hütten und strohgedeckte Lehmkaten. Diese wurden jedoch inzwischen abgerissen und durch die sauberen Häuser von Händlern und Kaufleuten des nahen Händlerviertels ersetzt, dass inzwischen aus fast allen Nähten platze. Alida kam neben einer Lagerhalle zu stehen, Diese Lagerhalle gehörte ihrer Familie schon seit Jahrzehnten und links und rechts wurden weitere Lagermöglichkeiten für Waren aus aller Welt gebaut. Sie mache ihr Pferd fest und ging in das Gebäude welches mehr schlecht als recht von einer kleinen Laterne erhellt wurde, aber genug Licht bot um die Warenliste der Kogge "Eisbär" einzusehen.
Cato setzte sich neben sie auf den gestampften Lehmboden und wartete. Auf einem Fass fand sie die entsprechenden Listen und sie hatte Jahrzehntelanger Übung einen schnellen Überblick über die Waren. Die acht Kisten Pelze waren da und stichprobenartig überprüfte sie die Qualität. Genauso fand sie die 8 Kisten Eisenerz und 4 Fässer Schnaps. Nur beim Bernstein musste sie nachzählen - es handelte sich lediglich um ein Säckchen voll.
Alida kaute kurz an ihrer Unterlippe. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass einer ihrer Leute die Steine mitgehen gelassen hatte. Die Arbeiter wussten, dass immer nachgeschaut wurde ob die Löschung der Waren erfolgreich verlaufen war und auf Diebstahl drohte die sofortige Entlassung. Vielleicht waren die Steine wo anders? Oder es gab einen guten Grund warum sie nicht mehr da waren. Sie sah sich noch einmal genauer um und würde ihrem „Onkel“ Christian morgen Bericht erstatten. Dann konnte er sich erkundigen warum die Ware fehlte und falls nötig die entsprechenden Schritte einlenken. Jetzt war niemand mehr da den sie fragen konnte. Noch während Alida darüber nachdachte welche Schritte sie heute Nacht einleiten wollte wurde ihr bewusst, dass Cato unruhig wurde und begann hin und her zu laufen. Er schnüffelte und schließlich begann er zu bellen während er vor einem großen Fass mit Getreide stand, dass nicht zum Verzehr sondern zur Aussaat im nächsten Jahr vorgesehen war.
Alida betrachtete den Hund nachdenklich. Dann machte sie sich auf das Fass zu öffnen und vorsichtig hinein zu spähen. Alida bemerkte sofort, dass der Deckel des Fasses nicht mehr fest darauf saß und noch bevor sie ins Fass schauen konnte sprang eine Frau aus dem Fass über und über bedeckt mit Weizenkörnern .Ihre Kleidung war recht schäbig und sie musste etwa Mitte bis ende 20 sein sah aber älter und verlebter aus. Sie zückte einen kleinen Dolch ließ diesen allerdings sofort fallen, als Cato begann bedrohlich zu knurren. Alida zog das Schwert an ihrer Seite und hielt es leicht gesenkt vor sich. Die Situation erschien ihr so unwirklich, dass sie fast lachen musste. „Ähm… Guten Abend. Es freut mich, dass wir euch in unserem gemütlichen Weizenfass beherbergen dürfen. Und ihr seid?“ An der Art und Weise wie die Kleidung der Frau geschnitten war bzw. auch den Gelben Bändern die teilweise daran festgemacht waren konnte Alida erkennen, dass es sich bei der Frau um eine Prostituierte handeln musste.
Die Frau war überrascht, schaffte es aber innerhalb von ein paar Sekunden ihre Haltung wiederzuerlangen und klopfte sich den Weizenstaub vom Kleid bevor sie auf die Frage antwortete. "Mein Name ist Juliana. Ich muss mich wohl verirrt haben...Ich werde mich gleich wieder los machen - ich hoffe eure riesige Bestie hier wird mich nicht zerfleischen?" Die blonde Händlerin verkniff sich mit Mühe ein Lachen. „Ihr könnt gern gleich wieder los. Aber vielleicht wollt ihr mir kurz erklären was ihr bei uns im Lagerschuppen macht, wer euch die Tür geöffnet hat und ob ihr zufälligerweise so freundlich gewesen seid die Bernsteine aufzuheben, die verloren gegangen sind?“ Die Frau atmete kurz durch und entspannte sich auch wenn ihr Gesichtsausdruck resigniert wirkte.
"Ich bin zufällig hier reingekommen, weil ich dachte, dass... Ach was soll’s - ich hab… einer der Hafenarbeiter hat seinen Verdienst ins Bordell getragen und mir beim Akt erzählt welch schöne Dinge er von seiner letzten Fahrt mitgebracht hat - das typische bla bla bla der Männer eben, was sie sofort vergessen wenn sie ihre Bedürfnisse erfüllt haben." Sie seufzte. Nun ich dachte ich schaue mir die Sachen mal selber an...und ja dabei fand ich diese Steine auf dem Boden...ich wusste nicht das sie wertvoll sind..." Sie warf Alida eine kleine Tasche zu in der sich die Bernsteine befanden. Sie konnte sehen, dass noch einmal etwa die Hälfte fehlte. Sie schwenkte den Beutel in der Hand und seufzte. „Okay. Wenn ihr mir jetzt noch helft den Rest der Steine in den nächsten fünf Minuten zu finden dann vergess’ ich, dass ihr bei uns im Getreidefass übernachten wolltet und informiere nicht die Stadtwache. Seid ihr als ihr hier bei uns eingekehrt seid zufälligerweise auf aufgebrochene Türen oder Fenster gestoßen von denen ich morgen unseren Handwerkern berichten sollte? Seid ihr von den Mädchen aus (name des Bordells von Leif/ Gerrit bitte einfügen)? Ich dachte die Bezahlung wär da gar nicht so schlecht. Na ja… zumindest gut genug um nicht in Getreidefässern übernachten zu müssen.“ Sie versuchte ein Lächeln.
Sie seufzte noch einmal tiefer und griff dann in ihren Schuh um eine weitere handvoll Bernsteine daraus hervorzufischen. Damit war der Inhalt des Beutels wieder komplett. Sie schaute dich wirklich lange an schüttelte dann einmal kurz den Kopf warf dir einen Schlüssel für das Tor zu und sprach dann leise. "Ein einfacher Matrose wird sich niemals im (name des Bordells von Leif/ Gerrit bitte einfügen
) vergnügen. Das ist nur was für die die wirklich Geld haben. Aber was stört es euch, nicht wahr? Ein paar Goldstücke mehr und mehr und immer mehr...ihr werdet immer reicher während wir immer ärmer werden. Es ist ja nur noch eine Frage der Zeit bis ihr uns aus eurer feinen Stadt werft, wenn wir nicht mehr ins Bild passen weil wir uns keine Silberschnallen an den Schuhen leisten können. "Die Frau machte sich schließlich auf den Weg nach draußen adressierte dann aber noch einmal Alida. „Habt dank, dass ihr nichts der Stadtwache verratet - sie würden schlimmere Dinge mit mir anstellen, als ihr oder irgendeine Frau sich je vorstellen sollte." Wieder seufzte Alida. „Danke für die netten unterschwelligen Vorwürfe, Julianna. Es tut mir leid, wenn ich dich enttäuschen muss, aber ich kann mich leider nicht um jeden einzelnen Bewohner von Brügge kümmern, aber ich geb’ dann und wann wenn ich mal nicht meine Silberschnallen an den Schuhen poliere mein bestes.“ Falls du noch über andere Fertigkeiten verfügst außer Männer glücklich zu machen und wundersame Geldvermehrung dann kann ich mich mal umhören ob wir vielleicht was für dich finden können.“
"Ihr versteht das Problem nicht, aber das ist weder mein Begehr noch habe ich es erwartet. Es geht nicht um mich oder um die ein oder zwei anderen die von den Almosen derer leben die Geld und Einfluss haben. Wir werden aus unseren Häusern geworfen weil ihr Platz für neue braucht und wenn wir uns versuchen zu beschweren lacht man nur über uns in eurem feinen Ratssaal. In den Slums vor der Stadt geschieht täglich Mord und Totschlag für einen Kanten Brot aber die Stadtwache schafft es immer diesen Teil der Stadt zu umgehen weil es wie sie sagen, ja technisch nicht mehr zur Stadt gehört. Ihr mögt euch alle Händler Patrizier und Kaufmänner nennen, Bürger von Brügge aber ihr seit auch nicht anders als die Aristokraten - wenigstens haben uns die Aristokraten nicht die Illusion gegeben, dass Dinge anders sein können und diese Hoffnung dann vor unseren Augen zu zerschmettern. Diese sogenannte 'Chancengleichheit' und Möglichkeit sich mit harter Arbeit Wohlstand zu erarbeiten ist der größte Witz dieses noch jungen Jahrhunderts. Fragt mal wie viel ich arbeite - ich mache Tag UND Nacht die Beine breit und stehe trotzdem am Ende jeden Monats vor dem Nichts." Sie schaute von dir weg und ging dann in Richtung Tür. "Es tut mir Leid. ich wollte euch nicht verbal angreifen. Es ist nicht eure Schuld und ihr seid auch nur ein Rad in diesem Getriebe. Gute Nacht Händlerin."
Wie sie es liebte für die Probleme der ganzen Welt verantwortlich gemacht zu werden. Immer das gleiche. Sie war wütend. Die junge Frau brach bei ihr ein, stahl fremdes Eigentum und besaß obendrein noch die Dreistigkeit sie zu beschimpfen. Da fühlte man sich doch für den Rest des Abends gleich besser. Sie setzte sich auf das Getreidefass und sah nachdenklich der Frau hinterher. Das einzige, das sie tun konnte war mit Lucien zu reden um die Stadtwache anzuhalten häufiger in den Armenvierteln zu patrouillieren. Sie konnte das Problem der steigenden Grundstückspreise mal ansprechen, versprach sich davon jedoch nicht viele Handlungsmöglichkeiten. Die Stadt wuchs, das machte den Kern attraktiver. Die Ärmeren wichen für gewöhnlich in die Gebiete außerhalb der Stadtmauer aus… Sie saß wohl noch eine halbe Stunde so da und grübelte.
es wurde schnell wieder ruhig und irgendwann merkte Alida, dass sie noch immer die Bernsteine in der Hand hatte. Als sie diese in den Beutel zu den anderen tun wollte, sah sie etwas. Einer der Steine war kein Bernstein sondern ein Citrin wie sie ihn heute schon gesehen hatte. Dieser Edelstein war bei weitem wertvoller als normaler Bernstein und irgendwie untermalte der Anblick ihrer Handfläche die Worte der Prostituierten gerade ein wenig. Alida griff zu einer Waage und wog die Steine. Es schien alles zu stimmen. Es gab eine kleine Diskrepanz aber die Möglichkeiten des Wiegen im Mittelalter waren eben nicht ganz genau und es lagt immer noch im tolerierbaren Bereich.
Alida zuckte mit den Schultern. Anscheinend hatte sich der Händler aus dem Baltikum vertan. Sie legte die Steine zurück in den Beutel, nahm sich den Citrin heraus und packte ihn in die Tasche ihres Mantels. Einen Moment war sie am überlegen ob die Prostituierte vielleicht die wahre Besitzerin des Steins war. Alida hatte keine Lust das Eigentum einer armen Hafendirne zu beanspruchen aber auf der anderen Seite stand ihr auch nicht der Sinn danach durch die Straßen der Stadt zu wandeln um eine Prostituierte zu suchen, die ihr mit Sicherheit nicht den richtigen Namen genannt hatte. Julianna würde sich schon melden, wenn sie den Stein vermissen würde. Alida entschied sich dazu ihn mitnehmen. Im Gedenken an den Heiler, den sie scheinbar nie wirklich verstanden hatte. Die nächste Nacht brach an und Alidas Gutsverwalter Georg würde schon gebannt und aufgeregt darauf warten, dass sie aufwachte. Alida setzte sich neben Georg an den Küchentisch. Sie wusste, dass es anstrengend für ihn war länger zu stehen. Bei dem Gedanken musste sie den Kloß aus Schlechtem Gewissen hinunter schlucken der nach wie vor auf ihr lastete. Sie versuchte wie in jeder Nacht sich nichts anmerken zu lassen und lächelte. „Erzähl schon Georg. Was war los?“ Georg würde so schnell er eben konnte Alida bitten mit ihm in einen Kellerraum zu kommen. Er würde keine Fragen beantworten aber zeigen wie wichtig es ihm war. In dem Keller wurde normalerweise Pökelfleisch und Gemüse für den Winter gelagert aber da lag noch etwas anderes ein Paket? eingewickelt in graues Tuch, auf dem Stein auf dem sonst immer das Fleisch zerteilt wurde. Georg würde schließlich mit einem Ruck das Tuch wegziehen und darunter kam ein Kopf zum Vorschein.
Ein abgetrennter Kopf von der Prostituierten Julianna. Georg würde sich räuspern. "Sagt dir das irgendwas Alida?" Er war nervös "Der Kopf lag vor dem Tor - ich habe beschlossen ihn hier runterzubringen damit keine Panik ausbricht. Der Kutscher hat ihn gefunden. Alida schüttelte nur den Kopf. Sie begann zu zittern und hatte Mühe auf den Füßen zu bleiben. Sie zwang sich den Kopf noch ein Mal näher zu betrachten dann würgte sie und legte das Tuch wieder über das Gesicht. Sie schluckte hart. „Ich hab das Mädchen gestern bei uns im Lagerhaus erwischt als es einen halben Beutel Bernsteine klauen wollte. Sie hat mir leid getan und ich hab sie gehen lassen. Sie hat mir beim Rausgehen noch ein paar Vorwürfe gemacht, über die Ungerechtigkeiten unserer Welt aber ansonsten war alles unauffällig.“ Sie seufzte, dachte noch einmal scharf nach und zog dann den Citrin heraus. Bis auf die Tatsache, dass ich später einen Citrin statt einem Bernstein im Beutel gefunden habe.“ Wieder schüttelte sie voll Unglauben den Kopf. Georg wurde wieder nervös und schien in seiner Jackentasche zu wühlen. "Alida das hätte ich fast vergessen! Hier sah ich in ihrem Mund blitzen als ich sie hier unten hingelegt hatte." Er zeigte ihr einen gelben, klaren Stein. Ein Citrin. Einer der dem anderen gar nicht so unähnlich sah. Er schwitze und schluckte. "Glaubst du das hängt zusammen?" Alida konnte sich ein Gedanke aufdrängen so viel Citrine in so kurzer Zeit...konnte das ein Zufall sein?
Sie sog tief die kalte Kellerluft ein. Dann schritt sie näher an Georg heran und legte ihren Kopf auf die Schulter des alten Mannes. „Ach Georg…“ Sie blieb einfach so stehen und ließ die Sekunden verstreichen. Die folgenden Worte spie sie fast aus und ihre Stimme schwankte vor unterdrücktem Zorn. „Ich hab das alles so verdammt satt. Diese Intrigen und Spiele um Macht…“ Sie sah zu dem Bündel dann in die grauen Augen des alten Freundes und ihre Stimme wurde laut vor Wut. „Gottverdammt, Georg. Sie haben diese Frau geköpft um uns oder mir eine Warnung zu schicken! Geköpft! Sie war nur eine einfach Prostituierte und wer auch immer diese Leute sind: Sie ermorden eine Unschuldige um uns zu „warnen“. Ist die Vorstellung mancher Menschen nicht Wahnsinn? Ich wünschte sie würden alle für ihre Vergehen in der Hölle schmoren. Und ich verstehe, dass…“ Die folgenden Worte lagen ihr auf der Zunge, aber sie schluckte sie unter bevor Georg sie hören konnte. ‚… ich verstehe Emilians Wunsch sie alle in ihre persönliche Hölle schicken zu wollen!‘
Sie wandte sich ab und sah zu Boden. Sie fühlte sich uralt und erschöpft. Sowohl Georg als auch sie hatten ihre Zeit um ein vielfaches überschritten. Sie sah in das faltige Gesicht. „Danke, dass du da bist.“
Sie zog ihren Mantel enger um die Schultern. „Georg? Trommel Christian, Frederik und Marlene zusammen. Und wen du noch vertrauenswürdig hältst… Ich werde derweil Briefe an Lucien und Gerrit aufsetzen. Zum einen möchte ich schauen ob die Patrouillen in den Armenvierteln nicht verdoppelt werden können und ob die Stadtwache vielleicht noch irgendwas mitbekommen hat. Vielleicht hat Gerrit auch ein paar Informationen für mich. Und vielleicht können wir ein paar Leute drauf ansetzen herauszufinden, wer sich in letzter Zeit mit dem Handel mit Citrinen befasst hat.“ Sie wartete seine Antwort ab.
„Treffen wir uns in einer Stunde im alten Arbeitszimmer meines Bruders unterm Dach?“
Alida hörte schnelle Schritte die Kellertreppe heruntereilen und Alida konnte eine gut aussehende, schlanke junge Frau um die Ecke biegen sehen. Es war ihre Verwandte Marlene. Sie war zu einer schönen und klugen jungen Frau herangewachsen, der durch die Kontakte von Alidas Familie sowie dem materiellen Wohlstand alle Türen dieser Welt offen standen. Ihre Erscheinung wirkte ein wenig durcheinander, denn der geflochtene blonde Zopf hatte sich bereits an einigen Stellen aufgelöst, während kleine Schweißperlen auf der Stirn und die schnelle Atmung zeigten, dass sie gerannt sein musste. Auch wenn sie inzwischen erwachsen war, war sie doch im Herzen noch immer der Wirbelwind, dem Alida vor inzwischen über 10 Jahren das Bogenschießen beigebracht hatte und die sich des Nachts aus ihrem Bett gestohlen hatte.
„Alida da bist du ja! Du hast diese böse Überraschung also schon gesehen. “Das Mädchen, nein inzwischen die junge Frau musste kurz Luft holen bevor sie weitersprechen konnte. „…Puh aber da hört es noch nicht auf. Ich war gerade auf dem Weg zu Jean und als ich über den Markt lief war dort ein Aufruhr.“ Ihre Atmung normalisierte sich inzwischen wieder aber sie brauchte noch einmal eine kleine Pause. „Ich weiß auch was du sagen willst, Marlene geh nicht alleine in die Stadt, schon verstanden, aber darum geht es jetzt nicht. Was ich sagen wollte – in einem Kanal am Markt fand man eine kopflose Leiche, den einer Frau, einer Prostituierten ihrer Kleidung nach. Das kann kein Zufall sein, dass uns zum gleichen Zeitpunkt ein abgeschlagener Kopf für die Tür gelegt wird oder?“ Marlene klang besorgt aber nicht panisch, sondern reagierte genau richtig eines ihrer vielen Talente.
Marlene ging zu einem der Fässer und schöpfte sich einen Becher daraus, die sie in schnellen Schlucken trank. Sofort war der Raum von einem frischen fruchtigen Duft erfüllt, da es sich um einen schwachen Apfelwein handelte den sie gerade erst aus der letzten Ernte des Apfelgartens angesetzt hatten und der noch nicht völlig durchgegoren war. „Also Alida was sollen wir tun? Die Stimmung am Markt heizt sich gerade ganz schön auf. Sollen wir dem ganzen irgendwie nachgehen? Ansonsten könnten wir es vielleicht auch einfach aussitzen? Ich meine ich glaube nicht, dass irgendjemand das Ganze zu uns verfolgen könnte. Wenn du willst kann ich auch mal Jean fragen, ob er irgendetwas mitbekommen hat. Lucien ist zwar gerade nicht in der Stadt, aber sicher kann er uns auch weiterhelfen.“Bei dem letzten Satz musste Marlene, trotz der ernsten Situation unwillentlich grinsen und Alida konnte sich schon denken, dass ihre Verwandte nur zu gerne Jean aufsuchen würde.
Alida kaute auf ihrer Unterlippe. „Ich vermute, wenns einen Mord gegeben hat, wird Jean wahrscheinlich eh schon dort sein. Ich hab Georg gerade vorgeschlagen, dass wir uns in einer Stunde oben im alten Arbeitszimmer zusammen finden und besprechen sollten. Aber wir können auch in drei Stunden zusammen kommen.“ Sie blickte Marlene mit besorgtem Blick an und war froh das Tuch über den abgeschlagenen Kopf gelegt zu haben. „Sollen wir die Zeit bis dahin nutzen, zum Markt gehen und schauen ob wir was herausbekommen können?“